Bei dem Gutachten ging es darum, Erkenntnisse in Bezug auf die Inanspruchnahme der Verbraucherschlichtungsstelle, die Fallzahlen, die Arbeitsweise, die Verfahrensdauer, die Erfolgsquoten, sowie auf Kosten und Entgelte zu sammeln und auszuwerten.
Die Begutachtung erfolgte anhand der Auswertung von 9.634 versandten Fragebögen, die von 1.188 Verbrauchern und 175 Unternehmern ausgefüllt wurden. Die Fragebögen waren jedoch nicht die einzige Datenquelle. Auch Interviews und die Erhebungen der Schlichtungsstelle wurden ausgewertet.
Die Gutachter fassen ihre wesentlichen Ergebnisse wie folgt zusammen:
1. Sowohl die 1.188 Verbraucherinnen und Verbraucher als auch die 175 Unternehmen, die sich an der Studie beteiligt haben, gaben mehrheitlich an, mit der Verbraucherschlichtung überwiegend zufrieden zu sein. Beide Gruppen hielten das Verfahren für einfacher, schneller und kostengünstiger als ein Gerichtsverfahren. Überdies sprachen sie der Verbraucherschlichtungsstelle eine hohe Serviceorientierung zu, schätzten deren neutrale Stellung und sprachen der Verbraucherschlichtungsstelle ihr Vertrauen aus. Knapp die Hälfte der Verbraucherinnen und Verbraucher gaben außerdem an, sie hätten ohne das Schlichtungsangebot keine weitere Konfliktlösung in Anspruch genommen.
2. Bei der Allgemeinen Verbraucherschlichtungsstelle ging seit der Aufnahme ihrer Arbeit die folgende Anzahl an Anträgen ein:
2016 (April bis Dezember): 825 Anträge
2017: 2.118 Anträge
2018: 2.125 Anträge
2019: 2.046 Anträge
2020 (bis November): 3.047 Anträge
Davon entfielen auf den Untersuchungszeitraum (1. August 2017 bis 1. Juli 2020) insgesamt 7.495 Anträge.
3. Auf die Frage, welchen Wert der vor der Schlichtungsstelle anhängige Konflikt hatte, antworteten lediglich 827 Personen. Von diesen waren 71 % an einem Konflikt mit einem Wert bis zu 500 EUR beteiligt. Davon hatten 53 % dieser Konflikte einen Werte unter 100 EUR.
4. In mehr als der Hälfte aller Fälle (66 %) beteiligten sich die Unternehmen von vornherein nicht an dem Verfahren. Häufig wurde hierfür die Gebührenpflicht zu Lasten der Unternehmer als wesentlicher Grund angeführt. Seit dem 1. Januar 2020 hat sich die Teilnahmebereitschaft der Unternehmen leicht, aber nicht wesentlich verbessert (aktive Teilnahme in 8 % statt in 5 % der Fälle).
5. In nur 1 % aller Fälle (hauptsächlich wegen mangelnder Unternehmerbeteiligung) kam es zu einer vollständigen Verfahrensdurchführung mit dem Ergebnis einer Einigung der Parteien.
6. Ein Fünftel aller Anträge aus dem Untersuchungszeitraum (01.08.2017 bis 31.07.2020) scheiterte an deren Zulässigkeit. Mehrheitlich handelt es sich dabei um bis zum 31. Dezember 2019 gestellte Anträge. Denn die Zulässigkeit scheiterte hauptsächlich an der vorrangigen Zuständigkeit einer branchenspezifischen Schlichtungsstelle. Mit der neuen Lotsenfunktion der Universalschlichtungsstelle ist diese Problematik seit dem 1. Januar 2020 behoben, da die Universalschlichtungsstelle des Bundes im Falle ihrer Unzuständigkeit unaufgefordert die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle benennt.
Die Gutachter stellen die Zufriedenheit sowohl von Verbrauchern und den Unternehmensseite heraus. Sie betonen, dass die Verbraucherschlichtung gerade bei niedrigen Streitwerten den Zugang zum Recht verbessern könne. Der Leser fragt sich, ob eine Schlichtung, also ein Vergleich, der keine Rechtsfindung und keine Rechtsprechung ist, mit einem Zugang zum Recht gleichgesetzt werden kann. Völlig verwirrend ist die Aussage, dass es in nur 1 % der Fälle und die auch noch hauptsächlich wegen mangelnder Unternehmerbeteiligung zu einer vollständigen Verfahrensdurchführung mit dem Ergebnis einer Einigung der Parteien kam. Es ist wohl nur für einen Juristen nachvollziehbar, dass es bei mangelnder Beteiligung einer Partei zu einer Einigung kommen kann. Die Zusammenfassung verleitet jedoch dazu, sich die Ergebnisse genauer anzuschauen. Dazu führen die Gutachter aus:
Was das materielle Ergebnis anbelangt, führt das Gutachten aus, dass 65 % der Verbraucher bereit sind, das Ergebnis zu akzeptieren. 11 % der Verbraucher sind unentschieden und 24 % der Verbraucher lehnen das Ergebnis ab. Jedoch sind nur 8 % der Unternehmer bereit, das Ergebnis zu akzeptieren. 69 % lehnen das Ergebnis ab. 23 % der Unternehmer sind sich nicht sicher. Nach einer gescheiterten Schlichtung wollen auf der Seite der Verbraucher 68 % ihre Beschwerde weiterverfolgen. 32 % ziehen keine weiteren Schritte in Betracht. 41 % denken an ein Gerichtsverfahren. 47 % an die Einschaltung eines Rechtsanwalts und außergerichtliche weitere Schritte wie eine Mediation. Auf der Unternehmerseite wollen 52 % die Beschwerde nicht weiterverfolgen. 23 % wollen ein Gerichtsverfahren anstrengen, 27 % denken daran, einen Rechtsanwalt einzuschalten und 9 % wollen eine außergerichtliche Konfliktlösung versuchen.
Für mich ist die entscheidende Aussage des Gutachtens, dass zahlreiche Konfliktlösungen bereits vor Antragstellung nur deshalb zustande kommen, weil der Verbraucher sich vor der Verfahrenseinleitung an den Unternehmer wenden muss und weil die Parteien nach Antragstellung in einen Dialog treten. Es geht also nicht um das Verfahren, sondern um den Dialog. Vielleicht konzentriert man sich darauf, wie der Dialog zwischen den Parteien (Menschen) gefördert werden kann?
Titelbild von Bild von bdcbethebestauf Pixabay.
Quellenangabe und eine Möglichkeit, das Gutachten einzusehen finden Sie unter {trackerautoritem trackerId="16" fieldId="103" fieldId2="622" itemId="11286"}