Lade...
 

Der Fokus setzt den Schwerpunkt

Wissensmanagement » Diese Seite gehört zum Fachbuch Mediation in der Wiki-Abteilung Wissen. Sie befinden sich auf der Themenseite Fokus, die dem Kapitel Reichweite im 4. Buchabschnitt Prozess zugeordnet wird. Bitte beachten Sie auch:

Reichweite der Mediation Fokus Entscheidung Ziele Ablauf Gedanken Achtsamkeit Kontext Nutzen

Worum es geht: Es geht um die Chancen und die Risiken der Fokussierung. Wie gefährlich ein falscher Fokus sein kann, erfährt jeder Motorradfahrer beim Kurvenfahren. Seine Blickrichtung bestimmt die Fahrt. Sie entscheidet, ob er die Kurve sicher durchfährt oder nicht. Neben der Voraussicht, die die ganze Verkehrslage umfasst, richtet sich der Kurvenblick dynamisch in die Kurventangenten hinein. Auch in einem Streitbeilegungsverfahren entscheidet der Blick darüber, wo es lang geht. Gibt es eine Empfehlung wie beim Motoradfahren, worauf zu achten ist?

Einführung und Inhalt: Auch wenn das nachfolgende Video eher für Motorradfahrer von Interesse sein dürfte, mag es dazu beitragen, die Wichtigkeit, die Bedeutung und die Technik der richtigen Blickrichtung besser zu verstehen. Es werden Parallelen aufgedeckt, mit denen die nachfolgenden Ausführungen verständlicher werden.

Worauf zu achten ist

In dem Youtube-Video Kurven fahren die richtige Blickführung geht es um das richtige und sichere Kurvenfahren des Motorradfahrers auf der Landstraße. Die anschauliche Erklärung über die richtige Blickführung gibt Inspirationen für die Fokussierung in der Mediation. Das scheinbar art- und themenfremde Video dient nur der Veranschaulichung

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem Video um ein bei Youtube (Google) hinterlegtes Video handelt. Was das bedeutet, erfahren Sie in der Datenschutzerklärung. Eintrag im Videoverzeichnis erfasst unter Kurven fahren "die richtige Blickführung"


Mit der Frage, worauf zu achten ist, kommt schon rein begrifflich die Achtsamkeit in den Sinn. Sie spielt in der Mediation eine außerordentlich wichtige Rolle. Die Achtsamkeit lenkt den Fokus auf den Moment. Dieser Fokus alleine genügt jedoch nicht. Ihm fehlt die Ausrichtung. Deshalb muss zusätzlich auf alles geachtet werden, was das Verfahren nach vorne bringt. Die Blickrichtung passt sich den Verfahren an. In einem herkömmlichen Entscheidungsprozess wird der Blick auf die zu treffende Entscheidung gelenkt. Dieser Fokus führt bei einem Vergleich mit der Voraussicht des Motoradfahrers bereits zu einer Einschränkung. Ein Entscheidungsprozess verläuft wie die Mediation in fünf Phasen. Er unterscheidet sich von der Mediation jedoch durch die Zielsetzung, einem damit einhergehenden, veränderten Schwerpunkt und die Blickrichtung.

Der Fokus entscheidet

Laut dem DWDS kommt das Wort focus aus dem Lateinischen und bedeutet Feuerstätte oder Herd. In der Optik wird es für den Brennpunkt gewählt und im übertragenen Sinn als Synonym für das Hauptaugenmerk bei einer Angelegenheit oder in einem Diskurs.1 Das im Fokus zum Ausdurck kommende Hauptaugenmerk beschreibt die Blickrichtung. Sie ist mit dem Phänomen der selektiven Wahrnehmung zu vergleichen. Sie steigert zwar die Fähigkeit, sich auf einen Schwerpunkt oder eine Aufgabe zu konzentrieren. Sie verbirgt jedoch auch das Risiko, dass Dinge, die nicht im Fokus liegen, aus dem Blick geraten. Der selektive Schwerpunkt eines Verfahrens ergibt sich aus der Zielsetzung.

