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Die Spieltheorie und die Mediation

Wissensmanagement » Diese Seite ist dem Archiv in der Wiki-Abteilung Wissen zugeordnet. Eine logische Verknüpfung erfolgt mit der Themenseite Strategie, die dem Kapitel Verfahrensziele des Buchabschnitts Systematik zuzuordnen ist. Bitte beachten Sie auch:

Strategie Spieltheorie Suchspiel Puzzle Ziel Konfliktevolution Gefangenendilemma NIMBY-Strategie

Worum es geht: Die Spieltheorie ist von der Spiel-e-theorie zu unterscheiden.
Während sich die Spieletheorie eher pädagogisch mit Spielen wie Sackhüpfen befasst und deren Einsatzmöglichkeiten untersucht, handelt es sich bei der Spieltheorie um eine mathematische Theorie zur rationalen Entscheidungsfindung in strategischen Situationen, die Spielen ähneln, bei denen zwei und mehr Personen beteiligt sind.1 Hier geht es um, die Frage, wie sich die Mediation auf die Spieltheorie auswirkt oder wie sie die Spieltheorie nutzen kann, um konstruktive Lösungen herbeizuführen.

Einführung und Inhalt: Schon der Hinweis auf die rationale Entscheidungsfindung könnte mit dem Konfliktverhalten kollidieren. Die Konfliktparteien verhalten sich oft eher emotional als rational. Wenn die Mediation jedoch greift und korrekt abgewickelt wird, gewinnt der rationale Anteil bei der Entscheidungsfindung einen immer größeren Raum. Wie es gelingt, den rationalen Anteil zu vergrößern, beschreibt die kognitive Mediationstheorie. Sie verwirklicht selbst eine Strategie, die darin besteht, alle Hindernisse, die der Lösung im Wege stehen, aus dem Weg zu räumen. Dieses Wissen könnte sich auch die Spieltheorie zu eigen machen. Eines der Hindernisse, das der Lösung im Wege steht, ist die Strategie selbst und das darin verwurzelte stratgeische Denken. Das strategische Denken kann dazu beitragen, die Parteien auf den Kurs der Mediation zu bringen, wenn der Mediator die strategischen Möglichkeiten und Herausforderungen kennt, die zu nutzen oder zu überwinden sind. Oft ist ein Umdenken erforderlich, um die strategischen Möglichkeiten zu erkennen. Den Ausgangspunkt bildet die Vorstellung, dass die Mediation selbst ein Spiel i.S.d. Spieltheorie ist.

Die Mediation als Spiel

Das Wort Spiel mag irritieren. Die Mediation ist alles andere als ein Spiel, so wie auch der Krieg nicht als ein Spiel bezeichnet werden sollte. Trotzdem stellt die Mediation eine strategische Interaktion dar, was einem Spiel im Sinne der Spieltheorie entspricht, bei dem die eine Partei ihr Verhalten auf die andere Partei einstimmt. Wenn der Rahmen noch größer gezogen wird, stellt sich die Verfahrensstrategie als ein Teil der Konfliktstrategie heraus. Die Mediation muss also mehrere Strategien in Einklang bringen.

Das strategische Denken der Parteien hat gravierende Auswirkungen auf die Frage, ob sie sich für eine Mediation entscheiden und wie sie sich in der Mediation verhalten. Schon die Einführung von Rieck stellt den Zusammenhang sehr plastisch dar. Er führt aus:2

Im Spiel versucht jeder, schlauer zu sein als die anderen. Die Spieltheorie untersucht, was herauskommt, wenn das alle versuchen. Und sie behandelt die ganze Welt so, als wäre sie ein großes Spiel.


Ideal wäre es, wenn die Spieler in der Mediation, also die Medianden, nicht den Ehrgeiz haben, schlauer zu sein als der Gegner. Es kommt in der Mediation nicht darauf an, den Gegner zu übervorteilen. Es genügt völlig, wenn sie ihren Verstand einschalten und mit dem Mediator zusammenarbeiten. Die Mediation ist ein kooperatives Spiel. Es ist nur möglich, wenn die Kooperation eine naheliegende Strategie darstellt. Wann das der Fall ist, erläutert die Lehre von der Konfliktevolution. Ein anderer, eher zur Spieltheorie passender Zugang ergibt sich, wenn die jeweiligen Verfahren nicht als einzelne Spiele, sondern als Teil eines übergeordneten Spiels betrachtet werden.

