Die Antwort lautet: Es kommt darauf an. Weder ein pauschales "Ja", noch ein pauschales "Nein" würde die Frage korrekt beantworten. Was ist zu beachten, um das Beste daraus zu machen?

Stimmen Sie mir zu, wenn ich behaupte, dass ein Telefonat ein persönliches Gespräch sein kann?
Stimmen Sie mir auch zu, wenn ich behaupte, dass eine Videokonferenz eine persönliche Begegnung sein kann?

Begegnung heißt Zusammentreffen. Ich meine, dass sich Personen bei einer virtuellen Begegnung durchaus persönlich treffen. Das Unterscheidungsmerkmal zu einer realen Begegnung findet sich also nicht in dem Attribut persönlich, sondern in dem Begriff der Begegnung. Sie kann verschiedene Qualitäten haben. Zur Klarstellung der Art und Weise, wie sich die Personen begegnen, bedarf der Begriff also eines weiteren Attributs. Die Begegnung kann real und virtuell erfolgen.

Bei einer realen Begegnung kommen sich die Personen zweifellos zumindest räumlich näher. Die virtuelle Kommunikation ist also im wahrsten Sinne des Wortes eine Distanzkommunikation. Sie ist wie das Telefonieren auch eine reduzierte Kommunikation. Darüber dürften keine Zweifel bestehen. Allerdings bewirkt das Tragen einer Mund-Nasenschutzmaske bei einer realen Begegnung ebenfalls eine Reduktion der Kommunikation. Immerhin verdeckt die Maske Teile des Gesichts und der dort abzulesenden Emotionslandkarte.1 Zumindest diese Einschränkung kann die Online-Kommunikation ohne weiteres ausgleichen. Es gibt also Vor- und Nachteile.

Um also die Leistungsfähigkeit der Online-Kommunikation im Einzelfall beurteilen zu können, bedarf es einer Auseinandersetzung mit der Frage, worin die Beeinträchtigung der Kommunikation genau besteht. Erst dann lässt sich einschätzen, ob die Online-Kommunikation den professionellen Anforderungen, bei denen die professionelle Distanz sogar ein Merkmal ist, standhalten kann.

Erfahrungen

Virtuelle Begegnungen werden mit Konferenzprogrammen realisiert. Sie versuchen, die Bedingungen einer realen Begegnung nachzubilden. Dabei geben sie nicht nur den Rahmen der Begegnung vor. Sie bestimmen auch ihren Ablauf und ihre Anforderungen. Auf der einen Seite erweitern sie den Radius der Möglichkeiten. Auf der anderen Seite schränken sie ihn ein.

Bevor ich zu meinem Resümee komme, wie die Onlinetechnik im Umfeld der Mediation zu verwenden ist, möchte ich zunächst von einigen allgemeinen Erfahrungen mit den durch die Konferenzsoftware vorgegebenen Kommunikationsmöglichkeiten berichten.

Konzentration

Was mir an mir selbst auffällt, ist der gesteigerte Konzentrationsaufwand. Online-Meetings - egal welcher Art - strengen mehr an, als das bei realen Begegnungen der Fall wäre. Ich bemerke, dass ich bei Onlinemediationen weniger geduldig bin als in Präsenzmediationen. Weil ich es weiß, kann ich damit umgehen. Die Ursache führe ich darauf zurück, dass die Anstrengung in der virtuellen Kommunikation ein Vielfaches höher ist, als bei Präsenzveranstaltungen.

Sabine Appelhagen meint in Ihrem Beitrag "Was hilft gegen Konferenz-Müdigkeit?"2 zwar, dass gut gemachte Video-Konferenzen nicht ermüden. Sie knüpft diese Behauptung an die technischen Anforderungen. Vielleicht sollte unterschieden werden, um was für eine Art Konferenz es sich handelt, wenn Ermüdungseffekte ausbleiben. Appelhagen führt das Ermüdungsphänomen auf die eingeschränkte Empathie zurück. Sie meint, der Online-Teilnehmer suche unbewusst nach Merkmalen beim Gegenüber, die er online nicht wahrnehmen könne. Zutreffend ist, dass Gefühle über den Körper ausgedrückt werden. Genau darüber vermittelt ein Online-Meeting - wenn überhaupt - aber nur sehr eingeschränkte Informationen. Es ist eine Hürde, die sich zumindest im Zusammenhang mit der Mediation nur zum Teil überwinden lässt. Bei einer Mediation oder einer Supervision sind die Anforderungen an die Empathie sicher höher als bei einem Onlinevortrag oder einer Fachdiskussion. Das kann auch die beste technische Ausstattung nicht kompensieren.

Setting

Eine Konsequenz aus dieser Erfahrung führt in den Grundsatz, dass Online-Veranstaltungen kurz sein sollten. Wenn sie länger als 60-90 Minuten dauern, müssen angemessene Pausen eingelegt werden. Die Veranstaltungen müssen auch kurzweilig sein, um die Aufmerksamkeit des Teilnehmers zu binden. Das Interesse am Thema kann auch ein Motiv für die Aufmerksamkeit sein. Die gleichen Anforderungen sind jedoch auch an eine Präsenzveranstaltung zu stellen. Sie sind auf den ersten Blick also nichts Besonderes. Dennoch gibt es Unterschiede. Sie beginnen bei der Räumlichkeit.

Auch wenn die Konferenzsoftware versucht, die Anforderungen einer Konferenz abzubilden, indem sie virtuelle Räume zur Verfügung stellt, kann sie kein Raumerlebnis vermitteln. Viele Funktionen lassen sich nachbilden. Trotzdem gehen die Stimmung und das Ambiente eines realen Raumes verloren. Manche Konferenzprogramme erlauben den Austausch des Hintergrundbildes, sodass wenigstens eine Raumsituation assoziiert werden kann. Aber auch der Versuch, die reale Begegnungssituation optisch nachzubilden, bewirkt nur den Effekt eines Flugsimulators. Er kann einen Flug simulieren. Aber ein reales Flugerlebnis kann er nicht herstellen.

Ein Vorteil der virtuellen Begegnung ist zweifellos die freie Wahl des Onlinearbeitsplatzes und die Möglichkeit, von zu Hause aus teilzunehmen. Jeder Teilnehmer kann sich nach Bedarf selbst mit Getränken usw. versorgen. Sogar Rauchen ist möglich. Als ich die Parteien in einer Onlinemediation einmal fragte, ob sie etwas dagegen hätten, wenn ich rauche, antwortete eine der Parteien: "Das ist die angenehmste Form des Passivrauchens, die ich je erlebt habe". In dieser Hinsicht gewähren Online-Veranstaltungen sicher einige Freiheiten. Es wurde ja auch schon in den Nachrichten berichtet, dass eine Politikerin im Ausland während einer Onlinekonferenz vergaß, den PC abzuschalten, als sie sich mit ihrem Freund vergnügte.

Die Teilnehmer können es sich gemütlich machen. Sie müssen nicht auf harten Stühlen sitzen. In einer meiner Online-Mediationen lag die Mediandin auf dem Bett. Sie fühlte sich kränklich. Sie trug ein Negligee mit einem dünnen Morgenmantel darüber. Ich wusste nicht, ob das eine Botschaft an den Mann sein sollte, von dem sie sich getrennt hatte. Der Mann war ebenfalls zugeschaltet. Der Anblick seiner Frau hatte ihn aber offensichtlich in keiner Weise irritiert. Deshalb wurde ihr Auftreten auch nicht weiter thematisiert; außer in der Nachbesprechung mit meiner Co-Mediatorin. Immerhin ging es um einen Beziehungskonflikt.