Jedes Verfahren stellt einen am jeweiligen Verfahrensziel ausgerichteten Satz von Interventionen zur Verfügung. Sie bewirken ein mehr oder weniger vorauszuplanendes Set an Interaktionen über die sich das Verfahrensziel verwirklichen soll. Die Interaktionen werden in eine Verhandlungstheorie überführt, mit der entweder der Streit oder der Konflikt gelöst werden soll. Ob es zum Einen oder zum Anderen kommt, hängt also maßgeblich von der Zielsetzung ab, mit der das Verfahren geführt wird. Der jeweilige Fokus wird von den Verfahren wie folgt vorgegeben:

Verfahren Schwerpunkt
Gericht Ergebnisorientierung
Güterichterverhandlung Ergebnis- ggfalls Lösungsorientierung
Schlichtung Lösungsorientierung
Mediation Nutzenorientierung

Die Tabelle gibt einen ersten Überblick. Sie deutet bereits an, dass die Mediation verkürzt dargestellt wird, wenn sie als ein lösungsorientiertes Verfahren beschrieben wird. Der Verfahrensschwerpunkt ergibt sich nicht lediglich aus der Zielsetzung.

Die Verfahrensschwerpunkte

Auch die Art und Weise, wie das Verfahrensziel erreicht wird, ergibt eine Hinweis auf seine Leistungsfähigkeit. Wenn der sich aus dem Ziel des Verfahrens ergebende Schwerpunkt an dem Streitkontinuum gemessen wird, ergeben sich Hinweise auf die Bearbeitungstiefe. Sie werden an dem zu erzielenden Nutzen ausgerichtet. Die Verfahrensschwerpunkte ergeben sich deshalb aus den der Zielsetzung folgenden Akzenten. Zu unterscheiden sind:

  1. die Schwerpunktsetzung (Zielausrichtung) auf das Ergebnis,
  2. die (Verwirklichung der) Position,
  3. die (zu suchende oder durchzusetzende) Lösung und
  4. der (zu erzielenden) Nutzen.

Die Auswirkungen der unterschiedlichen Schwerpunktsetzung sollen nachfolgend im Einzelnen untersucht werden:

Verfahrensschwerpunkt: Position

Der Fokus wird auf den Gegenstand des Streites gerichtet, indem das Streitthema aus den unterschiedlichen Positionen abgeleitet wird. Es gaht um die Frage: "Was will ich überhaupt haben?". Die Position gibt die Antwort. Dabei ist die Position das, was von der Gegenseite gefordert wird. Die Partei erwartet eine Leistung (Mitwirkung) der Gegenpartei, um ihr Problem zu lösen. Der Anspruch ergibt sich aus der Verantwortlichkeit (Pflicht zur Leistungserbringung), so dass die Position indirekt einen Vorwurf verhandelt, der zum Gegenstand des Streites wird.
schwerpunkt-position
Die Partei hat die Frage, wie das Problem zu lösen ist, bereits im Vorfeld des Verfahrens für sich geklärt. In dem Prozess argumentiert sie für ihre Verwirklichung. Die Position ist stets mit der Frage nach dem WARUM unterlegt. Warum kann ich dies oder jenes beanspruchen? Warum soll der Gegner dies oder jenes tun oder warum soll er es unterlassen? Die Frage nach dem Warum verführt zum Argumentieren. Die Argumentation begründet den Antrag, über den gestritten wird.

Position Antragsverfahren Nicht-Antragsverfahren
Einleitung Antrag die Position zu bestätigen
Klage
Vereinbarung Lösung zu vermitteln
Ausgang Position wird bestätigt
Position wird nicht bestätigt
Position wird teilweise bestätigt
dto.
Motiv Gewichtung der Argumente dto.

Die Partei wird sich zum Antrag berufen fühlen, wenn sie die stärkeren Argumente zu haben glaubt. Ob das erwünschte Ergebnis den Streit beilegt oder ob es gar zu einer Konfliktlösung führt, ergibt sich aus der vorgegebenen Lösung. Ist sie zur Konfliktlösung geeignet, dann trägt sie in dem Umfang auch dazu bei. Letztlich entscheiden die Vorgaben darüber, ob es zu einer Problem- oder Konfliktlösung kommen kann.

