Die Lehre der Integrierten Mediation
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Es geht um das Verständnis der Mediation basierend auf der kognitiven Mediationstheorie. Die integrierte Mediation ist ein Anwendungsfall.
Mediationskonzepte integrierte Mediation Integrierte Mediation als Mediationsmodell kognitive Mediationstheorie Schulen
Der Begriff Integrierte Mediation steht in erster Linie für ein Mediationskonzept.1 Er wirkt sich auf das Mediationsmodell2 und das Anwendungsformat3 aus. Schließlich muss der Begriff auch für den Namen eines Mediatorenverbandes herhalten. In diesem Beitrag geht es um die inhaltlichen Aspekte der Integrierten Mediation und ihre wissenschaftliche Herleitung.
Das Maximum ermöglichen
Warum weniger, wenn mehr möglich ist?
Inhaltsverzeichnis
- Erfahrungen der Praxis
- Was ist anders?
- Die Kombination von Anwendung und Lehre
- Der Bedarf für einen erweiterten Ansatz
- Der erweiterte Lösungsansatz
- Die Herleitung der Möglichkeiten
- Auf die Kybernetik kommt es an
- Die Umsetzung
- Die Anwendungsmöglichkeiten
- Das Ganze
- Anwendungsbeispiele
- Bedeutung für die Mediation
Sie erinnern sich an die Darstellung zur Methodik der Mediation?4
Dort wurde das Verfahren mit einer Straße verglichen, die wie auf einer Landkarte den groben Weg zum Ziel vorgibt. Wenn wir uns entscheiden, den Weg mit dem Auto zurückzulegen, wäre das Auto mit dem Werkzeug, also den Techniken, zu vergleichen. Die Fähigkeit, das Auto sicher auf dem Weg ans Ziel zu bringen, entspräche dem Know-how. Je besser die Straße ausgebaut ist, umso schwerer fällt es, den Weg zu verlassen.
Erfahrungen der Praxis
In der Praxis der Konfliktbeilegung ist die Straße allerdings oft nicht so gut ausgebaut. Es gibt sogar Fälle, wo niemand ein Interesse daran hat, die Straße, (also das Verfahren der Mediation) zu benutzen. Manchmal ist auch gar keine Straße erkennbar. Das bedeutet konkret, dass die formale Mediation i.S.d. Mediationsgesetzes nicht so nachgefragt wird, wie sie es sollte. Die Straße der Mediation ist eine Straße des Umdenkens. Ein Umdenken ist auch jenseits des Verfahrens im Sinne des Mediationsgesetzes möglich, wenn die Mediation als ein Erkenntnisprozess verstanden wird. Dann ist der Weg der Mediation oder der Weg in die Mediation auch dann nicht verschlossen, wenn die Strasse nicht erkennbar ist. Ein guter Autofahrer kommt mit dem passenden Fahrzeug auch ans Ziel, wenn er durch unwegsames Gelände fährt. Es ist dort nur etwas schieriger, den Weg zu finden. Das Bild lässt sich mit der Idee der Integrierten Mediation vergleichen.
Um in der Metapher einer Strasse zu bleiben, ermöglicht die Integrierte Mediation eine Querfeldeinfahrt. Sie benutzen zwar immer noch die Landkarte, das Auto und das Know-how, um ans Ziel zu kommen. Allerdings sind Ihr Auto und Ihr Know-how besser ausgestattet. Sie können die Landkarte genauer lesen, sodass sie nicht mehr auf die vorgegebene Straße mit ihren Leitplanken angewiesen sind. Sie finden andere Wege, vielleicht sogar Abkürzungen.
Übertragen auf die Mediation wird die Querfeldeinfahrt möglich, indem Sie die Mediation virtualisieren. Das ist möglich, weil die Integrierte Mediation die Mediation als ein Gedankengang beschreibt. Gedanken sind frei. Sie sind nicht an eine Form gebunden. Wenn Sie wissen, worauf es ankommt, und wenn Sie die Elemente der Mediation wie die Bausteine der Straße methodisch korrekt zusammensetzen, brauchen Sie keine Straße mehr, um ihren Effekt auszulösen. Dann finden Sie den (gedanklichen) Weg der Mediation auch im unwegsamen Gelände außerhalb der formalen Mediation nach §1 Mediationsgesetz. Jetzt fühlt sich die Mediation wie in der Darstellung des nachfolgenden Bildes an. Es gibt keine Grenzen mehr.
Die Metapher des unwegsamen Geländes beschreibt die Einsatzmöglichkeiten und die Herangehensweise der Integrierten Mediation. Ihr Schwerpunkt liegt weniger auf dem Verfahren als auf der Kompetenz der Mediation. Im Mittelpunkt steht ihre typische Denkweise. Darauf hatten sich einst auch die Mitglieder des gleichnamigen Verbandes festgelegt. Sie hielten in einer Versammlung fest:
Für uns ist die Mediation in erster Linie eine Art Philosophie. Sie beschreibt eine Art des Denkens.
Die Mediation i.S.d. Mediationsgesetzes ist demnach lediglich ein mögliches Anwendungsformat unter vielen.
Das wissenschaftsbasierte Konzept wird auf die kognitive Mediationstheorie zurückgeführt. Nach der aktuellen Einschätzung ist sie die bisher einzige Theorie, die die Zusammenhänge der Mediation in sich stimmig beschreiben kann.5 Sie erläutert, warum die Mediation mehr ist als nur die Anwendung von irgendwelchen Techniken. Sie beschreibt präzise, was alles zusammenkommen muss, damit der außerordentlich komplexe Prozess der Mediation in allen denkbaren Fällen seine Wirkung entfalten kann.
Was ist anders?
