Paradoxien und paradoxe Interventionen
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Die Paradoxie wird synonym zu dem Begriff Paradoxon verwendet. Paradoxien sind Aussagen, die neben (para) der allgemein akzeptierten Meinung (doxa) stehen und die deshalb widersinnig, sinnlos, absurd oder einfach nur kurios erscheinen1 .
Definition
Laut Wikipedia ist das Paradoxon (Plural Paradoxa; auch Paradox oder Paradoxie, Plural Paradoxe bzw. Paradoxien; vom altgriechischen Adjektiv παράδοξος parádoxos „wider Erwarten, wider die gewöhnliche Meinung, unerwartet, unglaublich“1) ist ein Befund, eine Aussage oder Erscheinung, die dem allgemein Erwarteten, der herrschenden Meinung oder Ähnlichem auf unerwartete Weise zuwiderläuft oder beim üblichen Verständnis der betroffenen Gegenstände bzw. Begriffe zu einem Widerspruch führt2 .
Beispiele für Paradoxien
Paradox ist auch:
- die Aufforderung sich doch 'mal langsam zu beeilen, oder
- die Aussage, dass der Vater seinen Sohn unverwandt anstarrt, oder
- die Frage, warum schlafen ein Tätigkeitswort ist.
- Dann ist natürlich die Behauptung paradox, dass diese Aussage falsch ist.
Rhetorische Paradoxien sind:
- Weniger ist mehr
- Wir sind zur Freiheit verurteilt
- Wir kämpfen für den Frieden
- Wenn nichts mehr geht, geht die Mediation
Die Paradoxie der Mediation
Interessanter Weise ist ausgerechnet die Mediation, die sich mit den Widersprüchen im Konflikt beschäftigt und sich bemüht, diese Widersprüche aufzulösen, in sich außerordentlich widersprüchlich. Das ist sie zumindest auf den ersten Blick. Ihre Widersprüchlichkeit erlaubt es, die Mediation als paradox zu beschreiben. Folgende Widersprüche fallen auf und regen zum Nachdenken an:
- Der irreführende Lösungsfokus
- Es wird behauptet, die Mediation sei lösungsorientiert. Zutreffend ist, dass die Lösung umso besser gefunden wird, je weniger sich die Parteien (und der Mediator) darauf konzentrieren. Diese widersprüchliche Aussage begründet die Paradoxie. Die Lösung wird wie bei jeder Suche umso besser gefunden, je weniger man an das denkt, was gesucht werden soll.4
- Der freiwillige Druck
- Die Freiwilligkeit suggeriert, dass die Partei jederzeit abbrechen kann. Es gibt für sie scheinbar kein Risiko. Außer dem, dass die Gegenseite abbricht. Somit ist die Freiwilligkeit auf der einen Seite ein recht und auf der anderen Seite eine Pflicht. Sie ist zumindest ein Druckmittel an die Gegenseite, sich so zu verhalten, dass niemand abrechen muss.5
- Freiwilligkeit vs. Struktur
- Mediation ist ein freiwilliger Prozess, bei dem die Parteien selbst die Kontrolle über das Ergebnis haben. Gleichzeitig folgt sie einer strukturierten Vorgehensweise, die vom Mediator geleitet wird. Diese Kombination aus Freiheit und Struktur kann paradox erscheinen.
- Neutralität des Mediators vs. Einflussnahme
- Der Mediator ist neutral und unparteiisch, soll aber gleichzeitig die Kommunikation zwischen den Parteien fördern und sie dazu bringen, Lösungen zu finden. Diese Balance zwischen Neutralität und aktiver Einflussnahme kann als paradox empfunden werden.
- Kooperation trotz Konfrontation
- Es ist aus strategischer Sicht mehr als widersprüchlich, dass doe Mediation als ein kooperatives Verfahren innerhalb der Konfrontation anzuwenden ist. Und nicht nur das. Sie kann die Konfrontation sogar überwinden.6
- Erfolg und Aussichtslosigkeit
- Besonders paradox ist die Aussage, dass die Mediation umso erfolgversprechender ist, je aussichtsloser der Fall zu sein scheint. Der Grund lisgt darin, dass die Mediation ein anderes Denken anstrebt und die Motivation zur Lösungssuche umso größer ist, je verweifelter die Parteien auf die Lösung angewiesen sind.7
- Konfliktlösung ohne Schuldzuweisung
- Mediation zielt darauf ab, Konflikte zu lösen, ohne Schuld zuzuweisen oder zu bestimmen, wer im Recht ist. Dies steht im Gegensatz zu traditionellen Konfliktlösungsmethoden wie Gerichtsverfahren, bei denen oft ein "Gewinner" und ein "Verlierer" bestimmt werden. Die Idee, einen Konflikt ohne Schuldzuweisung zu lösen, kann paradox erscheinen, da Konflikte oft auf Schuld und Verantwortung basieren.
