Der Ukraine-Konflikt hat sich zu einer militärischen Auseinandersetzung entwickelt. Die Überlegungen im vorausgegangenen Artikel1 bedürfen deshalb einer Ergänzung. Das Bild hat sich verschoben. Die Eskalationsspirale wird weiter gedreht. Der Weg in die Mediation wird umso naheliegender. Die Mediation ist sicher der vernünftigste und vielleicht sogar der einzig mögliche Ausweg aus dem Konflikt. Die Sichtweise eines neutralen, allparteilichen Mediators mag dazu beitragen, den Ausweg zu finden.

Von ernstzunehmenden Verhandlungen ist noch immer keine Spur. Zwar finden Verhandlungen statt. Genau betrachtet handelt es sich jedoch um Unterwerfungsversuche und keinesfalls um lösungsoffene Verhandlungen im Verständnis der Mediation. So gesehen ist die vorzufindende Art der Verhandlungsführung lediglich die Fortsetzung des Krieges auf einer anderen Ebene. Vor diesem Hintergrund ist es durchaus konsequent, wenn sich die Forderungen, in der Sprache der Mediation also die Positionen, nicht nur verhärten, sondern sogar noch weiter ausgedehnt werden. Optimistisch betrachtet, ergibt sich daraus ein größerer Verhandlungsspielraum. Wer mehr fordert, kann mehr nachgeben. Pessimistisch betrachtet, bestätigt das Verhalten die erklärte Kompromisslosigkeit und die mangelnde Bereitschaft zum Nachgeben. Strategisch betrachtet, bewegen sich die Parteien in die falsche Richtung, wenn der Frieden tatsächlich ein Ziel sein soll.

An dem Verhalten der Parteien wird erkennbar, dass die Konfliktbotschaft noch nicht angekommen ist.2 Diese Schlussfolgerung mag irritieren. Der Westen weiß doch, wofür er sich einsetzt und die Ukraine erst recht. Die Wurzel des Bösen ist bekannt. Die Schuldfrage ist geklärt. Für den Gegner im Osten trifft das leider auch zu, nur mit entgegengesetzten Vorzeichen. Unter den Parteien ist also gar nichts geklärt. Ein Mediator versucht sich in alle Parteien hineinzuversetzen. Er ist kein Richter. Er würde deshalb nicht einmal überlegen, wer von den Parteien recht hat oder nicht. Trotzdem würde er über ihre Argumentationsweisen stolpern und sich fragen, ob die Kontrahenten einander jemals zugehört haben. Wie sonst ist es zu erklären, dass die zugrunde gelegten Realitätskonstrukte3 derart weit auseinander liegen. Fakt ist, dass ihr Zusammenstoß zu verheerenden Konsequenzen führt, wenn sie nicht anders aufgelöst werden. Der Mediator wäre sehr daran interessiert zu erfahren, ob sich die Parteien darüber überhaupt im Klaren sind. Zweifel sind berechtigt.

Aus einer emotionslosen, unvorbelasteten und neutralen Sicht von außen ließe sich das Problem leicht lösen. Aus der jeweiligen Innensicht sieht das natürlich völlig anders aus. Ein Alien, der die Welt aus der Distanz betrachtet, wäre entsetzt. Er würde kopfschüttelnd fragen: "Was machen die da nur? Gehen so Menschen miteinander um?". Ein Mediator kennt das Menschliche. Gerade deshalb würde er verstehen wollen, was die Hintergründe für die wechselseitigen Aggressionen sind und wer wodurch zu seinem Verhalten angetrieben wird. Die Motive ergeben den Schlüssel zur Lösung.

