Der Wertekonflikt in der Mediation
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Der Wertekonflikt bildet eine von insgesamt fünf Konfliktdimensionen ab. Er verdient eine besondere Aufmerksamkeit, weil es nicht nur um Erkenntnisse geht, sondern oft auch um grundlegende Lebenspositionen. Das macht seine Bearbeitung oft schwierig. Besonders dann, wenn die Werte in das Argumentationsschema eingebunden und zur solitären Begründung einer Handlung oder Verweigerung angeführt werden.
Was sind Werte?
Der Wertbegriff wird uneinheitlich gebraucht. Was genau gemeint ist, bedarf der Klärung. Das gilt besonders dann, wenn Werte in der Mediation angesprochen und von den Parteien besonders herausgestellt werden. Was wollen sie damit zum Ausdruck bringen?
Werte werden oft mit Normen in Zusammenhang gebracht. Wenn Normen die Handlungsanweisungen sind, ergeben die Werte den Handlungszweck oder die dahinter verborgene Zielvorstellung. Indem sich der Mensch Werte zuschreibt, gibt er dem Handeln oder Unterlassen einen Sinn.
Grundsätzlich können Werte als bewusste oder unbewusste Leitvorstellungen und Orientierungsmuster des Handelns von Individuen oder Gruppen betrachtet werden. Sie etablieren sich als tief verwurzelte Überzeugungen darüber, was für eine Person oder eine Gemeinschaft wichtig und wünschenswert ist. Die Überzeugung hilft bei der Bewertung von allem, was wir sind und was uns umgibt.
Das Beispiel zeigt, wie der Wert in die Bewertung einfließt. Die Bewertung ist somit die Zuschreibung oder Bestimmung von Werten. Ihr Nutzen erschließt die Bedeutung, so wie der Wert die Bedeutung erschließt. Das eine ergibt das andere, so wie der Wert auch mit der Norm in einer Wechselbeziehung steht. Wenn ich mir für den Wert des Geldes nichts kaufen kann, wird es wertlos. Wenn es wertlos wird, verliert es an Bedeutung. Wenn dem Geld jedoch wieder eine große Bedeutung beigemessen wird, wird es aufgewertet. Der Wertverlust wird kompensiert.
Der Wert im Konflikt
Wertkonflikte entstehen, wenn unterschiedliche Werte miteinander kollidieren oder unvereinbar erscheinen.
Im Gegensatz zu den Normen sind Werte auf ein mit Handlungszielen verbundenes Wollen ausgerichtet. Die Befolgung von Normen kann als richtig oder falsch eingeschätzt werden. Anders als Normen lassen Werte einen Gradunterschied der Verbindlichkeit zu.1
Die mit dem Gradunterschied verbundene Wertetoleranz ist unterschiedlich ausgeprägt. Sie berüht die Frage, was es mit einem Menschen macht, wenn seine Leitprinzipien für Verhalten, Entscheidungen und Bewertungen plötzlich nicht mehr eindeutig sind? Was macht es mit Menschen, wenn sie nicht anerkannt, in Frage gestellt oder gar abgelehnt werden? Wohin retten sie sich?
Ähnlich wie bei dem kulturellen Konflikt ist es nicht der Wert, sondern letzlich immer der Mensch, der den Konflikt ausleben muss. Ihm obliegt die Entscheidung, ob er sich an dem einen oder anderen Wert oder gar an beiden orientiert. Der Wertekonflikt ist somit, wie jeder Konflikt, eine Einladung, sich damit und mit sich selbst auseinanderzusetzen.
Wertekategorien
Werte können persönlicher Natur sein, wie beispielsweise Integrität, Freiheit oder Gerechtigkeit, oder auch einen gesellschaftlichen Bezug haben, wie Solidarität, Toleranz oder Respekt. Sie können innerhalb einer Person, zwischen Personen, in und zwischen Gruppen und sogar in und zwischen Gesellschaften auftreten. Grundsätzlich lassen sich die Werte folgenden Kategorien zuorden:2
Art des Werts | Sinn | Beispiele |
---|---|---|
Grundwerte | Grundlegende Werte eines Menschen oder einer Gesellschaft, die für unser tägliches Leben wichtig sind. | Freiheit, Gleichheit |
Gesellschaftliche Werte | Werte, die innerhalb einer Gesellschaft als erstrebenswert und moralisch gut erachtet werden. | Höflichkeit, Gerechtigkeit, Empathie |
Persönliche Werte | Ziele, die zu erreichen sind. | Gesundheit, Erfolg, Freundschaft |
Materielle Werte | Der Wert eines Gegenstandes, den er in der Wirtschaft hat. Ein materieller Wert ist also ein messbarer, ökonomischer Wert | Eigentum, Vermögen |
Postmaterielle Werte | Abstrakte, höhere Werte hinter den materiellen Werten | Glück, Bildung, Zufriedenheit |
Religiöse Werte | Wertvorstellungen, die in einer Religionsgemeinschaft bestehen | Glaube, Nächstenliebe |
Umgang mit Wertkonflikten
Im Gegensatz zu den Normen sind Werte auf ein mit Handlungszielen verbundenes Wollen ausgerichtet. Die Befolgung von Normen kann als richtig oder falsch eingeschätzt werden. Bei Werten ist die Einschätzung, was richtig und falsch ist, ungleich schwieriger. Wer sich diese Einschätzung erlaubt, kommt schnell in den Verdacht, sich über die Werte stellen zu wollen. Deshalb muss die Auseinandersetzung mit Werten aus den Werten selbst heraus erfolgen. Hierbei hilft die bereits erwähnte Disponibilität ihrer Verbindlichkeit. Genau hier finden wir den Lösungsansatz.