Beispiel 11643 - Im Babysitterfall wird der Antrag aus der Sicht des Vaters gewonnen, wenn ihm der Umgang gewährt wird. Die Gewährung des Umgangs ist seine Lösungsvorgabe. Aus der Sicht der Mutter wird der Antrag gewonnen, wenn kein Umgang zu gewähren ist. Die Verweigerung des Umgangs ist ihre Lösungsvorgabe. In beiden Fällen wird die Aufmerksamkeit auf die zur Lösung führenden Argumente gelenkt.

 Merke:
Leitsatz 3396 - Bei Antragsverfahren ist die Position mit dem Antrag identisch, der zugleich die Lösung des Problems darstellt. Wenn die Durchsetzung der eigenen Lösung (Position) im Vordergrund steht, sind konfrontative Antragsverfahren (wie das Gerichtsverfahren) die beste Wahl. Sie erlauben ein Machtspiel und bieten das Instrumentarium, Positionen durchzusetzen. Es werden allerdings Reaktionen beim Gegner provoziert, die möglicherweise dessen Widerstand hervorrufen.

Verfahrensschwerpunkt: Ergebnis

Der Fokus wird auf das Verfahrensende gerichtet.
Das erwartete Verfahrensergebnis beantwortet die Frage nach dem "Wie bekomme ich das?". Die Fragestellung impliziert, dass die Frage nach dem "Was will ich überhaupt haben" bereits beantwortet ist. Die Parteien sollten also die Lösung ihres Problems kennen, damit sie sich der Frage: "Wie bekomme ich das?" zuwenden können. Diese Frage bezieht sich auf das Verfahren. Sie ist identisch mit der Frage: "WAS soll erreicht werden?"
schwerpunkt-ergebnis
Wenn es um das Ergebnis geht, markiert die Antwort den formalen Verfahrensabschluss.
Je nach Verfahrenstyp kann sich das Ergebnis entweder in einer Entscheidung oder in einem Vergleich niederschlagen. Formal sind folgende Ergebnisse möglich:

Ergebnis Antragsverfahren Nicht-Antragsverfahren
Einleitung Antrag Vereinbarung
Abbruch Antragsrücknahme Kündigung
Entscheidung Urteil, Beschluß Vereinbarung
Vergleich Kompromiss Konsens
Motiv Einigungsunfähigkeit
Gewinnchance
Einigungsfähigkeit
Entscheidungsrisiko

Das Motiv für die Wahl des einen oder anderen Ergebnisses hängt davon ab, wie der Streit eingeschätzt wird. Zu der Einschätzung zählen die Erfolgsausscihten und die der Gegenseite unterstellte Einigungsfähigkeit. Egal, welches Ergebnis erzielt wird. Es besagt nichts über die Qualität des Verfahrens aus. Ein Urteil muss nicht zwingend bedeuten, dass es schlecht ist und die unterlegene Partei es ablehnt. Eine Vereinbarung muss nicht zwingend bedeuten, dass sie zufriedenstellt. In beiden Fällen bleibt die Frage, ob das Ergebnis ein Problem oder gar einen Konflikt gelöst hat, offen. Sie hängt vom Thema und der Bearbeitungstiefe ab.

Beispiel 11668 - Das mögliche Ergebnis im Babysitterfall kann sowohl der Abbruch, wie die Entscheidung oder der Vergleich sein. Ob es zum Einen oder Anderen kommt hängt von der eigenen Einigungswilligkeit und von der unterstellten Einigungsbereitschaft und Einigungsfähigkeit der Parteien ab.

 Merke:
Leitsatz 3397 - Bei den Verfahren, die durch Antrag eingeleitet werden (zB Gerichtsverfahren), ist ein Ergebnis (meist in Form einer Entscheidung) sicher. Wem also ein irgendwie geartetes Ergebnis wichtig ist, der sollte sich für diesen Fokus entscheiden. Es wird ein Ergebnis herauskommen.

