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Den Kontext erkennen und herstellen

Wissensmanagement » Diese Seite gehört zum Fachbuch Mediation in der Wiki-Abteilung Wissen. Sie befinden sich auf der Themenseite Kontext, die dem Kapitel Denken in der Rubrik Verstehen des 5. Buchabschnitts Methodik der Mediation zugeordnet wird.

Denken Prozess Kontext Kontextualisierung Zielvereinbarung Wegvereinbarung Strategie Dissonanz

Worum es geht: Die Leistungsfähigkeit des Gehirns stellt sich dadurch her, dass jede Wahrnehmung sofort in einen Kontext gestellt wird. Nicht immer ist es der richtige, sonst würden manche Lösungen anders und besser erkannt werden.

Es ist ein bekannter rhetorischer Kniff, Zitate aus dem Zusammenhang zu reißen, um Ihnen eine andere Bedeutung zu geben. Der Zusammenhang ist der Kontext. Wie sehr der Kontext unser Denken beeinflusst, zeigt sich auch an dem Rätsel im Beitrag Kreativität, wo 9 Punkte mit vier duchgehenden Linien zu verbinden waren. Die Lösung findet sich erst, wenn Sie den Bezugsrahmen verändern.

Der Kontext prägt das Denken

Wie wichtig der Kontext für unser Denken ist und wie er unser Denken beeinflusst, mag das folgende Beispiel verdeutlichen:

Beispiel 11961 - Stellen Sie sich ein außerordentlich kämpferisches Schachspiel vor. Es geht ums Ganze. Plötzlich macht der Gegner den wohlgemeinten Vorschlag: "Setz doch die Dame mal auf C7". Was wird der Gegenspieler tun? Wird er das Kooperationsangebot annehmen? Wird er den Vorschlag als solches überhaupt erkennen können?


Der gedankliche Kontext eines Null-Summen-Spiels ist auf eine Konfrontation ausgerichtet. Es passt nicht zur Konfrontation, wenn der Gegner sinnvolle Vorschläge unterbreitet. Deshalb wird der Vorschlag von vorneherein abgelehnt, weil er als ein Täuschungsversuch oder ein Versuch zur Überverteilung aufgefasst werden wird. Auch stellen Verhandlungen innerhalb einer Konfrontation er die Fortsetzung der Konfrontation dar, sodass ihr Potenzial gar nicht ausgeschöpft werden kann. Dafür wäre ein kooperatives Umfeld erforderlich. Um in den vorgenannten Beispiel das Kooperationsangebot in einem Konfrontationsumfeld überhaupt erst zugänglich zu machen, muss zunächst der gedankliche Kontext geändert werden. Die Mediation erreicht dies, indem sie ein anderes "Spiel" anbietet. Das Spiel der Mediation entspricht dem Typ eines Suchspiels. Bei der Suche ist die Kooperation die naheliegende Strategie.

Strategien der Verfahren

Was ist Kontext?

Laut Duden beschreibt der Kontext den umgebenden Text einer sprachlichen Einheit oder den inhaltlichen Gedanken-, Sinnzusammenhang, in dem eine Äußerung steht, und dem Sach- und Situationszusammenhang, aus dem heraus sie verstanden werden muss. Der Kontext ist also einen Verstehensmerkmal, das zum korrekten und vollständigen Verständnis eines Problems oder einer Aussage beiträgt.

In gewisser Weise steht der Kontext im Gegensatz zur rhetorischen Tilgung, die die Information durch Weglassungen sogar attraktiv und spannend macht. Die Gefahr Informationen zu verändern, indem der Kontext aus dem Blick verloren geht oder gar verfälscht wird, ist allseits bekannt. Einzelne Zitate einer Rede werden aus dem Zusammenhang gerissen, sodass sie eine andere Bedeutung bekommen. Dass dies in der Mediation nicht zielführend sein kann, liegt auf der Hand.

Worauf bezieht sich der Kontext?

Der Kontext offenbart die Umgebung, zu der Informationen in Beziehung gesetzt werden. Mögliche Umgebungen sind:

