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Die Systematik der Mediation

Wissensmanagement » Diese Seite gehört zum Fachbuch Mediation in der Wiki-Abteilung Wissen. Sie befinden sich auf der Titelseite des 3. Buchabschnitts Systematik der Mediation, dem folgende Kapitel zugeordnet sind:

Fachbuch Mediation Verständnis Konzepte Modelle Formen Felder Stile

Worum es geht: Wir kommen zum nächsten Buchabschnitt und Themenkreis, der sich der Mediation oder genauer gesagt ihrer Systematik widmet. Die systematische Erfassung der Mediation ist wichtig. Jeder der sich näher mit ihr befasst wird merken, dass Mediation nicht gleich Mediation ist! Hinter dem Begriff Mediation verbirgt sich ein Kollektivsingular, was dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Mediationsdatenbank bereits 179 verschiedene Varianten und Mediationsbezeichnungen kennt. Besteht Konsens, dass es sich um eine Verstehensvermittlung handelt? Diese Charaktereigenschaft ergibt sich aus dem Verständnis der Mediation, das aus der Verfahrensabgrenzung im vorausgegangenen Buchabschnitt hergeleitet wurde. Beachten Sie aber bitte, dass die Verstehensermittlung kein Definitionsmerkmal ist. Darauf und auf die unterschiedlichen Herangehensweisen der Mediation soll im Folgenden eingegangen werden.

Einführung und Inhalt: Der Begriff Mediation wird inzwischen inflationär gebraucht.Nicht immer ist klar, was damit gemeint ist. Die zentrale Eingangsfrage lautet deshalb, was genau gemeint ist, wenn von der Mediation gesprochen wird und wann von einer Mediation gesprochen werden kann. Die Systematik mag dazu beitragen, das Konstrukt der Mediation und ihren Inbegriff besser zu verstehen.

Wann ist eine Mediation eine Mediation?

Genügt es, wenn jemand zu einer Verhandlung hinzugezogen wird, der sich Mediator nennt? Genügt es, wenn er bei der Verhandlung aktiv zuhört? Braucht es nicht mehr, damit aus der Verhandlung eine Mediation wird? Mitunter ist auch von einem konstruktiven Dialog ist die Rede. Wäre der von einem Moderator geführte konstruktive Dialog, bei dem er das Loopen anwendet dann auch eine Mediation? Wir wollen versuchen, der Frage auf den Grund zu gehen, um die Mediation gegen andere Verfahren und Vorgehensweisen abgrenzen und ihre Kompetenz herauszustellen.

Was meint der Begriff Mediation genau?

Die Frage ist trotz der Definition im Mediationsgesetz noch immer nicht eindeutig beantwortet. Der Zugang fällt leichter, wenn die Mediation als Kollektivsingular verstanden wird. Die Mediation hat viele Gesichter hinter denen sie ihre Kompetenz verbirgt. Die Vielfalt ist ihr Fluch und ihr Segen zugleich. Sie führt in eine Komplexität hinein, die einerseits eine umfassende Konfliktbearbeitung ermöglicht. Andererseits führt sie nicht nur beim Laien zur Verwirrung. Trotz ihrer hohen Bekanntheit gibt es fehlerhafte Vorstellungen von dem, was die Mediation ist und was sie zu leisten vermag.

Eine erste, auch für Laien gedachte Übersicht, finden Sie in dem Beitrag Mediation. Er wird mit dem nebenstehenden Bild bereits auf der Startseite herausgestellt, um die Einführung der Mediation zu erleichtern. Die Darstellungen zur Mediation1 belegen, wie schwierig es ist, die Mediation in einem sogenannten Elevator Pitch so zu beschreiben, so dass sie nicht mit beliebigen Konfliktbeilegungsverfahren verwechselt wird. Klicken Sie auf das nebenstehende Bild, um der Einführungstour durch die Mediation zu folgen.

