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Die Grundlage der Entscheidungen

Wissensmanagement » Diese Seite gehört zum Fachbuch Mediation in der Wiki-Abteilung Wissen. Sie befinden sich auf der Themenseite Entscheidungsprozesse, die dem Titel des 2. Buchabschnitts Systematik der Verfahren zugeordnet wird. Beachten Sie bitte auch:

Systematik Entscheidungen Streitbeilegung Streitentscheidung Streitvermittlung Streitvermeidung Streitbegleitung

Worum es geht: Bei der systematischen Erfassung der Konfliktbeilegungsverfahren ist die Auseinandersetzung mit den Entscheidungsprozessen ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Komplexitätbewältigung. Die Komplexität lässt sich leichter bewältigen, wenn nach den grundlegenden Gemeinsamkeiten gesucht wird. Im Grunde geht es bei allen Prozessen der Konfliktbeilegung um eine Entscheidung. Jede Bearbeitung basiert auf Entscheidungen. Unter einer Entscheidung versteht man die getroffene Wahl für eine von mehreren Alternativen.1 Diese Definition ist der gemeinsame Nenner von allen Begriffserläuterungen, die sich im Internet über die Entscheidung finden lassen. Auch die Mediation ist ein Prozess, bei dem es darum geht, Entscheidungen zu treffen. Das ist Grund genug, sich mit den Entscheidungsprozessen auseinanderzusetzen.

Einführung und Inhalt: Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass es sich auch bei der Mediation dem Grunde nach um einen Entscheidungsprozess handelt. Entscheidungen sind nicht statisch. Auch wenn sie spontan erfolgen, bestehen sie aus meheren Denkschritten, was nicht immer deutlich wird. Der Weg zur Entscheidung ist deshalb immer ein mehrschrittiger Prozess. Es lassen sich Prototypen herausbilden, anhand derer sich die Besonderheit der Mediation veranschaulichen lässt.

Entscheidung als Prozess

Der Entscheidungsprozess ist vergleichbar mit dem Prozess der Wahrnehmung. Auch die Wahrnehmung wird wie ein einzelner Akt eines Vorgangs empfunden. In Wirklichkeitbesteht besteht sie aus drei Schritten.2 Ein weiteres Beispiel ist das ABC-Modell, das auch die Entstehung der Gefühle in drei Schritte unterteilt. Analog diesen 3-er Schritten setzt sich auch die Entscheidung aus mindestens drei Schritten zusammen. Deshalb wird hier von einem 3-er Schritt der Entscheidung gesprochen. Die Schritte sind:

  1. Die Optionen der Wahl werden erkannt
  2. Es gibt eine Vorstellung über die Auswirkungen (Nutzen, Konsequenzen)
  3. Darauf bezogen wird die Wahl getroffen

Entscheidungen werden oft in Bruchteilen von Sekunden getroffen, sodass der dahinter liegende Prozess nicht immer bewusst wird.

Beispiel 11607 - Der Fußgänger hört abends, als er durch den dunklen Park geht ein Geräusch. Er fürchtet sich und kläuft weg. Die Optionen sind: Weglaufen, nachschauen, nichts tun. Die Konsequenzen sind: Wenn es eine Gefahr ist, kann es zum Schaden kommen, wenn es etwas Unbekanntes ist, kann es eine Bereicherung sein, wenn ... Die Entscheidung erwartet eine spontane Bewertung der Situation, sodass der Fußgänger nicht darüber nachdenkt.


Das Beispiel zeigt, dass Entscheidungen auch ohne vorausgehende Reflexionen getroffen werden können. Wenn das Geräusch bei dem Fußgänger Angst ausgelöst hat, wird er seinem Gefühl vertrauen und daraus entscheiden. Trotzdem findet auch in diesem Fall eine Wahl statt, die eine Bewertung der Situation voraussetzt. Obwohl die zur Entscheidung führenden Bewertungen manchmal in Bruchteilen von Sekunden ablaufen, ist es auch in diesen Fällen gerechtfertigt, von einem Entscheidungsprozess zu sprechen.

