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Dummheit und Ignoranz

Wissensmanagement » Diese Seite ist der Kategorie Konfliktphänomenologie des Archivs in der Wiki-Abteilung Wissen zugeordnet. Eine logische Verknüpfung erfolgt mit der Rubrik Konflikt, also dem 6. Buchabschnitt des Fachbuchs Mediation und den Konfliktphänomenen. Bitte beachten Sie auch:

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Dummheit und Ignoranz sind zwei Facetten menschlicher Schwächen, die sich auf unterschiedliche Weise manifestieren. Den Gegensatz bilden Mut und Weisheit. Weil das Konfliktverhalten von ihren inneren Werten, Überzeugungen und Fähigkeiten geprägt wird, haben diese Eigenschaften einen erheblichen Einfluss auf den Konfliktverlauf, mit dem die Mediation umgehen muss. Sowohl die Dummheit wie auch die Ignoranz werden unter den Lösungshindernissen erfasst, sodass die Frage aufkommt, wie damit umnzugehen ist.

Was ist unter Dummheit und Ignoranz zu verstehen?

Dummheit wird oft als Mangel an Intelligenz oder Vernunft definiert, der zu unklugem oder unüberlegtem Verhalten führen kann. Es bezieht sich nicht notwendigerweise auf das Fehlen von Intelligenzquotienten, sondern vielmehr auf die Fähigkeit, rationale Entscheidungen zu treffen, komplexe Probleme zu lösen und aus Erfahrungen zu lernen. Dummheit kann dazu führen, dass Menschen impulsiv handeln, unvorsichtige Risiken eingehen oder grundlegende Konzepte nicht verstehen.

Ignoranz bezieht sich auf einen Mangel an Wissen, Bildung oder Bewusstsein über bestimmte Themen oder Fakten. Es kann sowohl bewusst als auch unbewusst sein und zu Vorurteilen, Engstirnigkeit und einem eingeschränkten Weltbild führen. Ignoranz kann dazu führen, dass Menschen sich in ihrer eigenen Meinung versteifen, sich weigern, neue Informationen zu akzeptieren, oder sogar die Realität leugnen.

Das Verhältnis zur Intelligenz

Beide Begriffe relativieren sich, wenn Sie sich näher mit der Intelligenz auseinandersetzen und der Frage, was die Intelligenz überhaupt auszeichnet.

Die Rolle der Intelligenz in der Mediation

Auswirkungen auf den Konfliktverlauf

Im Konflikt ist die Dummheit nicht unbedingt eine Frage der messbaren Intelligenz. Denken Sie nur an die Kompetenzamnesie. Wenn das Gehirn auf dem Niveau der Fight or Flight-Reaktion angekommen ist, sind die Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt. Hier begegnen wir dem Phänomen der Death-Spiral und der Bereitschaft zur Selbstvernichtung bei hoch eskalierten Konflikten. Dummheit verstanden als die Unfähigkeit die Konsequenzen zu überdenken und Auswege zu erkennen und Ignoranz, verstanden als die Unwilligkeit sich auf solche Überlegungen einzulassen findet sich also auch bei Menschen wieder, die im Übrigen als intelligent gelten.

Eine perfide Sicht mag den Akteuren sogar unterstellen, dass sie das eine wie das andere sogar bewusst einsetzen. In der Konfrontation führen diese Eigenschaften nämlich dazu, dass dem Gegner alles zuzutrauen ist. Ob ihm die Konsequenzen egal sind oder ob er sie nicht einschätzen kann, spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Die Auswirkungen sind die gleichen. Man muss auf alles gefasst sein.

Auswirkungen auf die Verhandlung

In der Mediation wirken sich Dummheit und Ignoranz wie eine Verweigerung oder ein Widerstand aus, weshalb dieses Phänomen unter den schwierigen Situationen der Mediation i.S.d. Ausbildungsverordnung zu subsummieren ist.1 Jeder Mediator und jede Mediatorin kennen wahrscheinlich die Situation:

Beispiel 16189 - Es geht um den Umgang mit dem Kind. Der Mediator fragt den Vater,, warum der Umgang mit seinem Kind für ihn wichtig sei. Er wollte die Kriterien des Nutzens herausarbeiten, was für die Phase drei von ausschlaggebender Bedeutung ist, um einen Zugang zu Umgangsfragen mit dem Kind zu finden. Der Vater antwortet: "Weil ich der Vater bin". Auf die Rückfrage des Mediators: "Und was bedeutet das?", bekommmt er die Antwort: "Ich bin der Vater". Auf die weitere Rückfrage des Mediators, warum das Vatersein für den Umgang mit dem Kind wichtig sei, erhält er die Antwort: "Weil ich der Vater bin".