Die Mediation als das Spiel der Spiele

Besonders die virtuelle Mediation besitzt die Fähigkeit, den Blick auf das gesamte Geschehen zu lenken. Dann steht nicht das Verfahren, sondern der Umgang mit dem Konflikt im Vordergrund. Das konfrontative Gerichtsverfahren ist dann nur noch ein Spiel im Spiel der Spiele. Das kooperative Mediationsverfahren ist ein anderes Spiel. Die Kompetenz der Mediation kann auch in anderen Verfahren verwendet werden, um die Spiele zusammenzuführen. Dann kommt es darauf an, welches Spiel angeboten wird und wer das angebotene Spiel mitspielt. Die Spielmöglichkeiten erweitern sich, wenn es eine Wahl gibt. Die Spieltheorie kann das Konzept der Mediation aufgreifen, um die richtige Wahl zu treffen.

Worum geht es in der Spieltheorie?

Die Spieltheorie will helfen, strategische Entscheidungen zu treffen. Sie ist eine mathematisch ausgerichtete Entscheidungstheorie für eine als Spiel modellierte Situation, in der das Ergebnis nicht von einem Entscheider allein abhängt, sondern von der Interaktion mit anderen Individuen. Es handelt sich um eine Rationaltheorie, weil die mathematisch errechnete Herangehensweise von vernünftig denkenden Individuen ausgeht. Die Berechnungen helfen, die strategisch beste Entscheidung zu treffen.

Dieses Youtube-Video zeigt unter dem Titel Das Leben als strategische Interaktion den Vortrag von Prof. Dr. Christoph Vanberg über die Spieltheorie. Er grenzt die Spieltheorie von der Entscheidungstheorie ab, wo einzelne Menschen knappe Ressourcen verwalten. Bei der Spieltheorie geht es darum, wie sie optimal entscheiden, wenn sie mit anderen Individuen interagieren. Ausgangspunkt ist ein Spiel mit dem Nachbarn: Jeder denkt an eine Zahl. Der Spieler, dessen Zahl am nächsten an der Hälfte der Zahl seines Gegners ist, gewinnt. Schauen Sie das Video, wenn Sie die Lösung hören möchten. Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem Video um ein bei Youtube (Google) hinterlegtes Video handelt. Was das bedeutet, erfahren Sie in der Datenschutzerklärung. Eintrag im Videoverzeichnis erfasst unter Spieltheorie


Das Grundmodell der Spieltheorie sind die sogenannten strategischen Spiele.3
Situationen, die als Spiel modelliert werden, suchen Antworten auf die Fragen, welche Ergebnisse welchen Handlungen wem mit welchen Wertzuschreibungen beigemessen wird und welche Auswirkungen sich daraus ergeben.

Das Nash-Gleichgewicht
Um das Spiel analysieren zu können, sucht die Spieltheorie ein Gleichgewicht, bei dem jeder Spieler optimal auf das antezipierte Verhalten des Mitspielers reagiert. Das Gleichgewicht bildet eine Konstante, die nach ihrem Begründer John Nash als Nash-Gleichgewicht bezeichnet wird. Sie geht davon aus, dass sich eine Situation nicht mehr verändert, wenn keiner der Spieler mehr einen Anreiz hat, sein Verhalten zu verändern. Die darauf basierende Formel erlaubt es, das Spiel mathematisch zu analysieren. Bei der Suche nach dem Gleichgewicht kommt es also darauf an, das Verhalten alle Spieler zu berücksichtigen, um die Spielsituation herauszufinden, wo sich kein Spieler mehr besser stellen kann, indem er sein Verhalten ändert. Es sollte noch hinzugefügt werden, dass alle Spieler das Spiel mitspielen.
Berechenbarkeit des Verhaltens
Bei der Spieltheorie kommt es also darauf an, eine Vorhersage zu treffen, wie das Spiel zu lösen ist. Genauer gesagt, ist die Lösung die Aussage darüber, wie das Spiel zu spielen ist, damit sich der maximale Erfolg einstellen kann. Die Spieler wagen einen Blick in die Zukunft, wobei sie auf Erkenntnisse angewiesen sind, welche Wirkungszusammenhänge welche Auswirkung haben. Das mathematische Modell unterscheidet die Spiele nach folgenden Kriterien:4
  1. Anzahl der Spieler
  2. Auszahlungsstruktur (Nullsummenspiel und Nichtnullsummenspiel)
  3. kooperative, nicht kooperative Vorgehensweise
  4. Strategieoptionen (gemischte Strategie oder reine Strategien)
  5. Informationsgehalt der Spieler (Vollkommene / unvollkommene Information)
  6. Anzahl der Durchführungen (endlich / unendlich wiederholtes Spiel)