Definitionsversuche

Die fachliche Auseinandersetzung mit der Mediation beginnt mit ihrer Definition oder genauer gesagt mit den Definitionsversuchen.
Die Mediation wurde in Deutschland im Jahre 2012 durch das Mediationsforderungsgesetz und in dessen Artikel eins durch das Mediationsgesetz geregelt. Die Einführung eines Gesetzes über die Mediation wurde als ein Meilenstein beschrieben, der mit der Einführung des BGB vergleichbar sei. Jenseits der Frage seiner Bedeutung enthält das Gesetz eine Legaldefinition in §1 Mediationsgesetz, die nahelegen will, worum es geht. Die Vorschrift besagt:

(1) Mediation ist ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem Parteien mithilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben.
(2) Ein Mediator ist eine unabhängige und neutrale Person ohne Entscheidungsbefugnis, die die Parteien durch die Mediation führt.

Als Vorlage dieser Legaldefinition sollte die Definition der EU-Richtlinie 2008-52 EG 21-5-2008 dienen. Sie finden das Zitat der Richtlinie und weitere Definitionsversuche in der Zusammenstellung der Definitionen. Die Auseinandersetzung mit der gesetzlichen Definition selbst finden Sie im Onlinekommentar zu §1 Mediationsgesetz. Die gesetzliche Definition ist ungenau. Sie verdeckt nicht nur wichtige Eigenschaftsmerkmale. Sie vermischt auch Eigenschaften mit Bedingungen.2 Konsequenzen sind die kaum mögliche Abgrenzung zur Schlichtung. Auch kann es zur Ablehnung einer Mediation wegen eines fehlenden Tatbestandsmerkmals kommen, das lediglich ein Prinzip herausstellt, obwohl alle Eigenschaften erfüllt sind. Die folgenden Beiträge bieten sich an, wenn sie das Thema vertiefen möchten:

Online-Kommentar zum Mediationsgesetz Zusammenstellung der Mediationsdefinitionen Die Eigenschaften der Mediation

Eine um die Prinzipien bereinigte Definition erlaubt es, den Prozess auch in einem psychologischen, philosophischen und sozialwissenschaftlichen Verständnis zu begreifen und von irreführenden Formalien zu befreien. In diesem Verständnis lautet die Definition der Mediation wie folgt:

 Merke:
Leitsatz 3273 - Die Mediation beschreibt eine Verfahrensweise, mit der die Parteien durch eine Verstehensvermittlung über alle relevanten Informationen verfügen, die es ihnen ermöglichen, eine am allseitigen Nutzen orientierte Lösung zu finden. Die Lösung lässt sich auf die gesamte Komplexität der zu klärenden Fragen ein und vergleicht die gefundene Lösung mit dem möglichen Ergebnis anderer Verfahren.

Verzeichnis-Mediation

Die notwendige Klassifizierung

Mediation ist nicht gleich Mediation! Diese Behauptung ist der Hinweis auf ihre Vielfalt. Immerhin erfasst die Mediationsverzeichnis bereits 179 verschiedene Varianten. Um zu erkennen, was (noch) eine Mediation ist (und was nicht mehr) und wie sich die Mediation von anderen Mediationen unterscheidet, ist eine Klassifizierung angebracht. Die nachfolgende Skizze soll das Ordnungsschema veranschaulichen. Sie erweitert die Verfahrenssystematik, die um die jetzt und hier zu erläuternde Mediationssystematik erweitert wird.
Mediationssystematik

Die Mediationssystematik

Die Grafik belegt, dass die Auflistung der Mediationen trotz einer Unterteilung und einer geringen Auswahl recht unübersichtlich ist. Das Mediationsverzeichnis enthält inzwischen 179 Einträge. Um eine Übersichtlichkeit zu erreichen und um die unterschiedlichen Erscheinungsformen qualifizieren zu können, bedarf es einer Ordnung. Damit die unterschiedlichen Erscheinungsformen der Mediation in diese Ordnung einsortiert werden können, bedarf es der Einführung von Klassen. Die Klassen stellen Kategorien dar, die eine systematische Einordnung der Mediationen ermöglichen. Die Systematik legt eine Unterscheidung zwischen den folgenden Klassen nahe:

  1. Mediationskonzepte
  2. Mediationsmodelle
  3. Mediationsformen
  4. Mediationsfelder und
  5. Mediationsstilen.

Die Einordnung hat sich bewährt. Sie erlaubt es alle Varianten zu erfassen und zu qualifizieren. Die hier vorgeschlagene Klassifizierung ergibt eine Struktur, mit der Abhängigkeiten aufgedeckt werden. Alle Klassen stehen in einer Beziehung zueinander, sodass die übergeordnete Klasse stets die nachgeordnete Klasse determiniert. Der in dieser Systematik nicht explizit erwähnte Ausgangspunkt bildet das Mediationsverständnis. Es ist ausschlaggebenddafür, was unter dem Begriff Mediation zu verstehen ist.

Beispiel 15370 - Können wir beispielsweise schon von einer Mediation sprechen, wenn (lediglich) Techniken wie etwa das Paraphrasieren außerhalb des förmlichen Verfahrens der Mediation angewendet werden? Ist die Mediation ein Unterfall der Streitschlichtung? Liegt eine Mediation auch dann vor, wenn ein Mediator in einem expliziten Mediationsverfahren lediglich paraphrasiert?


Um eine Antwort auf alle Fragen zu finden, die in dem Beispiel aufgeworfen wurden, kommt es darauf an was unter der Mediation verstanden wird.

Das Mediationsverständnis

Jenseits der Definition beschreibt das Mediationsverständnis, wie der Begriff konnotiert wird. Im Gegensatz zur Definition stellt das Verständnis ihre Bedeutung und nicht lediglich ihre Eigenschaften heraus. Ihre Bedeutung erschließt sich aus der Zielsetzung und der mediationstypischen Herangehensweise. Verschiedene Sichten sind nicht nur möglich. Sie begegnen uns auch in der realen Welt der Mediation.


Das Mediationsverständnis

Das was unter der Mediation zu verstehen ist, bildet die Grundlage für alle darauf bezogenen Klassen. Die nebenstehende Skizze verdeutlicht die systematische Ordnung. Sie deckt die Abhängigkeiten der jeweiligen Klassen auf, sodass sichergestellt wird, dass sich das Modell, das Format, das Anwendungsfeld und der Stil in einer Weise ausprägen, die stets auf das Mediationsverständnis zurückgeführt werden kann.

Das Mediationsverständnis belegt die Andersartigkeit der Mediation. Schon bei der Zielsetzung unterscheidet sie sich. Ihr Ziel besteht nicht darin, eine Entscheidung über einen streitigen Sachverhalt oder streitige Rechtsfragen herbeizuführen. Das ist lediglich ein mögliches Ergebnis. Ihr Ziel ist es auch nicht, die Parteien durch Bewertungsvorgaben zu einer irgenwie gearteten Einigung zu bringen. Bei der Mediation geht es vielmehr darum, die Parteien zu unterstützen, selbst eine Lösung zu finden, für die sowohl die zu klärenden Fragen wie auch die darauf bezogenen Lösungskriterien mit den Parteien zusammen erarbeitet werden. Ihr Ziel ist es also, den Parteien zu helfen, eine zufriedenstellende Lösung zu FINDEN!!!

 Merke:
Leitsatz 3887 - Das Ziel der Mediation ist, eine Lösung zu FINDEN. Mithin steht die SUCHE im Vordergrund, bei der die Parteien die zum Finden führenden Themen und die an der Bedeutung der unterschiedlichen Sichten und der Nützlichkeit zu orientierenden Lösungskriterien selbst erarbeiten.

Bereits die Gegenüberstellung in der Verfahrenssystematik hat ergeben, dass die Mediation ein Verfahren der Streitvermittlung ist. Sie muss sich von der Schlichtung und gegebenenfalls auch von der Konfliktmoderation und der empatischen Verhandlung abgrenzen. Die auf den Verfahrenscharakter abstellenden Verfahrenskriterien helfen bei der Unterscheidung der Verfahren. Sie ergeben den Inbegriff des jeweiligen Verfahrens und stellen das Wesen der Mediation als ein Verfahren der Verstehensvermittlung heraus. Das Wesen der Mediation ist die Ausprägung des Mediationsverständnisses, das den Charakter der Mediation anschaulich beschreibt. Die nebenstehende Grafik soll den Unterschied zu anderen Verfahren auf einen Blick verdeutlichen. Sehen Sie den Mediator? Klicken Sie auf das Bild, um die Antwort zu finden.