Um den Motiven auf den Grund zu gehen, würde sich der Mediator zunächst auf die Argumente einlassen und sich danach erkundigen, worum es ganz genau geht.4 Die Betonung liegt auf dem Wort genau. Er würde sich von den vorgetragenen Argumenten nicht beeindrucken lassen. Wohl würde er sich auf die jeweiligen Darlegungen einlassen und ihre Stimmigkeit überprüfen. Da ist von Entnazifizierung ist die Rede, von einer entmilitarisierten Zone, von Freiheit und Zugehörigkeit und von Werten als Synonym für Interessen, die über dem Menschenleben stehen. Das Wort Unabhängigkeit wird von beiden Seiten benutzt. Von Sicherheit ist ebenfalls auf beiden Seiten die Rede. Die Konnotationen dieser übereinstimmenden Worte weichen jedoch voneinander ab. Der Mediator würde erkunden, was damit gemeint ist. Zu diesem Zweck würde er wissen wollen, ob sich die angegebenen Ziele auf dem eingeschlagenen Weg überhaupt herstellen lassen. Er würde genau verstehen wollen, was Nazis sind, wie man sie in der Bevölkerung identifiziert und ob eine kriegerische Auseinandersetzung die behauptete Gefahr beseitigen kann. Er würde sich erklären lassen, wie der Militäreinsatz eine Entmilitarisierung bewirkt, wie die Unterwerfung zu einer Unabhängigkeit führt, was die Sanktionen bewirken sollen und wie die Sicherheit hergestellt wird, wenn die Vorgehensweise die Welt erkennbar derart verunsichert, dass jetzt alle Seiten massiv aufrüsten, um sich zu schützen. Das klingt alles sehr widersprüchlich und passt auch nicht zusammen. Es ergibt keinen nachvollziehbaren Sinn. Die vermeintlich verfolgten Ziele lassen sich definitiv besser umsetzen, als mit Kriegen und Druckmitteln. Auf der Suche nach den Beweggründen muss es also um etwas anderes gehen als um das, was behauptet wird. Möglicherweise geht es um einen größeren Plan oder einfach nur um Emotionen.

Um der Frage nach dem größeren Plan auf den Grund zu gehen, will der Mediator verstehen, welche Vorstellungen die Parteien haben, um ihre Ziele, falls sie erreicht werden, auch nachhaltig zu sichern. Möglicherweise erschließt sich aus diesen Überlegungen die Sinnhaftigkeit ihres Vorgehens. In dem Zusammenhang wird er sich dafür interessieren, ob es zum Plan der einen oder anderen Seite gehört, dass ehemalige GUS-Staaten plötzlich NATO oder EU-Mitglieder werden wollen. Passt es in das Bild, dass die NATO als eine Bedrohung wahrgenommen wird? Gehört es zum Plan, wenn sich die Staaten in Lagern zusammenschließen, um ihre Macht zu konzentrieren? Er würde von allen Beteiligten wissen wollen, ob sie, egal welchen Kriegsausgang sie erwarten, dann wirklich alles haben, was sie innen-, außen- und weltpolitisch brauchen, um das zu erreichen, was sie eigentlich wollen. Er würde fragen, ob das was sie erreichen wollen auch das ist, was sie erreichen sollten. Schließlich würde er die Parteien fragen, ob und warum es ihnen besser geht, wenn sie sich die Bilder der militärischen Auseinandersetzung vor Augen führen. Dann würde er sich noch erkundigen, ob die Bürger der Staaten, die von den Staatenlenkern vertreten werden, das dann auch so sehen, wenn ihnen alle Informationen vorliegen und ob deren Sicht in der Vorstellungswelt der verhandelnden Staatenlenker überhaupt eine Rolle spielt. Ganz im Sinne der Mäeutik würde er sich schließlich vergewissern, was aus der Sicht der Parteien als Nächstes passieren wird. Erste Anzeichen dafür sind bereits für beide Seiten erkennbar. Erkennbar ist auch der aufkommende Hass, wo niemand weiß, gegen wen er sich letztendlich entladen wird und wer davon zu profitieren glaubt. Seine Fragen wären damit noch lange nicht am Ende. Denn er würde auch wissen wollen, wie die Parteien wegen und nach dem Krieg gedenken, mit sich, den angerichteten Zerstörungen und den Problemen umzugehen, die die Menschheit wirklich bedrohen. Und vor allen Dingen würde er fragen, ob der Konflikt mit dem Krieg beendet ist oder nicht und ob es den Parteien überhaupt darauf ankommt, den Konflikt zu beenden. Ein Mediator schaut immer in die Zukunft und auf den zu verwirklichenden Nutzen. Um den erwarteten Nutzen herauszuarbeiten, würde er noch wissen wollen, wie sich die Parteien die ideale Zukunft vorstellen, wenn sie davon ausgehen, dass sie möglich sei. In der Antwort auf diese Frage finden sich die Visionen wieder. Sie erlauben den besten Zugang zu den Motiven, zum Konflikt und konstruktiven Lösungen. Die Herangehensweise ist anders als bei Verhandlungen,5 wo der Fokus auf die Argumente und die greifbaren Lösungen gerichtet wird.