Der Erklärungsansatz, dass die Mediation einen Erkenntnisprozess abbilden muss, folgt der Vorgabe, dass die Parteien ihren Konflikt selbst beilegen sollen. Also müssen sie denken (nicht der Mediator), um die Lösung zu finden. Der Mediator muss denken (wissen), wie die Parteien denken müssen, damit sie die Lösung finden können. Die Mediation beschreibt nicht nur den gedanklichen Weg zur Lösung. Sie beschreibt auch, wie die Hindernisse aus dem Weg zu räumen sind, damit die Parteien selbst eine Lösung finden können. Diese Grundannahme erlaubt Spezifikationen des generellen Verständnisses der Mediation, die nachfolgend gegenübergestellt werden:
Mediation | integrierte Mediation |
---|---|
Verfahren | Das Verfahren bildet lediglich den Container, in dem die zur Lösung führende Methodik umgesetzt wird.6 Es gibt eine strikte Unterscheidung zwischen dem Verfahren der Mediation und der Methode, wo die Mediationskompetenz zur Geltung kommt. Die Bedeutung des Verfahrens ergibt sich aus der Containertheorie. |
strukturiertes Verfahren | Die Mediation wird als ein Erkenntnisprozess mit einer vielschichtigen Struktur verstanden, der auf mehreren Ebenen abläuft und mehrere Dimensionen umfasst.7 Im Mittelpunkt steht eine Informationsverarbeitung, die sich auf alle Aspekte des Konfliktes einlassen kann und dazu beiträgt, die Komplexität zu bewältigen. |
vertrauliches Verfahren | Die Freiheit des Gedankenaustauschs muss gewährleistet sein. Die Vertraulichkeit ist lediglich eine dispositive Bedingung kein Eigenschaftsmerkmal. |
Beilegung des Konfliktes | Das Ziel ist das Finden einer Lösung aus der sich die Konfliktbeilegung ergibt. Den Maßstab bildet der Nutzen (Utilitarismus). Die Beilegung ist nicht beliebig. Sie muss durch das Suchen nach einer (anderen, besseren) Lösung gekennzeichnet sein, mit der alle Parteien zufrieden sind. Es genügt ein Widerspruch oder ein Problem. Die Beilegung umfasst auch eine Konflliktvermeidung |
Eigenverantwortlich | Die Eigenverantwortlichkeit erstreckt sich auch auf alle Verfahrensentscheidungen, nicht nur auf die Lösung. Alle Entscheidungen müssen im Konsens getroffen werden. Der Mediator trägt auch eine Mitverantwortung für die Lösung. |
Freiwilligkeit | Die Freiwilligkeit ist ein selbstregulierendes Element, das zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet |
Hilfe des Mediators | Es geht um die Verwirklichung der Metaebene. Sie ermöglicht es den Parteien, den Konflikt und ihr Handeln zu reflektieren. Die Bereitstellung der Metaebene ist nicht zwingend an die Person des Mediators gebunden. |
Führung des Mediators | Der Mediator kennt den gedanklichen Weg der Mediation. Die Mediation ist ein konsensuales Verfahren auf gleicher Augenhöhe, weshalb auch der Mediator auf gleicher Augenhöhe steht. |
Entscheidungsbefugnis | Die fehlende Entscheidungsbefugnis ist nur ein Prinzip, kein Eigenschaftsmerkmal. Die Eigenschaft verwirklicht sich in dem von der Entscheidungsmacht geprägten Kommunikationsmodell. Es wird durch die weitergehende Indetermination ersetzt, die eine operative Beteiligung des Mediators vollständig ausschließt. |
Eine Definition der Integrierten Mediation lautet demzufolge: Die integrierte Mediation ist eine Mediation auf der Grundlage der kognitiven Mediationstheorie. Sie versteht die Mediation als einen Erkenntnisprozess, der die Parteien unterstützt, selbst eine am Nutzen orientierte Lösung für Probleme und Konflikte zu finden und sich auf die Komplexität der Fragestellungen einlässt.
Die Kombination von Anwendung und Lehre
Der Begriff Integrierte Mediation ist historisch zu begründen. Er wurde eingeführt, weil ihre Gründer8 Wirkungsweisen und Anwendungsformate beschrieben hatten, die zumindest zur Gründungszeit von anderen Verbänden nicht für möglich gehalten wurde. Tatsächlich ist die Integrierte Mediation nichts anderes als Mediation. Der Unterschied liegt in ihrer Herleitung und dem kognitiven Ansatz. Er begründet ein umfassendes Mediationsverständnis, das sowohl die Komplexität der Mediation wie ihre Vielfalt systematisch erfasst und zu würdigen weiß.9 Weil sie den Inhalt der Mediation dogmatisch aufbereitet, wird die Integrierte Mediation als eine eigenständige Lehre der Mediation erfasst und auch dementsprechend unterrichtet.10
Über die unterschiedlichen Lehren der Mediation
Der Bedarf für einen erweiterten Ansatz
Ausgangspunkt der Überlegungen war zunächst die Beobachtung, dass die Mediation oft nur auf ein formales Konstrukt reduziert wird, das weder ihrer Kompetenz noch ihrer Komplexität gerecht wird. Auch die präzise Abgrenzung zu anderen Verfahren wird erschwert.11 Immerhin kann mit dem Erlaß des Gesetzes zur Förderung der Mediation12 davon ausgegangen werden, dass die Mediation auch in rechtlicher Hinsicht und entgegen der Definition in §1 Mediationsgesetz nicht ausschließlich als ein förmliches Verfahren anzusehen ist.13 Sie wurde und wird noch immer als eine Methode verstanden. Auch wenn die Integrierte Mediation die Mediation eher als ein Methodenkonglomerat als eine singuläre Methode versteht, ist es dennoch bemerkenswert, dass beispielsweise § 278 Abs. 5 ZPO die Anwendung der Methodik in einem gerichtlichen Verfahren vorsieht. Diesen Ansatz macht sich die integrierte Mediation zu eigen.
Dass die formale Sicht auf die Mediation nicht nur zu Einschränkungen, sondern auch zu Abgrenzungsproblemen führt, belegt bereits die Auffassung, dass der Mediator nur deshalb eine Schlichtung durchführe, weil er einen Vorschlag unterbreitet.14
Derartige Pauschalierungen waren für die Begründer der integrierten Mediation ebensowenig nachvollziehbar, wie die Auffassung, dass etwa ein Richter trotz identischer Herangehensweise nicht mediieren könne, nur weil ihm das Verfahren formal und auf den ersten Blick15
eine andere Rolle zuschreibt. Diese und weitere Irritationen über das Verständnis der Mediation warfen die Frage auf, was genau Mediation ist, was sie ausmacht und welches Vorgehen der Mediation zur Wirkung verhilft, sodass daraus ein Mediieren, also die faktische Verwirklichung einer Mediation, entstehen kann.