Das Wesen der Mediation

Mediationskonzept

Das Mediationsverständnis erlaubt verschiedene Ausprägungen. Um die verschiedenen Erscheinungsformen der Mediation erfassen und einordnen zu können, werden die jeweiligen Ausprägungen auf dahinter liegende Konzepte zurückgeführt. Die Konzepte ergeben sich aus der jeweils zugrunde liegenden, wissenschaftlichen Herleitung. Die wissenschaftliche Herleitung beschreibt (im Idealfall) die notwendigen Elemente der Mediation und deren funktionales Zusammenspiel. Sie nimmt Einfluss auf die Systemik, die Methodik, die Konsistenz des Vorgehens, seine Steuerungsfähigkeit und den Anwendungsradius. Abhängig von der konzeptuellen Grundlage fühlt sich die Mediation nicht nur anders an, sie erlaubt auch eine unterschiedliche Herangehensweise.

Ein umfassendes Konzept ergibt sich aus der kognitiven Mediationstheorie, die in der Mediation ein kognitionsbasiertes Verfahren sieht. Den Gegensatz - oder genauer gesagt: die Untermenge - bildet die Herleitung aus dem Harvard-Konzept. Die Fragen zur wissenschaftlichen Herleitung werden in der Abteilung Akademie behandelt, wo die zugrundeliegenden, wissenschaftlichen Theorien im Einzelnen vorgestellt und diskutiert werden. In dem Kapitel Mediationskonzepte werden die unterschiedlichen Konzepte vorgestellt und auf ihre Verwendbarkeit bezogen. Die sich daraus ergebenden Weichenstellungen und die Auswirkungen auf das Mediationsverständnis werden mit dem Mediationsradius beschrieben.

Mediationskonzepte Mediationsradius

Mediationsmodelle

In dem durch die Konzepte näher definierten Mediationsradius gibt es verschiedene Arten, wie sich die Mediation verwirklichen lässt. Die unterschiedlichen Mediationsweisen werden als Modelle unterschieden. Andere Bezeichnungen sind Projekte oder Stile. Oft werden auch die Fachmediationen als Arten der Mediation bezeichnet. Der Begriff "Mediationsart" ist also in einer gewissen Weise verbraucht, ohne dass die unterschiedlichen Herangehensweisen in der Mediation dadurch erkennbar werden.

Zur besseren Abgrenzung und zur terminologischen Eindeutigkeit wird hier der Begriff Mediationsmodelle synonym zu den Arten, Projekten und Stilen verwendet. Mediationsmodelle erlauben es, die Mediation losgelöst von den Fachmediationen (Anwendungsfeldern) zu kategorisieren. Gleichzeitig wird deutlich, dass in allen Fächern konstante Herangehensweisen möglich sind, die sich in Modellen (Arten und Weisen der Mediation) wiederfinden lassen.

Die Festschreibung der unterschiedlichen Herangehensweisen in der Mediation ist ein professionelles Anliegen, über das der Mediator die Bearbeitungstiefe mit den Parteien abstimmt. Es gibt verschiedene Bemühungen, hierfür verlässliche Kriterien festzulegen und Kategorien herauszubilden. Überzeugend und international anerkannt sind die Kategorien, die sich an dem Kontinuum der Streitbeilegung orientieren. Das Streitkontinuum legt die Arbeitsschwerpunkte der Sach-, der Emotions-, der Positions- und der Interessenebenen nahe, die in einer zeitlichen Mehrdimensionalität verlaufen. Weil die Mediation auch darauf bezogen unterschiedliche Bearbeitungsschwerpunkte setzen kann, werden in der hier verwendeten Systematik folgende Mediationsmodelle unterschieden: sondierende Mediation, evaluative Mediation, facilitative Mediation, transformative Mediation und integrierte Mediation

Mediationsmodelle Bearbeitungstiefe

Mediationsformen

Die unterschiedlichen Erscheinungsformen werden oft durch Mediationsbezeichnungen kenntlich gemacht. Sie begegnen beispielsweise einer Shuttle-Mediation, einer Co-Mediation, einer Online-Mediation. In diesen Fällen wird der Mediationsbegriff verwendet, um die äußere Erscheinungsform, also das Format der Mediation herauszustellen. Die Begrifflichkeit sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei fast allen Mediationsformen um eine so genannte reine Mediation handelt.