  1. Linguistischer Kontext: Das Verständnis eines Wortes hängt oft von dem Satz ab, in dem es verwendet wird. Zum Beispiel kann das Wort "Bank" entweder eine Sitzgelegenheit oder eine Finanzinstitution bedeuten, abhängig vom Kontext des Satzes.
  2. Kultureller Kontext: Ein Begriff oder Ausdruck kann in verschiedenen Kulturen unterschiedliche Bedeutungen haben. Zum Beispiel hat das "Daumen hoch"-Zeichen in vielen westlichen Kulturen eine positive Bedeutung, während es in einigen Ländern wie dem Iran als Beleidigung gilt.
  3. Historischer Kontext: Die Bedeutung eines Wortes oder einer Aussage kann sich im Laufe der Zeit ändern. Zum Beispiel hatte das Wort "Gay" ursprünglich eine andere Bedeutung als heute.
  4. Situationskontext: Die Bedeutung eines Ausdrucks kann von der Situation abhängen, in der er verwendet wird. Zum Beispiel kann ein Witz in einer informellen Umgebung lustig sein, aber in einer formellen Umgebung unangemessen sein.
  5. Intertextueller Kontext: Ein Text kann auf andere Texte Bezug nehmen, die vom Leser bekannt sein müssen, um den Sinn zu verstehen. Zum Beispiel können viele Werke der Literatur oder Film eine intertextuelle Beziehung haben, indem sie auf andere Werke oder Referenzen verweisen.
  6. Strategischer Kontext: Das eingangs erwähnte Beispiel belegt den Einfluss den das strategische Denken auf unsere Entscheidungen nimmt. Es ändert sich je nachdem ob wir uns gedanklich in einem konfrontativen oder einem kooperativen Umfeld bewegen.

Warum ist es wichtig, den Kontext zu kennen?

Der Kontext trägt dazu bei, dass Informationen sinnvoll interpretiert werden können. Er ermöglicht es uns, Wissen in einen größeren Zusammenhang zu stellen und zu verstehen, wie verschiedene Faktoren miteinander interagieren. Ohne Kontext kann dieselbe Information unterschiedliche Bedeutungen haben, je nachdem, wo und wie sie präsentiert wird. Der Kontext ist ein wichtiger Aspekt des Wissens. Er ist ein nicht hinwegzudenkender Faktor im hermeneutischen Zirkel, der uns hilft Informationen zu verarbeiten. Um Wissen sinnvoll anwenden zu können, müssen wir verstehen, wie es in verschiedenen Situationen relevant ist und wie es mit anderen Informationen in Beziehung steht. Das bedeutet, dass wir das Wissen im Kontext betrachten müssen, um es vollständig zu verstehen und angemessen anwenden zu können. Ohne Kontext kann Wissen unvollständig oder ungenau sein und möglicherweise zu Fehlinterpretationen führen.

Die Kontextualisierung als Werkzeug

Die Innensicht verführt dazu, den Kontext schnell aus dem Blick zu verlieren. Wer sich in einer Schachtel befindet, sieht nicht, wie die Schachtel von außen aussieht. Gegebenenfalls vergisst er sogar, dass er sich in einer Schachtel befindet. Nicht nur der äußere Zusammenhang, sondern auch unsere Perspektive verändert die Rahmenbedingungen unserer Wahrnehmung und unseres Denkens. Um den Kontext nicht aus dem Blick zu verlieren, ist es wichtig, sich den Kontext, in dem wir uns bewegen, stets bewusst zu machen. Um die Bedeutung dieser Bewusstheit in der Mediation herauszustellen, wird die Kontextualisierung oder die Kontexterhellung als ein Werkzeug vorgestellt.

Das Wort Kontextualisierung greift diese Notwendigkeit auf. Es bedeutet laut Wikipedia ganz allgemein,1 dass ein Vorstellungsinhalt, eine Sache, ein Wort oder eine Person in Beziehung zu anderen Inhalten gesetzt wird, die mit ihm in einem Zusammenhang gesehen werden. Der Kontext wird aufgedeckt oder hergestellt. Die Kontextualisierung ist vom Framing abzugrenzen und wirkt sich auf ein Reframing aus, wo der Kontext aus einer anderen Perspektive betrachtet wird. Die Mediation will Klarheit. Sie will insbesondere die Bedeutung der Inhalte erfassen, die maßgeblich von dem Kontext geprägt werden, in dem sie vorkommen. Deshalb sollte der Mediator den Kontext stets im Blick haben und versuchen, ihn auch den Parteien bewusst zu machen, weshalb auch von der Kontexterhellung die Rede ist.

In einem Gespräch wird der Kontext entweder angesagt oder bei der Rückmeldung mit dem Zusammenfassen dem Loopen oder dem Dimensionieren hergestellt. Die Kontextualisierung ist ein Verstehenswerkzeug. Es kann wie folgt eingesetzt werden:

Beispiel 15718 - Der Mediator weist die Parteien in seiner Rückmeldung auf folgendes hin: "Wir befinden uns in der Mediation. Sie scheinen sich gedanklich jedoch noch in der Konfrontation zu bewegen. Kann das sein?".