Weiterhin fiel auf, dass die Verfahren zur Konflikt- oder Streitbeilegung oft nur unvollständige Konfliktlösungen anbieten. Gemessen am Streitkontinuum, das eine Konfliktbearbeitung auf vier Dimensionen als vollständig erachtet, lassen sich die gängigen Verfahren meist nur auf zwei Dimensionen ein.16
Trotzdem verstehen sie sich als umfassend. Wenn es zu einem Verfahrenwechsel kommt, beginnt das Spiel von neuem. Die formale Abgrenzung der Verfahren verhindert das Aufgreifen von Erkenntnissen, die in anderen Verfahren bereits erörtert wurden. Es kommt zu einem Phänomen, das auch bei den Kriegerameisen zu beobachten ist. Wenn sie die falsche Witterung aufnehmen, laufen sie sich zu Tode.17
Auf die gleiche Weise geraten auch manche Verfahren in eine Endlosschleife, die sich um den Konflikt herumwindet, statt ihn aufzuösen.18
Die Endlosprozesse werden durch die dahinter verborgenen, oft konträr ausgerichteten Dienstleistungsansätze gefördert. Die Dienstleistungen sind kaum aufeinander abgestimmt. Viele sind auf Konfrontation ausgerichtet, sodass sie einer gemeinsamen Zielsetzung im Wege stehen.19
Die Mediation könnte helfen, das Kooperationsdilemma zu überwinden. Ihre Möglichkeiten werden jedoch häufig unterschätzt.
Selbst die Mediation unterliegt Einschränkungen. Auch sie deckt nicht zwingend alle Dimensionen des Streitens ab. Welche Dimensionen des Streitkontinuums abgedeckt werden, ergibt sich aus dem zugrunde liegenden Mediationsmodell. Auch wenn sie alle Streitdimensionen abdeckt, kann ihre Verfahrensdienstleistung den Kundenbedarf nur unvollständig befriedigen. Sie bietet nur eine eingeschränkte Beratung und keine Hilfe bei der Zuführung und der Abwicklung der Konfliktbeilegung an. Sie kann deshalb nur bedingt zur Konfliktbegleitung eingesetzt werden. Bezogen auf die notwendige Konfliktbegleitung der Parteien stellt sie nur eine hinkende Dienstleistung dar.
Eine weitere Einschränkung für die Anwendbarkeit der Mediation wird bei hocheskalierten Konflikten angenommen. Der Mediation fehlen die autoritären Elemente, um die konfrontierenden Parteien in ein Mediationsverfahren zu führen und dort zu halten. Die fehlenden Elemente stehen jedoch außerhalb der Mediation zur Verfügung. Es wäre also sinnvoll, sie entweder in der Mediation zu nutzen oder umgekehrt die Kompetenz der Mediation in die Verfahren einzubinden, die diese Autorität abbilden können. Die systematische Zusammenführung der zur Konfliktbeilegung führenden Verfahrenselemente war übrigens der Ursprung der Integrierten Mediation. Sie hatte sich (zunächst) auf die hoch eskalierten Konflikte in Familienschanen eingelassen und war als Altenkirchener Modell in die Geschichte der Konfliktbeilegung eingegangen.
Der erweiterte Lösungsansatz
Ein perfektes Verfahren zur Konfliktbeilegung wäre in der Lage, alle zuvor genannten Defizite aufzufangen. Es begreift den Konflikt in seiner Komplexität, kann alle Dienstleistungen inkludieren, sie auf ein gemeinsames Ziel ausrichten und alle Dimensionen des Streitkontinuums erfassen. Weil die Verfahrenslandschaft ein solches Verfahren nicht vorsieht, lässt sich ein derartiges Verfahren nur virtuell herstellen, indem es die vorhandenen Verfahren mit Kombinationen oder Ergänzungen anreichert. Die Integrierte Mediation geht davon aus, dass sich die Elemente des perfekten Verfahrens zumindest teilweise in allen Verfahren wiederfinden. Sie müssen nur zusammengebracht werden. Das gelingt mit einer Integration. Integration bedeutet übrigens nicht meghr und weniger als die Herstellung eines Ganzen. Der Grundsatz lautet deshalb:
Sobald die Mediation nicht mehr nur als ein formal begrenztes Verfahren im juristischen Verständnis, sondern als ein Prozess des Verstehens20 betrachtet wird, finden sich in ihr alle Merkmale eines perfekten Verfahrens wieder. Das ist der Ansatz der Integrierten Mediation. Mit Hilfe der aus ihr heraus entwickelten Mediationstheorie21 lassen sich die unterschiedlichen Funktionsweisen der Mediation aufdecken. Sie erlauben es, die Mediation einerseits als eigenständiges Verfahren, andererseits als ein integrationsfähiges Methodenkonglomerat und schließlich sogar als einen vom Verfahren gelösten Gedankengang zu begreifen.
Verortung
Ausgehend von dem Verfahrenverständnis der Mediation erfolgt der erste Zugriff auf die Frage, wie sich die Verfahren gegeneinander abgrenzen lassen und wo sie sich gegebenenfalls überlappen, aus dem Streitkontinuum heraus. Davon ausgehend, dass ein Konflikt nur dann vollständig gelöst werden kann, wenn alle Streitdimensionen abgedeckt werden, muss sich das perfekte Verfahren über das gesamte Kontinuum erstrecken. Die Mediation erfüllt diese Voraussetzung als einziges Verfahren. Bei einer formal geprägten Verfahrenssicht kann sie dieses Alleinstellungsmerkmal jedoch nur in dem Umfang verwirklichen, wie es die Form des Verfahrens erlaubt. Deshalb kommt auch die Mediation im konventionellen Verständnis schnell an ihre Grenzen. Sie kann (wegen der Verfahrenshürde) leicht übergangen werden.
