Lade...
 

Das Konfliktverständnis

Wissensmanagement » Diese Seite gehört zum Fachbuch Mediation in der Wiki-Abteilung Wissen. Sie befinden sich auf der Themenseite Konfliktverständnis, die dem Kapitel Konfliktdynamik des 6. Buchabschnitts Konflikt zugeordnet wird. Beachten Sie bitte auch:

Konfliktdynamik Konflikteigenschaften Konfliktverständnis Konfliktreife Rumpelstilzcheneffekt

Worum es geht: Der Schlüssel für die Lösung des Konfliktes ist das eigene Konfliktverständnis. Die Konfliktarbeit erfordert also eine Auseinandersetzung die die Partei (auch) mit sich selbst durchzuführen hat. Das ist nicht nur für die Parteien herausfordernd.

Einführung und Inhalt: Die Mediation ist ein Prozess der Klärung. Zumindest in der transformativen Mediation, die auf eine vollständige Konfliktbeilegung ausgerichtet ist, geht kein Weg an der Konfliktklärung vorbei.

Das Streitsystem

"Was ist unklar?", mag die Partei sich fragen. "Ich sehe doch, was der Gegner macht. Und so wie er sich benimmt, ist doch völlig klar, dass es ihm nur darum geht, mich fertig zu machen. Aber das wird ihm nicht gelingen". Es ist anzunehmen, dass die gegnerische Partei sich ähnlich äußert.

 Streitsystem mit Gegneransicht

Beide Parteien verstehen den Appell, nicht aber die dahinter verborgene Ich-Botschaft. Im Grunde ist Ihnen diese Sicht nicht zu verdenken. Sie sind Teil eines Streitsystems, in dem ihre Perspektive mit dem auf Außenwahrnehmung gerichteten Sinnesorganen ja auch nur den Gegner wahrnimmt. Also legt schon die Wahrnehmung den Parteien nahe, den Gegner für ihre Lage verantwortlich zu machen. Die Grafik verdeutlicht die Wahrnehmungsperspektive innerhalb des Streitsystems. Die Grafik deutet an, dass sich mit dieser Perspektive nur die halbe Wahrheit aufgezeigt werden kann.

Die Konfliktbotschaft

Nicht nur die Perspektive sondern auch der Konflikt erschweren die Wahrnehmung. Die mit dem Konflikt verbundene Emotionalität hindert oft daran, die eigentliche Konfliktbotschaft zu erkennen. Jeder Konflikt verbirgt zwei Botschaften. Beide Botschaften wenden sich an den Träger des Konfliktes, also die Konflikt betroffenen Partei:

  1. Die erste Botschaft will die Partei darauf hinweisen, wo sie bei sich nach der Ursache für ihre Betroffenheit suchen kann. Sie ist aufgefordert, den Konflikt auf sich zu beziehen (siehe Konfliktname).
  2. Die zweite Botschaft will auf ungedeckte Bedürfnisse hinweisen, die auf einen Mangel zurückzuführen sind (siehe Konfliktmotivation).

Man könnte die Konfliktbotschaft auch als die Ich-Botschaft des Konfliktes bezeichnen. Wie diese ist auch die Konfliktbotschaft verborgen und wird oft verkannt. Obwohl sie sich eigentlich und ausschließlich nur an die betroffene Partei selbst richtet, erfährt die Partei den Konflikt als eine Botschaft über die Gegenpartei und reagiert dementsprechend. Die Eskalation ist vorprogrammiert. Das Gegenüber wird disqualifiziert und als A.., Idiot, Lügner, Betrüger usw. abgewertet. "Das kann ich mir doch nicht gefallen lassen ... Nicht von so einem! Da muss man doch etwas dagegen unternehmen!", ist ihre Schlussfolgerung. Sie ist konsequent, wenn der Konflikt als Du-Botschaft verstanden wird. Es ist aber nicht die einzige Botschaft.

Die Konflikteinsicht

Wer die Botschaft des Konfliktes korrekt deuten will, muss das gesamte Streitsystem und die darin vorkommenden Interaktionen im Blick haben. Jede Partei meint, auf die Gegenpartei zu reagieren. Es kommt zu einer Interpunktion, die es, von außen betrachtet, unmöglich macht, zu entscheiden, wer womit angefangen hat.

Fest steht jedoch, dass der Konflikt emotional wahrgenommen wird. Und die Emotionen finden in der betroffenen Partei statt. Die Partei gibt ihre Verantwortung und Kontrolle aus der Hand, wenn sie den Gegner für ihre eigenen Emotionen verantwortlich macht. Auch wenn der Gegner den Anlass gesetzt hat, ändert das nichts daran dass die Emotionen trotzdem innerhalb der betroffenen Partei aufkommen. Es sind ihre Emotionen und nicht die des Gegners. Es ist ihr Konflikt und nicht der des Gegners.