Bei der Mediation geht es darum, den Konflikt vollständig aufzulösen und Wege zu finden, wie das möglich sein kann. Wie in jedem anderen Fall würde ein Mediator seine Arbeit zunächst mit einer Bestandsaufnahme beginnen. Es kommt ihm darauf an, die Konfliktlage korrekt und vollständig einzuschätzen. Von dieser Einschätzung hängt die weitere Vorgehensweise ab. In dem vorliegenden Ukraine-Konflikt würde er die Konfliktanalyse nicht nur auf die aktiv am Kriegsgeschehen beteiligten Parteien beschränken. Schon hier taucht die Frage auf, wer denn die Streitparteien überhaupt sind. Ukraine gegen Russland? NATO gegen Russland? Russland gegen EU? USA gegen Russland? Russland gegen sich selbst? Wie in dem vorausgegangenen Artikel über den Ukraine-Konflikt bereits angedeutet,6 beschränkt sich der Konflikt aus der Sicht des Mediators nicht auf die unmittelbar beteiligten Kriegsparteien oder die konkrete militärische Intervention. Die Vermutung liegt nahe, dass diese Konfrontation lediglich die Auswirkung eines größeren, im Hintergrund schwelenden Konfliktes darstellt, aber nicht der Konflikt selbst ist.7

Um eine vollständige Konfliktauflösung zu erreichen, bezieht der Mediator auch diejenigen Staaten ein, die versuchen, sich aus dem Konflikt herauszuhalten. Damit werden die Trittbrettfahrer angesprochen. Trittbrettfahrer sind Staaten, die indirekt Einfluss auf das Konfliktgeschehen nehmen und insoweit auch Verantwortung tragen. In der Mediation werden alle, die ein Interesse am Ausgang des Konfliktes haben, als Konfliktparteien angesprochen. Dazu zählen auch Staaten, die lediglich abwarten was geschieht, um dann daraus für sich einen wirtschaftlichen oder strategischen Vorteil zu ziehen. Für einige von ihnen fungiert Russland als Mietmaul, für andere als ein Vehikel oder als ein Testballon. Das Gleiche gilt auch für den Westen. Es wird argwöhnig beobachtet, wie die Parteien mit der Krise umgehen. Die Ukraine ist nicht der einzige territoriale Konflikt, wo die kriegerische Auseinandersetzung als ein Lösungsmodell in Betracht kommt. Damit bekommt die Auseinandersetzung mit und über die Ukraine eine Bedeutung, die weit über regionale Fragen hinausgeht. Der Ukraine-Konflikt ist längst zu einem Sinnbild geworden, hinter dem sich der Weltkonflikt offenbart. Das macht diese Auseinandersetzung so wichtig.

Mit dieser Erkenntnis verschiebt sich die Fragestellung dramatisch. Sie eröffnet mindestens fünf Perspektiven, die der Mediator in den Blick nimmt und die er deutlich gegeneinander abgrenzt. Eine Perspektive blickt auf die Persönlichkeiten, die den Konflikt austragen. Eine andere blickt auf die Menschen, die ihm ausgeliefert sind. Wieder eine andere Perspektive stellt sich auf die Sichtweise des Westens ein, eine vierte auf die des Ostens. Eine fünfte Perspektive hinterfragt die Sicht der Staatengemeinschaft. Es fällt auf, dass sie ebenfalls nicht in der Lage war, einen Konsens über die Beendigung der Gewalt herbeizuführen. Das Abstimmungsverhalten auf der UN-Vollversammlung Anfang März liefert einen Hinweis auf den Konflikt. Es ist außerordentlich wichtig, diese Perspektiven auseinanderzuhalten, weil die Argumentationen ständig zwischen den sich daraus ergebenden Ebenen hin und her wechseln. Ohne ihre Trennung lässt sich die Komplexität dieses Konfliktes nicht auflösen. Eine Einigung wird erschwert.8