Die Grafik zeigt, wo sich die Verfahren im Streitkontinuum verorten und wie sich die Integrierte Mediation dort einfügt. Sie kann sich situationsbedingt auf die Fakten, die Emotionen, die Beziehungen, die Positionen, die Interessen und die Bedürfnisse einlassen, um sie in jedem beliebigen Prozess zu verwirklichen. Sie nimmt sogar Einfluss auf die zeitliche Dimension. Sie kann die formalen Grenzen des Verfahrens überwinden indem sie auch Elemente anderer Verfahren einbezieht und Schnittstellen aufdeckt, sodass Kombinationen möglich sind.
Container
Die Sicht auf das Verfahren bildet einen wichtigen Ausgangspunkt für das Verständnis der Integrierten Mediation. Nach ihrer Auffassung stellt das Verfahren lediglich den formalen (rechtlichen) Rahmen dar, in dem sich die Verfahrensteilnehmer bewegen können. Es gibt ein Verhalten vor, das sich in verfahrenstypischen Methoden verwirklicht und spezifische Werkzeuge, ähnlich einer Toolbox, zur Verfügung stellt.22 Wer aber sagt, dass die Werkzeuge innerhalb dieses Rahmens limitiert sind?
Die Mediation wird auch als die Lehre der vermittelnden Kommunikation beschrieben.23
Diese Beschreibung geht der Integrierten Mediation nicht weit genug. Sie deutet aber an, welche Konsequenzen sich ergeben, wenn eine friedensstiftende Kommunikation tatsächlich nur an ein einziges Verfahren gebunden wäre, das nur von ausgebildeten Fachleuten ausgeführt werden darf. Wenn dem so wäre, würde die Welt verarmen.
Um die Welt zu bereichern, ist die Mediation also darauf angewiesen, sich aus ihrem Verfahrensjoch zu befreien. Das gelingt, sobald ihre Methodik und die damit einhergehende Kompetenz in den Mittelpunkt der Betrachtungen gestellt wird. Aber selbst dann sind formale Verfahrensgrenzen zu beachten. Eine Voraussetzung, dass Verfahren mit Methoden angereichert werden, dass sie sich kombinieren und ergänzen lassen, ist also stets die Größe des zur Verfügung gestellten Rahmens und seine Fähigkeit, sich für die Denkweise der Mediation zu öffnen.
Die Möglichkeit zur (methodischen) Öffnung ist den Verfahren nicht fremd.24 Sie wird anschaulich, wenn das Verfahren als ein Container betrachtet wird, der sich nicht nur auf die verfahrenstypischen Methoden (die vorgegebene Toolbox) begrenzt. Die von der Integrierten Mediation entwickelte Containertheorie erklärt, wie sich Verfahren und Methoden optimal kombinieren lassen. Ausgangspunkt der Überlegung ist die Vorstellung, dass jedes Verfahren in seinem formalen Verständnis wie ein rahmenbildender Container anzusehen ist. Der Container kann mit einem Methodenbehälter verglichen werden. Jeder Container ist in der Lage, Methoden aufzunehmen.
Sind die Container groß genug, dass die Methoden der Mediation (nicht nur die Techniken!) hineinpassen, sind die Voraussetzungen für die Integrierte Mediation erfüllt. Anders ausgedrückt: Die Integrierte Mediation ist in diesem Fall eine Methodenanwendung, wobei erst die Summe der angewendeten Methoden in ihrer spezifischen Kombination eine vollständige Mediation abbilden. Geben die Verfahren keinen Raum für eine derart umfassende Inklusion, kommt es nur zur Anwendung von Techniken. Sie sind weniger weitreichend erlauben aber die Annahme, dass sich die Methodik der Mediation nicht durch die (vollständige) Inklusion, sondern über wegweisende Erkenntnisgewinne und durch die Kombination von Verfahren wie in einem Containerbahnhof auf den Weg bringen lässt.
Verwendung
Je nachdem, ob die Mediation im eigenen oder im fremden Verfahren zur Anwendung kommt, verschiebt sich der Kontext ihrer Verwendbarkeit und damit auch die Herangehensweise. Den Ausgangspunkt bildet das Mediationskonzept der Integrierten Mediation. Ihr Konzept ermöglicht die Verwendung der Mediation sowohl innerhalb des Mediationsverfahrens (also des Verfahrens i.S.d. Mediationsgesetzes) wie auch in anderen Verfahren und Vorgängen. Die nebenstehende Skizze soll die Unterschiedlichkeit veranschaulichen. Sie macht sich wie folgt bemerkbar.
- Mediationskonzept
- Die Integrierte Mediation sieht in der Mediation einen Erkenntnisprozess, der durch die kognitive Mediationstheorie genau beschrieben werden kann. Wenn von der integrierten Mediation die Rede ist, wird also eine Vorgehensweise in der Mediation beschrieben, die auf dieser Herleitung beruht. Sie deckt den gesamten Mediationsradius ab. Sie kann deshalb innerhalb und außerhalb des Mediationsverfahrens, also des Verfahrens i.S.d. Mediationsgesetzes, als methodische Umsetzung der Mediation angewendet werden. Wenn die Mediation einen Erkenntnisprozess abbildet, beschreibt sie einen gedanklichen Weg, der es erlaubt, die Mediation zu virtualisieren. Die Virtualisierung ist mit einem gedanklichen Raster zu vergleichen, das über alle Entscheidungsprozesse gelegt werden kann. Weil das Raster auch über das Mediationsverfahren gelegt wird, liefert es nicht nur den Schlüssel, um die Mediation über andere Verfahren zu stülpen, sondern auch für ein Qualitätsmanagement der Mediation selbst.
- Mediationsmodell
- Das Mediationsmodell beschreibt die Bearbeitungstiefe, die z.B. bei der transformativen Mediation bis tief in die Bedürfnisse und Prägungen eintauchen kann. Bereits die blended Mediation geht von der Notwendigkeit aus, dass die Mediationsmodelle innerhalb einer laufenden Mediation zu wechseln sind. Die Integrierte Mediation greift diese Erfahrung auf. Sie hat jedoch erkannt, dass und wo das Mediationsverfahren an seine Grenzen kommt. Das ist spätestens dann der Fall, wenn es um hoch eskalierte Konflikte geht. Hier gelingt es ihr, einen Verfahrenswechsel (und damit auch einen Abbruch der Mediation) zu verhindern, indem sie die Fähigkeiten anderer Verfahren in sich aufnimmt.
