2. Station: Die Weichenstellung
Wissensmanagement » Sie befinden sich auf einer Themenseite der Konfliktbeilegungstour in der Abteilung Praxis.
Hier geht es um die optimale Konfliktbeilegung und eine einfühlsame Darlegung der Herausforderungen.
Wir befinden uns auf der zweiten Station unserer Tour durch die Mediation. Wir haben bereits eine Idee worauf es uns ankommt und suchen nach dem passenden Weg, um unser Ziel zu verwirklichen. Es geht darum, die Kriterien herausarbeiten, damit wir den richtigen Kurs vorgeben können. Lesen Sie dazu bitte folgende Kapitel:
Viele Wege führen zum Ziel. Spätestens wenn professionelle Hilfe in Anspruch genommen wird, werden die Möglichkeiten der Konfliktbeilegung in Verfahren1 übersetzt. Die Verfahren-Mediation bündeln Methoden der Konfliktbeilegung, wenn sie nicht selbst die Methode sind2 . Um die richtigen Weichen auf dem Kurs der Konfliktbeilegung zu stellen, kommt es für die Parteien entscheidend darauf an, das passende Verfahren zu auswählen. Das Verfahren ergibt den Dienstleister. Es ist gar nicht so einfach, das passende Verfahren zu finden, denn es gibt eine große Auswahl.
Die folgenden Überlegungen helfen, den richtigen Weg zu finden und das dazu passende Verfahren auszuwählen.
Die Konfliktmanager
Die Parteien müssen sich darüber bewusst sein, dass sie selbst die Konfliktmanager sind
Auch wenn die Parteien die Konfliktbearbeitung gern aus der Hand geben, bleiben sie die Manager ihres Konfliktes. Ganz unbewusst treffen sie die erste Entscheidung in die Konfliktlösung, wenn sie sich an Berater wenden. Sehen Sie die Konfliktursache bei sich selbst, werden sie dazu neigen einen Therapeuten oder einen Coach aufzusuchen. Sehen Sie die Konfliktursache beim Gegner, wenn sie dazu neigen einen Rechtsanwalt aufzusuchen. Der Weg in die Konfliktlösung ist in diesem Moment vorgegeben.
Um also die richtige Entscheidung treffen zu können, müssen die Parteien ein Bewusstsein darüber haben, welche Wege zur Konfliktlösung (also welche Verfahrfen) überhaupt zur Verfügung stehen.
Das Verfahren als Wegstück
Die Parteien müssen wissen, wie das Verfahren sie auf dem Weg der Konfliktbeilegung begleitet
Wenn die Parteien erwarten, dass sie bei der Konfliktbeilegung größt mögliche Unterstützung erhalten, müssen sie wissen, welche Unterstützung möglich ist und was die maximale Unterstützung für sie sein kann. Es mag helfen, die Möglichkeiten der Unterstützung besser zu erkennen, wenn die Konfliktbewältigung als ein Weg verstanden wird, den die Parteien zurücklegen müssen. Das Verfahren (und die dazu gehörige Dienstleistung) kann sie allerdings nur auf einem Teil Ihres Weges begleiten.
Wenn von einer Begleitung lediglich auf einem Stück des Weges die Rede ist, wird deutlich, dass keine Dienstleistung die Parteien über die ganze Strecke der Konfliktbeilegung begleiten kann. Damit sich die Strecke, auf der die Parteien begleitet werden, nahtlos in deren Konfliktmanagement einfügen lässt, muss das Verfahren die Stationen kennen, wo es zum Einsatz kommen kann. Die Stationen markieren Etappen der Konfliktbeilegung, auf die wir immer wieder zurückkommen werden.
Die Namen der Stationen sind: Problem(erkennung), Lösung(sfindung), Position(ierung), Ergebnis(findung), Umsetzung, Nutzen3 .
Betrachten wir die in einer Konfliktbeilegung wirkenden Handlungsstränge, wird deutlich, dass die Parteien sich nicht nur über die Stationen der Konfliktbeilegung, sondern auch darüber bewusst sein sollten, dass mit jeder Einleitung eines neuen Verfahrens nicht nur eine neue Wegstrecke, sondern ein eigenständiger Weg mit eigenen Zielsetzungen und dementsprechend veränderten Kausalitäten eröffnet wird.
Wir erkennen die als Wege nummerierten Handlungsstränge, die miteinander in Einklang zu bringen sind. Wir erkennen auch, wie die Konflikte von A und B Einfluss nehmen auf das Geschehen, das sich im Streit und letztlich im Verfahren trifft.
