Vorausgeschickt wird, dass das Land NRW, worauf sich die Evaluierung erstreckt, eine gute Öffentlichkeitsarbeit geleistet hat. Die Beteiligten hatten also hinreichende Möglichkeiten, von der Einrichtung der obligatorischen Streitschlichtung Kenntnis zu nehmen. Trotzdem hatte der Versuch zur Etablierung einer verpflichtenden Streitbeilegung vor Klageerhebung keinen oder nur mäßigen Erfolg. Dieser Eindruck bezieht sich zumindest auf die streitwertabhängige Vorschaltung einer obligatorischen Schlichtung.

Hinsichtlich Zahl und Art der Streitigkeiten im Anwendungsbereich der außergerichtlichen obligatorischen Streitschlichtung führen die Gutachter aus:

Die Schiedsämter in Nordrhein-Westfalen als „Regelschlichtungsstelle“ nach
§ 1, 12 Abs. 1 GüSchlG haben im Jahr 2001 5.684 und 2002 6.021 Verfahren in Bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten behandelt. Vor Einführung der obligatorischen Streitschlichtung im Jahre 1999 waren es 1.628. Im Jahr 2003 war der Antragseingang mit 5.354 Verfahren wieder leicht rückläufig.
Von den anerkannten und von den „sonstigen“ Gütestellen liegen nur für 2002 hinreichend vollständige Zahlen vor. Danach haben die anerkannten Gütestellen im Sinne von § 12 Abs. 1 GüSchlG NRW im Jahre 2002 1.772 Anträge behandelt. Die sonstigen Gütestellen im Sinne von § 12 Abs. 2 GüSchlG NRW meldeten für 2002 2.316 Fälle aus dem Bereich der obligatorischen Streitschlichtung.
Die genannten Zahlen addieren sich für 2002 auf 10.109 Fälle. Das war gegenüber 2001 ein geringfügiger Anstieg, der sich jedoch 2003 nicht fortgesetzt hat. Da nicht alle Schiedsamtsverfahren unter die obligatorische Streitschlichtung fallen, da andererseits aber die Meldungen der sonstigen Gütestellen vermutlich nicht ganz vollständig sind, kann man davon ausgehen, dass die obligatorische Streitschlichtung
jährlich etwa 10.000 Fälle erfasst.
Etwa die Hälfte aller Schlichtungsverfahren bei den Schiedsämtern betrifft Nachbarstreitigkeiten. Etwa ein Drittel entfällt auf vermögensrechtliche Streitigkeiten und bei 10-12 % handelt es sich um Ehrverletzungen. Bei den anerkannten und bei den sonstigen Gütestellen liegt der Anteil der Nachbarstreitigkeiten erheblich niedriger. Dafür behandeln sie mehr vermögensrechtliche Konflikte.
Vor den Schiedsämtern wurden 2002 2.469 Vergleiche geschlossen. Gleichzeitig erteilten die Schiedsämter 1.185 Erfolglosigkeitsbescheinigungen. Die anerkannten und die sonstigen Gütestellen zusammen erzielten 2002 912 Vergleiche, und sie erteilten 1.060 Erfolglosigkeitsbescheinigungen. Nach erfolgloser Schlichtung wurden etwa noch 2.000 Klagen erhoben.

Die Gutachter kommen zu dem Ergebnis, dass die Streitschlichtung nur 5% und auf alle amtsgerichtlichen Zivilprozesse bezogen sogar weniger als 2% der Fälle von einer gerichtlichen Klage abgehalten haben. Eine relevante Entlastung der Ziviljustiz durch die Einführung der obligatorischen Streitschlichtung sei deshalb ausgeblieben. Interessant ist jedoch die Feststellung, dass die Anlaufstellen viele Anfragen erhielten, die ohnehin nicht in eine Klage gemündet hätten. Auch verdient die Streitschlichtung in Nachbarstreitigkeiten und Ehrverletzungen Beachtung. Hier sind die Erfolge besser einzuschätzen. Bei den Geldforderungen ist eine Flucht in die Mahnverfahren zu beobachten oder eine Streitwerterhöhung.

Die Tätigkeit der Schiedsämter wird als professionell und hoch motiviert eingeschätzt. Insbesondere schöpfen sie die Möglichkeiten einer strukturierten Streitvermittlung gut aus, wenn sie das Potenzial auch nicht vollständig ausschöpfen. Obwohl die Vergleichsquote der Schiedsämter nicht ganz den Erwartungen entspricht, ist sie mehr als doppelt so hoch wie die von den Gütestellen der Anwaltsvereine.

Die rechtspolitischen Schlussfolgerungen der Gutachter sind zusammengefasst:

  1. Auf die obligatorische Streitschlichtung für Geldforderungen zu verzichten und den Abschnitt des GüSchlG NRW über die außergerichtliche Streitschlichtung ersatzlos zu streichen. Ein Erhalt der obligatorischen Schlichtung sei allenfalls für Ehrschutzsachen und Nachbarstreitigkeiten zu erwägen oder um das Schiedsamt lebensfähig zu erhalten.
  2. Handlungsbedarf bestünde gegebenenfalls insofern, als die Antragsgegners dem Streitbeilegungstermin folgenlos ausbleiben dürfen.

 

 
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