Lade...
 

Altenkirchener Modell

Wissensmanagement » Diese Seite wird im Archiv hinterlegt. Weil sie eine Mediation betrifft, ergibt sich eine logische Zuordnung zur Mediationsdatenbank unterhalb der Enzyklopädie der Wiki-Abteilung Wissen und zum Abschnitt Mediation des Fachbuchs.

Mediation Familie Altenkirchen Cochem integriert Justizprojekt Eintrag Suche

Worum es geht: Das sogenannte Altenkirchener Modell mag als der Ursprung der integrierten Mediation verstanden sein. Systematisch korrekt ist es ein Fall der gerichtsintegrierten Mediation. Es geht um die Verwendung der Mediation entweder als integrierte Methode oder als integriertes Verfahren in einem förmlichen Familiengerichtsverfahren.

Einführung und Inhalt: Es geht um die Einbeziehung von Kompetenzen der Mediation und die Kombination von Verfahren. Wenn das Beste aus jedem Verfahren genommen und zusammengeführt wird, ensteht ein Verfahren, das keine Wünsche mehr offen lässt.

Anlass und Entstehung

Diplom-Psychologe Eberhard Kempf, Rechtsanwalt Ralf Käpelle und Richter Arthur Trossen haben sich zusammengetan, um Wege zu finden, wie hoch eskalierte Familienkonflikte für alle Beteiligten am schonendsten abgewickelt werden können. Die Mediation erreicht bei hoch eskalierten Konflikten ihre Grenzen und dennoch ist ihre Methode die am besten geeignetste, um solche Konflikte zu lösen. Es kommt maßgeblich darauf an, die Parteien in eine Kooperation zu führen und sie in ihr zu halten, damit die Mediation ihre Wirkung entfalten kann. In der Kombination der Kompetenzen des Psychologen, des Rechtsanwalts und des Richters hat sich schließlich ein Weg gefunden, auch solche Fälle mediativ zu lösen.

Das Altenkirchener Modell ist der Ursprung der integrierten Mediation. Arthur Trossen erläutert, wie es dazu gekommen war und gibt Hinweise darauf, wie sich die Mediation in anderen Verfahren abbilden lässt.

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem Video um ein bei Youtube (Google) hinterlegtes Video handelt. Was das bedeutet, erfahren Sie in der Datenschutzerklärung. Eintrag im Videoverzeichnis erfasst unter Altenkirchener Modell

Aus- und Abgrenzung

Die Isolation der Mediation innerhalb der Konfliktlösung ermöglicht die strategische Ausgrenzung der Kooperation innerhalb einer Konfrontation. Diesem Vorteil steht der Nachteil gegenüber, dass die gerichtsnaheMediation ein vom Verfahren unabhängiges Schicksal nehmen kann, das weder auf die Möglichkeiten oder die Kompetenzen des Gerichtsverfahrens zurückgreift, so wie das Gerichtsverfahren auch nicht die Möglichkeiten und Kompetenzen der Mediation nutzen kann.

Beispiel 11558 - Der Richter hat die Macht, die Anwesenheit der Parteien in einem Termin zu erzwingen, der Mediator nicht. Der Richter könnte die Mediationsbereitschaft der Parteien herstellen, weil er schon vor der Entscheidung für eine Mediation Zugriff auf die Parteien hat. Der Mediator nicht. Der Richter kann die Mediation am Laufen halten, indem er die Kooperation der Parteien einfordert eher er die gerichtliche Konfrontation anbietet. Der Mediator analysiert den Konflikt und bewirkt eine Konflikteinsicht. Usw.


Würde man die Möglichkeiten zusammenführen, ergäbe die Summe der Teile mehr als das ansonsten anzunehmende Ganze. Es entstünde ein neues Verfahrensverständnis, wo Kompetenz und Wirkung im Vordergrund stehen.

Verantwortung

Eine weitere Besonderheit ist die geteilte Verantwortlichkeit, die sich in einem Teamverständnis niederschlägt. Statt als Gegner verstehen sich Gericht und Anwälte als ein Team, das sich gemeinsam für die konstruktive Lösung der Probleme in Familiensachen für zuständig erklärt.

Autorität

Glasl sagt, dass bei hoch eskalierten Konflikten eine Mediation nicht möglich sei, weil sie nicht die Autorität aufbringen kann, die notwendig ist, um die Parteien in die Kooperation zu führen und in der Kooperation zu halten. Mit der in die Mediation einbezogenen Einflussnahme des Gerichts lässt sich die Autorität zugunsten der Mediation nutzen.

Integration

Die Idee des Altenkirchener Modells besteht darin, die Verfahren (Methoden) ineinander zu integrieren, um so das Beste aus jedem Verfahren herauszuholen. Eigentlich wird das Gerichtsverfahren in eine virtuell vorzustellende Mediation integriert, indem die wesentlichen Bausteine gegenübergestellt und Differenzen ausgeglichen werden. Die Vorgehensweise entspricht der nachfolgenden Grafik.

Prinzip

Die Einbindung oder die Übernahme von Bausteinen der Mediation betrifft nicht nur die als Erkenntnisschritte anzusehnden Prinzipien. Sie erstreckt sich auch auf die Prinzipien, die Methoden und die Techniken. Ihre Zusammenführung erlaubt die Annäherung oder gar die Herstellung einer methodischen Mediation, in der alle Elemente zusammenkommen.