Es ist schon fast ein Glück für den Mediator, wenn die Parteien nachlässig mit ihrer Selbstdarstellung umgehen. Das sagt etwas über sie aus. Die Nähe zum privaten Umfeld verwischt die Grenzen. Wer bewusst kommuniziert, achtet bei den virtuellen Begegnungen darauf, was das Gegenüber zu sehen bekommt. Die Software unterstützt ihn dabei. Denn die Teilnehmer können sich auch selbst sehen. Das erlaubt es ihnen, ihre Rhetorik zu kontrollieren. In einer Mediation kann sich der Vorteil der Bewusstheit jedoch auch als ein Nachteil erweisen, wenn er die Partei unterstützt, ihre schauspielerische Selbstdarstellung zu perfektionieren. Für den Mediator bedeutet es, dass er noch genauer hinschauen muss. Gegebenenfalls sollte er das Erscheinungsbild und das Auftreten des Gegenübers und seine Erfahrungen mit der Onlinekommunikation ansprechen, so wie er in der Mediation auch die Sitzordnung bespricht, indem er die Parteien wegen der Wahl des Platzes und gegebenenfalls der Körperhaltung befragt. Auch mag er überlegen, ob er den Parteien in einer Onlinemediation andere Verhaltensempfehlungen zukommen lässt als bei einer Onlinekonferenz.

In allen Fällen gibt das gesendete Videobild nicht nur einen Eindruck von den Gesprächspartnern, sondern auch von ihrer Umgebung wieder. Auch wenn der Mediator damit nichts anfangen kann, kann dieser Eindruck für den Gegner von Bedeutung sein. Ein Mediator achtet darauf, möglichst neutrale und emotional nicht besetzte Räume zu wählen. Wenn ein Einblick in Privaträume zu sehen ist, sollte das angesprochen werden. Vorsicht aber mit vorschnellen Interpretationen. Die Wahl des Raumes ist nicht immer eine Botschaft. Manchmal wird sie von technischen Bedingungen vorgegeben, etwa wenn die Internetverbindung in anderen Räumen nicht so stark ist. Der Mediator sollte sich im Klaren darüber sein, dass seine Gesprächspartner die Onlinetechnik nicht professionell nutzen.

Technik

Eine unzureichende technische Ausstattung verursacht eine unnötige Ablenkung und eine erhöhte Aufmerksamkeit. Die Bildfrequenz ist nicht groß genug, ebenso wie die Bildauflösung. Das Mikrophon empfängt zu viele Störfrequenzen. Es kommt zu Rückkopplungen. Die Internetverbindung ist unzureichend. Die eigene professionelle Ausstattung nutzt nicht viel, wenn das Gegenüber unzureichend ausgestattet ist oder über eine unzureichende Internetverbindung verfügt. Die Kette ist so stark wie das schwächste Glied. Es gibt viele Fehlerquellen.

Das Nadelöhr ist stets die Internetverbindung. Zu den typischen Fehlerquellen zählen auch die Serverbandbreite der Konferenzplattform und die PC-Nutzung des Users. Der Veranstalter einer virtuellen Begegnung ist gut beraten, wenn er die Gesprächsteilnehmer vorab darüber informiert, wie Fehlerquellen auszuschalten sind. Ich habe nicht selten erleben müssen, dass Onlinekonferenzen abgebrochen wurden, um die Onlineräume neu einzurichten und Teilnehmer gebeten wurden, sich neu einzuloggen. Diese Maßnahme wird ergriffen, wenn die Verbindung schlecht ist. Oft genügt es, wenn sich ein Teilnehmer neu einloggt, um das Problem zu beheben. Er muss Audio- und Videoverbindungen auf seinem PC erlauben. Die Konferenzsoftware hilft in der Regel dabei und erleichtert die Einrichtung. Es kann auch helfen, den Termin auf einen Zeitpunkt zu legen, wenn das Netz nicht so sehr belastet ist.

Eine unzureichende Technik lenkt die Aufmerksamkeit auf Umstände, die als extrem hinderlich wahrgenommen werden und nichts mit der eigentlich gewünschten Kommunikation zu tun haben. Sie vergeuden Zeit, um den Mangel zu beheben. Es empfiehlt sich deshalb, die Verbindung mit den Teilnehmern vor dem eigentlichen Gesprächstermin zu testen. Ich öffne den Konferenzraum deshalb mindestens eine halbe Stunde vor dem Termin und gebe Kontaktdaten (Telefonnummer) bekannt, falls etwas nicht klappt. Damit der Veranstalter des Onlinemeetings nicht abgelenkt wird, ist es ratsam, dass eine technische Assistenz anwesend ist oder bis zum Zustandekommen der Verbindung zur Verfügung steht. Die Teilnehmer sollten unnötige PC-Programme und Programmfenster schließen. Ich habe auch erlebt, dass ein aktives Bluetooth im Hintergrund eines Teilnehmer-PCs so viele Ressourcen verbraucht hat, dass die übertragene Sprache abgehackt wurde.

Übertragungsverzögerungen erschweren die Kommunikation ungemein. Die Übertragung ist nicht mehr lippensynchron. Ganz abgesehen von dem dadurch erhöhten Konzentrationsaufwand besteht die Gefahr, dass sich die Gesprächsteilnehmer unbeabsichtigt ins Wort fallen, nicht alles verstehen und einander nicht ausreden lassen. Der Veranstalter sollte die Gesprächspartner auch darauf hinweisen und neben den technischen Empfehlungen auch Verhaltensregeln vereinbaren.

Die Frage nach der passenden Konferenzsoftware klingt für mich schon fast wie eine Glaubensfrage. Ich selbst könnte die Frage gar nicht beantworten. Ich habe schon alle Programme austesten können. Skype (Business), Teams, Adobe, Zoom, usw.. Ich nutze überwiegend die Software BigBlueButton, für die Wiki to Yes Zugänge bereitstellt. Meiner Erfahrung nach ist das Leistungsspektrum bei allen Programmen in etwa vergleichbar. Eine gegenüberstellende Übersicht finden Sie hier:

Für mich steht die Frage der Bedienbarkeit im Vordergrund. Idealerweise ist das Programm selbsterklärend. Der Schulungsaufwand sollte so gering wie möglich sein. Für die Teilnehmer ist er gering. D.h. ein User, der halbwegs erfahren ist mit EDV, kommt ohne großen Lernaufwand sofort mit den Programmen zurecht. Die zur Nutzung erforderlichen Freigaben der Audio- und Videoverbindung werden softwaregesteuert meist reibungslos eingerichtet. BigBlueButton hat den Vorteil, dass keine App zu installieren ist. Es kann von jedem Browser genutzt werden, auch mit dem Handy.

Der Moderator sollte die Möglichkeiten hingegen sehr genau kennen, die das Programm zur Verfügung stellt. Er sollte sie spontan und kreativ anwenden können. Für ihn genügt es nicht, die Funktionen lediglich zu kennen. Er muss sie auch reibungslos benutzen können. Hier ist eine Schulung gegebenenfalls angebracht. Entscheiden Sie selbst, ob die Anleitung ausreicht. Eine Anleitung zur Nutzung von BigBlueButton finden Sie beispielsweise hier:

Auch die Sicherheit ist ein Thema. Hier ist Zoom in die Kritik geraten. In seinem Beitrag "Datenschutz bei Zoom: 15 Tipps für mehr Privatsphäre" weist Alexander Baetz darauf hin, dass sich die Skandale um den Videokonferenz-Giganten hinter Zoom häufen. Mittlerweile hätten sich sogar einige große Organisationen von Zoom distanziert. Die Webseite Privacy Tutor von Lenas Gruber und Alexander Baetz befasst sich mit der Problematik, indem sie hilfreiche Technik-Tipps im Zusammenhang mit Fragen der Online-Kommunikation verständlich zusammenfasst.