Mediationsformen Verzeichnis der Mediationen 

Mediationsfelder

Die Anwendungsfelder der Mediation ergeben die Fachmediationen. Beispiele sind die Familienmediation oder die Wirtschaftsmediation. Mit den Fachmediationen soll eine Spezialisierung angedeutet werden. Wer nicht genau hinschaut, übersieht, dass sich dahinter oft keine Kompetenzerweiterung, sondern manchmal soger eine Kompetenzreduktion verbirgt. Ein Mediator mag sich spezialisieren. Er muss dennoch mit allen Konflikten umgehen können, denn die Konflikte ignorieren die Branchenbegrenzungen.


Deshalb erlaubt eine Unterscheidung nach Mediationsfeldern eine päzisere Systematik. Zwar sind Mediationsfelder grundsätzlich mit einigen Fachmediationen oder den vermeintlichen Mediationsarten identisch. Auch würdigt der Begriff, dass die Mediationen in den unterschiedlichen Anwendungsbereichen vorkommen kann, die durchaus ein spezielles Hintergrundwissen erfordern. Deutlich wird aber auch, dass die Mediationskonzepte und die Mediationsmodelle in allen Anwendungsfeldern gleichförmig vorkommen. Schließlich sind Kombinationen möglich, was besonders in Fällen eine Rolle spielt, die beispielsweise nicht ausschließlich eine so genannte Familienmediation oder eine Wirtschaftsmediation darstellen.3 Anwendungsfelder sind zum Beispiel:

  1. Mediation in einer Familienangelegenheit (statt Familienmediation)
  2. Mediation in einer wirtschaftlichen Angelegenheit (statt Wirtschaftsmediation)
  3. Mediation in einer Nachlassangelegenheit (statt Erbschafts- oder Rechtsnachfolgemediation)
  4. Mediation in einer Familienangelegenheit und einer wirtschaftlichen Angelegenheit

Alles über die Fachmediationen 

Mediationsstile

Jede Mediation unterliegt auch den persönlichen Fähigkeiten, Merkmalen und Herangehensweisen des Mediators oder der Mediatorin. Um diese ganz individuellen Mewrkmale von den objektiven Kriterien zu trennen, bildet der Mediationsstil das letzte Unterscheidungsmerkmal zur Klassifizierung der Mediation heraus. Es beschreibt den Einfluss des persönlichen Stils.

Für Laien und manchmal auch für den Profi ist die Abgrenzung des Stils von der Methodik oder gar dem Mediationsverständnis nicht immer eindeutig. Es gibt eine Wechselwirkung über die sich jeder Mediator bewusst sein sollte. Sieht er sich als jemand, der die Parteien durch das Verfahren führt (so wie es das Gesetz definiert)4 wird er sich anders verhalten als jemand, der mit den Parteien zusammen das Verfahren durchführt (so wie es die EU-Direktive definiert).5 Einige mögliche Stilrichtungen werden in dem Beitrag Mediationsstile zusammengestellt. Ideal ist stets der Stil, der sich den Bedürfnissen und Anforderungen der Parteien anpassen kann.