Das Altenkirchener Modell bildete den Ursprung der Integrierten Mediation und ist heute eines von vielen Anwendungsbeispielen.

Vorgehensweise

Wenn es zur Verhandlung kommt, sind die Argumente und die Forderungen, mithin die Positionen bereits schriftsätzlich vorgetragen und zur Genüge ausgetauscht worden. Die Phase zwei kann also weitestgehend als erledigt betrachtet werden. Lediglich die Frage, ob mit den Schriftsätzen alle Fragen (Konflikte) angesprochen wurden oder ob es sich nur um eine Schlacht in einem größeren Krieg handelt, ist noch offen. Mit diesem Wissen beginnt die Hauptverhandlung.

Beispiel 14428 - Der Richter fragt die Parteien: "Wie kann ich Ihnen helfen?"

Interesssanterweise bekam er stets die Antwort: "Wieso helfen? Sie müssen entscheiden!"
Der Richter hörte das Eingeständnis, dass die Parteien selbst keine Lösung finden können. Er sagte deshalb: "Wenn Sie hier gelandet sind, muss etwas schief gelaufen sein. Vielleicht kann ich helfen, dass es wieder richtig läuft?"

Die Parteien erklärten die Motive, warum es zur Gerichtsverhandlung kam. Der Richter geht darauf ein und wendet die Technik des Loopens an. Faktisch ist er entweder in Phase eins, wo die Verfahrensmotive abgefragt werden oder in Phase drei, wo die Konfliktmotive hinterfragt werden, was meist deckungsgleich ist. Als er bemerkt, dass die Parteien sich gedanklich mit den Fragen auseinandersetzen, fragt er: "Wie gefällt Ihnen das Gespräch (die Verhandlung)? Können Sie sich vorstellen, dass wir auf diesem Weg eine Lösung finden können, die besser ist als ein Urteil?". Wenn die Parteien diese Frage bejahen, geht der Richter zurück in Phase eins und sagt: "Dann ist es besser, wenn Sie mich nicht in der Rolle eines Entscheiders sehen, sondern in der Rolle eine Schlichters / Mediators". Er erklärt was das bedeutet und wie dann das Verfahren (Gespräch) weitergeht. Er geht zurück in Phase drei und erarbeitet zusammen mit den Parteien die Motive, aus denen er die Kriterien für eine Lösung ableitet. Von hier aus wickelt er die Mediation nach den Regeln der Kunst weiter ab und führt in die Phase vier, usw.


Anders als in einer externen Mediation hat der Richter stets nur ein beschränktes Zeitkontingent. Deshalb konnte er diese Vorgehensweise oft nicht bis zur Lösungsfindung treiben. Die Parteien hatten jetzt aber eine gute Vorstellung, wie eine Mediation funktioniert und auch schon den halben Weg zum Ziel hinter sich gebracht. Wenn der Richter jetzt angeboten hat, die Mediation extern fortzuführen, gab es stets eine Zustimmung.

Evaluierung

Das Konzept wurde in dem Projekt Integrierte Mediation in Familiensachen im Bezirk des OLG Koblenz sogannten Justizprojekt evaluiert. Das Gutachten von Prof. Dr. Neuert hat eine statistisch messbare Steigerung der Zufriedenheit bei allen Beteiligten nachgewiesen.

Sozio-okonomische Analyse 

Bedeutung für die Mediation

Jahrelange Erfahrungen bei der Anwendung dieses Modells und Auseinandersetzungen mit der Frage, wo eine Mediation (methodisch) anfängt und nicht mehr zu realisieren ist, war die zentrale Frage, die sich die Protagonisten dieses Modells gestellt haben. Sie führte in die Entwicklung der kognitiven Mediationstheorie, die weniger auf Formalien, als auf Inhalte achtet.

Beispiel 11564 - Dem Modell wurde stets entgegengehalten, dass es schon deshalb keine Mediation sein könne, weil der Richter entscheidungsbefugt sei. Die Praxis hat jedoch gezeigt, dass die Entscheidungsbefugnis kein wirkliches Hindernis war. Die Parteien haben sich edenfalls vor dem Richter geöffnet und sogar Dinge gesagt, die er weder hören wollte, noch sollte. Die daraus resultierende Erkenntnis war, dass es nicht die Angst vor der Enscheidung des Richters ist, sich zu öffnen, sondern das Vertrauen in seinen Umgang mit den Menschen und die Sorgfalt im Umgang mit den zur Verfügung gestellten Informationen. Die Übung führte zur Erkenntnis, dass das Interesse an den Parteien (Menschen) der Schlüssel ist, sich zu öffnen.

Hinweise und Fußnoten
Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen.
Bearbeitungsstand: 2024-04-08 11:54 / Version 30.

Alias: Familiengerichtsverfahren, Altenkirchener Modell
Siehe auch: Altenkirchener Modell: Ein-Beispiel , gerichtsintegrierte Mediation, integrierte Mediation
Prüfvermerk: -


Based on work by Arthur Trossen und anonymous contributor und Bernard Sfez und anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Mittwoch Dezember 25, 2024 20:27:00 CET.

Durchschnittliche Lesedauer: 4 Minuten