Emotionen erweitern die Wahrnehmung und geben dem Menschen, bei dem sie ausgelöst werden, einen versteckten Hinweis darauf, worauf er zu achten hat. Die Emotionen sagen niemals: "Achte auf den Anderen", sondern immer nur "Achte auf Dich selbst". Die Angst soll vor Gefahren schützen. Die Wut soll auf eine Ungerechtigkeit hinweisen, usw. Eine ähnliche Warnfunktion hat der Konflikt. Er will den Menschen sagen: "Pass auf, hier geschieht etwas, das Dir wichtig ist. Es könnte gefährlich werden, wenn Du es nicht versteht, damit zurecht zu kommen. Achte auf Deine Bedürfnisse!". Der Konflikt will nicht sagen: "Pass auf, mit dem Anderen stimmt etwas nicht!". Der erste Weg zur Konflikteinsicht ist deshalb der Grundsatz:

 Merke:
Leitsatz 11748 - Der Konflikt gehört dem, der ihn spürt und nicht dem, der ihn auslöst. Der Konflikt kann auch dem, der ihm gehört nicht weggenommen werden.

Mit dieser Einsicht wird ein Perspektivwechsel möglich. Der Fokus wendet sich von dem Gegner ab und richtet sich an die Partei, nämlich die, die dem Konflikt ausgeliefert ist. Wenn sie die Botschaft korrekt versteht, weiss sie, was zu tun ist, um sich von dem Konflikt zu befreien. Oft genügt es, den Konflikt korrekt zu identifizieren. Der Weg in die vollständige Konfliktauflösung wird geöffnet, wenn die Partei den Konfikt annimmt und seine an sie selbst gerichtete Botschaft versteht. Die Effizienz der Konflikteinsicht wird mit dem Rumpelstilzcheneffekt oder dem Arschengel beschrieben.

Konflikteigenschaften 

Die Metasicht

Die Metasicht der Mediation erlaubt den Blick auf das gesamte Streitsystem. Sie sieht nicht nur die Angriffe, sondern auch die Betroffenheit und die hinter den Angriffen verborgenen Botschaften. Es ist die Aufgabe des Mediators, die hinter den Konflikthandlungen verborgenen Botschaften aufzudecken und den Parteien erkennbar zu machen. Die dazu erforderliche Reflexionsarbeit kann nur aus der Metaperspektive geleistet werden.

Die fehlende Korrektur durch die Metasicht (also auch die Sicht auf sich selbst) verhindert, dass die in den im Konflikt aufkommenden Emotionen und die darin verborgene Betroffenheit gesehen wird. Der Konflikt wird genährt und bekommt umso mehr Gelegenheit, sich zu zeigen. Die durch den Mediator ausgelöste (Selbst)Reflexion mag der Partei helfen, den Konflikt zu akzeptieren und die konstruktiven Konfliktbotschaften korrekt zu verstehen. Der Mediator kann diese Botschaften mit folgenden Fragen herausarbeiten:

Beispiel 11746 - Die Partei hält den Gegner für übermächtig. Der Mediator meldet das Ohnmachtsgefühl zurück. Nach der Bestätigung fragt er: "Woher kommt das Gefühl?" oder: "Wie finden Sie sich in der Ohnmacht wieder?" oder "Was löst bei Ihnen das Gefühl aus?". Je nach Antwort erkundigt er sich: "Gibt es Fälle oder Bereiche, wo Soie dieses gefühl nicht haben müssen?" oder "Worin besteht Ihre Macht?" oder "Was brauchen Sie, um das Gefühl loszuwerden?".

Die Partei hält den Gegner für stark. Der Mediator meldet das Gefühl von Schwäche zurück und erkundigt sich, was in der Partei das Gefühl auslöst, um dann nach den Stärken zu fragen.
Die Partei fühlt sich dem Gegner ausgeliefert. Der Mediator meldet das Gefühl der Unterlegenheit zurück. Er versucht zu verstehen, was dieses Gefühl auslöst. Vielleicht ist es Hilflosigkeit. Dann erkundigt er sich nach dem Hilfsbedarf...

Bedeutung für die Mediation

Die vollständige Konfliktlösung ist im Rahmen einer transformativen Mediation möglich. Es gehört zur laienhaften Sicht auf den Konflikt und die Mediation, wenn die Parteien die Möglichkeiten der Mediation nicht richtig einschätzen können.

Beispiel 11747 - Bei einer Trennungsauseinandersetzung fühlt sich die Ehefrau von dem Ehemann betrogen. Immer wieder wirft sie ihm den Ehebruch vor. Der Ehemann verwahrt sich dagegen und kündigt die Mediation noch bevor sie angefangen hat mit der Begründung, dass er der Mediation bei dem Verhalten seiner Frau keine Erfolgsaussicht beimessen könne.


Für die Mediation ist das als Angriff verstandene Verhalten kein Hinderungsgrund. Im Gegenteil, je deutlicher sich die Emotionen zeigen, umso offensichtlicher wird die dahinter verborgene Ich-Botschaft. Was die Partei als ein Hindernis annimmt, kann in der Mediation sogar etwas bewirken. Zumindest wird in der Mediation deutlich, was die (eigentlich gemeinten) Botschaften sind, sodass sich das Verhalten der Parteien besser einschätzen und für die Zukunft abstimmen lassen.

Was tun wenn ...

Hinweise und Fußnoten
Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen
Bearbeitungsstand: 2024-05-04 05:42 / Version 25.

Aliase: Konfliktbotschaft, Konfliktbotschaften
Siehe auch: Emotionen, Konflikteigenschaften
Prüfvermerk: -


Based on work by Arthur Trossen und Bernard Sfez . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Freitag November 1, 2024 03:21:50 CET.

Durchschnittliche Lesedauer: 5 Minuten