Mediationsstile

Die Welt der Mediation

Die Mediation ist mehr als nur ein Verfahren (im juristischen Verständnis)! Sie geht weit darüber hinaus. Je nach dem zugrunde liegenden Mediationskonzept beschränkt sich der Mediationsradius, also die Bandbreite der Anwendungsmöglichkeiten, nicht auf die gesetzliche Mediation, also die Mediation i.S.d. §1 Mediationsgesetz. Mit dem Blick auf die Methodik, die den Vorgang der Mediation in den Mittelpunkt stellt und unter Zugrundelegung der Containertheorie sind folgende Anwendungsmöglichkeiten zu unterscheiden:

Mediation als Container (Verfahren)

andere Container (Verfahren)

formelle Mediation iSd Gesetzes
Formelle Mediation (auch reine Mediation genannt) ist das isoliert durchgeführte Verfahren im juristischen Verständnis, worauf das Mediationsgesetz anwendbar ist.

formelle Mediation i.ü.
Die formelle Mediation im Übrigen ist auch ein Fall der reinen Mediation. Sie beschreibt das isoliert durchgeführte Verfahren im juristischen Verständnis, auf das das Mediationsgesetz allerdings NICHT anzuwenden ist (zB Schulmediation, nicht professionelle Mediation). In diese Kategorie fällt das Güterichterverfahren, wenn es methodenrein geführt wird.

materielle Mediation
Materielle Mediation (auch substanzielle Mediation genannt, ist die methodisch verwirklichte, aber nicht isoliert durchgeführte Mediation.6 Sie ist von der bloßen Anwendung von Techniken der Mediation zu unterscheiden und auf die kognitive Mediationstheorie zurückzuführen. Sie erweitert den Mediationsradius, indem die Mediation methodisch in unterschiedlichen Containern realisiert wird.

Der Mediationsradius 

Die Mediation ist auch nicht das einzige Verfahren und erst recht nicht die einzige Möglichkeit der Konfliktbeilegung. Sie werden sich ihrer Komplexität bewusst, wenn Sie die Mediation als eine Welt begreifen, die mit anderen Welten korrespondiert. Der Gedanke eines Streituniversums kommt dieser Sichtweise entgegen. Im Gegensatz zu anderen Verfahren kann die Mediation alle Dimensionen des Streitkontinuums abdecken. Schon deshalb ist es wichtig, ein Bewusstsein für die Mediation zu bilden und die Mediation gegen andere Verfahren der Streit- oder Konfliktbeilegung abzugrenzen. Sie finden eine Übersicht über die korrekte Verortung der Mediationen innerhalb der Welt der Konfliktbeilegung in dem Beitrag über die systematische Verfahrenszusammenstellung. Eine Zusammenstellung aller bekannten Mediationen ergibt das Mediationenverzeichnis.

Systematische Verfahrenszusammenstellung Mediationenverzeichnis 

Die Bausteine der Mediation

Die Mediation ist ein komplexes Gebilde. Sie lässt sich weder monokausal erklären, noch beschreibt sie einen linear kausalen Zusammenhang. Deshalb ist es wichtig, zu wissen, aus welchen Komponenten sich die Mediation zusammensetzt. Oft werden die Elemente der Mediation wie in der Ausbildungsverordnung gelistet und nach Gruppen unterteilt. Mitunter werden die Elemente wie in einem Periodensytem angeordnet.7 Ein professionelles Verständnis der Mediation stellt sich allerdings erst her, wenn nicht nur ihre Elemente, sondern auch ihre Kybernetik verstanden wird.8 Die in der Systemtheorie aufgegriffene Kybernetik beschreibt das Zusammenspiel der Elemente, ihre Zuordnung zu Systemen und wie alles miteinander interagiert und aufeinander Einfluss nimmt. Für die Mediation lassen sich die Elemente und das Zusammenspiel der Kräfte aus dem Kognitionsprozess herleiten. Die folgenden Bausteine fügen den Prozess zusammen:

Werkzeuge der 1. Ordnung

Wesen

  1. Mediation ist anders!
  2. Das Wesen ergibt die Eigenschaften
  3. Die Mediation ist ein Kognitionsprozess, der es den Parteien ermöglicht, selbst die Lösung zu finden.
  4. Es geht um die Suche, bei der die Nutzenerwartung im Vordergrund steht.
  5. Alle Aspekte der Komplexität werden in die Lösungsfindung einbezogen.
  6. Ihre Grundlage ist keine Lösungs-, sondern eine Vermittlung.
  7. Die Mediation ist ein Meta-Prozess. Der Mediator personifiziert die Metaebene.
  8. Systemisch betrachtet steht der Mediator außerhalb des Streitsystems
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Werkzeuge der 2. Ordnung