Die Spielstruktur wird mathematisch in einer Bimatrix oder in einem Spielbaum abgebildet, je nachdem wie viele Spieler beteiligt sind und wie sich die Entscheidungsoptionen darstellen. Das wohl bekannteste Modell ist das Gefangenendilemma.5

Spielvarianten
Grundsätzlich werden statische von dynamischen Spielen unterschieden und kooperative von nicht-kooperativen Spielen. Bei einem statischen Spiel entscheiden alle Spieler gleichzeitig, ohne zu wissen, was die anderen getan haben. Bei einem dynamischen Spiel handeln die Spieler nacheinander, sodass sie wissen, was der andere Spieler entschieden hat. Der Unterschied zwischen kooperativen und nicht-kooperativen Spielen definiert die Möglichkeit oder den Willen, bindende Verträge abzuschließen. In allen Fällen geht es darum, jede mögliche interdependente Entscheidungssituation abzubilden. Die Spieltheorie dient nicht nur zur Entscheidungsfindung innerhalb eines Spiels. Sie kann auch im Nachhinein zur Analyse und Erklärung von Konflikten herangezogen werden.6

Anwendungsmöglichkeiten der Spieltheorie

Die Spieltheorie kann generell auch bei Konflikten zur Anwendung kommen. Sie könnte helfen, Konfliktsituationen zu analysieren und das Verhalten der beteiligten Akteure vorherzusagen. Sie kann auch anhand der Handlungsoptionen helfen, strategische Entscheidungen zu treffen. Somit gibt es auch Berührungspunkte zur Mediation, weil auch die Durchführung der Mediation letztlich auch auf einer strategischen Entscheidung beruht. Um die Anwendbarkeit im Rahmen der Mediation zu untersuchen, ist zwischen den strategischen Entscheidungen, die zur Mediation führen und den strategischen Entscheidungen zu unterscheiden, die innerhalb der Mediation zu treffen sind.

