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Widerruf und Freiwilligkeit

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Worum es geht: Es gibt ständig Bemühungen, die Legislatur zur Mediation zu optimieren. Dabei ist der Blick leider stets auf das Mediationsgesetz gerichtet und nicht auf die Vorschriften im allgemeinen Recht, die der Mediation im Wege stehen. Zu diesen Vorschriften, die wie ein Redaktionsversehen anmuten, zählt auch der § 355 BGB, das Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen.

Einführung und Inhalt: Grundsätzlich ist der Widerruf eine (Willens-)Erklärung, die eine zuvorige Erklärung außer Kraft setzen soll. Eine rechtlich bindende Erklärung kann nicht widerrufen werden. Ausnahmsweise gesteht der Gesetzgeber Verbrauchern ein Widerrufsrecht ein, das In bestimmten Fällen auch von Mediatoren zu beachten ist1 .

Abgrenzung zur Freiwilligkeit

Das Widerrufsrecht nach § 355 BGB ist eindeutig ein Verbraucherschutz. Wenn der Mediand (Vertragspartner des Mediators im Mediationsvertrag) ein Unternehmer ist, kann er sich darauf nicht berufen. Anders als der Verbraucherwiderruf richtet sich die Freiwilligkeit nicht an den Verbraucher, sondern an jeden Medianden. Natürlich dient die Freiwilligkeit auch zu dem Schutz der Medianden, weil sie zu einem jederzeit Abbruch der Mediation führt. Anders als der Widerruf nach § 355 BGB ist die Freiwilligkeit aber auch ein selbstregulierendes Prinzip. Es soll den Gegner dazu veranlassen, sich so zu benehmen, dass niemand von dem Recht der Freiwilligkeit Gebrauch machen muss. Falls Sie Mediation begonnen hat, führt beides zum Abbruch. Bei der Freiwilligkeit muss die bis dato erbrachte Leistung vergütet werden. Bei einem Widerruf gelten die nachfolgend aufgeführten Regeln.

Rechtsgrundlage

§ 312g BGB gesteht dem Verbraucher bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernabsatzverträgen ein Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB zu. Die Mediation unterfällt nicht den Ausnahmetatbeständen des § 312g Abs. 2 BGB, sodass die Vorschrift zu beachten ist. Nach Art 246a § 1 EGBGB ist der Verbraucher über das Widerrufsrecht zu informieren. Die Belehrung muss schriftlich in Papierform erfolgen, wenn der Verbraucher nicht zugestimmt hat, dass die Informationen auch auf einem anderen dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt werden kann

Nach Art 246a § 1 Abs. 2 EGBGB ist der Unternehmer (also der Mediator) verpflichtet, den Verbraucher über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 355 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie das Muster-Widerrufsformular in der Anlage 2 dieser Vorschrift zu informieren und gegebenenfalls darüber, dass der Verbraucher im Widerrufsfall einen angemessenen Betrag nach § 357 Absatz 8 des Bürgerlichen Gesetzbuchs für die vom Unternehmer erbrachte Leistung schuldet, wenn der Verbraucher das Widerrufsrecht ausübt, nachdem er auf Aufforderung des Unternehmers von diesem ausdrücklich den Beginn der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist verlangt hat.

Nach § 355 BGB erlischt das Widerrufsrecht bei einem Vertrag zur Erbringung von Dienstleistungen auch dann, wenn der Unternehmer die Dienstleistung vollständig erbracht hat und mit der Ausführung der Dienstleistung erst begonnen hat, nachdem der Verbraucher dazu seine ausdrückliche Zustimmung gegeben hat und gleichzeitig seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass er sein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer verliert. Bei einem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag muss die Zustimmung des Verbrauchers auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt werden.

Konsequenzen

Unterlässt der Mediator die Widerrufsbelehrung, erlischt das Widerrufsrecht erst ein Jahr und 14 Tage nach Vertragsabschluss. Wurde die Widerrufsbelehrung ordnungsgemäß durchgeführt, erlischt das Widerrufsrecht nach 14 Tagen gem § 355 Abs 2 BGB. Wird die Dienstleistung erbracht ohne dass über das Widerrufsrecht belehrt wurde, entfällt die Zahlungspflicht, wenn der Mediand innerhalb der Jahresfrist widerruft. Das stellt hjedenfalls das Urteil des EuGH vom 17.05.2023 sicher.2 Das in § 355 vorausgesetzte Widerrufsrecht stellt eine rechtsvernichtende Einwendung dar. Rechtsfolge ist somit die Unwirksamkeit des zunächst wirksam zustande gekommenen Vertrags mit Wirkung ex nunc.3 Zur Frage der Haftung siehe den Diskussionbeitrag4

Bedeutung für die Mediation

Es geschieht nicht selten, dass der Mediator den Mediationsvertrag in einem Mediationsfall vor Ort, also außerhalb seiner Geschäftsräume abschließt. Um sich zu schützen, müsste er die Widerrufsbelehrung in Papierform vorlegen und unterzeichnen lassen.

Meist wird die Dienstleistung vor Ablauf der Widerrufsfrist abgeschlossen sein. Der Sinn des Widerrufsrechts ist fraglich, wenn die Medianden ohnehin wegen des Grundsatzes der Freiwilligkeit ein jederzeitiges, fristloses und nicht zu begründendes Kündigungsrecht haben. Eine Relevanz könnte sich allenfalls ergeben, wenn die Vertragsparteien des Mediationsvertrages nicht identisch sind mit den Medianden und wenn davon ausgegangen wird, dass sich die Vertragsparteien nicht auf §2 Abs. 5 Mediationsgesetz berufen können, wenn sie nicht Medianden sind.

Die Rechtsbelehrung über das Widerrufsrecht mutet merkwürdig an, wenn sie im Vertrag mehr Raum einnimmt als die Belehrung über die Freiwilligkeit, die auch in der Wahrnehmung der Parteien weitaus bedeutsamer sein sollte als das Widerrufsrecht.

Die Mediation basiert auf einer Verpflichtung gegenüber beiden (allen) Parteien. Was geschieht, wenn nur eine Partei von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch macht, nachdem die Mediation durchgeführt wurde. Rechtlich betrachtet wäre der Mediationsvertrag dann einer Partei gegenüber nicht mehr bindend, der anderen gegenüber aber sehr wohl. Die eine Partei zahlt dann nur ein angemessenes Honorar, die andere die vereinbarte Summe.

Die Mediation ist kein Haustürgeschäft, das ein Konsument unbedacht bestellt. Auch gibt es die Verpflichtung in § 2 Mediationsgesetz, dass der Mediator sich über die Ernsthaftigkeit und das Verständnis des Vertragsabschlusses zu vergewissern hat.

Wegen dieser Schieflagen wurde in der Watchlist die Empfehlung an den Gesetzgeber aufgenommen, die Mediation von § 312g BGB auszunehmen.

Hinweise und Fußnoten
Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen
Bearbeitungsstand: 2025-01-13 09:54 / Version 16.

Siehe auch Diskussion: Rechtsfolgen bei Widerruf-nach §355 BGB
Prüfvermerk: -

1 Zur vergleichbaren Rechtslage bei Anwälten vgl. Niko Härtung und Lars Thiese AnwBl 11,2014
2 Aktenzeichen C‑97/22. Siehe Belehrung fehlt und EuGH, Urteil vom 17.05.2023 - C‑97/22 - 2025-01-13
3 Siehe juracademy (Verbraucherwiderruf) - 2025-01-13


Based on work by anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Donnerstag Januar 16, 2025 13:23:01 CET.

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