Selbst in einem einfach gelagerten Fall wie dem Babysitterfall ergeben sich folgende Handlungsstränge mit offenbar ganz unterschiedlichen Zielsetzungen:
- Konfliktstrategie der Partei A
- Konfliktstrategie der Partei B
- Streitstrategie
- Verfahrensstrategie
Partei A will das Eine, Partei B will das Gegenteil. Beide wollen mit allen Mitteln ihr Ziel erreichen. Die Parteien werden merken, dass die Vorstellung, dass ein Verfahren nicht nur zu seiner Beendigung führt, sondern automatisch auch den Streit und den Konflikt beilegt, eine Illusion ist.
Welcher der Wege sich bei einer Konfliktbeilegung erledigt, bedarf der Feststellung im Einzelfall. Wer glaubt schon daran, dass es zu einer gemeinsamen Lösung kommt, wenn die Parteien so unterschiedliche Ziele verfolgen, erst Recht, wenn die Ziele im Widerspruch zueinander stehen?
Zumindest auf den ersten Blick gibt es kein gemeinsames Ziel.
Also kann es auch keinen gemeinsamen Weg geben.
Wir wissen, dass die Parteien eine Arena finden werden, solange der Streit und der dem Streit zugrunde liegende Konflikt nicht beigelegt sind. In unserer Verfahrenslandkarte stellt sich das Konfliktgeschehen wie folgt dar, wenn das Verfahren den Konflikt nicht beilegen kann:
Es kommt entweder zu wiederholten Streitereien und Prozessen oder es kommt zu einem Endlosprozess. Aus der ersten Station unserer Reise zum Epizentrum des Konfliktes wissen wir, dass die Wahl des Verfahrens regelmäßig davon abhängt, was die Parteien erreichen wollen. Solange sie das Gegentreil von dem erreichen wollen, was die Gegenseite erreichen will, können sie nicht den gleichen Weg gehen!
Die Verfahrenslandschaft
Die Parteien sollten wissen, welche Prozesse Einfluss auf die Verfahren nehmen
Die unterschiedlichen Wege finden sich in der Verfahrenslandschaft wieder. Nicht jeder Weg führt zum gleichen Ziel. Es kommt zu Weghäufungen und -gabelungen. Manchmal laufen Prozesse als Parallelprozesse nebeneinander her. Dabei ist es möglich, dass sich die Verfahren behindern oder ergänzen. Um Behinderungen zu vermeiden, ist es erforderlich, dass sich die Parteien über die Komplexität der Vorgänge und die wechselseitige Beeinflussung bewusst werden.
Die Verwirrung wird noch größer, wenn man bedenkt, dass die Parteien sich nicht nur für ein grundsätzliches Verfahren (einen grundsätzlichen Weg), sondern auch noch für Fachrichtungen entscheiden müssen. So wie es Fachanwälte gibt, stellen sich Fachmediationen vor, die zum Beispiel untzerscheiden zwischen:
Familienmediation Wirtschaftsmediation andere Anwendungsfelder
Die Entscheidungsgrundlage
Es hängt also einiges davon ab, dass die Parteien das zu ihrem Lösungskonzept passende Verfahren und damit dem besten Weg zu einer Konfliktlösung finden. Um sich für das eine oder das andere Verfahren entscheiden zu können, müssen sie folgendes wissen:
- Sie müssen wissen, was sie erreichen wollen
- Sie müssen wissen, ob das Ziel belastbar ist
- Sie müssen wissen, ob das zu wählende Verfahren ihr Ziel verwirklicht.
Das persönliche Ziel
Die Parteien müssen wissen, was sie erreichen wollen
Ein Gerichtsverfahren, wie etwa der Babysitterfall, kann nur abgerufen werden, wenn die Parteien einen Antrag stellen. Der Antrag gibt ein Ergebnis vor. Das Ergebnis stellt die Problemlösung dar. Das bedeutet, dass die Parteien bei Verfahren, die durch einen Antrag eingeleitet werden4 , bereits eine Lösung kennen und verfolgen müssen, damit sie den Antrag überhaupt formulieren können. Die Parteien müssen also mit einer Vorstellung von der Lösung den Prozess eröffnen. Ihr Antrag besagt, was die Gegenseite tun soll, damit das Problem gelöst werden kann. Kennen die Parteien die Lösung nicht, müssen sie ein Verfahren wählen, das ihnen hilft, die Lösung zu finden.
Die Belastbarkeit der Lösung
Die Parteien müssen wissen, ob das Ziel belastbar ist
Es geht um die Frage, ob die Lösungsvorstellung der Parteien (gegebenenfalls auch gegen den Widerstand des Gegners) nachhaltig umgesetzt werden kann. Die Lösung ist an drei Parametern zu messen:
- Ist die Lösung möglich ?
- Ist die Lösung nachhaltig / sinnvoll?