Verfahrensschwerpunkt: Lösung

Im Grunde ist der Streit um die Positionen bereits ein (indirekter) Streit um die Lösung. Indirekt deshalb, weil es zwar um die Lösung geht. Der Schwerpunkt ist jedoch ein anderer. Bei dem Streit um die Positionen werden die Argumente in Frage gestellt, nicht die Lösung. Die Parteien gehen davon aus, es gäbe, abhängig von ihrer Argumentation, nur entweder die eine oder die andere Lösung. Je mehr sich diese Annahme (konfliktbedingt) verdichtet hat, umso mehr wird übersehen, dass die vorgestellte Lösung möglicherweise gar nicht in der Lage ist, den Konflikt zu lösen.
schwerpunkt-lösung
Sobald der Schwerpunkt auf die Frage der Lösung gesetzt wird, kommt die Frage nach dem Zweck ins Spiel.
Wozu brauchen wir überhaupt eine Lösung? Jetzt kommt die Lösung in den Vorderhgrund, nicht, wer die besten Argumente hat.

Lösung Antragsverfahren Nicht-Antragsverfahren
Einleitung Lösung wird vorgegeben Lösung ist offen
Lösungsfindung erfolgt vor dem Verfahren vor und im Verfahren
Ergebnis Wird als Antrag vorgegeben ist offen
Klärung des Wozu wird nicht hinterfragt nur bei Mediation

Die Antwort beginnt immer mit einem DAMIT. Die Frage wird in Antragsverfahren nicht gestellt. Man geht davon aus, dass sich die Partei bei der Antragstellung bereits mit diesen Fragen befasst hat.

Beispiel 11644 - Sowohl der Vater wie die Mutter dürften im Babysitterfall erkennen, dass das Problem nicht gelöst ist, solange sich die Eltern nicht vertrauen können. Wie würden die Parteien die Frage nach dem Wozu der Lösung im Babysitterfall beantworten? Würden sie sagen: "Damit ich meine Ruhe habe"; "Damit wir als Eltern funktionieren"; "Damit das Kind sich gesund entwickelt"; ... Der Lösungsrahmen verändert sich.

 Merke:
Leitsatz 3398 - Es fällt auf, dass der Streit um Positionen die Lösung an und für sich nicht in Frage stellt. Erst wenn auch die Lösung selbst in Frage gestellt wird, bekommt die Frage nach dem WOZU eine Berechtigung. Die Frage nach dem Wozu betrifft das Streitmotiv. Ihre Beantwortung ist in den Antragsverfahren nicht vorgesehen. Diese Verfahren sind also nicht geeignet, wenn es darum geht eine Lösung zu suchen.

Verfahrensschwerpunkt: Nutzen

Interessanterweise ist der Nutzen der weiterführenden Lösung keine Frage, mit der sich die Verfahren selbst auseinandersetzen.

Beispiel 11645 - In einem Gerichtsverfahren interessiert sich der Richter nicht für den Zweck den die Parteien mit der gewünschten Entscheidung verfolgen. Juristen lernenden Grundsatz, dass Motive im Rechtswesen (außer im Strafrecht) unbeachtlich sind. Auch in Alltagsentscheidungen oder in politischen Entscheidungsprozessen ist die Erörterung des Nutzens kein Bestandteil des Entscheidungsprozesses. Hier stehen die Argumente im Vordergrund. Der BREXIT ist ein gutes Beispiel. Es wird eine Entscheidung herbeigeführt. Die Auseinandersetzung mit der Frage welchen Nutzen sie bringt und wie sie zu verwirklichen ist, erfolgt erst nach der Entscheidung.


Der Nutzen ergibt sich aus der Frage nach dem WOZU. Wozu soll eine Lösung herhalten? Hier erschließt sich das Etwas. Der Nutzen ist das was hinten herauskommt. In anderen Verfahren als der Mediation liegt der Nutzen hinter der Entscheidung. In der Mediation ist der Nutzen das Kriterium für die Lösung. Er wird- wenn man so will - vor die Entscheidung gestellt und ist dort ein wesentlicher Bestandteil des Verfahrens. Für alle, die auf den Nutzen achten, ist die Mediation das passende Verfahren. Die Mediation hilft eine Lösung zu FINDEN, die dem maximalen Nutzen entspricht.
schwerpunkt-nutzen
Welche Nutzenerwartung die Parteien haben ergibt sich aus einer einfachen Kontrollfrage. Sie lautet: "Angenommen, der Streit um die Lösung ist gelöst und sie haben alles bekommen was sie verlangt haben. Haben Sie jetzt ihr Ziel erreicht? Haben sie alles was sie brauchen?". Die Antwort auf diese Fragen erhellen die Nutzenerwartung. In der Mediation bildet sie das Lösungskriterium. in Verfahren die den Schwerpunkt anders setzen ist der tatsächlich erzielte Nutzen die Überraschung.