Außerhalb des Mediationsverfahrens ist es ebenfalls möglich, die Mediationsmodelle zum Einsatz zu bringen. Das gelingt über die Themenbildung. Bei der integrierten Mediation werden die Themen mit den Konfliktdimensionen verknüpft. Die Frage ist also lediglich, ob es dem Mediator gelingt, die konfliktbezogenen Themen auch in einem anderen Verfahren anzusprechen,
Das Modell Integrierte Mediation
- Mediationsformat
- Innerhalb des Mediationsverfahrens fällt es dem Mediator leicht, die Mediation nach ihren unterschiedlichen Formaten auszuprägen. Er kann eine Co-Mediation oder eine Shuttlemediation einrichten, wann immer das nötig ist. Außerhalb des Mediationsverfahrens könnten seine Hände gebunden sein. Weil er nicht in der formalen Rolle des Mediators auftreten kann, darf die Regeln des Verfahrens nicht verletzen.
Als Verfahrenssachbearbeiter ist er jedoch nicht gehindert, den rechtlichen Rahmen auszuschöpfen und die Mediation (soweit möglich) wie ein Implantant einzusetzen. Um sich dem anderen Verfahren anzupassen, verändert er das Format der Mediation. Er löst sich aus dem starren Konzept, indem er beispielsweise die durch die Phasen abgebildeten Erkenntnisschritte der Mediation in einer anderen Reihenfolge so zur Verfügung stellt, wie es in die Erkenntnisschritte des zugrunde liegenden Verfahrens am besten passt. Diese Herangehensweise wird als gerichts- oder verfahrensintegrierte Mediation bezeichnet.
Die gerichtsIntegrierte Mediation Die verfahrensIntegrierte Mediation
Maßstab
Um zu erkennen, wo welche Methoden ergänzend einzubringen sind, hilft die Sicht auf die Mediationslogik. Wenn die Mediation entsprechend der kognitiven Mediationstheorie als ein Erkenntnisprozess verstanden wird, orientiert sich ihre Methodik an den mit diesem Prozess vorgegebenen Erkenntnisschritten. Jeder Erkenntnisschritt findet sich in einer Phase der Mediation wieder. Jede Phase entspricht einer ihr zugeordneten Methode. Sobald diese Erkenntnismatrix über ein beliebiges Verfahren gelegt wird, zeigt es sich, welche methodischen Schritte in dem Verfahren abgearbeitet werden und welche gegebenenfalls fehlen. Die sich in einem mediativen Erkenntnisprozess verwirklichende Mediation wird so zu einem Maßstab, an dem sich die Mediation selbst, ebenso wie auch andere Verfahren messen lassen.
Defizite lassen sich über eine Differenzrecherche nachweisen. Sie wird im Verfahrensstrukturvergleich näher erläutert. Die nebenstehende Grafik veranschaulicht das Prinzip. Davon ausgehend, dass jede Phase eine Methode repräsentiert und davon ausgehend, dass jede Methode die erforderlichen Arbeitsschritte beschreibt, die in der Mediationslogik zusammengeführt werden, weist die Mediation alle Arbeitsschritte aus, die notwendig sind, um eine gemeinsame (verfahrensübergreifende) Lösung zu finden. Wenn die als vollständig erkannten Verhandlungsschritte der Mediation in einem groben Raster aufgelistet werden, ist es möglich, deren Aufkommen oder Fehlen in anderen Verfahren nachzuweisen, um sie gegebenenfalls zu integrieren.
Die Herleitung der Möglichkeiten
Es wird nicht immer möglich sein, ganze Phasen der Mediation in ein anderes Verfahren zu implementieren. Auch hätte die Mediation davon keinen unmittelbaren Vorteil, wenn sie sich dadurch erübrigt. Allen Verfahren würde es jedoch helfen, wenn sie kleinere Bausteine aus anderen Verfahren verwerten, die sich unauffällig zusammenführen lassen. Das setzt voraus, dass die Bausteine der Mediation bestimmnt und identifiziert werden können. Die Bestimmung der Bausteine trägt nicht nur zur Qualitätssteigerung bei, indem die Arbeitsschritte der Mediation und ihre Elemente in einen funktionalen Zusammenhang gebracht werden. Es wird auch leichter, sie in anderen Verfahren zu reproduzieren. Die Grundannahme lautet deshalb:
Auf der Suche nach verwertbaren Bausteinen hilft das wissenschaftliche Verständnis der Mediation und ihre daraus folgende Herleitung. Damit kommt die kognitive Mediationstheorie ins Spiel. Sie beschreibt, welche Bausteine, Maßnahmen und Erkenntnisschritte notwendig sind, damit die Parteien ein wechselseitiges Verstehen erfahren können, aus dem sie die Lösung entwickeln.
Konstrukt
Die Mediation geht davon aus, dass die Parteien selbst die Lösung für Ihr Problem finden sollen. Sie liefert die dafür erforderliche Unterstützung. Wenn die Mediation als ein Erkenntnisprozess verstanden wird, konzentriert sich ihre Unterstützung darauf, den Parteien die zur Lösung führenden Erkenntnisse zu vermitteln. Um zu erkennen, worin diese Unterstützung besteht, sollte der Mediator wissen, was die Parteien daran hindert, die Lösung selbst zu finden. Sobald die Lösungshindernisse bekannt sind, ergeben sich nicht nur Anhaltspunkte dafür, wo seine Unterstützung einzusetzen hat. Es wird auch deutlich, was die Mediation dazu beiträgt, um diese Hindernisse zu umgehen oder aus dem Weg zu räumen.