In der fünften Perspektive kommen Fragen nach dem Menschen- und dem Völkerrecht auf. Werden diese Rechte anerkannt und gleichförmig gesehen? Wie gehen die Staaten mit möglichen Verletzungen um? Wie schätzen sie die Beziehungen zueinander ein, wenn Atombomben erforderlich sind, um sich Geltung zu verschaffen? Wie gehen sie damit um, dass erfundene Gründe genügen, um einen Krieg anzuzetteln? Wie wollen sie verhindern, dass es zu einem Nuklearkrieg kommt? Es wird deutlich, dass die Atombombe für eine Nuklearmacht, die mit dem Rücken an der Wand steht, keine Abschreckung mehr darstellt, sondern eine Möglichkeit. Also kommt die Frage auf, wie die Staaten in Zukunft miteinander umgehen wollen, damit niemand mit dem Rücken an der Wand stehen muss? Wie gehen sie damit um, wenn die Wirklichkeit den Interessen untergeordnet wird, sodass es keine übereinstimmende Wirklichkeit mehr gibt? Wie gehen sie mit Staaten um, die außer Kontrolle geraten, die sich nicht an Vereinbarungen halten und die ihre militärische und wirtschaftliche Macht missbrauchen, sobald sich dazu eine Gelegenheit ergibt? Wer entscheidet überhaupt darüber, ob ein Staat außer Kontrolle gerät? Wie gehen sie mit den Problemen Klimakatastrophe und Pandemie um, die alles in Frage stellen? Wie stellen sie sich das Zusammenleben der Staaten vor, solange es auf diese Fragen keine verbindlichen Antworten gibt? Es kommt zu der bereits gestellten Frage,9 ob das staatliche Miteinander in Zukunft von Vertrauen oder von Misstrauen geprägt sein soll. Der Umgang mit dem Ukraine-Konflikt stellt die Weichen.

Natürlich erstreckt sich die Bestandsaufnahme des Mediators auch auf das konkret zu beobachtende Konfliktverhalten. Ihm fällt auf, dass die Kriegsrhetorik eine Sprache verwendet, die immer aggressiver wird. Sie treibt in die Polarisierung und zieht immer weitere Kreise. Von gezielter Desinformation ist die Rede. Das werfen sich die Parteien gegenseitig vor. Die Vorwürfe ersetzen den Faktencheck. Gleichzeitig entfernt sich die Sprache immer mehr von der Realität. Die Worte verlieren ihre Bedeutung. Die Gedanken nehmen ihren Lauf. Wer behauptet, nicht an einen Atomkrieg zu denken, hat in dem Moment daran gedacht, wenn er den Satz ausspricht. Wer verbietet, einen länger mit Waffengewalt ausgetragenen Konflikt10 als Krieg zu bezeichnen, täuscht nicht nur sich selbst über die Realität. Wer ungehorsame Ukrainer als Neonazis bezeichnet, verzerrt die Realität. Wer den Wirtschaftskrieg unter den Begriff der Sanktionierung subsummiert, täuscht über seine Kriegsbeteiligung hinweg. Wer Staaten und Völker in die Sippenhaft nimmt, verschiebt die Zusammenhänge. Auch der wechselseitig vorgehaltene Genozid hat eher einen emotionalen als einen realen Bezug. Die Rhetorik verwendet eine Sprache der emotionalen Gewalt und der Täuschung. Sie will etwas erreichen, nicht erklären. Sie fördert die Kriegstreiberei auf allen Seiten. Was aber bleibt, außer einem Scherbenhaufen, sowohl innen- wie auch außen- und weltpolitisch zurück, wenn sich die Sichtweisen und das Verhalten nicht ändern?

