Alles hat eine Bedeutung. Auch wenn es keine Bedeutung hat, hat es eine. Im Idealfall wird die Bedeutung der Worte über die Sprache kommuniziert. Die Sprache ist ein Mittel der Verständigung. Das sollte sie wenigstens sein. Sie versagt jedoch, wenn es nicht mehr gelingt zu sagen, was verständlich macht. Sie versagt, wenn die Bedeutung von Worten festgeschrieben wird, obwohl der Code nicht mehr eindeutig ist. Sie versagt, wenn die Bedeutung der Worte nicht hinterfragt wird. Wenn das geschieht, geht es nicht um die Bedeutung. Dann geht es um die Bedeutungshoheit. Es ist also nicht das Unwort, das die Gesinnung entlarvt, sondern die Art und Weise wie damit umgegangen wird. Damit wendet sich der Blick vom Verwender auf den Empfänger der Worte.

Im Zeitalter der Globalisierung und des kulturellen Umbruchs haben die Worte ihre Bedeutung verloren. Damit wird ihrem Missbrauch Tür und Tor geöffnet. Der Mann, der eine gesunde Frau ermahnt, den Behindertenparkplatz freizuhalten, wird wegen sexuellen Missbrauchs beschuldigt. Wer das verbotene Wort benutzt, wird zum Rassisten deklariert, ohne dass die Person des Verwenders überhaupt bekannt ist. Die verpasste feminine Wortendung erlaubt den Vorwurf der Frauenfeindlichkeit. Wer eine falsche Meinung vertritt, wird zum Staatsfeind, wer den Staatsfeind kontaktiert, wird zum Verräter. Und er sich gewaltsam Gehör verschafft, wird er zum Terroristen. Der Egoist wird zum Narzissten. Aus der Lüge wird ein Gaslighting.

In den meisten Fällen treffen die Zuschreibungen nicht zu. Sie werden missbraucht. Es genügt, die Worte in den Mund zu nehmen. Schon lösen sie die gewünschte Entrüstung aus. Es könnte ja sein, dass der Vorwurf zutrifft. Aus der Unschuldsvermutung wird eine Schuldvermutung aus der man so schnell gar nicht mehr herauskommt.1 Die Worte erfüllen ihren Zweck aber auch nicht mehr. Ihre Bedeutung erschließt sich nicht mehr aus dem Sinngehalt der Worte, sondern aus der damit verbundenen Wirkung. Sie lösen beim Betrachter ein Kopfkino aus, ohne zu merken, dass er sich gerade einen ganz anderen Film anschaut. Das Kopfkino ist gewollt. Das Drehbuch steht fest.

Der Missbrauch der Worte zieht in alle Bereiche ein. Das Framing überschreibt die Bedeutung. Es determiniert auch die politischen Debatten. Statt Fakten werden niedere Beweggründe unterstellt. Es werden Meinungen wie Fakten behauptet, nicht um das Fakt zu klären, es kann auch ein alternatives sein, das die Lüge überschreibt. Es geht darum, Anhänger zu gewinnen und Stellung zu beziehen. Mangels Fakten, muss die unterstellte Gesinnung herhalten. Es lebe der fundamentale Attributionsfehler.2

Im Grunde müssten alle Worte neu verhandelt werden. Ihre Bedeutung ist zu hinterfragen. Wir können damit anfangen, indem wir das Phänomen an und für sich beobachten und nicht das Wort hinterfragen, sondern seine Verwendung. Was wäre anders, wenn die gewünschten Worte verwendet werden? Es ist die Frage, die ein Mediator stellen würde, wenn er den Parteien den Weg aus dem Konflikt weisen will. Die Antwort auf die Frage weist auf die Motive hin. Natürlich würde ein Mediator auch die Bedeutung an und für sich hinterfragen. Ein guter Mediator hat gelernt, sorgfältig mit Informationen umzugehen.

Die Welt befindet sich in einer Krise. Es gibt keinen Mediator, der damit beauftragt wird, den Konflikt zu lösen. Also bleibt den Menschen nichts anderes übrig, als selbst zum Mediator in eigener Sache zu werden. Die Mediation beginnt, wenn wir anfangen das zu hinterfragen, was uns eindeutig erscheint. Krisen und Konflikte wollen uns etwas sagen. Vielleicht erschließt sich ihre Bedeutung einfach darin, zu hinterfragen, was uns aufgetischt wird. Hinterfragen bedeutet nicht verurteilen!

Arthur Trossen


Bild von Robbin Higgins auf Pixabay