Bausteine
Die Bausteine des mediativen Erkenntnisprozesses sind Gedanken. Damit sich die Gedanken der Parteien auf den von der Mediation beschriebenen Gedankengang einlassen können, müssen (besonders bei einem zugrunde liegenden Konflikt) einige Anforderungen erfüllt sein. Ein einzelner Gedankle bewirkt wenig. Die Integrierte Mediation fasst deshalb die gedanklichen und prozessualen Anforderungen in sogenannten functional Units zusammen. Die funktionalen Einheiten beschreiben die Elemente der Mediation, die erst in ihrem Zusammenspiel die gewünschte Wirkung entfalten. Weil es darum geht, Erkenntnisse zu erwirken, müssen die Bausteine, die einen solchen Prozess ermöglichen, von kognitiver Natur sein. Damit bewegt sich die Integrtierte Mediation in den Bereich des Denkens hinein. Ihre Lehre hat diesen Fokus festgeschrieben.
Ausrichtung
Die Bausteine der Mediation sind nicht beliebig und können auch nicht beliebig verwendet werden. Wie bei einem Hausbau müssen sie korrekt aufeinandergesetzt werden, damit sie nach der Baufertigstellung ein standfestes Haus ergeben. Auf die Mediation bezogen ist es also wichtig, die Natur der Bausteine zu erkennen und zu wissen, wie sie aneinanderzufügen sind.
Der erste grobe Baustein ist die Ausrichtung der Gedanken und des Handelns. Es geht darum, eine strategische Kooperation einzugehen, um eine Lösung zu finden. Die Lösung wird nicht aus dem Streit (konträres Denken) sondern aus der Gemeinsamkeit (paralleles Denken) entwickelt. Der Fokus wird nicht auf das Problem, sondern auf die problembefreite Zukunft (auf den Nutzen) gerichtet.
Methoden
Mit den Methoden wird das Know-how beschrieben, wie die Parteien auf den Weg zur Lösung zu führen sind. Der Weg besteht aus mehreren Schritten, die bei der Integrierten Mediation als Etappenziele beschrieben werden. Die Etappenziele werden durch die Phasen vorgegeben. Jede Phase gibt dem Mediator den Auftrag, was im Einzelfall zu tun ist. Die Techniken werden an den Methoden ausgerichtet. So wird sichergestellt, dass sie nicht willkürlich verwendet werden.
Logik
Es macht wenig Sinn, die Techniken willkürlich aus einem Bauchgefühl heraus anzuwenden. Alles hängt miteinander zusammen. Die Metasicht speilt eine wichtige Rolle, weshalb die Haltung des Mediators auch für die Integrierte Mediation von zentraler Bedeutung ist. Sie verwirklicht die typische Art des Denkens der Mediation. Alles ist miteinander verwoben, sodass sich die Mediation wie ein Puzzle zusammensetzt, das alle Bausteine logisch miteinander verknüpft. Die Logik folgt dem gedanklichen Konzept. Die Mediationslogik beschreibt, wie die Mediation den zur Lösung führenden Gedankengang ermöglicht und wie die Lösungshindernisse aus dem Weg zu räumen sind.
Informationen
Der Grundbaustein der Mediation ist die Information. Die Integrierte Mediation nutzt den kognitiven Ansatz, indem sie sich mit der Aufnahme, der Verarbeitung und der Weitergabe von Informationen innerhalb der Mediation befasst und beschreibt, wie aus dem Vorgang ein Prozess gestaltet wird, der die zur Lösung führenden Erkenntnisse in den Köpfen der Parteien ermöglicht. Um die Informationen in das Puzzle der Mediation korrekt einordnen zu können, hat die Integrierte Mediation das Dimensionieren entwickelt. Das Dimensionieren erlaubt eine optimale und präzise Informationsverarbeitung. Die Informationsdimensionen bilden gedankliche Ankerpunkte, anhand derer die Informationen in den Prozess der Mediation korrekt eingeordnet, qualifiziert, verglichen und vernetzt werden können. Der integrierte Mediator benutzt die Dimensionen zur Strukturierung der Gedanken, sodass sich der mediative Gedankengang abbilden lässt.
Auf die Kybernetik kommt es an
Die Funktionalität der Mediation erschließt sich, wenn die miteinander korrespondierenden Gedankenbausteine zu funktionalen Einheiten zusammengefasst werden, denen jeweils ein Erkenntnisgewinn zugeordnet werden kann. Die systemische Sicht legt es nahe, zwischen der Verfahrensebene und der Fallebene zu unterscheiden. Diese Unterscheidung erleichtert die Anwendung und die Zuführung zur Mediation.
Fallebene
- Schritt (Phase 2):
Der Streit wird identifiziert, um das Thema zu finden, für das eine Lösung zu suchen ist. Gedanklich befinden wir uns in der "kaputten Welt". - Schritt (Phase 3):
Das Defizit weist auf die Interessen und Bedürfnisse hin, aus denen sich Motive ableiten lassen, die den Fokus in eine "heile Welt" umleiten. Die Gedanken werden auf die imaginäre Situation mit dem unterstellt gelösten Konflikt gerichtet. Die Sichten der Parteien werden angeglichen. Gemeinsamkeiten (Schnittmengen) werden herausgestellt. - Schritt (Phase 4):
Wenn der Nutzen geklärt ist, sind die Kriterien bekannt, an denen die nunmehr erst zu suchende Lösung zu messen ist. Die Gedanken werden in die reale Welt zurückgeführt, wo die zuvor erarbeiteten Lösungskriterien umgesetzt werden. Hier werden mehrere Wege gesucht, wie die Parteien das für sie zuvor ermittelte Idealziel erreichen können.
Die gedankliche Folge kann innerhalb und außerhalb des Mediationsverfahrens genutzt und jedem Entscheidungsprozess zugrunde gelegt werden. Der integrierte Mediator achtet deshalb in allen Angelegenheiten darauf, dass diese Denkschritte eingehalten werden. Er stellt stets die aus Motiven zu erschließende, individuelle Nutzenerwartung fest, um die dann erst zu suchende Lösung daran zu messen. Er kann diese Gedankenfolge in jeder Art von Verhandlung herstellen.