 Merke:
Leitsatz 3399 - Das Ergebnis beschreibt das WAS. Die Lösung beschreibt das Wie. Der Nutzen beschreibt das WOZU.

Die Ausrichtung des Denkens

Der Fokus steuert nicht nur die Aufmerksamkeit. Er beeinflusst auch das Denken. Orientiert sich das Ziel (der gedankliche Schwerpunkt) an einer als widersprochen angesehenen, gegensätzlichen Lösung, ist ein konträres Denken indiziert.
Fernziel
Wird das Ziel in die weitere Zukunft gelegt, dann steht nicht das Ergebnis, sondern die Streitbeendigung oder die Konfliktbeilegung im Vordergrund.

Beispiel 11646 - Die eine Partei verlangt eine Zahlung. Die andere Partei verweigert die Zahlung,. Der Streit eskaliert, weil die Lösungen nicht kompatibel sind. Was beide gemeinsam wollen ist der Friede. Die Beendigung des Streites.


Das entfernte Ziel kann als ein gemeinsames Ziel vorgegeben werden. Es orientiert sich am Nutzen, also auf einem Zustand, der sich eigentlich erst hinter dem Ergebnis herstellt, aber in der Mediation zum Kriterium für das Ergebnis gemacht wird. Das eigentliche Fernziel wird vorgezogen und zum Zielkriterium erklärt. Diese Herangehensweise ermöglicht ein in die Kooperation führendes, paralleles Denken.
Fernziel

Nutzenorientierung

 Merke:
Leitsatz 3400 - Je weiter das Ziel in die Zukunft (auf den Nutzen) gelegt wird, umso wahrscheinlicher ist ein paralleles Denken.

Ziel und Ergebnis sind nicht im Fokus der Mediation

Der prozessuale Fokus verleitet dazu, den Blick auf das zu lenken, was hinten herauskommen soll. Worauf wird geachtet, wenn der Fokus ganz im Sinne des linearen Denkens darauf gerichtet wird? Es besteht eine große Gefahr, dass in diesem Denken die Lösung oder die Abschlussvereinbarung um jeden Preis herbeigeführt wird. Hauptsache, das erklärte Ziel wird erreicht. Wenn das Ziel jedoch aus dem Fokus gerät, besteht die Gafhr, dass es etwas anderes erreicht als die Mediatin erreichen will. Deshalb macht es Sinn, den Fokus auf den (erwarteten) Nutzen zu lenken, das Ziel als dessen Verwirkluchung zu sehen und die Abschlussvereinbarung als das Ergebnis, das die am Nutzen ausgerichtete Lösung bereits umsetzt.

Prozessstationen

Das ist übrigens auch der Grund, warum die Phasenlogik die erste und die fünste Phase aus dem Entscheidungsprozess heraustrennt.