Haltung

  1. Die Haltung beschreibt die sich aus den Anforderungen der Mediation ergebende geistige Einstellung
  2. Der Mediator muß zur Mediation passende Haltungsmerkmale vorweisen.
  3. Die Vermittlung erfordert eine stabile Metaebene, die der Mediator repräsentieren muss.
  4. Die Metaebene ist neutral und wertfrei.
  5. Die Autonomie der Parteien erwartet Verantwortlichkeit.
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Struktur

  1. Die Struktur ergibt sich aus der Systemik
  2. Der Ablauf ergibt sich aus der Phasenlogik.
  3. Die Phasen geben dem Mediator und den Parteien den Auftrag, was zu tun ist.
  4. Die Mediation strukturiert nicht nur das Verfahren, sondern auch das Denken.
  5. Im Konfliktgeschehen bildet die Mediation eine strategische Exklave.
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Prinzipien

  1. Die Prinzipien sind die Bedingung für eine korrekte Mediation.
  2. Die wichtigsten parteiseitigen Prinzipien sind: Freiwilligkeit, Eigenverantwortlichkeit, Offenheit, Informiertheit, Vertraulichkeit
  3. Die wichtigsten mediatorseitigen Prinzipien sind: Neutralität, Indetermination.
  4. Die Prinzipien sind von den Eigenschaften zu unterscheiden.
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Werkzeuge der 3. Ordnung

Methodik

  1. Die Methodik ist vom Verfahren zu unterscheiden
  2. Das Verfahren ist der Container in dem die Methodik zur Anwendung kommt
  3. Die Methodik beschreibt die Ausrichtung der Techniken
  4. Die Mediation verwendet mehrere Methoden, mit denen sich die Etappenziele verwirklichen
  5. Methodenverzeichnis
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Techniken

  1. Die Techniken sind die Werkzeuge des Mediators
  2. Sie sind Tools zur Verwirklichung der Methodik.
  3. Verzeichnis der Techniken
  4. Ratgeber und Verzeichnis der Interventionen
  5. Regeln der Kunst und Fehlerverzeichnis
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Werkzeuge der 4. Ordnung

Setting

  1. Das Setting beschreibt die Arbeitsbedingungen
  2. Das Setting folgt den Rahmenbedingungen
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Die Architektur der Mediation

Die wirklich spannende Frage lautet, wie die verschiedenen Bausteine zusammenzusetzen sind, sodass daraus ein valides Mediationssytem entstehen kann. Die Ausführungen zu den Mediationskonzepten bedlegen, dass es dafür einen Masterplan geben muss. Bisher liefert die kognitive Mediationstheorie den einzigen Ansatz, der den dazu führenden Plan wissenschaftlich beschreibt. Wie bei einem Hausbau beschreibt der Masterplan das herzustellende Konstrukt und erläutert, wie die Bausteine wo einzusetzen sind, damit daraus eine Mediation entstehen kann. Wie bei einem Hausbau verbirgt sich hinter dem Plan eine Logik. Das Fundament kommt sinnvoller Weise nach unten, das Dach nach oben. Oft erklären die Bausteine selbst, wo sie hingehören. Ein Fenstersturz gehört auf die Fensterwände. Eine Regenrinne gehört an den Ortgang usw.


Die Mediation kann durchaus mit dem Bau eines Hauses verglichen werden. Nur, dass es sich hier um ein Gedankenhaus handelt. Auch das Haus der Gedanken besteht aus unterschiedlichen (Bau-)Elementen, die so zusammenzufügen sind, dass am Ende daraus eine Mediation konstruiert werden kann. Eine besondere Herausforderung besteht darin, dass gegnerische Parteien das gleiche Haus bauen sollen, sodass unterschiedliche Baupläne zusammenzuführen sind. Die kognitive Mediationstheorie hat sich mit dieser Frage auseinandergesetzt. Sie erlaubt es nicht nur, das Konstrukt der Mediation genau zu beschreiben. Sie liefert auch einen Montageplan, damit die Bausteine korrekt zu einem gemeinsam zu errichtenden (Gedanken-)Haus zusammengefügt werden können.