Verfahrensebene
- Schritt (Phase 0):
Es geht um die Zuführung zur Mediation und darum, dass die Parteien ihren Nutzen erkennen können. - Schritt (Phase 1):
Hier kommt es darauf an, einen soliden Rahmen herzustellen, in dem das Gespräch ablaufen kann. Mit dem Rahmen wird zugleich eine während des gesamten Lösungsvorganges (Verfahrens) präsente Meta-Ebene sowohl für den Vorgang selbst wie für die Fallösung eingerichtet. - Schritt (Phase 5):
In diesem Verständnis ist die Abschlussvereinbarung nicht das Ziel, sondern nur ein Teil des Rahmens. Sie schließt den geschützten Gesprächsraum und schafft die Bedingung, dass die Parteien in Zukunft ohne den von außen eingerichteten Rahmen kommunizieren können. Die Abschlussvereinbarung dient also dazu, die gewonnenen Erkenntnisse und die gefundene Lösung zu manifestieren. Sie ist nicht das Ziel, sondern seine Umsetzung.
Gesamtebene
Die Integrierte Mediation sieht in der Mediation kein isoliertes Verfahren. Ihre systemische Sicht, die stets das Ganze im Blick hat, legt es nahe, auch die Umweltbedingungen für die Durchführung einer Mediation im Blick zu haben. Die Konfliktanalyse umfasst deshalb auch die außerhalb des Streites stehenden Konfliktparteien und die parallel oder konkurrierend verlaufenden Verfahren, mit denen die Parteien ihre Konfliktstrategie verwirklichen.
Die Umsetzung
Die zuvor nur grob umrissenen Herleitungen, ergeben drei unterschiedliche Anwendungsformate. Sie erlauben die Beschreibung eines meditativen Konzeptes, die Erweiterung der Mediationsmodelle und die Einführung eines meditativen Formates.
Konzept
Modell
Das Mediationsmodell ergibt den Bearbeitungsschwerpunkt bezogen auf das Streitkontinuum. In der Praxis lassen sich diese Modelle nicht immer konsequent durchführen.
Die Notwendigkeit für einen Modellwechsel ist in der Mediation nicht unbekannt. Die sogenannte eclectic Mediation plant deshalb den Modellwechsel in ihrem Konzept ein. Auch die Idee der integrierten Mediation geht von einer flexiblen Handhabung der Modelle aus. Sie erlaubt es allerdings auch Elemente aus mediationsfremden Verfahren einzubinden. So ist es z.B. möglich, auch hoch eskalierte Konflikte abzuwickeln, für die die Mediation selbst nicht genügend autoritäre Elemente zur Verfügung stellt.
Format
Werden Elemente der Mediation in andere Verfahren eingefügt, handelt es sich um die sogenannte verfahrensintegrierteMediation. Das zugrunde liegende Verfahren wird methodisch angereichert. Es ist wichtig zu wissen, dass die verfahrensIntegrierte Mediation nicht lediglich eine Anwendung von Techniken ist.
Vorgehen
Zuführung
Das Problem taucht weniger innerhalb des Mediationsverfahrens auf als davor, wo die Parteien erst der Mediation zugeführt werden müssen. Fragen Sie jemanden in einem hoch eskalierten Konflikt, ob er sich einem Mediationsverfahren stellen will oder nicht. Die Antwort hängt davon ab, ob er weiß wes Mediation ist, was die Einlassung auf das Verfahrenb bedeutet und dass er überhaupt die Möglichkeiten erkennt. Die Mediation im Verstaändnis der integrierten Mediation führt in ein anderes Denken. Für alle, die sich nicht blind darauf einlassen wollen und dem Verfahren gegenüber misstrauisch sind, muss der Weg in das andere Denken erst nahegelegt werden. Leider setzt das schon ein Umdenken voraus. Das gelingt nach den Erfahrungen der Integrierten Mediastion, wenn der Dienstleister gegebenenfalls schon im Vorfeld des offiziellen Verfahrensbeginns schon das andere Denken einführt. Das geht mit der Integrierten Mediation gaz einfach, indem die Erkenntnisschritte, die gegebenenfalls schon der Entscheidung für ein derartiges Verfahren abgewickelt werden. Draus folgt der Grundsatz:
Die Anwendungsmöglichkeiten
Die Integrierte Mediation schöpft den gesamten Mediationsradius aus. Indem sie sich von dem Verfahren löst, kann sie auch die Methoden in anderen Prozessen benutzen, um daraus ein nutzen- und konsensorientiertes Verfahren zu gestalten. Der Fokus geht über das einzelne Verfahren (einschließlich der Mediation) hinaus.
Metaebene
Perspektivisch wird der Fokus aus der Metaebene, besser gesagt aus den Metaebenen gebildet. Die Integrierte Mediation bildet Metaebenen zum Fall, zum Verfahren und zur Konflikt- und zur Verfahrenslandschaft.25 Sie sieht die Verfügbarkeit der Metaebenen als die unbedingte Voraussetzung für die Durchführung und das Gelingen der Mediation an.
Es bedarf nicht immer einer neutralen Dritten Person, um die Metaebene abbilden zu können. Nach der Auffassung der Integrierten Mediation kann eine neutrale dritte Person sogar gar keine Mediation durchführen, wenn sie nicht in der Lage ist, die erforderlichen Metaebenen herzustellen. Die Fähigkeit, eine Metaebene abzubilden und sich auf ihr zu bewegen, ist deshalb das zentrale Haltungsmerkmal des Mediators im Verständnis der Integrierten Mediation.
Nun ist es durchaus möglich, die Metaebene innerhalb einer Person herzustellen. Die Reflexionsfähigkeit ist dem Menschen nicht fremd. Nur im Konflikt kann sie eingeschränkt sein. Gelingt es den Parteien also in einer dialogischen Situation die Metaebene abzubilden und die Erkenntnismechanismen der Mediation abzuarbeiten, wüerde sich materiell eine Mediation verwirklichen, formell jedoch nicht. Die Integrierte Mediation verfolgt deshalb einen erweiterten Mediationsradius, der auf das Mediieren abstellt und Fallkonstellationen einbezieht, bei denen es keine neutrale, dritte Person gibt.26
Migrationsstrategie
Wenn der Fokus über das Verfahren der Mediation hinausgeht, hat er auch den Zugang und den Nachgang im Blick.