Mediationsprozess

Der multiple, dynamische Fokus der Mediation

Wenn der Mediator alles wahrnehmen soll, was den Gang der Mediation beeinflusst, muss er auf viele Dinge achten. Es genügt nicht, sich auf das Ziel zu konzentrieren. Wer sich auf die Lösung konzentriert, nimmt bereits einen falschen Blickwinkel ein. Ganz abgesehen davon, dass der Fokus auf den Nutzen gelegt wird,2 verändert sich die Blickrichtung wie bei der Kurvenfahrt mit dem Motorrad dynamisch. Der Mediator hat also nicht nur einen, statischen Fokus, sondern mehrere. Der erste wichtige Fokus ergibt sich aus der Achtsamkeit. Sie konzentriert sich auf den Moment, den Menschen und die Interaktion. Eine weiterer wichtiger Fokus konzentriert sich auf den Kontext. Noch ein wichtiger Fokus achtet auf den Nutzen. Kontext und Nutzen entsprechen der Voraussicht des Motorradahrers. Übrig bleibt der Folus, der sich auf den Weg konzentriert. Dieser Fokus verändert sich analog zur Blickrichtung des Motoradfahrers auf der Fahrt durch eine Kurve dynamisch. Anders als bei einer Kurvenfahrt werden die Kurventangenten in der Mediation durch die Phasen abgebildet. Die nachfolgende Grafik vergleicht die Mediation mit einer solchen Kurvenfahrt, um die verschiedenen Fokusse des Mediators aufzuzeigen:

Fokusse

Wenn sie die Endpunkte der Pfeile miteinander verbinden, zeigen sich die Kurventangenten. In der Mediation stellen die Kurventangenten die Linien dar, denen der Mediator folgen muss, um das Ziel der Mediation zu erreichen.

 Merke:
Leitsatz 15663 - Der Mediator nimmt einen multiplen dynamischen Fokus ein. Die Achtsamkeit lenkt den Fokus auf den Moment. Der Kontext und der Nutzen entspricht der Voraussicht. Der auf den Ablauf der Mediation gerichtete Fokus passt sich dem zu vollziehenden Gedankengang an.

Bedeutung für die Mediation

Die eingangs gestellte Frage lautete, worauf der Mediator blickt. Wie wichtig der richtige Fokus ist gibt ein Beispiel aus dem Aikido.

Beispiel 11647 - Zwei Personen stehen sich gegenüber. Eine legt die Hand auf die Schulter des anderen, der versucht den Arm zu beugen. Die Person die den Arm steif hält, konzentriert sich auf die Krafteinwirkung und versucht Widerstand zu leisten. Die andere Person kann den Wiederstand brechen. Nun ändert die Person, die den Arm steif halten soll, ihren Fokus. Sie konzentriert sich nicht auf die Krafteinwirkung, sondern auf ein weit entferntes Ziel, so als wolle sie ein Kind retten das hinter der anderen Person steht und droht den Hang herunterzufallen. Mit dem veränderten Fokus Verlust der anderen Personen wesentlich schwerer, den Arm zu beugen, wenn es ihr überhaupt gelingt.


Das Beispiel zeigt dass der in die Ferne gerichtete Fokus, der mit der Voraussicht zu vergleichen ist, zu einem Kräftezuwachs führt. Bei der Mediation entspricht die Nutzensausrichtung dem in die Ferne gerichteten Fokus. Der Kräftezuwachs ergibt sich aus dem jetzt möglichen parallelen Denken. Üblicherweise wird die Mediation als ein lösungsorientiertes Verfahren beschrieben. Der Fokus der Lösung liegt allerdings nah am Ergebnis und ist nicht dynamisch. Der Fokus verändert sich bereits, wenn die Mediation als ein nutzenorientiertes Verfahren beschrieben wird. Der Nutzen ist ein Fernziel, das den Fokus aus dem Widerspruch herausnimmt. Die Unterscheidung zwischen Position, Interesse (Nutzenerwartung) und Lösung ist eine extrem wichtige Unterscheidung für den Mediator. Sie steuert (fokussiert) das Denken und navigiert durch den Prozess. Der zu du schlafende Gedankengang ist die Phasen abgebildet, die mit den Etappen einer Kurvenfahrt zu vergleichen sind. Der Mediator driftet ab, wenn er die mit den Phasen vorgegebenen Fokusse aus dem Blick verliert.

Was tun wenn ...

Hinweise und Fußnoten

Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen

Bearbeitungsstand: 2024-03-15 18:48 / Version 36.

Alias: Verfahrensschwerpunkt, Ausrichtung, Fokussierung
Siehe auch: Themen, Bearbeitungstiefe, Phasenlogik, Wahrnehmung
Prüfvermerk:


Based on work by Arthur Trossen und Bernard Sfez und anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Donnerstag November 7, 2024 00:41:51 CET.

Durchschnittliche Lesedauer: 12 Minuten