Die Entscheidungen beruhen auf einem komplexen Prozess, der von der Wahrnehmung, von Emotionen, von Erfahrungen, Werten, Erwartungen und zuletzt vom Denken beeinflusst wird. Es fält auf, dass immer dann, wenn Informationen fehlen, das Denken in den Hintergrund gerät. Das biologische Konzept hat den Menschen mit mehreren Intelligenzzentren ausgestattet, sodass er auch bei fehlenden Informationen noch entscheidungsfähig ist.

 Merke:
Leitsatz 3415 - Je vollständiger die zugrunde zulegenden Informationen sind, umso treffender wird die Entscheidung. Der Mensch nutzt alle Intelligenzzentren, um entscheidungsfähig zu sein

Entscheidung im Prozess

Manche Entscheidungen lassen sich nicht aus dem Stand heraus treffen. Es werden Fragen aufgeworfen, die die Komplexität der zu treffenden Entscheidung bewusst werden lassen. Jetzt gerät der Prozess der Entscheidung in den Mittelpunkt. Der übliche Entscheidungsprozess verläuft laut Gabler Wirtschaftslexikon in fünf Phasen:

  1. Problemformulierung
  2. Präzisierung des Zielsystems
  3. Erforschung von Alternativen
  4. Auswahl einer Alternative
  5. Entscheidungen in der Realisationsphase

Entscheidungen kommen in allen Verfahren der Streitbeilegung vor, sodass die Schritte im Entscheidungsprozess auch dort so oder ähnlich vorkommen. In der hier vorgestellten Systematik finden sie sich sowohl in den monadischen, den dyadischen und den triadischen Verfahren wieder. Der Weg, wie die Entscheidung herbeigeführt wird, unterscheidet sich von Verfahren zu Verfahren, ebenso wie die Informationsgewinnung und -verarbeitung, der Entscheidungsaufwand und die Qualität. Nur wenn der Weg der Entscheidungsfinding nicht vorgegeben ist, liegt es am Entscheider, wie er den Entscheidungsprozess ausgestaltet.

Die notwendige Differenzierung

Die Art und Weise, wie der Entscheidungsprozess im Verfahren abgebildet wird, entscheidet über den Nutzen, den das Verfahren für den Verwender hat. Natürlich fließt die Bewertung des Nutzens der Lösung in die Bewertung des Nutzens eines Verfahrens ein. Als Faustregel gilt:

 Merke:
Leitsatz 3416 - Je nützlicher sich die durch das Verfahren herbeigeführte Lösung (das Ergebnis) erweist, umso nützlicher ist das Verfahren, das diese Lösung herbeiführen kann

Wie weit der Nutzen der Lösung im Verfahren (Entscheidungsprozess) überhaupt berücksichtigt wird, ergibt die Unterscheidung zwischen ergebnis-, lösungs- und nutzenorientierten Entscheidungsprozessen.

Der ergebnisorientierte Entscheidungsprozess

Das klassiche Beispiel für dese Art der Entscheidungsfindung ist das Gerichtsverfahren. Der Fokus ist auf das Ergebnis (also die Gerichtsentscheidung) gerichtet.

Entscheidungsprozess-Ergebnis

Strukturell lässt sich dieser Entscheidungsprozess in folgende Phasen einteilen:

  1. Problemstellung als Kontroverse
  2. Argumente sammeln
  3. Faktenanalyse (Sachverhaltsanalyse)
  4. Bewertung (Subsumtion)
  5. Entscheidung

Mehr und mehr gehen die Gerichte zu einem lösungsorientierten Denken über. Deutlich wird dieser Trend bei den Familiensachen. Die Gutachter beispielsweise sind nicht mehr rein analytisch sondern durchaus bewirken tätig, in dem sie versuchen eine Lösung zu entwickeln, die auch tragfähig und möglich ist. Damit ergibt sich die Überleitung zu der nächsten Kategorie, den lösungsorientierten Entscheidungsprozessen.