Generelle Überlegungen
Wie die Tragödie der Allmende belegt, würde die freiwillige Zurückhaltung bei der Nutzung eines Allgemeinguts den altruistisch denkenen Spieler benachteiligen.7 Die Kooperation gelingt in Freundschaften, wo die Beziehung im Vordergrund steht und dazu motiviert, den Freund nicht zu übervorteilen. Das ist ein emotionales Element, das Spielregeln erübrigen würde. Der Wert der Freundschaft gibt die Regeln vor. Wo die Spieler jenseits dieser Verbundenheit egoistische Motive nach vorne stellen, ohne die Langzeitwirkungen im Blick zu haben, bedarf es der Regeln und Vereinbarungen. Das mediative Denken würde den Nutzen nach vorne stellen und erweisen, dass und wie die Kooperation auszugestalten ist, um auch die egoistischen Motive zu befriedigen. Dass dies für möglich gehalten wird, ist eine Bedingung der Mediation. Dass es möglich ist, ist ihr Konsequenz, wenn sie im Sinne der kognitiven Mediationstheorie durchgeführt wird.8
Strategische Entscheidungen, die zur Mediation führen
Die strategische Auseinandersetzung mit der Mediation ist ein wesentlicher Aspekt für ihre Nachfrage, sowie für die Verhaltenssteuerung außerhalb der Mediation, soweit sie überhaupt möglich ist.9 Die Spieltheorie geht allerdings davon aus, dass die Spieler rational handeln. Diese Anforderung trifft auf die Mediation nicht ohne Weiteres zu. Viele konfliktbedingten Entscheidungen sind irrational geprägt. Es ist auch nicht sichergestellt, dass die Parteien sich auf ein einzelnes, gemeinsames Spiel einlassen. Oft kommt es zu Parallelprozessen, die sich gegenseitig behindern. In der Spieltheorie wäre von einem sequenziellen Spiel die Rede. Wegen des zugrunde liegenden Konfliktes sollte das strategische Verhalten der Parteien zumindest auch anhand der Theorie der erweiterten Konfliktevolution eingeschätzt werden. Wenn von einem sequenziellen Spiel ausgegangen wird, betrifft die grundsätzliche strategische Entscheidung die Wahl zwischen der Konfrontation und der Kooperation. Im Vordergrund steht die Frage, wie das für ein Konfrontationspiel sprechende Nash-Gleichgewicht aufzulösen ist. Strategische Optionen für den Übergang in eine Kooperation liefern das Gefangenendilemma, das von Widerholungen ausgeht und beispielsweise die Tit for Tat-Strategie empfiehlt oder die kleinschrittige Migrationsstrategie. Das Ziel ist stets die Herbeiführung eines Spielwechsels zugunsten der Mediation.
Strategische Entscheidungen innerhalb der Mediation
Auch wenn der Spielwechsel stattgefunden hat, kommt es zu strategischen Interaktionen zwischen allen Beteiligten (einschließlich dem Mediator). Jede Aktion bewirkt eine Reaktion. Die Spieltheorie kann Erkenntnisse liefern, wie das Nash-Gleichgewicht in der Mediation aufrecht zu erhalten ist. Wie sich das strategische Verhalten innerhalb des Mediationsverfahrens auswirkt, hängt wieder von ganz unterschiedlichen Faktoren ab. Den Ausgangspunkt setzt in jedem Fall die strategisch relevante Zielsetzung. Die strategischen Überlegungen unterstreichen ihre Wichtigkeit in Phase eins. In einem Gerichtsverfahren beispielsweise versuchen alle Parteien, den Prozess mit einer kontroversen Ausrichtung zu gewinnen. Spieltheoretisch formuliert, ist das Gerichtsverfahren pareto-effizient. Das Pareto-Prinzip besagt, dass eine Situation dann als pareto-effizient betrachtet wird, wenn es unmöglich ist, den Gewinn eines Spielers zu erhöhen, ohne den Gewinn eines anderen Spielers zu verringern. Die Mediation wäre ein Spiel mit einer anderen Zielsetzung. Sie ermöglicht eine gleichförmige Ausrichtung des strategischen Handelns.10 Sie wäre sie pareto-ineffizient. Das bedeutet, es ist möglich, den Gewinn einer Partei zu erhöhen, ohne dass der Gewinn der Gegenpartei dadurch geschmälert wird.11 In der Mediation geht es vordergründig darum, etwas zu finden. Der Gewinn verbigt sich in dem, was gefunden wird. Weil er unbekannt ist, kann er nicht gezielt angesteuert werden. Mit diesem Ansatz kommt die Mediation den sogenannten kooperativen Suchspielen nahe. Sie kann noch genauer mit einem Puzzle verglichen werden.12 Das strategische Gleichgewicht kann allerdings gefährdet werden, wenn die Lösungssuche in der vierten Phase in einen Verteilungskonflikt mündet. Dann kann der Lösungskuchen nicht vergrößert werden. Allerdings verhindert die Mediation auch hier eine strategische Übervorteilung, weil sie in dieser prozessualen Lage einem Ultimatumspiel entspricht. Das Ultimatumspiel ist dadurch gekennzeichnet, dass ein unlauteres Angebot (oder ein Angebot das nicht akzeptiert werden kann) zu einem Verlust aller führt. Der ultimative Mechanismus stellt sicher, dass Übervorteilungen von vorne herein verhindert werden. In der Mediation wird der Ultimatumeffekt durch das Prinzip der Freiwilligkeit garantiert. Jetzt zeigt es sich, wie wichtig es ist, den selbstregulierenden Grundsatz der Freiwilligkeit korrekt einzuführen. Es zeigt sich auch, wie wichtig es ist, dass die Parteien die Mediation als alternativlos ansehen und nicht bereit sind aus ihr auszubrechen.

Bedeutung für die Mediation

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Mediation (je nach dem zugrunde liegenden Konzept) viele Erkenntnisse der Spieltheorie bereits verwirklicht, ohne dass sie explizit ausgeweiesen werden oder dem Mediator bewusst sein müssen. Wenn er sie jedoch kennt, kann er kreativer mit der Mediation umgehen unjd die Parteien besser in der Mediation halten. Das stellt ein Kompetenzmerkmal heraus.

Was tun wenn ...

Hinweise und Fußnoten
Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen
Bearbeitungsstand: 2024-02-21 07:01 / Version 26.

Siehe auch: Strategie
Prüfvermerk: -


Based on work by Arthur Trossen und Bernard Sfez . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Dienstag November 5, 2024 09:29:26 CET.

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