3. Station: Die Verstehensvermittlung
Wissensmanagement » Sie befinden sich auf einer Themenseite der Konfliktbeilegungstour in der Abteilung Praxis.
Es geht um die optimale Konfliktbeilegung und eine einfühlsame Darlegung der Herausforderungen.
In dieser Station der Reise geht es um die Suche nach der besten Lösungund dem Verfahren, das die beste Lösung möglich macht. Die Suche soll sich am Nutzen orientieren. Die optimalste Voraussetzung dafür ist ein umfassendes Verstehen. Wenn beide Seiten dasselbe verstehen sollen, bedarf es einer Verstehensvermittlung. Die dazu führenden Schritte und Überlegungen sind:
Die Partei mag sich fragen:
Sie wundert sich, dass die Gegenseite das nicht einsehen mag. Alle Versuche, den Gegner von den eigenen Standpunkten und der sich daraus ergebenden Lösung zu überzeugen, sind gescheitert. Von außen betrachtet wird deutlich, dass sich die Parteien einfach nicht verstehen. Irgendetwas hindert sie daran.
Wenn Argumente nicht genügen, ist Druck das Naheliegende, um eine Lösung durchzusetzen. Wie sagte Erlkönig in Goethes Ballade?
Gewalt schafft weder ein Einsehen noch eine Einwilligung. Ihr Ziel ist die Vernichtung oder die Unterwerfung des Gegners. Ob sie auf kurze Sicht leistbar und auf lange Sicht nützlich ist, sollte hinterfragt werden. Es gibt einen anderen Weg. Einsehen kann vermittelt werden. Leider halten viele Menschen diesen Weg nicht für realistisch. Die Mediation macht ihn möglich.
Was vermittelt der Mediator?
Die Parteien müssen wissen, was der Gegenstand des Verfahrens ist
Bei der Mediation geht es um die zur Lösung führende Vermittlung im Streit. Bei einer gerichtlichen Klage richtet sich der zu klärende Verfahrensgegenstand nach dem Klageantrag. Die Parteien müssen wissen, was sie vom Gegner verlangen. In der Mediation wird kein Klageantrag vorausgesetzt. Die Parteien können durchaus mit offenen Fragen eine Mediation beginnen. In der Mediation werden die zu klärenden Fragen in einer Themensammlung erarbeitet. Die Themen können über den Verhandlungsgegenstand eines Gerichtsverfahrens hinausghehen.
Welche Themen kommen in Betracht?
Logisch betrachtet verliert der Streit seinen Anlass, sobald das Problem gelöst ist.
Psychologisch betrachtet führt die Problemlösung aber nur dann zu einer Befriedung, wenn die Parteien verstanden haben, dass die Lösung die eigentliche Problemursache beseitigt und wenn sich mit der Lösung das Motiv zum Streiten1
ebenfalls erledigt hat.
Die Überlegungen zeigen, dass es außer der Sachfrage (Umgang ja oder nein) noch andere Aspekte gibt, die es zu beachten gilt. Der nachhaltige Erfolg einer Regelung ist nur dann anzunehmen, wenn die Regelung zumindest eingesehen wird, wenn sie schon nicht gewollt ist. Aber selbst dann dürfte sich noch ein Widerstand bilden, der sich im vorliegenden Fall auf die weiteren Interaktionen der Eltern auswirken wird.
Wie lässt sich diese Einsicht den Parteien vermitteln?
Anders als die Schlichtung, geht die Mediation davon aus, dass sich die Lösung nicht top down durch Überzeugung, sondern bottom up aus dem Verstehen heraus entwickelt. Eine so gefundene Lösung impliziert nicht nur die Einsicht zur Problemlösung, sondern auch ihre Passgenauigkeit.
Verstehen
Die Parteien müssen verstehen, wann Verstehen zu vermitteln ist
Das Verstehen definiert sowohl die Basis wie den Radius, in dem eine Lösung zu finden ist. Der Grundsatz, je mehr ich verstehe, um umso mehr kann ich lösen, führt zu der einfachen Formel:
Natürlich versteht die Partei in ihrer Selbstwahrnehmung alles.
Aber was ist mit dem Gegner? Wenn beide Parteien die Lösung gleichförmig verstehen sollen, müssen sie den gleichen Verstehensumfang haben. Das klingt leichter als es ist. Der Konflikt erschwert, was dem Menschen außerhalb eines Konfliktes ohne weiteres möglich ist. Konfliktbedingte Verstehensdefizite ergeben sich aus einem emotional geprägten Denken, aus der einseitig geprägten Wahrnehmungsperspektive und der unterschätzten Komplexität des Falles2
. Würden die Parteien einander verstehen, gäbe es keine endlosen Streitereien. Wir werden uns noch intensiv mit der Frage auseinandersetzen, was Verstehen im Konflikt bedeutet, was es ermöglicht und was es verhindert.