Der lösungsorientierte Entscheidungsprozess

Bei den lösungsorientierten Entscheidungsprozessen hat sich der Fokus verschoben. Es geht darum eine Lösung zu finden, die auch gelingen kann. Die Realisation wird auf die eine oder andere Weise thematisiert. Die grafische Darstellung verdeutlicht den Unterschied:

Entscheidungsprozess-Lösung

Laut Gabler Wirtschaftslexikon verläuft der übliche Entscheidungsprozess in fünf Phasen:

  1. Problemformulierung
  2. Präzisierung des Zielsystems
  3. Erforschung von Alternativen
  4. Auswahl einer Alternative
  5. Entscheidungen in der Realisationsphase

Die Kriterien für die Zielsetzung orientieren sich in diesem Entscheidungssystem an den Argumenten. Der Fokus liegt auf den sich daraus ergebenden Lösungen. Die Entscheidung steht noch immer im Vordergrund. Oft wird die Lösung als Position eingebracht und gegen andere Lösungen verteidigt. Dann nähert sich der Prozess einem ergebnisorientierten Entscheidungsprozess.

Ob und wie sich der Sinn und Zweck der Entscheidung hinter dem Ziel verbirgt und welcher Nutzen dabei zu erzielen ist, wird nicht notwendigerweise offengelegt. Im Vordergrund steht die Lösung. Ihr Nutzen wird unterstellt. Leider stellt sich der Nutzen oft erst nach der Entscheidung her. Der BREXIT ist dafür ein populäres Beispiel:

Beispiel 11608 - Das Thema lautet: Soll UK aus der EU autreten. Es gibt Argumente dafür und dagegen. Die stärkeren Kräfte (nicht notwendigerweise die Argumente) setzen sich durch. Es kommt zur Entscheidung: UK will die EU verlassen. Die Frage der Umsetzung liegt hinter der Entscheidung. Damit handelt es sich bei dem Text um einen ergebnisorientierten Entscheidungsprozesses. Es wurde mehr als deutlich, dass die Frage der Umsetzung erst nach der Entscheidung angegangen wurde. Deutlich wurde auch, dass die Bedeutung der Entscheidung ebenso wie ihr Nutzen bis heute im Unklaren geblieben ist.

Beispiel 11609 - Die Scheidung wird vollzogen. Erst im Nachhinein besteht ein Bewusstsein für den Nutzen (oder den angerichteten Schaden). Es kommt zur Reue: "Das hat es alles nicht gebracht. Die einzigen die dabei gewonnen haben sind die Anwälte. Hätte ich gewusst, wie sich die Dinge entwickeln, was ich aufgegeben und gewonnen habe, hätte ich mich anders entschieden".

Der nutzenorientierte Entscheidungsprozess

Die folgende Grafik macht deutlich, wie sich der Fokus im Entscheidungsprozess verschiebt, wenn der Nutzen in den Vordergrund gestellt wird:

Entscheidungsprozess-Nutzen

Bereits die zuvor erwähnten Beispiele belegen die Relativität der jeweiligen Entscheidung und die Bedeutung des Nutzens. Stellt sich der insgeheim erwartete Nutzen nicht her, wird man nach einem Schuldigen suchen. Die nachfolgenden Beispiel zeigen, was sich ändert wenn der Nutzen zumindest im Ansatz mit der zutreffenden Entscheidung verknüpft wird:

Beispiel 11610 - Wie hätten die Briten wohl abgestimmt, wenn die Frage lautete: "Wollt Ihr aus der EU austreten auch dann, wenn der Wohlstand gefährdet ist?"

Beispiel 11611 - Ein Auohersteller veranlasst eine Umfrage bei den Kunden: "Wollt ihr Autos mit mehr PS?". Die Umfrage führt in ein klares "Ja"! Der Autohersteller passt deshalb sein Produktionskonzept an und baut Autos mit mehr PS. Er musste dann feststellen, dass entgegen der Umfrage die Nachfrage ausblieb. Die Kunden hatten von einem Kauf der Autos Abstand genommen, weil sie den erhöhten Benzinverbrauch nicht akzeptierten. Sie hatten sich einen anderen Nutzen vorgestellt. Hätte die Umfrage gelautet: "Wollt ihr Autos mit mehr PS auch dann, wenn sie mehr Benzin verbrauchen?", wäre ein anderes Umfrageergebnis zustande gekommen.