- Bringt die Lösung den Parteien was sie wirklich brauchen?
Das Gericht wird sich mit der Frage, ob die Lösung möglich und nachhaltig ist, nicht befassen. Wenn diese Frage Gegenstand deas Verfahrens sein soll, müssen Sie ein Verfahren finden, das sich damit auseinandersetzt. Gemessen am Gerichtsverfahren jedenfalls liegt die Entscheidung für die Lösung zeitlich vor dem Verfahrensbeginn. Es handelt sich also um eine Frage, die die Parteien für sich selber klären müssen. Hilfe finden Sie bei Beratern und den sogenannten dyadischen Verfahren, wenn nicht in der Mediation. Ob die Lösung möglich ist hängt davon ab, ob die Gegenseite dem Antrag nachkommen kann und will. Falls sie es nicht will bleibt die Frage, ob es möglich und sinnvoll ist, den Gegner gegen seinen Willen und gegebenenfalls sogar gegen seine Überzeugung zur Vornahme oder Unterlassung einer Handlung zu zwingen.
Die Parteien sollten sich fragen, ob die zu beantragende Lösung wirklich das einbringt, was sie brauchen. Wenn sie den Zweck der Lösung hinterfragen wird deutlich, was das ist. Der Zweck ist das Kriterium für den Wirkungsgrad der Lösung. Er lässt sich mit der WOZU Frage erkunden oder mit der Frage nach dem Ertrag bei einer unterstellten Erfüllung der Forderung.
Angenommen, Sie bekommen alles was Sie verlangen.
Haben Sie jetzt alles was Sie brauchen?
Was genau haben Sie jetzt davon?
Was bringt Ihnen das?
Mit solchen Fragen offenbaren die Befragten ihr Interesse an der Lösung. In dem Interesse findet sich der erwartete Nutzen wieder. Das Interesse ergibt das Motiv zum Streiten, ebenso wie das Motiv zur Lösung. Die Parteien sollten sich über das Interesse im Klaren sein. Die Parteien sollten ihr Handlungsmotiv kennen, um die Lösung daran messen zu könnnen.
Die Reichweite der Verfahren
Die Parteien müssen wissen, ob das zu wählende Verfahren ihre Erwartungen erfüllt
Es wurde deutlich, dass das Verfahren nur einen Teil der Konfliktlösung abbilden kann. Das Gerichtsverfahren beispielsweise reduziert sich innerhalb der Etappen des Streitverlaufs darauf, die Positionen (Forderung) in ein Ergebnis (vollstreckbaren Titel) zu überführen. Ob das Ergebnis die Ziele der Parteien verwirklichen kann, ist nicht ohne Weiteres der Gegenstand des Verfahrens. Die Frage hängt von der Reichweite des Verfahrens ab und darauf, inwieweit es sich auf den Konflikt einlassen kann. Die Reichweite des Verfahrens lässt sich mit drei Parametern bestimmen:
Der Fokus, das Thema und die Alt-Bearbeitungstiefe. Die Parameter werden mit der folgenden Formel in eine Beziehung gesetzt:
Die Parameter haben folgende Bedeutung:
- Der Fokus beschreibt die Lösungsrelevanz. Er ergibt sich aus der Zielsetzung, die zugleich den Verfahrensschwerpunkt und mithin die Ausrichtung des Denkens definiert. Mehr dazu ...
- Das Thema entspricht dem Streit- oder dem Verfahrensgegenstand. Es geht in die Breite. Mehr dazu ...
- Die Alt-Bearbeitungstiefe ergibt sich aus der Lösung, die an den Dimensionen des Konfliktes zu messen ist, um ihre Tiefe auszuloten. Mehr dazu ...
Die angestrebte Konfliktlösung ergibt sich aus dem Produkt von Fokus (Bearbeitungsschwerpunkt), dem Thema (Streitgegenstand) und der Tiefe (Verfahrensdimension). Die These lautet:
Die Frage, ob das Verfahren zu einer Konfliktbeilegung geführt hat, kommt in der Praxis spätestens dann auf, wenn das Verfahren beendet ist. Oft erleben die Parteien dies als ein böses Erwachen.
Das hat sich gar nicht gelohnt!
Es hat nur gekostet, nichts gebracht!
Die einzigen, die verdient haben sind die Anwälte!
Jetzt sehen die Parteien was aus ihrem Konflikt geworden ist. Die Realität lenkt den Blick auf die einzelnen Vorgänge. Sie zeigt die Wirkungen des Verfahrens. Konnte der Streit beigelegt werden? Ist der Konflikt gelöst? Ist die Lösung nachhaltig?
Die Mediation zeigt einen Weg, wie sich diese Fragen alle mit JA beantworten lassen.