Die Beispiele sollen andeuten, dass allein das Framing (die verwendete Sprache) die Realitätsverzerrungen verstärkt. Worte schaffen Bilder in den Köpfen von uns Menschen. So lange, bis sie als eine Realität angenommen werden. Das Phänomen ist auch bei hoch eskalierten Konflikten zwischen Individuen zu beobachten. Der Verstand kommt ins Hintertreffen, wenn Emotionen die Realität nicht akzeptieren wollen. Emotionen können nicht denken. Sie verdrängen die rationale Verhaltenssteuerung. Die mangelnde Nachvollziehbarkeit des Handelns ist ein Indiz dafür. Sie wird auch im Ukraine-Konflikt beobachtet und immer wieder thematisiert. Sie mag sich aus der Vorstellung speisen, dass der Ukraine-Konflikt nur die Etappe eines unbekannten, größeren Planes darstellt, den beide Seiten verfolgen. Sie kann aber auch mit einem Phänomen begründet werden, das in hoch eskalierten Konflikten häufig zu beobachten ist und als Kompetenz-Amnesie bezeichnet wird.11 Beides ist hoch gefährlich. Bei der Kompetenz-Amnesie wird der Frontallappen des Gehirns stressbedingt heruntergefahren, sodass die Fähigkeit zur Problemlösung eingeschränkt wird. Angst ist ein hervorragender Auslöser für diesen Mechanismus, aber auch nicht der einzige. Die Kompetenz-Amnesie bewirkt, dass der Blick auf das Ganze verloren geht. Die an und für sich mögliche Entscheidungsvielfalt wird in der Konfrontation nur noch auf den Sieg reduziert. Selbst Verluste werden ignoriert, solange die Partei obsessiv daran glaubt, ihr Ziel zu erreichen. Im Denken der Partei konzentriert sich alles nur noch darauf. Was darum herum passiert, geht aus dem Blick verloren. Das limbische System übernimmt die Kontrolle.12 Der Fokus richtet sich mehr und mehr auf den Gegner, der dem Ziel im Wege steht. Er muss vernichtet werden. So klingt die einfache Logik. Die Vernichtung führt zur Selbstaufwertung. So klingt die psychologische Logik. Wie die Vernichtung und auf welchem Level sie erfolgt, hängt ganz entscheidend davon ab, was die jeweilige Partei am besten kann und welche Möglichkeiten ihr zur Verfügung stehen.

Auch in dem Ukraine-Konflikt wird die Kompetenz-Amnesie bereits sichtbar. Auf der einen Seite mehr, auf der anderen Seite weniger. Der Blick auf die eigentlichen Probleme und darauf, dass ein Gewinn in diesem Konflikt für den Osten wie für den Westen schon längst nicht mehr möglich ist, geht verloren. Es geht nur noch darum, dem Gegner oder wem auch immer zu zeigen, wo der Hammer hängt. Das ist menschlich verständlich aber nicht wirklich vernünftig und verantwortungsbewusst. Statt eine Kommunikation zu ermöglichen, die Zweifel weckt, sich auf den Konflikt einlässt und Fragen erlaubt, werden die Kommunikationsschnittstellen aufgelöst. Wer nachdenkt und Fragen aufwirft, gilt als Verräter. Gegebenenfalls muss er mit der Ächtung oder sogar mit einer Bestrafung rechnen. Jede Partei entzieht sich der Auseinandersetzung, weil das Urteil schon längst gefällt ist. Die vermeintliche Stärke auf der einen Seite soll die Schwäche auf der anderen Seite aufdecken und umgekehrt. Das Verhalten ist eine Folge der Konfrontation und verstärkt sie zugleich.

Die Sicht auf den Konflikt hat sich mit dem Krieg verschoben. Die Konfrontation wird jetzt mit Menschenleben bezahlt. Mit diesem Fokus verändert sich der Wahrnehmungsschwerpunkt und die Zuschreibung der Verantwortlichkeiten. Plötzlich spielen Vorbehalte, die sich der Westen noch vor der militärischen Intervention gefallen lassen musste, keine Rolle mehr. Jetzt steht der Schutz von Menschenleben im Vordergrund. Das ist zumindest ein griffiges Argument. Es ändert nichts am Konflikt, nur an der Herangehensweise. Um sich der Verantwortung zu entziehen, werden die jeweiligen Narrative verstärkt. Die Gegner werden für die Aggressionen verantwortlich gemacht. Aus der subjektiven Sicht soll das eigene Vorgehen gerechtfertigt werden. Auf belastbare Fakten kommt es nicht mehr an. Eindrücke sind entscheidend. Fakten, die der jeweiligen Sicht im Wege stehen, werden einfach geleugnet oder bestritten. Sie werden nicht geklärt. Die Konfrontation dominiert das Denken. Die eingeschränkte Sicht führt in eine Logik, die eine Abweichung vom Plan wie ein Schuldeingeständnis oder das Eingestehen eines Fehlers erscheinen lässt. Sie könnte als Schwäche interpretiert werden, was wiederum in der Symbolik des Konfliktes eine unerträgliche Botschaft wäre. Zweifellos würde sich die Konfrontationslogik relativieren, wenn die unterschiedlichen Sichten abgeglichen werden. Das setzt jedoch die Bereitschaft und die Fähigkeit zur Reflexion voraus und die Übernahme der Konfliktverantwortung.

