Forscherforum
Mediationstheorie (systemisch)
Versuch der Formulierung einer neuen Theorie:
Mediation ist ein Verständigungsverfahren, das auf dem Prinzip von sich selbst orga-nisierenden, d.h. ordnenden Systemen beruht. Mediation beruht danach auf dem Gedanken der Einheit in einer natürlichen Ordnung, die sich von selber herstellt. Das Verfahren wird geleitet von einer unabhängigen Person, dem Mediator, der auch sich selbst von dieser natürlichen Ordnung führen lässt.
Wir gehen in der Mediation von Grundannahmen aus; diese müssen vor Beginn der Mediation geklärt und miteinander vereinbart werden:
Wir gehen davon aus, dass streitende Menschen oder Parteien eine Lösung (nicht unbedingt eine vertragliche Einigung) suchen, die sie sowohl einander als auch sich selbst wieder vertrauen lässt. Nicht jeder Konflikt hat dieses Ziel. Der Mediator ist eine Person, die diese Verständigungssuche vermittelt. Aus der Überzeugung vom Vorhandensein einer natürlichen Ordnung, die sich von selber herstellt, also nicht besonders erzeugt werden muss, folgt alles Handeln. Diese Grundannahmen bilden den gemeinsamen Rahmen, das gemeinsame Grundverständnis der Mediation.
Aus der systemischen Sicht betrachten wir die Streitparteien als ein System, sowie die Mediationsleiter, verkörpert durch den Mediator oder die Mediatoren als ein wei-teres System, die zusammen mit den Streitparteien unter dem Begriff „Mediation“ ein Gesamtsystem bilden. Hiervon ausgehend betrachten wir den Ablauf der Mediation unter dem Gedanken von sich selbst organisierenden Systemen, ihrem Bezug untereinander und in dem Verhältnis zu ihren Umwelten. Weiter betrachten wir die beteiligten Menschen als Elemente, aus denen sich die Systeme zusammensetzen.
Wie nun kommt der Mediationsprozess in Gang? Das ist die Stelle, an der das Prin-zip „Ordnung durch Unordnung“ („Order-from-noise“) zum Zuge kommt. Das Prinzip „Ordnung durch Unordnung“ meint die natürliche Tendenz der Systeme, sich selbstständig zueinander und den Elementen in ihrem Inneren aus Unordnung zu ordnen. Dieses Prinzip wird vom Mediator angestoßen, indem er zunächst die Unordnung vergrößert und damit die „Stabilität“ des Konflikts erschüttert. Soweit der Beginn, - der reicht jedoch allein nicht aus, den Mediationsprozess „geordnet“ zu führen und zu Ende zu bringen. Der Mediator muss hierfür auch das eigene System dieser natürlichen Ordnung überlassen und darf nicht willkürlich handeln. Dreh- und Angelpunkt ist eine innere Haltung, die sich aus nichts anderem ableiten lässt als aus ihm selbst. Sie bildet für ihn den alleinigen Bezugspunkt, aus dem sich die Kommunikation entwickelt. Die spezielle Haltung des Mediators ist somit keine irgendwie moral- oder wissenschaftsbestimmte Haltung, sondern allein in den genuinen Eigenschaften seiner Person begründet. Da für alle Beteiligten das gleiche Prinzip der sich selbst organisierenden Systeme gilt, folgt zwangsläufig, dass dem Mediator im Kernprozess der Mediation kein Vorrang vor den Konfliktparteien zukommt. Hierauf beruht wesentlich seine Neutralität, weniger auf der Befolgung der Verfahrensvorschriften. Seine besondere Kompetenz im Verfahren liegt allein in der Gestaltung und Einhaltung des Mediationsrahmens. Erlernte Techniken und Methoden dienen lediglich als Ergänzung seiner Haltung; sie stellen keine unabdingbare Basis der Mediation dar.
Der Mediator ist zwar Teil eines Gesamtsystems, in dem sich die Personen befinden, das sich selbst organisiert. Dennoch kommt es darin auch auf sein individuelles Handeln an. Es ist nicht gleichgültig was er tut. Sein Handeln muss sich in vollkommener Übereinstimmung mit dem Gesamtsystem wie auch mit seiner eigenen genuinen menschlichen Natur befinden.