Der Montageplan für die Mediation 

Das Überschneidungsphänomen

Die Mediation ist ein vielseitiges Verfahren, das viele Elemente anderer Dienstleistungen einbezieht. Möglicherweise ist das der Grund, warum die Mediation bei Wikipedia sogar unter den Beratungen aufgelistet wird.9 Zwar enthält die Mediation auch beratende Elemente. Sie ist aber viel zu weit von der Beratung entfernt, um sie als eine Beratung zu bezeichnen. Eine ähnliche Nähe gibt es zum Coaching. Auch die Elemente des Coachings kommen durchaus in der Mediation vor, wenn es z.B. darum geht, eine Partei zur Verhandlung auf gleicher Augenhöhe vorzubereiten. Die transformative Mediation schließlich bewegt sich nahe an der Therapie. Die lösungsorientierte Kurztherapie gleicht im Aufbau der Mediation, ganz abgesehen davon, dass viele Techniken der Mediation aus der Therapie stammen. Wegen der in verschiedenen Verfahren gleich oder ähnlich vorkommenden Methoden, kann es schnell zu Verwechselungen kommen. Erst eine genaue Abgrenzung der Mediation mit anderen Verfahren trägt zur eindeutigen Bestimmung bei, was genau die Mediation ist.

Abgrenzungen zu verwandten Verfahren

Bedeutung für die Mediation

Die eingangs gestellte Frage, wann eine Mediation eine Mediation ist, beantwortet sich nach dem hier vertretenen Mediationsverständnis relativ einfach. Eine Verhandlung wird zu einer Mediation, wenn sie die Mediationslogik verwirklicht. Damit dies gelingt, müssen verschiedene Komponenten zusammenkommen. Ganz wichtig ist, dass sowohl der Mediator bzw. die Mediatorin, ebenso wie die Parteien, als auch die Politik sich über die Komplexität der Mediation bewusst sind. Mit ihr einher geht die Mediationskompetenz, die, soweit überhaupt möglich, auch darauf abzielt, die Fälle in ihrer gesamten Komplexität bearbeiten zu können.

 Merke:
Leitsatz 3274 - Nur wenn die Komplexität (des Falles) gesehen und verstanden wird, lässt sich der Konflikt vollständig beilegen. Nur wenn die Komplexität (der Mediation) gesehen und verstanden wird, lässt sie sich vollständig zur Entfaltung bringen.

Die hier vorgestellte Klassifizierung geht auf die Vielfalt und die Uneindeutigkeit der Mediation ein. Sie bietet eine Top-down-Struktur an, die nicht nur in der Lage ist, alle Erscheinungsformen der Mediation systemkatisch zuzurdnen. Ihre Logik stellt auch sicher, dass sich alle Zuordnungen auf ein einheitliches Mediationsverständnis ausrichten lassen. Beachten Sie auch bitte, dass die Mediationssystematik mit der Verfahrenssystematik und der Werkzeugsystematik kompatibel ist.

Hinweise und Fußnoten
Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen.
Bearbeitungsstand: 2024-03-28 19:51 / Version 396.

Alias: Mediationssystematik, Mediationssystematik, Klassifizierungen, Klassifizierung
Siehe auch: Themenportale, Systematik, Studienanleitung, Mediation-Bausteine
Literaturempfehlung: Trossen (un-geregelt)
Geprüft:

1 Siehe z.b. die Kurzvideos unter Darstellungen
2 Siehe dazu Trossen (un-geregelt) - 2019-05-13
3 Siehe z.B. den Autohausfall, der eine Erbschaftsproblematik, eine Familienangelegenheit und eine wirtschaftliche Angelegeneit zugleich umfasst. Familienbetriebsübergabefall
8 Siehe die Ausführungen dazu in der Studienanleitung
9 Siehe auch: „Beratung“, Wikipedia, 4. Juli 2018, https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Beratung.


Based on work by Arthur Trossen und anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Freitag März 29, 2024 00:44:52 CET.

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