Selektionen

Eine unmittelbare Kommunikation findet immer auf mehreren Ebenen statt, die alle Sinne anspricht. Sie enthält sowohl analoge wie digitale Informationen, die auf der Sach- und der Beziehungsebene transportiert werden. Man mag denken, dass die Sach-. und die Beziehungsebene bei einer Videokonferenz abgebildet werden. Das Abbild ist jedoch unvollständig. Ich höre die Stimme, was eine analoge Information ist. Ich sehe die Mimik und kann meinem Gegenüber in die Augen schauen, was ebenfalls eine analoge Information ist. Ich höre die Worte, was eine digitale Information ist. Das gesprochene Wort zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Die zum Verstehen des Menschen unerlässliche nonverbale Kommunikation reduziert sich allerdings auf Porträtaufnahmen. Die unbewussten Äußerungen des menschlichen Körpers, wie beispielsweise die Gestik, die Körperhaltung, die Körperbewegung und der Habitus sind nur eingeschränkt wahrzunehmen. Trotzdem lassen sich die Variablen der Kommunikation von Carl Rogers zumindest bei Veranstaltungen im Dialogformat abbilden. Empathie kann sich vermitteln, ebenso wie die Kongruenz und Akzeptanz. Die Reaktionen erfolgen in Echtzeit und bei einer guten Internetverbindung auch lippensynchron. Wenn Ablenkungen vermieden werden, ist es durchaus möglich, sich auf das Gegenüber zu konzentrieren und diese Aufmerksamkeit auch non-verbal zum Ausdruck zu bringen.

Die Wahrnehmung ist ohnehin selektiv, auch in der realen Begegnung. Die Onlinetechnik schränkt die Selektion jedoch noch weiter ein. Markant ist, dass nicht der Empfänger der Information die Selektion bestimmt, sondern der Sender. Der Empfänger kann nur auf den Bildschirm schauen. Anders als bei einer Präsenzveranstaltung würde es ihm nichts nutzen, den Blick schweifen zu lassen oder den Kopf zu drehen, um zu sehen, was hinter oder neben dem Sender passiert und wie er sich in die Umgebung einfügt. Bei der Online-Veranstaltung bestimmt stets das Gegenüber was ich sehen darf und soll.

Was ich sehe, ist also das, was vor dem Monitor sitzt und auch nur insoweit, wie es mir gezeigt wird. Ich sehe, dass jemand in den Bildschirm schaut. Aber schaut er mich an? Ist er konzentriert auf das, was ich sage oder liest er das Gesagte von einem Textprompter, wenn er sich nicht sogar mit einer Mail in einem anderen Bildschirmfenster befasst? Natürlich sieht man auch nicht, was hinter dem PC passiert. Ganz zu schweigen davon, dass sich manche Teilnehmer ins Gegenlicht setzen, die Kamera so eingestellt haben, dass man nur die Haarwurzel sieht oder der Raum so belichtet ist, dass das Gegenüber im Schatten sitzt oder in gleißendem Licht.

Sie werden es merken, ob Ihr Gegenüber Erfahrungen mit virtuellen Konferenzen hat oder nicht. In der Mediation könnte sich ein Balanceproblem ergeben, wenn die Parteien ungleiche Voraussetzungen mitbringen. Ein versierter Onlinekonferenzer wird sich geschmeidiger einbringen können, als ein unerfahrener User. Es zählt zu den Vorbereitungen, diese Einschränkungen soweit wie möglich zu beheben, indem die Teilnehmer darauf angesprochen werden.

Bei Mediationen spielt es wegen der Vertraulichkeit auch eine Rolle zu wissen, wer sonst noch im Raum ist oder mithören kann. Der Mediator kann die Partei bitten, die Kamera zu schwenken, wenn die Vertraulichkeit ein sensibles Thema ist. Im übrigen genügt die Vereinbarung, dass die Vertraulichkeit gewahrt wird und niemand mithören kann. In meinen Onlinemediationen haben die Parteien bisher aber schon wegen der Privatheit der Themenstellungen stets selbst eine Umgebung gesucht, die ein Mithören ausschließt.

Dynamik

Wenn ich mit Menschen kommuniziere, ist ihre Aufmerksamkeit zu spüren, auch wenn sie nichts sagen. Sie nicken oder geben sogenannte paraverbale Laute von sich, wie "hmm" oder "aha"-Ansagen. Diese Form der Mitteilung kann bei Onlinebegegnungen eingeschränkt sein. Das Gegenüber schaut einfach in den Bildschirm. Bei Dialogen reduziert sich das Problem auf ein Minimum. Die Aufmerksamkeit kann durch Nicken angezeigt werden. Naheliegend ist das aber nicht. Sie nicken ja auch nicht, wenn Sie dem Nachrichtensprecher im Fernseher zuschauen. Anders als dort ist es jedoch möglich, sich in die Augen zu schauen, wenn die Porträtaufnahme groß genug ist. Bei Videokonferenzen mit mehreren Teilnehmern gehen diese Detailinformationen jedoch verloren. Erst recht, wenn sie gebeten werden, die Videos abzuschalten, um die Verbindung zu verbessern. Auch wenn alle Teilnehmer das Video eingeschaltet haben, ist es kaum möglich, den Gesprächspartner zu fokussieren. Sie haben dann stets alle im Blick, können aber niemanden direkt anschauen. Anders gesagt, Sie können ein Videokonterfei zwar direkt anschauen. Der in den Fokus genommene Teilnehmer wird es aber nicht merken.

Die Zahl der Teilnehmer spielt eine entscheidende Rolle für das Gelingen der individuellen Kommunikation. Für den einzelnen Teilnehmer ist es bei virtuellen Veranstaltungen mit mehreren Teilnehmern leicht, sich zu verstecken. Fragt man in die Runde, fühlen sich viele nicht angesprochen. Wer spricht schon mit einem Fernseher? Theoretisch kann ein Teilnehmer sogar angemeldet sein. Ist er aber wirklich präsent, wenn die Teilnehmer auch noch aufgefordert werden, Video- und Audioverbindungen abzuschalten, um die Übertragung zu verbessern? Um seine mentale Präsenz zu zeigen oder um Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, macht es Sinn, die Bilder zu bewegen. Dazu genügen Kopfbewegungen. Hochwertige Webcams erlauben die Änderung des Blickwinkels, des Zooms oder des Bildformats. Um diesen Effekt zu erzielen, genügt es, einfach die Distanz zur Kamera zu verändern.

Die Zahl der Teilnehmer ist ein entscheidendes Kriterium für die Intensität der virtuellen Kommunikation. Ein Seminar beispielsweise lebt von der Gruppendynamik. Das gleiche gilt bei größeren Mediationen oder Supervisionen. Ich möchte nicht sagen, dass bei Onlineveranstaltungen keine gruppendynamischen Effekte aufkommen. Die Resonanz ist aber eingeschränkt und wird anders wahrgenommen. Ich frage mich, wie sich die emotionalen Begegnungen der Encounter Groups von Carl Rogers virtuell bewältigen lassen. Ehrlich gesagt, befinde ich mich bei diesem Thema noch im Experimentierstadium. Was ich feststellen konnte, ist die Möglichkeit, trotz des fehlenden Stuhlkreises die gleiche Augenhöhe unter den Teilnehmern herzustellen. Anders als im Stuhlkreis kann ich - je nach Software - sogar alle Teilnehmer gleichzeitig im Blick haben. Zwar verlangt die Technik immer eine Moderation. Der Mediator wird auch als solcher ausgewiesen. Die Rolle kann allerdings auch anderen Teilnehmern leicht übertragen werden. Auch kann sich der Mediator aus dem Geschehen weitgehend zurücknehmen. Er kann die Teilnehmer bei kleinen Gruppen auffordern, permanent per Video und Audio präsent zu sein und sich jederzeit einzubringen. Dann ist es auch möglich, dass die Teilnehmer gleichzeitig und durcheinander reden. Gegebenenfalls macht es Sinn, mit zwei Monitoren zu arbeiten. Eine Software, die es mir erlaubt, einerseits die Gruppe insgesamt und gleichzeitig nur einen einzelnen Teilnehmer genauer zu fokussieren, habe ich allerdings noch nicht kennengelernt. Zoom vergrößert zwar den sprechenden Teilnehmer, aber nicht den, den ich mir näher anschauen will.

Einen Stuhlkreis gibt es nicht. Die "Sitzordnung" der Teilnehmer wird von der Software bestimmt. Hier gibt es Darstellungsunterschiede. Zoom beispielsweise zeigt die eingeschalteten Videobilder der Teilnehmer auf einer Scrollbar. BigBlueButton zeigt die anwesenden Teilnehmer als Liste in der Seitenleiste und stellt die eingeschalteten Videobilder insgesamt auf dem Bildschirm dar. Zoom vergrößert den Sprecher. BigBlueButton markiert ihn ohne Vergrößerung. In allen Fällen geht die Information über eine Positionierung im Raum, sowie über die Abstände zum Nachbarn usw. völlig verloren. Auch die Körperhaltung, geschweige denn die Körperbewegung ist nicht ohne Weiteres zu erkennen. Eine Arbeit mit Gruppen ist also nur bei einer sehr kleinen Teilnehmerzahl möglich. Die Teilnehmerzahl, die eine Arbeit mit Gruppen erlaubt, wird durch die Konferenzsoftware vorgegeben. Es kommt darauf an, dass alle Teilnehmer so deutlich sichtbar sind, dass der Einzelne trotzdem in den Fokus genommen werden kann, ohne dass es seiner Mitwirkung bedarf.

So etwas wie eine Stimmung kommt durchaus auf. Die Frage ist wie. Ist sie die Folge der Beobachtung der zugeschalteten Teilnehmer, also eine Interpretation oder vermittelt sie sich durch Übertragung? Letzteres erscheint mir eher unwahrscheinlich. Ich versuche noch der Frage auf den Grund zu gehen. Was ich jetzt schon beurteilen kann, betrifft die kleinen Interaktionen innerhalb der Gruppe. Ich habe erlebt, wie sich eine Gruppe in einer Präsenzveranstaltung wortlos eine Meinung bildet. Dazu trägt die nonverbale Kommunikation und eben die Übertragung ganz wesentlich bei. Bei Onlineveranstaltungen geht das nur über den digitalen Umweg. Trotzdem stelle ich fest, dass sich die Gruppe auch online eine Meinung bildet. Es bleibt im Verborgenen, ob es die aus einem Gruppenerleben heraus gebildete Meinung ist oder die Summe von geäußerten Einzelmeinungen, aus denen heraus sich eine Mehrheit bildet.

Was auch verloren geht sind die informellen und individuellen Begegnungen in den Pausen. Eine Pause innerhalb einer Onlineveranstaltung bedeutet stets den Rückzug in die eigene Privatheit. Sie wirkt, als wäre die Konferenz beendet worden. Auch wenn ich den Onlinekonferenzraum, in den Pausen geöffnet halte, entfernen sich alle Teilnehmer vom PC. Interessanter Weise finde ich bei den Empfehlungen über Onlinekonferenzen keine Pausentips. Eine Raucherpause brauche ich nicht, wenn ich während der Onlinekonferenz rauchen kann. Eine Kaffeepause brauche ich auch nicht, weil ich während der Konferenz ausreichend mit Kaffee versorgt bin. Eine andere Arbeit anfangen lohnt sich auch nicht. Zum Spazierengehen ist die Pause meist zu kurz. Ich stimme die Pausen mit den Teilnehmern ab. Wir haben uns bisher stets auf eine 15-minütige Pause verständigt. Bemerkenswert ist, dass - anders als bei Präsenzveranstaltungen - alle Teilnehmer nach der Pause bisher wieder pünktlich anwesend waren.

Sicher hinterlässt die Veranstaltung einen Eindruck bei allen. Die Technik erlaubt Polls, also Umfragen, mit denen sogar im Hintergrund eine Blitzlichtumfrage durchgeführt werden kann. Sie erlaubt es auch, individuelle Stimmungsbilder abzuliefern. Bei BigBlueButton kann der Teilnehmer seine Laune durch Emoticons mitteilen. Bei langen Teilnehmerlisten sind sie aber kaum zu erkennen. Das Feature weist jedoch darauf hin, dass sich der User nicht nur auf das Konterfei des Gegenübers konzentrieren sollte. Er muss auch die kleinen Markierungen im Blick haben, die auf den Eingang eines Chats, einer Notiz oder eben einer Stimmungsanzeige hindeuten. Das wirkt, besonders für den Moderator wie ein Multitasking und spricht bei größeren Veranstaltungen ebenfalls dafür einen technischen Assistenten zur Hand zu haben. Wer diese Features nutzt, bedient sich stets einer aktiven Form der Mitteilung. Sie ist für alle sichtbar und wird mehr oder weniger bewusst abgegeben. Immerhin erfordert sie eine Motorik. Sie erhöht nicht nur die Kommunikationsschwelle. Sie erlaubt auch nicht authentische und unklare Rückmeldungen. Wer kennt schon die Kryptik von Kurznachrichten wie LOL und die Bedeutung der jeweiligen Emoticons? Immerhin könnten sie eine Verständigung darüber veranlassen. Insgesamt ist jedoch mein Eindruck, dass Informalität, die Spontanität und die Unverbindlichkeit der Kommunikation in der Gruppe darunter leidet. Nur bei sehr erfahrenen Onlinekonferenzern relativiert sich der Effekt.

Wenn Teilnehmer miteinander tuscheln wollen, also wenn sie den privaten, direkten Austausch suchen, kann ihr Kommunikationsbedürfnis zumindest theoretisch mit einem individuellen Chat befriedigt werden. Ganz abgesehen davon, dass befreundete Teilnehmer durchaus auch über What's App, also außerhalb und parallel zur Konferenz miteinander kommunizieren. Diese Option wird häufig genutzt, um Teilnehmern den Zugang zur Konferenz zu ermöglichen, falls die Verbindung abgebrochen ist und um die anderen nicht zu stören. Die Konferenzsoftware erlaubt es den Teilnehmern auch, in einen sogenannten Breakroom zu gehen. Der Breakroom ist ein virtuelles Separee. Es ist allerdings für alle sichtbar, wer das Separee betritt. Auch wenn die Breakrooms zumindest für die dort befindlichen Teilnehmer nichtöffentlich sind, hat deren Verwendung immer einen offiziellen Anstrich.

Ich erlebe es als außerordentlich zäh, wenn bei einer größeren Veranstaltungen in die Runde gefragt wird und nur sehr spärliche Reaktionen aufkommen. Das Phänomen gibt es auch bei Präsenzveranstaltungen. Dort kann ich aber mit Einzelnen Blickkontakt aufnehmen. Eine indirekte Ansprache ist möglich. Ich kann mich auch auf die Teilnehmer zubewegen. Bei einer Onlineveranstaltung geht das alles nicht ohne Weiteres. Hier werden Aktivitäten verlangt, was zu Lasten der unbewussten Kommunikation aber möglich ist. Ich habe gelernt, dass es hilft, wenn die Teilnehmer mit Namen angesprochen und einzeln aufgefordert werden, auf Fragen zu antworten. Statt also in die Runde zu fragen, sind individuelle Ansprachen gegebenenfalls besser geeignet, um eine Diskussion in Gang zu bringen. Auch ist bei größeren Veranstaltungen zu empfehlen, die Poll-Funktion zu nutzen. Sie trägt dazu bei, dass sich alle eingebunden fühlen. Der Moderator kann entscheiden, ob er das Umfrageergebnis für alle sichtbar macht oder bespricht.

Trotz der eingeschränkten, indirekten Kommunikation lassen sich nach meiner Erfahrung Teilnehmer in Gruppen bis zu 8 Personen gut einbinden. Der Moderator muss allerdings auch bei kleinen Gruppen darauf achten, dass er sich nicht zum Entertainer macht, um die Teilnehmer aus der Fernsehzuschauerhaltung herauszuführen. Das gelingt über die Themenstellung, die Rhetorik, die Wahl der Interaktionen und der Einbeziehung der Teilnehmer. Jeder Sprecher sollte mit einer normalen Sprechgeschwindigkeit reden. Er sollte nach jedem Gedanken eine kleine Pause von etwa 3 Sekunden einlegen, damit der Gedanke auch beim Gegenüber ankommen kann. Er sollte eine einfache Sprache verwenden, der man gut folgen kann. Diese Anforderungen decken sich bei einer guten Verbindung mit denen einer Präsenzveranstaltung.

Ein echter Vorteil der Online-Technik ist die Leichtigkeit, Treffen zu vereinbaren. Weil die Teilnehmer nicht anreisen müssen, können Termine einfach und schnell verabredet werden. Es entstehen keine Reiskosten.

Identifikation

Bei manchen Veranstaltungen ist es erforderlich, die Teilnehmer zu identifizieren. Es hängt von der Konferenzsoftware ab, inwieweit ein anonymer Zugang möglich ist. Die Wiki to Yes Fragestunden erlaubt beispielsweise eine anonyme Anmeldung. Auch der Mediationsraum von Wiki to Yes kann betreten werden, ohne dass sich die Parteien im Programm registrieren müssen. Diese Maßnahme dient dem Schutz der Vertraulichkeit, weil die Liste der registrierten User einsehbar ist. Eine anonyme Teilnahme bedeutet zwar, dass sich die Teilnehmer nicht auf der Plattform registrieren und einloggen müssen. Trotzdem bedarf der Zugang zum Konferenzraum einer Anmeldung. Die Teilnehmer werden bei der Anmeldung aufgefordert, einen Namen anzugeben. Es findet keine Kontrolle statt, ob sie den korrekten Namen angeben. Wenn sie nicht auf der Plattform eingeloggt sind und keinen Namen angeben, werden sie als "anonym" betitelt. Das erschwert die individuelle Ansprache. Es empfiehlt sich also, den korrekten Namen anzugeben, mit dem der jeweilige Teilnehmer angesprochen werden will. Der Moderator kann gegebenenfalls darauf hinwirken und eine Neuanmeldung verlangen.

Manche Veranstaltungen erfordern einen Anwesenheitsnachweis. Das ist z.B. bei Fortbildungsveranstaltungen der Fall, die zertifiziert werden. Eine Unterschriftsliste gibt es nicht. Möglich ist eine Teilnahmebestätigung per Chat. Die Nachricht, "Ich bin anwesend", wird vom Programm mit Ausstellerhinweis und Zeitstempel vermerkt. Wenn die Veranstaltung nicht aufgezeichnet wird, kann der Chat kopier oder durch einen Screenshot nachgewiesen werden. Auch die vom Konferenzprogramm angelegte Teilnehmerliste kann mit einem Screenshot dokumentiert werden. Es ist sogar möglich einen Screenshot von den Porträts der Teilnehmer anzufertigen. Mithin gibt es genügend und ausreichend beweiskräftige Teilnahmenachweise. Ein Nachweis über die mentale Präsenz kann wie in einer Präsenzveranstaltung nur durch die Rückmeldung des Moderators erfolgen.

Es liegt am Veranstalter zu entscheiden, welche Anmeldeprozeduren erforderlich sind. In jedem Fall zeigt die Konferenzsoftware an, wenn jemand den virtuellen Konferenzraum betritt. Eine Identifikation der Teilnehmer ist also spätestens dann möglich. Sie kann interaktiv, also durch Nachfrage erfolgen. Eine heimliche Teilnahme ist nicht möglich.

Information

Die Technik erlaubt die Aufzeichnung der Veranstaltung. Das kann gewollt sein oder nicht. Es ist eine Frage der Vereinbarung, die allerdings nur kontrolliert werden kann, wenn die Aufzeichnung über die Konferenzsoftware erfolgt. Auch wenn ein Teilnehmer verspricht, keine Aufzeichnungen zu machen, kann er im Hintergrund durchaus Bildschirmaufzeichnungen mit Ton über eine andere Software vornehmen. Apple-User benutzen einfach den Quick Time Player dafür. Das muss gegebenenfalls angesprochen werden.

Die Technik öffnet eine weitere Kommunikationsebene über den Chat. Das habe ich als positiv erlebt. Er wird in Onlinekonferenzen recht rege genutzt. Die Hürde ist leichter als die akustische Rückmeldung. Der Chat ist ständig verfügbar, auch wenn der Ton abgeschaltet ist. Er kann auch parallel zu Vorträgen erfolgen, sodass Fragen und Kommentare zur Echtzeit möglich sind. Diese Kommunikationsebene ist in Präsenzveranstaltungen nicht vorhanden. Ich habe bei der letzten Konferenz "Mediation im Alltag" versucht, dieses Feature moderationstechnisch in einer Präsenzkonferenz abzubilden.

Ein weiterer Vorteil ist die technische Möglichkeit, die Chats und Notizen in ein Textdokument zu kopieren, wo die Informationen direkt elektronisch weiterverarbeitet werden können. Dabei handelt es sich um Informationen, die im Idealfall im Einvernehmen mit allen Teilnehmern erstellt wurden und für alle einsehbar sind. Es ist leicht, die Freigabe zur Weiterverarbeitung zu erwirken. Die elektronische Textgrundlage ist wesentlich leichter zu verarbeiten als die auf ein Flipchart notierten Informationen. Dieses Featurte lässt sich bei Mediationen gut nutzen.

Die Konferenzsoftware erlaubt ein Screen-Sharing. Mit dieser Funktion ist es möglich, andere Bildschirmfenster zu teilen. Es können Präsentationen spontan und ohne Aufwand abgespielt werden, aber auch z.B. Berechnungen, die im Hintergrund mit Excel laufen. Das ist bei einer Präsenzveranstaltung zwar auch möglich, wenn ein Beamer vorhanden ist. Wie dort haben die Teilnehmer einer Onlinekonferenz auf diese Daten nur passiven Zugriff. Es ist aber ohne Problem möglich, die Daten im Textformat in die Notizfunktion der Konferenzsoftware zu kopieren, wodurch sie den Teilnehmern direkt zugänglich sind.

Sprache

Dem gesprochenen Wort kommt eine größere Bedeutung zu. Wenn schon die Technik Aufmerksamkeit absorbiert und die nonverbale Kommunikation eingeschränkt ist, sollte wenigstens die Sprache einfach und leicht verständlich sein. Langsam und deutlich sprechen hilft bei der Verständigung. Wichtige An- und Aussagen sollten verschriftlicht werden. Die Konferenzsoftware gibt dafür ausreichende Möglichkeiten. Bei BigBlueButton bietet sich der Notizeditor dafür an. Gliederungspunkte können auf dem Whiteboard festgehalten werden.

Ich konnte auch Erfahrungen in mehrsprachigen Mediationen und Veranstaltungen gewinnen. Dabei habe ich die Notwendigkeit des Übersetzens nicht als hinderlich erlebt. Zumindest nicht mehr, als in einer Präsenzveranstaltung. Die Technik eröffnet Möglichkeiten, die eine Präsenzveranstaltung nicht ohne Weiteres anbieten kann.

Eine Möglichkeit besteht darin, den Dolmetscher wie einen Synchrondolmetscher wegzublenden. Dann wird nur noch seine Stimme gehört. Er tritt optisch nicht in Erscheinung. Die Einstellung, dass nur der Sprecher gesehen wird, der mit der Stimme des Synchrondolmetschers spricht, wird bei Zoom angeboten. Das Konferenzprogramm stellt dafür einen zweiten Audiokanal zur Verfügung. BigBlueButton kann bis heute nur einen Audiokanal anbieten. Eine Möglichkeit zum Synchrondolmetschen wird jedoch in Aussicht gestellt.

Wie in dem Beitrag über Fremdsprachen ausgeführt erweist sich die Konsekutivübersetzung bei Onlineseminaren und Onlinemediationen durchaus als vorteilhaft. Konsekutivübersetzungen sind mit allen Programmen möglich. Das ist überhaupt kein Nachteil. Ich habe schon sehr viele Seminare und Mediationen mit Übersetzern durchgeführt. Die Konsekutivübersetzung stellt sicher, das die Sprache und die Sprechweise des Sprechers analog wahrgenommen wird. Er sollte im Video dann auch gezeigt werden. Es kommt zwar zu Verzögerungen, was bei der Zeitplanung zu berücksichtigen ist. Der Sprecher hat aber alles im Blick. Er sieht die Teilnehmer während er spricht und ihre Reaktionen auf die Übersetzung. Bei Onlineveranstaltungen habe ich es auch als vorteilhaft erlebt, dass der Übersetzer die schlechten Audioverbindungen der Wortmeldungen bewältigen muss, währen ich nur auf die meist gute Verbindung zum Übersetzer zu achten habe. Ich kann mich während der Übersetzung auch mehr auf die Teilnehmervideos konzentrieren.

Vorbereitung

Onlineveranstaltungen erfordern oft einen größeren Aufwand bei der Vorbereitung. Bei einem Präsenzseminar verzichte ich inzwischen vollständig auf Powerpointpräsentationen. Hier arbeite ich ausschließlich mit dem Flipchart. Powerpoint gilt als altmodisch. Es bindet die Teilnehmer zu sehr auf die Präsentation und lenkt ab, wenn die Präsentation textlastig ist. Bei Onlinekonferenzen und Onlineseminaren ist Powerpoint ein unumgänglicher Standard. Für mich bedeutet das einen erhöhten Aufwand bei der Vorbereitung und einen zusätzlichen Verlust an Spontanität während der Veranstaltung.

Zur Vorbereitung einer Online-Veranstaltung macht es Sinn, den Teilnehmern nicht nur Informationen zur Softwarebenutzung, sondern auch einige Verhaltenstips zu geben. Wiki to Yes stellt dafür einige Formblätter oder Links zur Verfügung. Sie können die folgenden Links an die Teilnehmer weiterleiten:

Die allgemeinen Erfahrungen im Umgang mit der Onlinetechnik lassen sich mit den Erfahrungen ergänzen, die ich innerhalb der unterschiedlichen Veranstaltungsformate gewinnen konnte. Hier gibt es durchaus beachtenswerte Abweichungen, mit denen die Konferenzsoftware ganz unterschiedlich zurecht kommt. Vorauszuschicken ist, dass alle nachfolgenden Formate mit dem Thema Mediation im Zusammenhang stehen.

Gespräche

Onlinegespräche finden meist im Rahmen der Videotelefonie statt. Hier erfolgt ein videogestützter Austausch mit meist nur zwei Gesprächsteilnehmern. Die Videotelefonie wird oft spontan und im privaten Umfeld zwischen Angehörigen eingesetzt oder zwischen Personen, die sich nahe stehen. Sie werden zunehmend aber auch im Geschäftsleben, insbesondere im innerbetrieblichen Austausch verwendet. Für individuelle Gespräche, die keine Moderationstechnik erfordern, genügt Skype, Face Time oder What's App.

In privaten Gesprächen soll der Videoeindruck die Abwesenheit kompensieren. Die Videogespräche steigern die Wahrhaftigkeit des Austauschs. Sie erlauben die Teilhabe am eigenen Erleben, indem Eindrücke von sich und bei einem Kameraschwenk auch von der Umgebung gezeigt werden. Die Videotelefonie hilft sogar, Fernbeziehungen zu erhalten. Sicherlich spielen dabei die Häufigkeit der Videokontakte und die Art der Kommunikation eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, ein Wir-Gefühl aufrecht zu erhalten und eine unmittelbare Kommunikation zu ermöglichen.

Im Geschäftsleben unterstreicht die Videotelefonie die Persönlichkeit der Gesprächspartner. In beiden Fällen wirken die Gespräche persönlicher und unmittelbarer.

Im Gegensatz zu den Onlineveranstaltungen sind sich die Gesprächsteilnehmer bekannt. Der Videoeindruck lässt sich also auf eine reale Erfahrung miteinander zurückführen. Das ist bei offiziellen Onlineveranstaltungen nicht immer der Fall. Die Frage ist, inwieweit es darauf ankommt. Ich habe Erfahrungen mit Onlinedialogen bei zunächst fremden Menschen im Ausland gewonnen. Mir war es möglich, mit diesem Format eine Beziehung aufzubauen. Es entwickeln sich durchaus Sympathien.

Ich erwähne die Videotelefonie, weil sie die größte Nähe bei allen Formaten der Onlinekommunikation herstellen kann. Sie kann als ein Grundformat des onlinegestützten Austauschs angesehen werden, der auch Anregungen für die Verwendung der Technologie bei weniger persönlichen und offiziellen Meetings geben kann.

Meetings

Ein Onlinemeeting ist ein Videoaustausch mit einem offiziellen Bezug. Der Termin wird vereinbart. Der Gesprächsanlass wird festgelegt. Das Treffen findet meist mit wenigen Teilnehmern statt. Es kommt zu Dialogen, die durchaus effizient gestaltet werden können. Diskussionen sind möglich.

Die Teilnehmer sollten als Gruppe identifiziert werden. Es ist auch möglich, sie als Gruppe anzusprechen. Ich beginne solche Meetings stets mit einer Art Vorstellungsrunde. Damit wird geprüft und sichergestellt, dass jeder Teilnehmer die Technik nutzt und nutzen kann. Vorstellungsrunden bieten sich auch an, um die Zugehörigkeit der Individuen zur Gruppe zu klären oder herauszustellen. Wenn sich die Teilnehmer bereits kennen, bieten sich Einführungen an, mit denen auch der Umgang miteinander im Onlineformat festgelegt wird. Diese Form des Einstiegs zwingt jeden Teilnehmer, die Technik zu benutzen und sich aktiv in die Gruppe einzubringen. Sie trägt zum Abbau der Berührungsängste bei.

Für mich lautet die Formel: Je weniger Teilnehmer, desto effizienter und unmittelbarer lässt sich die Onlinekommunikation gestalten. Für offizielle Meetings bietet sich die Verwendung der Konferenzsoftware an. Sie stellt die erforderlichen Moderationstechniken zur Verfügung.

Mediationen

Das Gesetz trifft keine Aussage darüber, in welcher Form die Mediation durchzuführen ist. Ein Verstoß gegen das Unmittelbarkeitsprinzip, das gegen die sogenannte telefonische Shuttle-Mediation angeführt wird, ist meines Erachtens nach weder für diese, noch für die hier zu besprechende Onlinemediation einschlägig. Die Unmittelbarkeit (d.h. der Dialog mit der Partei ohne Umweg) ist in beiden Fällen möglich. §2 Abs.3 Mediationsgesetz besagt, dass der Mediator zu gewährleisten hat, dass die Parteien in angemessener Weise in die Mediation eingebunden werden. Es obliegt also seiner, mit den Parteien abzustimmenden Entscheidung, ob eine Onlinemediation ausreichend ist.

Nach meiner Erfahrung lässt sich sogar eine transformative Mediation online durchführen. Viele Fachleute meinen, das sei nur dann möglich, wenn zuvor ein persönlicher Kontakt stattgefunden hat. Das sehe ich nicht als zwingend an. Wenn es darum geht, große Distanzen zu überwinden, ist diese Anforderung in der Praxis auch nicht immer möglich. Die Parteien kennen sich im Zweifel schon. Nach meiner Erfahrung macht es die Kommunikation zwar schwieriger, wenn die Mediation rein online durchgeführt wird. Ich erlebe aber auch, dass sich Schwierigkeiten überwinden lassen. Ich habe selbst bei hoch eskalierten Konflikten auch im Bereich der transformativen Mediation erfolgreich arbeiten können. Allerdings muss ich einräumen, dass es in diesen Fällen oft zu intensiven Einzelgesprächen kam, sodass die Effekte der zuvor erwähnten Vidoetelefonie zum Tragen kamen. Es gab auch mehr Termine als in einer Präsenzmediation.

