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Die Abgrenzung von Recht und Mediation

Wissensmanagement » Sie befinden sich auf einer Themenseite im Abschnitt Recht des Mediationshandbuchs.
Es geht um die grundlegende Frage, wie sich das Recht von der Mediation abgrenzt und einbinden lässt. Bitte beachten Sie auch folgende Beiträge:

Recht Abgrenzung Verfahrensrecht Vereinbarungen Absicherung Rechtsschutz Beweiserhebung

Über die Abgrenzung von Recht und Mediation und die Schnittstellen zum Anwendungsrecht

Wenn von der Abgrenzung des Rechts von der Mediation die Rede ist, soll nicht das Mediationsrecht angesprochen werden, das die rechtlichen Bedingungen für die Durchführung der Mediation beschreibt. Hier geht es um das Anwendungsrecht. Gemeint ist die fallbezogene Anwendung des Rechts innerhalb der Mediation und seine Einflussnahme auf das zu findende Ergebnis.

Das Recht und die Mediation sind zwei unterschiedliche Herangehensweisen.
Sie sollten genau gegeneinander abgegrenzt werden, damit sie sich nicht gegenseitig behindern.

Interaktion von Recht und Mediation

Systemisch betrachtet, könnten das Recht und die Mediation als zwei unterschiedliche Systeme beschrieben werden, die sich wechselseitig beeinflussen. In einer grafischen Darstellung kann das interaktive Verhältnis von Recht und Mediation wie folgt abgebildet werden.

Recht

Die Grafik beschreibt ein Schema, wie sich das Recht in der Mediation verhält.
Insgesamt gibt es vier Berührungspunkte in denen das Anwendungsrecht auf die Mediation treffen kann:

  1. Das Recht kann ein Mediationsmotiv sein
  2. Das Recht darf nicht der Lösungsweg sein
  3. Das Recht sollte eine Lösungsalternative abbilden
  4. Das Recht dient der Lösungskontrolle über die gefundene Lösung

Die Mediation erwartet ein inkludiertes Vorgehen, das sich nach der folgenden Regel ausrichtet:

 Merke:
Leitsatz 4163 - Der Mediator muss sich im Klaren darüber sein, dass das Recht optional eine alternative Lösung herbeiführen kann und dass das Ergebnis am Recht zu messen ist!

Mediationsmotiv

Je schwieriger es ist das Recht durchzusetzen, umso geneigter sind die Parteien zu alternativen Lösungen wie etwa die Mediation. Die Mediation ist Suche nach Lösung. Die Möglichkeit eine Lösung durchzusetzen könnte also die Suche übrigen. Mithin ist die Einschätzung, ob es einen Anspruch gibt, inwieweit der Anspreuch den erwarteten Nutzen verwirklicht und wie gegebenenfalls die Chancen einzuschätzen sind, den Anspruch vor Gericht zu verwirklichen, Anhaltspunkte, die eine Entscheidung für oder gegen die Mediation beeinflussen1 gehören, wenn es nicht nur um Allgemeinplätze geht, in eine parteiliche Beratung. Sie ist dem Mediator also verwehrt, selbet wenn er Anwalt ist2 .

Lösungsweg

Sowohl in der Mediation wie im Recht geht es letztlich darum, eine Lösung zu finden. Die Lösung im Recht ist vorgegeben. Sie ergibt sich aus einer Rechtsfolge, die ihre Lösung unabhängig von den Interessen der Betroffenen festlegt. Die Lösung in der Mediation ist offen und nutzenorientiert. Die juristische und die mediative Herangehensweise unterscheiden sich wie folgt:

Der rechtliche Lösungsweg

Subsumtion-2

Der mediative Lösungsweg

Subsumtion-4

Die beiden Skizzen verdeutlichen den Unterschied. Der rechtliche Lösungsweg erfolgt durch Subsumtion des Sachverhaltes unter eine Norm. Der mediative Lösungsweg erfolgt durch Utilisation, indem die Lösung dem Nutzen unterworfen wird. Während die rechtliche Herangehensweise niemals den Nutzen, sondern allenfalls eine dem Nutzen nahekommende Lösung vorgibt, zielt die mediative Herangehensweise ohne Umweg auf die Verwiurklichung des Nutzens ab. Einzelheiten dazu lesen Sie im Beitrag über den Lösungsweg.

Lösungsweg

Zwischen Rechtsanwendung und Rechtsgestaltung
Sicherlich muss die Abschlussvereinbarung in der Mediation (wie jeder andere Vertrag auch) dem Recht entsprechen. Insofern kommt es bei der Prüfung, ob die Vereinbarung mit dem Recht kompatibel ist, zur Rechtsanwendung. Allerdings ist ein Vertrag zugleich eine Rechtsgestaltung. Er wird zur Rechtsgrundlage für daraus resultierende Ansprüche und Verpflichtungen.
Gewährleistung durch Privatautonomie
Der Abschluss von Verträgen wird durch die grundgesetzlich geschützte Privatautonomie nicht nur ermöglicht, sondern auch den Parteien freigestellt. Die Parteien haben also grundsätzlich die Möglichkeit, von vorgegebenen Rechtsfolgen (gesetzlichen Lösungen) abzuweichen. Die Privatautonomie garantiert nicht nur die Entscheidung über die zu treffenden Vereinbarungen, sondern auch die Entscheidung über den Weg dorthin. Anders als in einem hoheitlich organisierten Verfahren (wie zum Beispiel dem Gerichtsverfahren) können die Parteien also entscheiden, welche Aspekte für sie ausschlaggebend sind, um eine einvernehmliche Entscheidung herbeizuführen.
 Merke:
Leitsatz 4389 - Es gibt zwingendes (stets zu beachtendes) und dispositives (abänderbares) Recht. Das dispositive Recht stellt Rechtsfolgen für den Fall zur Verfügung, dass sich die Parteien selbst nicht einigen können.
Einbeziehung der Komplexität
Gemessen am Streitkontinuum gibt ein privatrechtliches Verfahren zumindest die Möglichkeit, alle Dimensionen des Streitens in Betracht zu ziehen. Die Parteien entscheiden, ob sie die Lösung lediglich auf Fakten und Rechtsfolgen beziehen möchten, oder ob sie auch andere Aspekte in Betracht ziehen wollen, um eine für sie nützliche Entscheidung herbeizuführen. Die Mediation ist darauf angelegt, die gesamte Komplexität des Falles in Betracht zu ziehen.

Komplexität bewältigen 

 Merke:
Leitsatz 4164 - Damit sich die Parteien von der vorgegebenen juristischen Lösung zunächst befreien können, ist es wichtig, dass bei der Lösungsfindung das juristische Denken zunächst außen vor bleibt. Das Recht in der Mediation darf die Lösung prüfen und die rechtliche Lösung gegenüberstellen, aber nicht in die Lösung führen.

Lösungsalternative

Auch wenn die Mediation eine freie Rechtsgestaltung ermöglicht, soll sie mit einem Ergebnis VERGLICHEN werden, das sich aus der Rechtsfolge entwickelt. Nur so wird sichergestellt, dass der Lösungsweg ein mediativer ist und dass sich ZUNÄCHST die an den Interessen ausgerichtete Nutzenorientierung verwirklicht. Die rechtliche Alternative wird im Idealfall in der WATNA-BATNA Instanz gebildet. Hier wird die frei gestaltete Lösung der sich aus einer Rechtsfolge ergebenden Lösung gegenübergestellt. Wieder wird deutlich, dass die Lösungsfindung zunächst jenseits des Rechts stattfindet. Nur so ist es möglich, das Lösungskonzept der Parteien dem des Gesetzes gegenüberzustellen. Welche Rolle ein Anwalt als Mediator dabei spielen kann wird im Beitrag Anwaltsmediator ausführlich erörtert.

Anwaltsmediator 

 Merke:
Leitsatz 4165 - Das Herausarbeiten einer Lösungsalternative ist, wenn parteiliche Interessen dabei eine Rolle spielen, wieder eine Angelegenheit der Parteiberatung, also dem Mediator verwehrt.

Lösungskontrolle

Alle Handlungen der Bürger eines Staates, müssen sich an dem Recht des Staates messen lassen. Verbote sind zu beachten. Sie bilden die Grenzen des Privatrechts. Ansonsten gilt der Grundsatz des Rechtsstaates:

 Merke:
Leitsatz 4166 - Alles was nicht verboten ist, ist erlaubt!

Spätestens jetzt ist zu prüfen, ob die gefundene Lösung dem Recht entspricht. Diese Anforderung ist nicht mediationsspezifisch, sondern betrifft jede denkbare Handlung der Menschen. Wenn die Parteien also eine rechtskonforme Vereinbarung treffen möchten, liegt es an ihnen dafür zu sorgen, dass die Vereinbarung dem Recht entspricht. Der Mediator ist verpflichtet dazu beizutragen, dass dem so ist.

Es steht den Parteien frei zu entscheiden, wie viel Rechtskontrolle und Rechtsorientierung sie in der Mediation verwirklichen möchten. Teilweise ist der Mediator verpflichtet, sie rechtlich zu beraten, teilweise ist er daran gehindert. In manchen Fachanwendungen hilft die Rechtskenntnis dabei, Parteien, die keinen Anwalt zu Rate ziehen, vor Fehleinschätzungen zu bewahren. Anwaltsmediatoren sind bei der Grenzziehung zur Rechtsberatung vor besondere Herausforderungen gestellt.

In keinem Fall darf den Parteien die Rechtskontrolle verwehrt werden. Gegebenenfalls muss der Mediator nach §2 Abs.6 Mediationsgesetz auf die Möglichkeit und Notwendigkeit einer externen Rechtsberatung explizit hinweisen.

Rechtsberatung in der Mediation 

Die Grenzen einer Rechtsberatung werden einerseits durch das Mediationsrecht und andererseits durch das im Rechtsdienstleistungsgesetz geregelte Anwaltsrecht beschränkt. Der Anwaltsmediator ist in einer besonderen Pflicht, die Grenzen nicht nur zu beachten, sondern auch den Parteien explizit aufzuzeigen, damit sie das Zusammenspiel, die Abgrenzung und den Unterschied der jeweiligen Dienstleistung erkennen kann. Der Grundsatz lautet:

 Merke:
Leitsatz 4167 - Eine Rechtsberatung ist für den Mediator nicht nur erlaubt, sondern notwendig und zulässig, wo es um die Anwendung und Durchführung des Verfahrens geht. Sie ist auch für Anwälte nicht erlaubt, wenn sie zur Herbeiführung der Lösung benutzt wird. Sie ist erlaubt und gegebenenfalls notwendig, wo es um die Sicherung und Wirksamkeit der gefundenen Lösung geht

Schnittstellen

Es gibt verschiedene Berührungspunkte zum Recht, die in den Beiträgen Recht, Beratung und insbesondere im Beitrag Rechtsberatung im Einzelnen erörtert werden. Eine evaluative Mediation beispielsweise bezieht die Bewertung der Rechtspositionen durchaus in die Verhandlung mit ein. Die zulässige Grenze der Einbeziehung des Rechts ergibt sich stets aus dem Wesen der Mediation und aus der Tatsache, dass die Mediation einen ganz anderen Lösungsansatz verfolgt als das Recht.

 Merke:
Leitsatz 4395 - Das Recht ignoriert den Nutzen. Die Mediation stellt den Nutzen in den Vordergrund.

Die unterschiedlichen Lösungswege von Recht und Mediation 

Bedeutung für die Mediation

Die pauschale Formel, dass der Mediator keine Rechtsberatung durchführen dürfe, stimmt in dieser Absolutheit nicht, wie die vorstehenden Ausführungen ergeben haben. Dass der Mediator sachverhaltsaufklärend tätig zu werden habe, um unter Einbeziehung der von den Konfliktparteien eingebrachten rechtlichen Gesichtspunkte und Fragen eine gleichgewichtige, den Interessen beider Seiten gerecht werdende, einvernehmliche Konfliktlösung zu ermöglichen3 , ist nur dann zutreffend, wenn sie dem Wesen der Mediation nicht widerspricht und eigene Lösungsideen der Parteien zulässt. Es ist richtig, dass fehlerhafte Lösungen zu verhindern sind. Es wäre aber falsch die rechtliche Lösung als die einzig wahre Lösung anzustreben.

Was tun wenn ...

Hinweise und Fußnoten

Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen

Bearbeitungsstand: 2023-06-19 22:11 / Version 87.

Siehe auch: Rechtsberatung, Anwaltsmediator, Recht, Lösungsweg
Prüfvermerk:

3 So die Begründung in der Entscheidung des BGH 21-9-2017,IX-ZR-34-17


Based on work by Bernard Sfez und anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Dienstag November 5, 2024 09:20:36 CET.

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