Die konventionelle Mediation erwartet, dass sich die Parteien vor Beginn der Mediation für eine Mediation entscheiden. Dass zwei im Streit befindliche Parteien dasselbe wollen, ist ein eher untypisches Konfliktverhalten. Es ist ein Zeichen des Konflikes, wenn die Parteien (noch) nicht (oder nicht mehr) bereit sind, sich übereinstimmend auf ein kooperatives Verfahren einzulassen. Abgesehen davon, dass die Parteien im Konflikt dazu neigen, Vorschläge der Gegenseite abzulehnen, verhindert die Konfrontationsstrategie jede Art der Kooperation. Das wechselseitige Einverständnis zur Mediation müsste die konfliktbedingte Ablehnungshaltung also ebenso überwinden wie die Konfrontationsstrategie.
Spielwechsel
Das Prinzip der fehlenden Entscheidungsbefugnis wird von der Integrierten Mediation lediglich als ein Prinzip (also eine Verfahrensbedingung) und nicht als eine Eigenschaft der Mediation gesehen. Die durch das Prinzip zu sichernde Eigenschaft beschreibt das zugrunde liegende Kommunikationsmodell. Es kommt darauf an, dass der Mediator unbeeinflussbar ist. Die Verwirklichung des Kommunikationsmodells kommt bei der Integrierten Mediation im Prinzip der Indetermination zum Ausdruck.
Es gibt durchaus Fallgestaltungen, bei denen das Merkmal der fehlenden Entscheidungsbefugnis für die Durchführung der Mediation erforderlich ist. Der Grund liegt aber in strategischen Erwägungen, weniger in der Frage der parteilichen Bereitschaft, sich gegenüber einem Entscheider zu öffnen. Der strategische Grund liegt in der Kooperationsfähigkeit.
Mitunter besteht ein Hindernis einfach von der Konfrontation die Kooperation zu wechseln. Unter dem Gesichtspunkt der Konfrontation ist ein Kooperationsangebot schon suspekt. Eine strategische Möglichkeit, die Kooperation dennoch zu ermöglichen, bietet der Spielwechsel.
Spiel der Spiele
Im Streit kommt es vor, dass die eine Partei gerne kooperieren würde, die andere aber nicht. Was ist zu tun wenn eine Partei den Krieg will. Es wäre naheliegend, sich dem Kriegswunsch zu beugen. Es ist die einzige Option wenn zwischen Krieg und Frieden zu entscheiden ist. Die Fragestellung ändert sich in dem Moment, wo eine dritte Option hinzu kommt. Die dritte Option ergibt sich aus einer Ebene die über dem Widerspruch zwischen Krieg und Frieden liegt und beides im Blick haben kann. Wenn der Krieg das eine Spiel ist und der Friede das andere, wäre diese Ebene das Spiel der Spiele.
Killerphrasen
Wenn einer ganz normalen Verhandlung eine Partei plötzlich Killerphrasen anwendet, ist es ein Zeichen dass der Zweck der Diskussion nicht abgestimmt ist. Statt auf die Killerphrase zu erwidern kommt das Verfahren (Diskussionszweck) hinterfragt und gegebenenfalls neu etabliert. So lassen sich Killerphrasen benutzen um daraus in ein meditatives Denken zu überführen.
Das Ganze
Lenkt man den Blick über die Verfahren hinaus, ist das Ganze die Summe der Elemente und Bedingungen, die einen Erkenntnisprozess ergeben. Mithin ist ein vollständiges Verfahren so vollständig, wie der Vorgang des Mediierens.
Anwendungsbeispiele
Das bekannteste, evaluierte Anwendungsbeispiel ist zugleich der Ursprung der Integrierten Mediation. Gemeint ist das sogenannte Altenkirchener Modell. Anwendungsmöglichkeiten ergeben sich etwa im Unternehmen bei der Bearbeitung von Mobbingfällen durch den Personalchef, bei der Beratung, im Alltag oder in allen Entscheidungsprozessen.
Bedeutung für die Mediation
Die Mediation entwickelt sich. Eine Parallelentwicklung ist beispielweise die auf dem Harvard-Konzept basierende, kooperative Praxis. Es gibt weitere Entwicklungen, wie zum Beispiel die Einzelmediation, die eine konsequente Systematik vermissen lassen. In vielen Fällen wird der Begriff Mediation synonym mit dem empathischen Zuhören verwendet. Es ist nicht erkennbar, ob und inwieweit sich in diesen Begrifflichkeiten tatsächlich eine Mediation in dem hier vorgestellten, komplexen Verständnis verwirklicht. Die Integrierte Mediation setzt auf eine jahrelange Erfahrung auf, die in dem Altenkirchener Modell ihren Ursprung gefunden hat. Sie hat sich stets im Schnittstellenbereich der Mediation bewegt und die Auseinandersetzung mit der Frage vorangetrieben, wo eine Mediation (methodisch) anfängt und wo sie aufhört. Wo sie formell oder materiell zu realisieren ist. Die intensive Auseinandersetzung mit der Wesenhaftigkeit der Mediation führte in die von Trossen entwickelte kognitive Mediationstheorie, die weniger auf Formalien, als darauf abstellt, wie sich die Mediationslogik verwirklichen lässt. Gerade wegen dieser Auseinandersetzung und dem damit verbundenen Tiefgang bei der Beurteilung der Mediation, ist die Integrierte Mediation ein Konstrukt, mit dem sich jeder Mediator auseinandersetzen sollte. Die integrierte Mediation ist eine Qualitätsmarke. Das Warenzeichen ist gesetzlich geschützt.
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Zitiervorgabe im ©-Hinweis.
Alias: integrierte-Mediation, Integrierte Mediation, kognitive Mediation
Siehe auch: Verband.integrierte_Mediation, Schulen, Das vollstandigste Verfahren, kognitive Mediationstheorie
Literaturempfehlung: Trossen (Mediation visionär) - 2021-04-14
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