- Emotionen und Rationalität
- Mediation berücksichtigt sowohl emotionale als auch rationale Aspekte eines Konflikts. Die Parteien werden ermutigt, ihre Gefühle auszudrücken, während gleichzeitig rationale Lösungen gesucht werden. Diese Verbindung von Emotion und Rationalität kann paradox erscheinen, da sie oft als gegensätzlich betrachtet werden.
- Kurzfristige Intervention vs. langfristige Wirkung
- Mediation ist oft ein kurzfristiger Prozess, der jedoch langfristige Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen den Parteien haben soll. Die Idee, dass eine kurzfristige Intervention langfristige Veränderungen bewirken kann, kann als paradox empfunden werden.
Verwendung von Paradoxien
Es würde der Paradoxie nicht gerecht, wenn sie lediglich als eine witzige, weil merkwürdige Aussage betrachtet wird. Das Beispiel "Wir kämpfen für den Frieden" zeigt, dass erst bei einem vertiefenden Nachdenken die ganze Tragweite der Aussage und ihr Widerspruch sichtbar wird. Das gleiche gilt für die Behauptung: "Diese Aussage ist falsch". Es ist deshalb gut nachvollziehbar, wenn Kannetzky die Paradoxie als einen Indikator für Probleme beschreibt, die durch Widersprüchlichkeit oder Zirkularität von Aussagen oder Anforderungen auf sich aufmerksam machen. Betont man die Aussage auf sich selbst aufmerksam machen, dann erschließt sich eine Ahnung, wie nützlich Paradoxien in der Mediation sein können.
- Paradoxien gibt es nur, wo es gerechtfertigte Erwartungen gibt.
- Paradoxien sind ihrer logischen Form nach Widersprüche bzw. lassen sich als solche darstellen.
- Paradoxien helfen, Konflikte zu lösen, indem sie die Parteien in ein Verhältnis zu den Darstellungs-, Erkenntnis- und Handlungsformen setzen und zur Klärung von Konfliktfragen beitragen. Paradoxien können zufällig und unbedacht entstehen oder gezielt eingesetzt werden, um etwas zu bewirken. In dem Fall ist von einer paradoxen Intervention die Rede.
Paradoxe Intervention
Die in der Philosophie zum Verständnis von Verstand und Vernunft beitragenden Erkenntnisse macht sich auch die Psychologie zu eigen, indem sie Paradoxien gezielt als Intervention einsetzt. Paradoxien wirken wie Denkfallen. Sie führen die Grenzen des Verstandes und der Logik vor Augen und regen zugleich zum Nachdenken an.8 Der psychologische Effekt einer Paradoxie lässt sich mit der Starttaste bei Windows vergleichen. Wenn die Taste gedrückt wird, wird das System heruntergefahren, der Cache-Speicher wird gelöscht, die Programme werden neu eingeladen. Auf den Menschen bezogen bewirken paradoxe Interventionen die Durchbrechung von Mustern. Die Programme (Muster) laufen nicht mehr ab, wie gewohnt. Etwas ist anders. Man muss sich neu orientieren. Das gelernte Muster funktioniert nicht mehr. Paradoxe Interventionen in der Mediation sind z.B.
Bedeutung für die Mediation
Paradoxien helfen einerseits, die Mediation in ihrer Widersprüchlichkeit wahrzunehmen. In dieser Funktion tragen sie dazu bei, dass der Mediator die Mediation besser verstehen kann. Andererseits sind sie ein Werkzeug, mit dem sich der Konflikt besser begreiflich macht. In dieser Funktion tragen sie dazu bei, dass die Parteien den Konflikt besser verstehen.
Bitte beachten Sie die Zitier - und LizenzbestimmungenAlias: paradoxe Intervention, Paradoxien
Literaturhinweis: Kannetzky (Paradoxien)
Siehe auch: Entscheidungsprozesse
Included: paradoxe-Mediation
Prüfvermerk: -