Beispiel 15502 - Der Mediator hebt in seiner Rückmeldung hervor: "Was Sie eben gesagt haben, betrifft Ihre Rolle als Vater. Ist das korrekt? Verändert sich daran etwas, wenn Sie als Ehemann betroffen sind?" oder: "Sie berichten über .... Was hat das mit dem Fall zu tun?".


Was der Kontext bewirkt zeigt sich an dem 9-Punkte-Problem. Die Aufgabe lautet, die 9 Punkte mit 4 zusammenhängenden Linien zu übermalen. Worauf jeder schnell kommt, ist die falsche Lösung. Nur wenig Menschen finden die richtige Lösung. Das liegt daran, dass die Lösung stets innerhalb der 9 Punkte gesucht wird. Sie findet sich jedoch nur, wenn out of the Box gedacht und Punkte hinzugefügt werden.

Aufgabe:


Kreise

Falsche Lösung:


Kreise

Richtige Lösung:


Kreise


Die Punkte geben unbewusst den Kontext vor, in dem gedacht wird. Markant ist, dass niemand die Aufgabe eingeschränkt hat. Die Grenze setzen wir uns selbst. So als gäbe es eine Mauer oder einen tiefen Graben um die 9 Punkte heraum. Erst wenn wir die Grenzen aus dem Kopf herausholen und uns vorstellen, dass die Linien auch über die von den 9 Punkten gebildete Fläche hinausgehen kann, findet sich die Lösung. Die Lösung fällt leicht, wenn Sie sich zwei Punkte hinzudenklen, die außerhalb der Fläche liegen. Die Aufgabe und ihre Lösung können Sie im Beitrag über die Kreativität nachlesen. Das Beispiel zeigt, dass und wie der Kontext gebildet wird. Es bedarf keiner Aufforderung.

Ein anderes Beispiel für eine unselige Kontextualisierung ist die aktuell häufgig gestellte Frage nach der Beendigung des Krieges. Die Frage hat die gleiche Wirkung wie das 9-Punkte-Rätsel. Das Beispiel zeigt den Ausweg.

Beispiel 16582 - Die Frage, wie wir den Krieg beenden, wird oft gestellt. Es ist die falsche Frage, weil sie sich im Kontext des Krieges bewegt. Die Gedanken werden in den Krieg gelenkt, der als Nullsummenspiel nur drei Beendigungsmöglichkeiten kennt: Gewinnen, Verlieren oder Unentschieden. Um die Gedanken in einen anderen Kontext zu führen, wo weitere Lösungen möglich sind, muss die Frage anders formuliert sein. Sie muss die Gedanken aus dem Krieg heraus herausführen. Jetzt könnte die Frage lauten, wie werden wir Freunde? Mit dieser Frage stellt sich ein andere Kontext her, der andere Lösungsmöglichkeiten bereitstellt.


Znächst kommt es darauf an, sich über den Kontext im Klaren zu sein, der die Gedanken limitiert. Dann kommt es darauf an, sich zu erlauben, den Kontext zu erweitern. Die Erweiterung kann auch von außen durch einen Aufrtrag (Du kannst asuch außerhalb der 9 Punkte denken) oder eine Frage (Wie werden wir Freunde?) initialisiert werden. Die Mediaton verändert sowohl den Fokus wie den Kontext übrigens in vielen kleinen Schritten.

Anwendungsfälle in der Mediation

Der Kontext wird in der 1.Phase, in der 2.Phase, in der 3.Phase und durchgängig bzw. bedarfsabhängig hergestellt. Wieder macht es Sinn, zwischen der Fallebene unter Verfahrensebene zu unterscheiden.

1. Phase
Es werden Rahmenbedingungen hergestellt, innerhalb der die Mediation ablaufen kann. Strategisch gesehen ist es gegebenenfalls erforderlich, die Mediation als ein anderes Spiel (neben das Spiel der Konfrontation) zu definieren, das einen anderen gedanklichen Kontext anbietet. Der Mediator achtet darauf, dass sich die Parteien zunächst auf der Verfahrensebene gedanklich in diesen Kontext begeben und ihn nicht verlassen. Siehe Mediationsspiel.

Schon bei der Initialisierung des Verfahrens achtet der Mediator darauf, dass der Kontext, aus dem heraus die Mediation in Anspruch genommen wird allen Beteiligten bekannt ist. Gleich zu Beginn weist er auf eventuelle Vorkontakte hin und erläutert, wie das Verfahren zustande gekommen ist. Er erläutert den Parteien, was er bereits über das Problem erfahren hat und wie es sich in die Konfliktbewältigung der Mediation einfügt.