Ein Phänomen bei Onlinemediationen ist, dass alle Teilnehmer, die ihr Video eingeschaltet haben, sich immer frontal begegnen. Das hat Vor- und Nachteile. Ich setze die Parteien in der Präsenzmediation nebeneinander und mir gegenüber. D.h. sie müssen sich nicht anschauen. Um sich anzuschauen, müssen sie sich einander zuwenden. Damit lassen sich die Kommunikationsachsen in der Mediation unterstreichen. Dieser Effekt geht bei Onlinemediationen völlig verloren.

Dass die Parteien sich stets im Blick haben, hat den Nachteil, dass sie sich anschauen müssen. Der Vorteil ist aber auch, dass sie sich beim Sprechen beobachten können. In Präsenzmediationen hebe ich diese Perspektive manchmal hervor: "Wenn Sie sich sehen könnten, dann fiele Ihnen auf, wie Sie aufeinander reagieren. Ihre Körpersprache ist synchron. Was Sie sagen hingegen nicht". In einer Mediation hatte ich meinen Co-Mediator sogar einmal gebeten, die Medianden zu fotografieren, um sie selbst mit dem visuellen Eindruck zu konfrontieren, den sie hinterließen. Diesen Schritt kann die Frontaldarstellung der Onlinemediation, wo sich die Parteien selbst sehen können, verkürzen. Es ist also ein Vorteil der Online-Kommunikation, dass die Parteien die mimische Reaktion des Gegenübers direkt beobachten können. Es ist zugleich ein Nachteil, weil sie die Reaktion des Gegners ungebremst wahrnehmen müssen und dadurch von sich abgelenkt werden. Auch, dass sie sich selbst sehen und dadurch gegebenenfalls die Ideomotorik besser kontrollieren können, stellt sowohl einen Vor- wie einen Nachteil dar.

Die Vertraulichkeit ist ein Thema, das in jedem Fall und anders anzusprechen ist, als in Präsenzmediationen. Ich frage bei Onlinemediationen beispielsweise regelmäßig ab, ob andere Personen im Raum sind und vereinbare, dass Aufzeichnungen nicht gestattet sind. Bisher hat das gereicht. Wenn eine Partei misstrauisch ist, würde ich die Teilnehmer bitten, die Kamera zu schwenken, damit erkennbar ist, wer sonst noch im Raum anwesend ist. Dazu kam es in meiner Praxis bisher aber nie.

Zu Beginn der Mediation gebe ich den Parteien Hinweise, was zu beachten ist. Die Freiwilligkeit wird thematisiert. Es wird darauf eingegangen, dass und wie mit der Möglichkeit umgegangen wird, dass eine Partei den PC einfach abschaltet. Insbesondere wird thematisiert, wie das zu verhindern ist. Ich behandle diese Frage allerdings wie die Frage nach den Gesprächsregeln in einer Präsenzmediation und spreche sie nur bei Bedarf an, also etwa bei hoch eskalierten Konflikten.

Anders als bei Konferenzen oder größeren Veranstaltungen, sollen die Parteien ihre Video- und Audioverbindungen ständig aufrechterhalten. Wenn es zu Zwischenrufen kommt, werden sie angesprochen. Theoretisch kann der Mediator die Partei mit der Konferenzsoftware stummschalten. Ich halte das für eine außerordentlich zweifelhafte Vorgehensweise und für einen schlechten Stil. Allerdings muss ich einräumen, dass die Technik des Fokussierens und Ignorierens hier keine Wirkung hat. In der Präsenzmediation kann ich mit dem präzisen Zuhören die Kommunikationsachse zum Gesprächspartner spürbar unterstreichen. Die Partei bricht den Zwischenruf häufig ab, weil sie die Aufmerksamkeit des Mediators nicht bekommt. In der Onlinemediation empfehle ich den erregten Parteien, mir einen privaten Chat zu senden. Es lässt sich mit den gängigen Konferenzprogrammen durchaus so gestalten, dass der Chat nicht an alle, sondern nur an den Mediator gesendet wird. Der Mediator kann in Echtzeit erkennen, wie Aussagen von der Gegenseite angenommen werden und dann gegebenenfalls darauf eingehen. Es gibt eine Parallele zur Präsenzmediation, wo die Parteien aufgefordert werden, Notizen zu machen, wenn es ihnen nicht anders möglich ist zuzuhören und den Gegner ausreden zu lassen. Die Notizen sind weniger transparent. Der Chat lässt erkennen, an wen der Zwischenruf adressiert wird. Das sehe ich als einen Vorteil.

Mit der von mir üblicherweise genutzten Konferenzsoftware BigBlueButton können öffentliche Notizen gemacht werden. Diese Funktion wird wie ein Flipchart genutzt. Die Notizen werden auch wie ein Flipchart aufgebaut. Sie können von allen eingesehen und gegebenenfalls sogar auch von den Parteien selbst und unmittelbar ergänzt und verändert werden.

Emotionen werden durchaus sichtbar. Sie werden gezeigt und geäußert. Auch wenn die Informationen eingeschränkt sind, kann der Mediator darauf eingehen. Manche Interventionen, wie z.B. das Doppeln, das Unterstreichen der Kommunikationsachsen, Aufstellungen usw. sind allerdings nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich.

Supervisionen

Meine Erfahrungen beschränken sich auf Supervisionen über durchgeführte Mediationen. Bei Einzelsupervisionen gilt das zum Meeting und zur Mediation Gesagte. Der Supervisor kann sich voll und ganz auf das Gegenüber konzentrieren. Er kann den Eindruck zurückmelden, den der Supervident bei ihm hinterlassen hat. Er kann verbalisieren und die Themen offen ansprechen. Es kommt zu einem fruchtbaren Dialog.

Bei Einzelsupervisionen mit Gruppen oder bei Gruppensupervisionen sind die Einschränkungen deutlich stärker wahrzunehmen. Es gibt Überlegungen, die Gruppe präsent sein zu lassen und lediglich den Supervisor online dazuzuschalten. Eine solche Vorgehensweise hatte ich einmal geplant. Sie kam aus technischen Gründen aber nicht zustande. Die Technik ist aufwändig. Sie benötigt mindestens zwei Kameras. Unterschiedliche Kameraperspektiven lassen sich realisieren, indem sich ein Teilnehmer zweimal im Konferenzprogramm anmeldet. Eine Kamera kann die Gruppe zeigen, sodass die Bewegungen in der Gruppe sichtbar werden. Diese Perspektive geht aber zu Lasten der Individualsicht. Deshalb bedarf es einer zweiten Kamera, mit der die Einzelpersonen eingefangen werden. Genau genommen bedarf es eines Kameramannes, der die Kamera auf die Teilnehmer richtet, was aber wiederum Selektionen nach sich zieht.

Bei der Beteiligung von Gruppen (mehreren Beteiligten) sind Simulationen (Rollenspiele) möglich. Die Situation entspricht dann den Erfahrungen mit Onlinepeergroups.

Peergoups

Die Durchführung von Online-Peergroups ist inzwischen ein fester Bestandteil meiner Ausbildung geworden. Hier habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht mit interessierten Teilnehmern und Gruppen so um die 10 Personen. Im Rollenspiel werden alle Videos ausgeschaltet bis auf die der Rollenspieler. Die Beobachter können den Chat benutzen, um Hinweise, Fragen und Beobachtungen in Echtzeit festzuhalten. Die Rollenspieler sollen die Chats während des Rollenspiels nicht einsehen können. Wenn das Spiel beendet wird, werden alle Video- und Audioverbindungen wieder eingeschaltet. Die Beobachter geben zunächst eine Rückmeldung. Dann berichten die Akteure. Danach werden die Chatbemerkungen chronologisch abgearbeitet.