Was ist Mediation?
Die Parteien müssen erkennen, dass die Mediation für ihren Fall geeignet ist
An dieser Stelle mag die Feststellung genügen, dass die Mediation nur solche Lösungen akzeptiert, die auf einem wechselseitigen Verstehen begründet sind.
Bilder helfen, die Mediation zu verstehen
Definition
Auch wenn das Mediationsgesetz definiert, was Mediation ist, verbleiben Fragen3 . Jedenfalls geht das Potenzial der Mediation weit über das hinaus, was im Gesetz geregelt ist4 . Wird die Mediation aus dem formellen Verfahrensverständnis herausgenommen, dann ergibt sich die folgende Definition:
Mediation: Es gibt immer eine Lösung
Anwendungsfälle
Die Mediation ist zu empfehlen in Fällen,
- wo eine Lösung nicht durchsetzbar ist (sondern zu suchen ist)
- wo scheinbar unlösbare Widersprüche (Dilemmata) aufzulösen sind
- wo es auf Akzeptanz des Gegners oder gar dessen Mithilfe ankommt
- bei denen es auf mehr ankommt, als der gesetzliche Tatbestand beschreibt.
- wo Nachhaltigkeit und weitere Zusammenarbeit oder Fortsetzung der Beziehung eine Rolle spielen
- wo Eskalation zu vermeiden ist
Fallbeispiele helfen, die Mediation zu verstehen
Verfahren
Warum braucht die Verstehensvermittlung ein Verfahren?
Vielleicht erschließt sich diese Frage besser, wenn Sie an einen Vorgang denken. Die Mediation iSd Mediationsgesetzes ist zwar ein juristisch definiertes Verfahren. Sie lässt sich aber auch außerhalb dieses Rahmens in einem größeren Radius abbilden5
.
Verfahrenszweck
Die Parteien müssen das Ergebnis am Nutzen ausrichten
Die einfache Formel lautet:
Bei der Mediation geht es darum, eine Lösung zu finden. Es geht nicht darum, Recht zu haben oder zu bekommen. Das wäre ein Nebeneffekt. Im Vordergrund steht der Gedanke, das Beste aus einer Situation zu machen und soweit möglich, eine konfliktfreie Zukunft herzustellen. Die von den Parteien gefundene Lösung wird bei Bedarf der möglichen Lösung anderer Verfahren (etwa eines Gerichtsverfahrens) gegenübergestellt,6 sodass die Parteien stets Alternativen haben unter denen Sie wählen können.7 Wie sich der Nutzen gestaltet, ergibt die nächste Station unserer Tour.
Verfahrensmanagement
Die Mediation ist ein komplexer Vorgang. Wer ihn ausschöpfen will, braucht ein umfassendes Know-How, damit der Prozess seinen Zweck erfüllen kann. Theoretisch kann eine Partei (ein Betroffener) diesen Prozess auch selbst steuern. Meist verhindern die Betroffenheitund der Konflikt jedoch die alles umfassende Sicht der Metaebene, die in der Lage ist, die Betroffenheit beider (aller) Parteien im Blick zu haben. Spätestens dann ist die Einschaltung einer neutralen, dritten Person (Richter, Schlichter, Mediator) notwendig. Wann eine dritte Person einzuschalten ist bemerken Sie spätestens dann, wenn weder Ihre Bemühungen, noch die Ihres Beraters oder Vertreters dazu führen, die erforderliche Einsicht, Zustimmung oder gar Mitwirkung (Handlung) des Gegners herbeizuführen und wenn sie in eine Eskalation statt in eine Deeskalation führen.
Was tun wenn ...?
- ... eine Schlichtung als Mediation bezeichnet wird
- ... ein Wesensmerkmal der Mediation verletzt wird
- ... die Parteien glauben, dass ihr Problem im Gericht besser aufgehoben sei
- ... ein Gerichtsverfahren bereits anhängig ist
Verfahrensstand
Im Babysitterfall haben die Parteien erkannt, dass die Wahl des Verfahrens ausschlaggebend für die Qualität der Lösung ist. Die Mediation ist für sie eine ernst zu nehmende Option, weil sie davon ausgehen, dass eine Lösung, die allen gerecht wird und auf wechselseitigem Verstehen beruht, die größte Nachhaltigkeit verspricht.
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Eine Liste der Fragen und Entscheidungen entlang der Konfliktbeilegung finden Sie in der Zusammenfassung
Quellenangaben: Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen
Alias: Vermittlung, B03-Vermittlung-Mediation
Siehe auch: Hilfestellungen, Problemlöser, Mediation
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