Die Entscheidung für einen Weg
Die Parteien müssen wissen, welchen Weg sie einschlagen wollen
Möglich sind ein friedlicher, ein streitiger, ein konfrontativer, ein kooperativer Weg und so weiter. Sich für den friedlichen Weg zu entscheiden, muss keine Schwäche bedeuten.
Dieses Youtube-Video zeigt, wie selbst die Lehre der Kriegskunst5 die Kooperation als ein Werkzeug der intelligenten Konfrontation nahelegt. Strategisch betrachtet bietet die Mediation ein anderes Spiel an, das die Kooperation risikofrei ermöglicht und einen dadurch erweiterten Lösungsrahmen anbietet.
Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem Video um ein bei Youtube (Google) hinterlegtes Video handelt. Es wurde im erweiterten Datenschutzmodus eingebettet. Was das bedeutet, erfahren Sie in der Datenschutzerklärung.
Eintrag im Videoverzeichnis erfasst unter Wie Strategie dein Leben verändert! Die Kunst des Krieges
Die Regel, den Feind loszuwerden ohne zu kämpfen, klingt fast wie eine Empfehlung zur Mediation. Jedenfalls sollte man wissen, dass die Mediation eine Kooperation innerhalb der Konfrontation möglich macht6 . Egel ob die Parteien eine friedliche oder aggressive Strategie verfolgen, sie müssen wissen was sie erwartet und ob und wie sie ihren Weg in den Verfahren wiederfinden können.
Die Entscheidung für ein Verfahren
Die Parteien müssen wissen, was auf sie zukommt
Die Entscheidung für ein Verfahren ist zugleich eine Entscheidung für die Konfliktbehandlung bzw. die zielführende Konfliktstrategie. Die zuvor erarbeiteten Kriterien genügen, um die ersten Weichen in ein zielführendes Verfahren zu stellen. Als Faustregel gilt:
- Ist die Lösung bekannt, belastbar und nachhaltig, bietet sich ein Gerichtsverfahren an, wenn die Gegenpartei sich anders nicht überzeugen lässt. Ist die Lösung unbekannt oder unsicher, bietet sich eine Beratung an oder eine Mediation.
- Soll der Konflikt beigelegt werden, muss das Verfahren erlauben, den Konflikt zu thematisieren. Bei Antragsverfahren muss der Antrag alle konfliktrelevanten Themen abdecken können. Die juristische Lösung stellt ausschließlich auf die Rechtsfragen ab. Der das Problem auslösende Konflikt basiert möglicherweise aber gar nicht auf einer Rechtsfrage.
Es gibt eine große Auswahl an Verfahren. Das Dienstleistungenverzeichnis stellt die möglichen und Dienstleistungen vor. Eine Entscheidungshilfe bieten die nachfolgenden Check-Listen.
Hilfe bei der Wahl der passenden Dienstleistung
Das Verfahren wird die Parteien ein Stück des Weges bei IHRER Konfliktbeilegung begleiten. Sie müssen sich im Klaren darüber sein, wie sehr sie durch das Verfahren be- oder entlastet werden und was das Verfahren kostet.
Die Entscheidung für einen Dienstleister
Die Parteien müssen wissen, welcher Dienstleister das Verfahren durchführen kann
Grundsätzlich ist die Inanspruchnahme einer Dienstleistung nicht vorgeschrieben7 . Auch gibt es in Deutschland noch keine allgemeine Pflicht zur Mediation oder zur Hinzuziehung eines Mediators8 . Ein Verzeichnis der bereiten Mediatoren bietet das Mediatorenverzeichnis.
Was tun wenn ...?
- Den Parteien ist nicht klar, welches Verfahren das richtige ist
- Die Parteien haben das falsche Verfahren gewählt
- Weitere Empfehlungen im Fehlerverzeichnis oder im Ratgeber
Verfahrensstand
Im Babysitterfall gehen wir davon aus, dass die Parteien keine Ahnung davon haben, wie sich der Konflikt lösen lässt. Sie sind allerdings bereit, nach einer Lösung zu suchen, die nachhaltigen Frieden bringt. Sie haben erkannt, dass sie irgendwie noch miteinander zurecht kommen müssen, sodass sie die Eskalation als problematisch einschätzen. Sie könnte Folgestreitigkeiten auslösen und mögliche Vorteile einer einvernehmlichen Lösung verhindern.
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Eine Liste der Fragen und Entscheidungen entlang der Konfliktbeilegung finden Sie in der Zusammenfassung
Quellenangaben: Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen
Alias: Weichenstellung, B02-Optionen, Falloptionen
Siehe auch: Geeignetheit, Check-Geeignetheit, Voraussetzungen
Prüfvermerk: