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Die obligatorische Streitschlichtung

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Die Frage der verpflichtenden Streitschlichtung wirkt sich auch auf die ;Mediation aus. Beachten Sie deshalb bitte auch:

Institutionalisierung Streitschlichtung Schiedsstellen Sühneverfahren Mediationspflicht Freiwilligkeit Mediationsklauseln

Abstract: Der Gesetzgeber unternimmt einiges, um die Justiz zu entlasten. Die obligatorische Streitschlichtung nach §15 a EGZPO ist einer seiner Versuche. Sie wird auch als Güteverfahren oder Gütestellenverfahren bezeichnet und sollte nicht mit der Güteverhandlung oder der Güterichterverhandlung verwechselt werden. Weil diese Verfahren auch als Schiedsverfahren bezeichnet werden, besteht ein weiterer Abgrenzungsbedarf zu den Verfahren der Schiedsgerichtsbarkeit, die in die Kategorie der streitentscheidenden Verfahren fällt.1 Worum geht es genau?

Einführung und Inhalt: Den Dreh- und Angelpunkt für die hier zu besprechenden Verfahren der oboligatorischen Streitbeilegung bildet §15 a EGZPO. Diese Vorschrift ermächtigt den Landesgesetzgeber, die Erhebung der Klage vor Gericht erst zuzulassen, nachdem von einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle versucht worden ist, die Streitigkeit einvernehmlich beizulegen. Einige Länder haben von der Möglichkeit Gebrauch gemacht.2

Landesgesetzliche Regelungen

Die obligatorische Streitschlichtung wurde bisher in 12 von 16 folgenden Bundesländern eingeführt.3 Das Schlichtungsgesetz, das in Baden Württemberg für bestimmte zivilrechtliche Streitigkeiten einen außergerichtlichen Schlichtungsversuch vorsah, ist seit dem 1. Mai 2013 aufgehoben. Hier finden Sie ein Verzeichnis der Bundesländer, die ein in Kraft befindliches Schlichtungsgesetz erlassen haben mit Link auf die Gesetzesquelle:

  1. Bayern (Bayerisches Schlichtungsgesetz )
  2. Brandenburg (Brandenburgisches Schlichtungsgesetz und Schiedsstellengesetz)
  3. Hamburg (ÖRA-Gesetz)
  4. Hessen (RaSHe)
  5. Mecklenburg-Vorpommern (Schiedsstellen- und Schlichtungsgesetz)
  6. Niedersachsen (Niedersächsisches Schlichtungsgesetz)
  7. Nordrhein-Westfalen (Gütestellen- und Schlichtungsgesetz )
  8. Rheinland-Pfalz (Landesschlichtungsgesetz)
  9. Saarland (Landesschlichtungsgesetz - LSchlG)
  10. Sachsen (Sächsisches Schieds- und Gütestellengesetz)
  11. Sachsen-Anhalt (Schiedsstellen- und Schlichtungsgesetz )
  12. Schleswig-Holstein (Landesschlichtungsgesetz)

Genereller Anwendungsbereich

Der einer Klage vorausgehende Streitbeilegungsversuch ist nach §15 a EGZPO bundesrechltlich für folgende Fälle vorgesehen:

  1. in vermögensrechtlichen Streitigkeiten vor dem Amtsgericht über Ansprüche, deren Gegenstand die Summe von 750 Euro nicht übersteigt,
  2. in Streitigkeiten über Ansprüche aus dem Nachbarrecht nach den §§ 910, 911, 923 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und nach § 906 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie nach den landesgesetzlichen Vorschriften im Sinne des Artikels 124 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche, sofern es sich nicht um Einwirkungen von einem gewerblichen Betrieb handelt,
  3. in Streitigkeiten über Ansprüche wegen Verletzung der persönlichen Ehre, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden sind,
  4. in Streitigkeiten über Ansprüche nach Abschnitt 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes.

Prozessvoraussetzung

Bittner führt in einem im Jahre 2005 erschienenen Beitrag aus, dass die Pflicht zur Durchführung eines Schlichtungsverfahrens in der Praxis als lästig empfunden werde. Sie führt zur Verzögerung des Rechtsstreits und zu einem zusätzlichen finanziellen und personellen Aufwand, weshalb die Rechtspraxis versucht, diese Verfahren zu umgehen.4 Nach der Rechtsprechung ist eine Nachholung der obligatorischen Streitschlichtung im Prozess nicht möglich. Die Klage ist als unzulässig zurückzuweisen.

Verfahren

§15 a ZPO spricht von der Streitbeilegung. In der Literatur hat sich der Begriff des obligatorischen Schlichtungsverfahrens eingebürgert. Auch in den Landesgesetzen wird von einer Streitschlichtung gesprochen.5 Das Verfahren ist nicht weiter geregelt. Für eine Schlichtung spricht, dass das Verfahren mit einem Antrag einzuleiten ist. Das Antragserfordernis lässt sich aus §204 BGB erschließen, wo eine Hemmung der Verjährung durch den Antrag bei einer Gütestelle ausgelöst wird. Im Gegensatz zur Mediation ist die Antragstellung in einer Schlichtung durchaus gebräuchlich.6 Das Verfahren endet mit einem Vergleich. Das ergibt sich aus § 794 ZPO, wenn er vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle abgeschlossen wurde. Die Gütestellen müssen eine eine Schlichtungs- und Kostenordnung vorlegen.7

Rechtsnatur

Auch wenn von einer obligatorischen Schlichtung die Rede ist, legt die Vorschrift des §15 a EGZPO kein explizites Verfahren fest. §15 a Abs. 3 EGZPO besagt lediglich:

Das Erfordernis eines Einigungsversuchs vor einer von der Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entfällt, wenn die Parteien einvernehmlich einen Einigungsversuch vor einer sonstigen Gütestelle, die Streitbeilegungen betreibt, unternommen haben


Merkmale der Gütestellen sind somit die Durchführung eines Einigungsversuchs zum Zwecke der Streitbeilegung. Mithin stellen die Gütestellen den äußeren, formalen Rahmen bereit, in dem eine Verhandlung, eine Konfliktmoderation, eine Schlichtung und gegebenenfalls sogar eine Mediation denkbar sind. Ein Schiedsgerichtsverfahren ist allerdings nicht möglich, weil die Formulierung des §15a EGZPO lediglich von einer nicht näher bestimmten, einvernehmlichen Streitbeilegung spricht.

Das Verfahren der Gütestellen ist nicht mit dem Güterichterverfahren zu vergleichen, wo dem Güterichter ein Methodenmix zugestanden wird. Anders als dort, wo die Mediation zum methodischen Bestandteil eines im Einzelnen geregelten Gerichtsverfahrens wird, ist für die Gütestelle kein spezifisches Verfahren vorgegeben. Wenn also hier von einem Gütestellenverfahren gesprochen wird, handelt es sich keinesfalls um einen legal vorgegebenen Terminus, wohl aber um einen Begriff, der in der Praxis durchaus Verwendung findet.8 Der Grund mag darin gesehen werden, dass für die Anerkennung als Gütestelle (je nach Landesgesetzgebung) eine Verfahrens- und Kostenordnung vorzulegen ist. Die Rechtsnatur des Gütestellenverfahrens ist also eher mit dem Streitbeilegungsverfahren nach dem Verbraucherschlichtungsgesetz zu vergleichen. Dort wird im §18 VSBG das Mediationsgesetz ausdrücklich für anwendbar erklärt. Wie dort wäre das Mediationsgesetz also zu beachten, wenn das Verfahren vor der Gütestelle als eine Mediation i.S.d. Mediationsgesetzes ausgewiesen wird. Die Praxis belegt, dass Gütestellen auch Mediationen anbieten. Wenn die Gütestelle eine Mediation anbietet, muss sie genau darauf achten, die Regeln der Mediation zu beachten.9

Gütestellen

Gütestellen sind Stellen, die durch sachlich unabhängige Personen Vergleiche in Streitsachen vermitteln sollen.10 §15 a EGZPO legt die Unterscheidung zwischen anerkannten und sonstigen Gütestellen nahe. Die anerkannten Gütestellen, müssen durch die Landesjustizverwaltung eingerichtet oder anerkannt sein. Das Nähere regeln die Landesgesetze. Folgende Fälle sind zu unterscheiden:

Anerkannten Gütestelle
Eine Streitbeilegung, die von einer anerkannten Gütestelle durchgeführt wird, unterliegt folgenden Regelungen:
  • Die Kosten der Streitbeilegung vor einer Gütestelle zählen zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne des § 91 Abs. 1, 2 der Zivilprozessordnung (§15 a EGZPO Abs. 4)
  • Ein vor der Gütestelle geschlossener Vergleich ist nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 der Zivilprozessordnung vollstreckbar. (§15 a EGZPO Abs. 6)
  • Die Hemmung der Verjährung tritt bereits mit dem (einseitigen) Verfahrensantrag ein, nicht erst durch die Aufnahme der Verhandlungen der Konfliktparteien.
  • Die Voraussetzungen zur Durchführung einer Klage i.S.d. §15 a EGZPO sind erfüllt, wenn der Einigungsversuch scheitert.
Sonstige Gütestelle
Eine Streitbeilegung, die von einer sonstigen Gütestelle durchgeführt wird, unterliegt folgenden Regelungen:
  • Die Voraussetzungen zur Durchführung einer Klage i.S.d. §15 a EGZPO sind erfüllt, wenn der Einigungsversuch scheitert.

Was eine sonstige Gütestelle ist, besagt der Entwurf des Gesetzes zur Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung. Dort wird ausgeführt:11

Die Vorschrift enthält eine beispielhafte, nicht abschließende Aufzählung entsprechender Stellen. Erfaßt werden u. a. die Verbraucherberatungsstellen, die von einzelnen Branchen eingerichteten Stellen, wie der Ombudsmann der Banken, die Schlichtungsstellen des Kraftfahrzeughandwerks oder der Textilreinigungsbranche, die Schlichtungsstellen der Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Kreishandwerkerschaften, Innungen, Architekten sowie die Gutachter- und Schlichtungsstellen bei den Ärztekammern. Die Funktion einer sonstigen Gütestelle im Sinne des Absatzes 3 kann insbesondere auch von einem als Vermittler, Schlichter oder Mediator tätigen Rechtsanwalt oder auch von einem als Schlichter tätigen Notar wahrgenommen werden.


Es ist schon bemerkenswert, dass die Erläuterung nur von Anwalts- oder Notarmediatoren spricht. Weil die Aufzählung jedoch nicht enumerativ gemeint sein soll, müssen auch Nur-Mediatoren als sonstige Gütestelle erfasst werden. Ein Ausschlusskriterium könnte allerdings sein, wenn der Mediator seine Dienste nur sporadisch anbietet und nicht geschäftlich betreibt.

Bescheinigung

Sowohl die anerkannten Gütestellen als auch die sonstigen Gütestellen stellen beim Scheitern einer gütlichen Einigung eine sogenannte Erfolglosigkeitsbescheinigung aus, mit deren Hilfe dann die Durchführung des obligatorischen Streitschlichtungsverfahrens bei Gericht nachgewiesen werden kann. Die Bescheinigung ist auszustellen, wenn die Parteien einvernehmlich einen Einigungsversuch unternommen haben. Diese Voraussetzung mag schon in Frage gestellt sein, wenn zumindest eine der Parteien sich erkennbar nur auf die Streitschlichtung einlässt, um die Bescheinigung ihres Scheiterns zu bekommen. Ihr kommt es nicht darauf an, eine Einigung zu versuchen, sondern nur darauf, den Weg in das Gerichtsverfahren zu eröffnen. In dem Fall liegt kein einvernehmlicher Einigungsversuch vor, sondern gegebenenfalls lediglich ein Einvernehmen zum Streit. Das ist de facto das Gegenteil von dem vom Gesetzgeber erwarteten Versuch, den Streit durch eine Einigung beizulegen. Die Gütestelle sollte sich überlegen, ob sie in diesem Fall eine Bescheinigung ausstellt, die bestätigt dass ein Einigungsversuch gescheitert sei. Er hat ja gar nicht stattgefunden.

Andererseits lässt sich aus dem Gesetzeswortlaut herleiten, dass der Versuch einer einvernehmlichen Streitbeilegung bei einer anerkannten Gütestelle auch dann als gescheitert anzusehen ist, wenn der Gegner dem Schlichtungsantrag keine Folge leistet. Das spricht wiederum dafür, dass der Gesetzgeber kein ernsthaftes Bemühen zur Einigung erwartet. Weshalb die Ausführungen von Bittner, dass die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens in der Praxis als lästig empfunden wird.

Bei einer sonstigen Gütestelle müssen beide Parteien die Einigung tatsächlich versucht haben. Das ist ganz sicher der Fall, wenn sie eine Mediation versucht haben. Damit unterscheidet sich die Erfolglosigkeitsbescheinigung des §15 a EGZPO von der Teilnahmebescheinigung nach § 135 FamFG. Ein Muster mit einer Erläuterung zu den notwendigen Inhalten finden Sie bei den Formularen.

Muster der Erfolglosigkeitsbescheinigung

Bedeutung für die Mediation

Laut dem Gesetzesentwurf und den Erläuterungen zu § 15 a Abs. 3 EGZPO kommen als sonstige Gütestellen solche Stellen in Betracht, die sich nicht nur einmalig, sondern dauerhaft mit Streitschlichtungen befassen.12 Gruber hebt hervor, dass damit staatliche und nichtstaatliche Stellen gemeint seien, wobei lediglich die Voraussetzung zu erfüllen sei, dass diese Stellen Streitbeilegung betreiben. Das sei der Fall, wenn die entsprechende Stelle nicht nur einmalig, sondern grundsätzlich auf Dauer angelegt mit Streitbeilegung befasst ist. Neben den in §15 a Abs. 3 Satz 2 EGZPO kämen somit insbesondere auch der als Vermittler, Schlichter oder Mediator tätige Rechtsanwalt oder der als Schlichter tätige Notar in Betracht.13 Es ist bemerkenswert, dass Mediatoren hier nicht explizit erwähnt werden (sondern nur Anwaltsmediatoren). Beachtet man jedoch, das Wort insbesondere, ist zumindest davon auszugehen, dass Mediatoren nicht ausgeschlossen sind. Zumindest nach dem Wortlaut des §15 a Abs. 3 Satz 1 EGZPO erfüllt ein Mediator die Anforderung, wenn er seine Dienste aktiv anbietet. Trotzdem wäre es wünschenwert, wenn der Gesetzgeber zur Wertschätzung der Mediation auch die Mediatoren explizit erwähnen würde.14

Bemerkenswert ist auch die Rechtsprechung, die eine Klage als unzulässig ansieht, wenn der Versuch einer obligatorischen Streitbeilegung nicht unternommen bzw. durch die Bescheinigung der Gütestelle nachgewiesen wurde. Das gleiche sollte bei Mediationsklauseln gelten, wo Gerichte durchaus auch anders entschieden haben.

Was tun wenn ...

Hinweise und Fußnoten
Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen
Bearbeitungsstand: 2023-11-26 08:59 / Version 26.

Alias: Gütestellenverfahren, Güteverfahren, Gütestelle, Gütestellen
Siehe auch:
Prüfvermerk: -

2 Ein Verzeichnis der Landesgesetz finden Sie hier: Anwalt24 (Obligatorische Streitschlichtung) - 2022-02-05
5 Siehe z.B. OLG Köln OLG Köln (Gütestellenanerkennung) - 2022-02-04
7 So zumindest in NRW Siehe NRW (Gütestellenanerkennung) - 2022-02-05
10 Siehe Münchener Kommentar zur ZPO - 2022-02-05 §794 Rdnr. 119
11 Siehe BT Drucksache 14/980 - 2023-09-07, S. 7/8
14 Die Anregung wurde in das Verzeichnis wünschenswerter Gesetzesänderungen aufgenommen


Based on work by Arthur Trossen . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Donnerstag Dezember 5, 2024 01:50:57 CET.

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