Letztich müssen sich Werte selbst einer Bewertung stellen, damit sie bewertet werden können. Das klingt wie ein Oxymoron. Wenn die Auseinandersetzung darüber nicht zugelassen wird, werden die Werte zu Normen. Berkefeld stellt heraus, dass Werte zwar in einen Zusammenhang mit dem Wollen zu stellen seien. Sie sollten jedoch nicht mit Wünschen gleichgesetzt werden. Werte seien deshalb eher ein Mittel, um Wünsche zu beurteilen, also Vorstellungen über das Wünschenswerte herauszustellen.3 In der Terminologie der Mediation wären die Wünsche mit den Lösungen und die Beurteilung der Wünsche mit dem Nutzen gleichzusetzen. Damit bewegt sich die Erörterung von Werten in einer Mediation in die Phase drei, wo sie mit der Erhellung der Motive und der Lösungskriterien einhergeht. Hier werden die Werte mit den Bedürfnissen abgeglichen.
Die Bewältigung von Wertkonflikten erfordert ein hohes Maß an Reflexion, Kommunikation und Kompromissbereitschaft. Die Partei muss in der Lage sein, den Wert, und wenn sie sich mit ihm identifiziert und durch ihn determiniert, letztlich auch sich selbst in Frage stellen. Genau hier liegt die Herausforderung. Es mag ja noch leicht fallen, über den Wert Höflichkeit zu disponieren. Sowohl die Verhandlungsfähigkeit und die Verhandlungsbereitschaft gehen jedoch mit dem Grad verloren, in dem sich Menschen mit den Werten identifizieren. Anders formuliert lässt sich die Höflichkeit in Frage stellen, der Glaube jedoch nicht. Wenn der Glaube in Frage gestellt wird, könnte die innere Welt aus den Angeln gehoben werden.
Es kommt nicht von ungefähr, wenn die Konfliktdimension den Wertekonflikt auf der dem "Bauch" zugeordneten Bearbeitungsbene zuordnet. Dazu ein Beispiel aus der Praxis:
Die Ehre ist ein Wert. Er wurde in der Mediation auch nicht in Frage gestellt. Es wurde lediglich überlegt, wie er wieder hergestellt werden kann. Ein erster und entscheidender Schritt bei der Bearbeitung von Wertekonflikten besteht also darin, die zugrunde liegenden Werte und Motivationen aller beteiligten Parteien zu verstehen und anzuerkennen. Es bedarf der Prüfung, ob die Werte auch andere Lösungsoptionen ermöglichen.
Die ethische Leitlinien und Richtlinien für den Umgang mit Wertkonflikten ergeben sich aus der Mediation selbst. Die Richtlinien sind transparent und berücksichtigen die unterschiedlichen Perspektiven und Werte aller Beteiligten. Wenn es gelingt, genauer hinzuschauen, wird es möglich sein, Gemeinsamkeiten herauszustellen, woraus sich Schnittstellen ergeben. Oft ist es auch so, dass Werte an und für sich nicht eindeutig sind, weshalb die sich aus den Werten ableitenden Handlungsanweisungen selbst der Interpretation bedürfen. Mithin gibt es Spielräume. Die Ebene die alles zusammenbringt, ist der über den Werten liegende oder die Werte verbindende Nutzen. Er verbirgt sich hinter der Frage, wozu ich die Werte überhaupt habe, was sie mir sagen wollen, warum ich mich damit identifiziere und warum sie mir so wichtig sind.
Bedeutung für die Mediation
Der gedankliche Weg der Mediation im Sinne der kognitiven Mediationstheorie funktioniert auch bei Wertekonflikten. Die Mediation stellt die Reflexionsfähigkeit aus der jeweiligen Sicht und Perspektive her und bietet die erforderlichen Refexionsflächen auf der Metaebene an. Sie erlaubt insbesondere die zur Reflexion erforderlichen Perspektivwechsel und gegebenenfalls die Auseinandersetzung mit dem Menschen an und für sich. Hier stellen sich Parallelen zu den Resilienzeffekten her. Wenn die Werte unvereinbar gegenübergestellt werden, empfiehlt sich ein Abgleich nach den Grundsätzen der interkulturellen Mediation, wo es darum geht, die Kiulturen bzw. Werte in eine Beziehung zu stellen.
Weil die Wertekonflikte oft mit einer hohen Eskalation einhergehen, ist mit Widerständen und Blockaden zu rechnen. Wie diese zu überwinden sind, wird bei den schwierigen Situationen beschrieben.4
Was tun wenn ...
- Die Partei leistet Widerstand
- Die Partei ist mental blockiert
- Die Partei hat ein Dilemma
- Weitere Empfehlungen im Fehlerverzeichnis oder im Ratgeber
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