Der Fall wird zu Beginn (soweit der Mediator informiert sein soll) bekannt gegeben. Das Briefing der Rollenspieler erfolgt entweder, indem der Fallspender mit den Rollenspielern in einen Breakroom geht oder die Rollen im individuellen Chat vergibt. Die Beobachter können im öffentlichen Chat Ihre Beobachtungen und Fragen notieren. Der Chat soll für die Rollenspieler nicht einsehbar sein. Sie benutzen die Notizfunktion (bei BigBlueButton) wie ein Flipchart.

Konferenzen

Konferenzen können 100 und mehr Teilnehmer haben. Bei so großen Teilnehmerzahlen ist es ratsam, wenn die Teilnehmer die Video- und Audioverbindung ausschalten, solange sie nicht selbst sprechen.

Je nach der verwendeten Konferenzsoftware und der Gruppengröße sind die Videobilder der Teilnehmer nicht mehr sichtbar. Zu sehen ist lediglich die Präsentation. Zu hören ist die Stimme des Präsentators. Die Resonanz aus dem Publikum geht verloren. Im Grunde kann der Präsentator auch eine Videoaufzeichnung anbieten, die er den Teilnehmern als einen Film sendet und anschließend online bespricht. Für den Präsentator ist der Aufwand derselbe. Die Teilnehmer könnten sich das Video in Ruhe anschauen und sich Fragen überlegen, die dann in einem Onlinemeeting erörtert werden.

Gruppenarbeit ist möglich. Die Konferenzteilnehmer können in unterschiedliche Gruppen eingeteilt werden. Gruppenarbeiten und parallel laufende Workshops sind also kein Problem. Auch bei großen, ungeteilten Gruppen habe ich gute Erfahrungen mit Konferenzen im Vortragsstil gemacht, wenn sie nur für eine überschaubare Zeit, d.h. bis max. 3 Stunden angesetzt werden und sich am Besten nur auf ein Thema erstrecken. Auch die Teilnehmer melden zurück, dass es angenehmer für sie ist, mehrere Veranstaltungen anzubieten, als eine Mammutkonferenz.

Bei Frontalkonferenzen bieten sich Präsentationen an. Sie bringen Abwechslung auf den Bildschirm. Einmal hatte eine Grafikerin bei einem meiner Vorträge online ein Plakat gezeichnet, mit dem die wichtigsten Aussagen und Stationen meines Vortrags festgehalten wurden. Es war auf dem Bildschirm der Konferenzsoftware zu sehen. Das wirkte auf den ersten Blick sehr pfiffig. Zu sehen war, wie im Hintergrund Icons mit Minitexten und Linien zusammengefasst wurden. Der Dialog geriet jedoch in den Hintergrund. Die Aufforderung Fragen zu stellen, landete trotzdem oder gerade deshalb in der so häufig zu beobachtenden Passivität. Die Diskussion wird ähnlich wie in der Präsenzkonferenz angeschubst. Ich habe mir noch keine Meinung gebildet, ob es den Teilnehmern leichter fällt zu diskutieren, wenn die Teilnehmervideos sichtbar sind oder nicht. Hier habe ich ganz unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Das Interesse am Thema ist meist ein ausschlaggebender Faktor.

Auf der letzten Präsenzkonferenz habe ich versucht, einen Referenten so online einzubinden, dass er mit dem Publikum direkt kommunizieren kann. Das war möglich, indem ich mich mit zwei PCs in die Konferenzsoftware eingeloggt habe. Einmal als Publikum, wo die Kamera in das Auditorium gerichtet war und einmal als Moderator, wo die Kamera auf mich gerichtet war. Der Referent war auch eingeloggt, sodass auf der Leinwand im Konferenzsaal 3 Bilder zu sehen waren: Der Referent, ich als Moderator und das Publikum. Weil das Auditorium Redebeiträge über Mikrophon vortrug, war auch eine direkte Verständigung zwischen dem Publikum und dem Referenten möglich.

Seminare

Einmal habe ich ein ganzes Seminarmodul der Mediationsausbildung online abgewickelt. Es war ein Experiment. Obwohl es sehr positive Rückmeldungen gab, werde ich dieses Format nicht wiederholen. Das Seminar ist sehr bewegungsintensiv. Wir simulieren Gesprächssituationen, bei denen die Körperhaltung und die Positionierung im Raum häufig gewechselt wird. Das ließ sich online ganz und gar nicht abbilden. Besonders die Information über die Positionierung im Raum geht verloren, ganz zu schweigen von der Atmosphäre, die der Raum hinterlässt. Der virtuelle Raum ist als solcher nicht wahrzunehmen. Er ist das Patchwork bestehend aus den Videokonterfeis der zugeschalteten Teilnehmer.

Bei Seminaren kommt es noch mehr darauf an, die Teilnehmer einzubinden. Schon deshalb sollte die Teilnehmerzahl entsprechend begrenzt sein. Mit maximal 12 Teilnehmern lässt sich auch online gut arbeiten. Eine Vorstellungsrunde zu Beginn des Seminars zeigt, wie die Teilnehmer mit der Technik umgehen und hilft ihnen, die erste Hemmschwelle zu überwinden.

Zu bedenken ist, dass sich nicht alles, was in Präsenzseminaren möglich ist, online abbilden lässt. Die Faustregel lautet: Alles was Bewegung erfordert, lässt sich in einer Videokonferenz nicht oder nur bedingt herstellen.

Ein Rollenspiel lässt sich inszenieren. Hier gilt das bei den Peergroups Gesagte. Das Seminar besteht jedoch nicht nur aus Vorträgen, Diskussionen und Rollenspielen. Viele der Übungen und Demonstrationen, die wir in den Mediationsseminaren verwenden, lassen sich nicht online abbilden. Zumindest nicht ohne eine aufwändige Vorbereitung. Filmbeispiele, wie etwa eine gefilmte Mediation, muss man sich nicht zusammen innerhalb einer Onlinekonferenz anschauen. Es wäre kein gemeinsames Anschauen. Deshalb ist es besser, ein Demonstrationsvideo wie in einer Fernausbildung auszulagern und mit Hausaufgaben zu kombinieren, die dann bei dem nächsten Meeting besprochen werden. Ähnliches gilt für reine Vorträge.

Als Vortragender frage ich mich, ob es nicht für alle einfacher ist, wenn ich den Vortrag aufzeichne, sodass sich jeder den Vortrag anschauen kann, um ihn bei einer nachfolgenden Onlinekonferenz zu besprechen. Die Publikumsresonanz geht in beiden Fällen verloren, wenn die Videos alle ausgeschaltet sind.

Resumee

Als Faustregel habe ich für mich festgehalten, dass Online-Veranstaltungen ohne Weiteres möglich sind, wenn eher digitale Informationen (also Vorträge, Erzählungen, Argumente, usw.) im Vordergrund stehen. Immer wenn es auf Bewegung ankommt (wo die Sitzplatzwahl, die Position im Raum, die Körperhaltung, die Abbildung von Kommunikationsachsen, usw.) eine Rolle spielt, ist die Onlinetechnik nicht oder nur bedingt verwendbar. Bei gesprächsintensiven Veranstaltungen sollte die Teilnehmerzahl so gering wie möglich sein. Dialoge lassen sich gesprächsintensiv abbilden.

Alles hat Vor- und Nachteile. Deshalb kommt es auf eine Mischung an, die alle Vorteile miteinander verbindet. Bei Mediationen setze ich beispielsweise zunehmend Zwischentermine an, die online abgewickelt werden. Damit komme ich den Bedürfnissen der Parteien entgegen, die weit voneinander entfernt wohnen. Auch lassen sich spontan Termine vereinbaren. Umgekehrt nutze ich mehr Onlineelemente für den Studiengang und die Ausbildung zur Mediation. Diese Mischung hat sich bewährt. Sie unterstreicht das blended Learning Konzept unserer Ausbildung.

Arthur Trossen


Bild von Alexandra Koch auf Pixabay