Beispiel 11750 - Der Mediator führt nach der Begrüßung aus: "Soweit ich informiert wurde, geht es um eine Trennungsproblematik. Ich hatte Kontakt mit dem Ehemann, der sich telefonisch nach der Mediation erkundigt hat und mit dem dieser Termin vereinbart wurde. Ich habe es als positiv vermerkt, dass Sie sich beide über die Mediation und die Terminvereinbarung direkt selbst auseinandersetzen konnten. Worum es genau geht werden wir im Verlauf der Mediation noch klären. Mich interessiert deshalb zunächst was sie von der Mediation erwarten.

2. Phase
Auch bei der Herausarbeitung der Themen in der zweiten Phase, sollten diese nicht isoliert im Raum stehen. Es ist wichtig dass sich die Themen auf einen Konflikt beziehen. Ebenso wichtig ist es, dass die gesamte Konfliktlandschaft bekannt wird, auch wenn nicht über einzelne Konflikte oder Themen gesprochen werden soll. Auch diese Herangehensweise dient dazu den gesamten Kontext aufzudecken, in dem sich das zu lösende Problem befindet.

Schließlich sollte das Zusammenspiel der Konflikte auf hin untersucht werden welche Konflikte im Kontext für die daneben auftretenden Konflikte bildet. Bei einer Trennung beispielsweise gibt es Konflikte wegen finanziellen Fragen oder wegen der Kinder bei denen der Beziehungskonflikt zwischen den Eltern den Konfliktkontext bildet. D.h. wenn der Beziehungskonflikt geklärt ist lassen sich die anderen Probleme meist leicht regeln.aus dem kontextualen Zusammenhang beantwortet sich die Frage der Themenpriorisierung.

3. Phase
Der gedankliche Kontext wird auf dem Weg in die Konfkliktbeilegung aus dem Problem herausgenommen und von der Lösung getrennt. Die Gedanklen werden in die heile Welt geführt, wo das Problem aus der Distanz des Nutzens (im Kontext des Nutzens) betrachtet wird.
Durchgängig
Im generellen Verlauf der Gespräche achtet der Mediator darauf, dass rhetorische Tilgungen vermieden oder aufgefüllt werden. Auch Selektionen versucht er dadurch zu relativieren, dass er sie in einen Kontext stellt. Je nach dem Mediationskonzept ist die Bewältigung der Komplexität, mithin also die Aufdeckung aller Aspekte, die auf eine Problemlösung einwirken, eine ganz besondere Herausforderung für den Mediator.

Bedeutung für die Mediation

Der Mediator sollte in seiner Wahrnehmung darauf geschult sein, stets das ganze Bild im Blick zu haben. Der Kontext ist für das Verstehen unerlässlich. Sie können beobachten, wie schnell der Kontext im Gespräch verloren geht. Die Gründe dafür, dass der Kontext aus dem Blick verloren geht, ist das selektive, das fokussioerte und das lineare Denken. Auch der Versuch, der Komplexität zu entgehen, verleitet dazu, den Blick zu verengen. Die Strukturierung der Mediation trägt grundsätzlich dazu bei, die Zusammenhänge nicht aus dem Blick zu verlieren. herzustellen. Das gelingt umso besser, je bewusster der Mediatiator mit ihrer Strutur umgehen kann. Dann wird er bemerken, dass die Mediation mehrere Kontexte herstellt, die sich an ihrer Systemik ausriochten. Die zuvor erwähnte Liste der Kontexte ist deshalb wie folgt zu erweitern:

  1. Verfahrenskontext: Die Bedeutung einer Mediation wird auf das Verfahren bezogen, um sie in die Mediationslogik einordnen zu können
  2. Fallkontext: Die Information wird in den Kontext des Falles gestellt und einem Thema zugeordnet.

Die Technik, mit der eine korrekte Zuordnung der Informationen gewährleistet wird, ist das Zusammenfassen, das Loopen oder das Dimensionieren. Mit diesen Techniken wird den Parteien der Kontext vor Augen geführt. Wie wichtig es ist, den Kontext für die Parteien zu erschließen, ergeben auch die Beispiele zum Loopen.2 Bei vielen Vorlagen gelingt eine korrekte Rückmeldung nur, wenn sie in den passenden Zusammenhang gestellt wird.

Was tun wenn ...

Hinweise und Fußnoten

Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen

Bearbeitungsstand: 2024-11-20 10:55 / Version 28.

Alias: Zusammenhang
Siehe auch: Zusammenfassen, Loopen, Dimensionieren
Included: Kontextualisierung
Prüfvermerk: -

2 Siehe die Übungen zum Loopen in der OMA-Ausbildung OMA-Loopen


Based on work by Arthur Trossen und Bernard Sfez . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Montag Dezember 30, 2024 17:31:57 CET.

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