Es stellt sich die Frage: "Will er nicht oder kann er nicht?". Im Ergebnis trägt der Vater nichts dazu bei, dass seine Beweggründe erkennbar werden. Solange die Partei nur dummstur ihre Positionen wiederholt und die Langspielplatte an Argumenten abspielt, wird der Übergang in die dritte Phase unmöglich gemacht. Damit zeigt sich bereits der Angriffspunkt für den Mediator. Er muss überlegen, wie er der Partei die dritte Phase schmackhaft machen kann. Ein anderes Beispiel:

Beispiel 16190 - Es geht um eine Erbschaftsmediation in einer tragischen Familiensituation. Die beiden im Streit befindlichen Schwestern sind etwa 10 Jahre auseinander. Es sind Kriegskinder, weshalb die ältere Schwester keine Ausbildung bekam und hauptsächlich auf die jüngere Schwester achten sollte. Die jüngere Schwester hat eine Ausbildung bekommen, weshalb sie den Betrieb geerbt hat. Weil die ältere Schwester nicht gefördert wurde und auch nicht abstrakt denken und nicht einmal rechnen kann, war die Erbfolge nachvollziehbar. Die ältere Schwester hat die Rollenzuschreibung nicht verstanden. "Ich bin doch die ältere. Ich muss doch meiner Schwester sagen, was zu tun ist und nicht umgekehrt". Wegen der mangelnden Abstraktionsfähigkeit der älteren Schwester war es kaum möglich, die geänderte Rollenbeziehung zu klären. Dann wechselte der Mediator in eine analoge Sprache. "Was wäre die Beziehung, wenn Sie Tiere wären?", fragte er. Jetzt antwortete die ältere Schwester: "Dann bin ich die fette Maus und meine Schwester ist die böse Katze". Anhand der Tieranalogie ließ sich die Beziehung klären.


In diesem Beispiel waren die Schwestern an einer Lösung interessiert. Die dritte Phase konnte eingeleitet werden. Jetzt war es die mangelnde Abstraktionfähigkeit der älteren Schwester, die einen Hinderungsgrund lieferte, um die ungewollte Situation zu verstehen und um zu erkennen, wie damit umzugehen ist. Die Hürde ließ sich mit viel Geduld und Einfühlungsvermögen und nicht mit einer Überzeugungsarbeit bewältigen.

Die Motivation entscheidet

Was die Denkfähigkeit anbelangt gibt es Möglichkeiten, sich auf das Neveau der Partei einzulassen. Die Grenzen finden sich in der Mediationsfähigkeit, also der Fähigkeit der Parteien, dem Gedankengang der Mediation zu folgen. Das letztere Beispiel zeigt, dass sich die Mediation dieser Fähigkeit anpassen kann, weshalb auch eine Mediation mit Kindern und in gewisser weise auch mit mental kranken Menschen möglich ist.

Problematischer sind die Fälle, wo sich die Partei überhaupt keine Mühe gibt, sich auf den Gedankengang einzulassen. Dann ist eher von einer Verweigerung zu sprechen. Der Mediator sollte (sofern möglich) den Motiven auf den Grund gehen und die Verweigerung hinterfragen. Sie kann strategisch und rational begründet sein oder intrinsich und psychologisch.

Bedeutung für die Mediation

Es ist wichtig zu erkennen, dass Dummheit und Ignoranz nicht unvermeidlich sind und dass Menschen die Fähigkeit haben, sich weiterzuentwickeln und zu lernen. Die Mediation zeigt einen möglichen Weg. Wo der Verstand versagt, helfen die Emotionen weiter. Wo die verbale Kommunikation versagt, hilft die non-verbale Kommunikation weiter. Der Mediator muss sein Repertoire ausschöpfen, um Einsichten zu ermöglichen. Es wäre zu einfach, zu sagen, die Parteien seien nicht mediationsfähig oder der Fall sei für die Mediation nicht geeignet, solange nicht alles versiucht wurde. In der Praxis stellt sich die Frage nach dem Aufwand, den der Mediator betreiben kann und will und den die Parteien bereit sind zu vergüten.

Hinweise und Fußnoten
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Bearbeitungsstand: 2024-04-14 11:28 / Version 12.

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Based on work by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Donnerstag November 21, 2024 16:40:09 CET.

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