In der Regel wird der Nutzen unterstellt. Er wird weder hinterfragt noch ermittelt. Auch die Komplexität wird unterschätzt. Ein Konflikt erweitert die Dimensionalität des Entscheidungsprozesses, indem außerhalb der Sache liegende Nutzenerwartungen in den Argumenten versteckt werden. Der Entscheidungsprozess wird intransparent. Der Widerspruch steht im Vorderrgrund. Er wird von konträren Positionen repräsentiert, die sich in den Entscheidungen nicht wiederfinden. Der Nutzen gerät völlig aus dem Fokus.

Der mediative Entscheidungsprozess

Die Mediation weiß, dass der zu erwartende Nutzen in den Interessen zum Ausdruck kommt. Die Erhellung der Interessen erschließt nicht nur die Bedeutung. Die mit den Interessen aufgedeckten Motive ermöglichen zugleich die Erforschung der jeweiligen Nutzenerwartung. Aus der Nutzenerwartung ergeben sich die Entscheidungskriterien. Die Nutzenerwartung ist deshalb ein zwingender Bestandteil der Mediation. Der mediative Entscheidungsprozess kann grafisch wie folgt dargestellt werden:

Entscheidungsprozess-Mediation

Die Mediation erlaubt keine Entscheidung, ohne dass der Nutzen und der darauf abstellende Weg in die Lösung VORHER geklärt wurde. Der mediative Entscheidungsfindungsprozess verläuft deshalb im Vergleich zu den Entscheidungsphasen wie folgt:

  1. Problemformulierung → Phase 2
  2. Präzisierung des Zielsystems → Phase 1 = gemeinsamer Nutzen
  3. Erarbeitung der Nutzenkriterien → Phase 3
  4. Erarbeitung der Lösung → Phase 4
  5. Erforschung von Alternativen → Phase 4 = WATNA/BATNA
  6. Auswahl einer Alternative → Phase 4 = Bewertung
  7. Entscheidungen in der Realisationsphase → Phase 5 = Einigung

Mit der Nutzenorientierung verschiebt sich der gedankliche Fokus. Die Nutzenverwirklichung entspricht dem Fernziel. Die Lösung ist das dazu führende Nahziel. Indem die Lösung am Nutzen, also am Fernziel ausgerichtet wird, ist sichergestellt, dass der Nutzen auch realisierbar wird. Indem der gedankliche Fokus vom Problem weg auf den Nutzen gerichtet wird, wird das von Watzlawick beschriebene Phänomen, dass das Problem Teil der Lösung wird, verhindert. Auch wird die Empfehlung Einsteins aufgegriffen, dass die Denkweise, die aus dem Problem herausführt ein anderer sein muss als die, die in das Problem hineingeführt hat. Die Mediation greift diese Erkenntnis auf, indem sie den Entscheidungsprozess rückwärts abwickelt.

rückwärts

Bedeutung für die Mediation

Dass die Mediation in der Lage ist, jeden beliebigen Entscheidungsprozess zu optimieren, liegt an der auf der Steuerung basierenden Mediationstheorie. Die Mediation bekommt eine universelle Bedeutung, die nicht nur in Streitverfahren, sondern in jeder Form der Auseinandersetzung nutzbringend anzuwenden ist. Beachten Sie bitte, dass diese These nur für Anwendungen zutrifft, die der erkenntnisbasierten Mediationstheorie folgen! Wenn ihr gefolgt wird, ergibt die Mediation eine universelle Hilfestellung bei allen Entscheidungen. Beachten Sie auch bitte die Checkliste Entscheidungshilfe.

Hinweise und Fußnoten
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Bearbeitungsstand: 2024-02-23 19:12 / Version 63.

Aliase: Entscheidungsprozess
Siehe auch: Entscheidungshilfe, Debiasing, Mediationstheorie
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Based on work by Arthur Trossen und Bernard Sfez und anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Sonntag Dezember 22, 2024 13:30:17 CET.

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