Auch im individuellen Lebensbereich kommt es zu derartigen Konfliktsituationen. Sie stellen ein erhebliches Hindernis für friedliche Lösungen dar. Gemeint sind Konfliktparteien, die im wahrsten Sinne des Wortes und zumindest aus der Sicht der gegnerischen Partei Grenzen überschreiten, die sich nicht an Regeln halten, die sich nichts sagen lassen und die sich völlig uneinsichtig und stur zeigen. Ganz schwierig wird die Lage, wenn diese Konfliktparteien außer Kontrolle geraten und nicht einmal die Gewaltanwendung in Frage stellen. Sie werden unberechenbar, was wiederum den Angstfaktor verstärkt und den Konflikt befeuert. Solche Konfliktgegner sind auch für die Mediation schwer zu erreichen. Ihre effektivste Strategie besteht darin, Auseinandersetzungen zu vermeiden. Der vorausgegangene Artikel über den Ukraine-Konflikt ging noch von der Annahme aus, dass es noch einen Zugang zu vernunftbasierten Gesprächen gibt. Diese Annahme steht jetzt in Frage. Für den Mediator bedeutet die veränderte Ausgangslage, dass es jetzt in erster Linie darauf ankommt, die Gewalt zu unterbinden und auszuschließen, dass auf diesem Wege Fakten geschaffen werden.

Bei einem individuellen Konflikt würde der Mediator versuchen, die Gewaltbereitschaft zu verstehen. Das gelingt am besten in Einzelgesprächen. Gewalt hat viele Gesichter. Manchmal ist sie auch nur der Ausdruck von Hilflosigkeit. Angst, Verzweiflung, Selbstschutz, Machtdefizite oder rücksichtsloser Egoismus können auch ihre Triebfedern sein, ganz zu schweigen von Ideologien. Der Mediator würde sich darauf einlassen, denn nur was er versteht, kann er hinterfragen und vermitteln. Nur was verstanden wird, kann friedlich aufgelöst werden. Nur so lassen sich die Narrative zu einem gemeinsamen Realitätskonstrukt zusammenführen. Es sind schwierige Themen, die oft intensive Gespräche erfordern. Dafür genügt keine Konferenz auf der man sich mal trifft oder ein Arbeitsessen. Dafür genügt es auch nicht, mit Delegationen zu sprechen, die keinen Einfluss auf den Entscheider haben oder am Zuhören gehindert sind, weil sie Positionen zu vertreten haben. Aus diesem Grund überlegt der Mediator, wie es gelingt, die zur Gewaltbeendigung führenden Erkenntnisse in den Köpfen und die dazu beitragenden Emotionen in den Herzen der Parteien zu generieren. Gemeint sind Erkenntnisse, die die Sinnlosigkeit der Gewalt vor Augen führen und Emotionen, die dem Hass keinen Raum geben.

Bei einem internationalen Konflikt geht es nicht nur um die konkret an einer Verhandlung teilnehmenden Parteien. Hier muss der Mediator berücksichtigen, dass die unbedingte Beilegung der Gewalt auch in dem Narrativ des jeweiligen Staates, also beispielsweise aus der Perspektive Russlands oder des Westens und der anderen Staaten und Staatenlenker gewollt sein muss. Er weiß, dass die Einladung zu Gesprächen ins Leere geht, wenn sie mit einem Vorwurf verbunden wird, wenn sie unter die Bedingung eines Schuldeingeständnisses gesetzt wird, wenn sie mit unerfüllbaren Forderungen verknüpft wird oder wenn sie mit einer Verurteilung einhergeht und wenn sie von der jeweiligen Bevölkerung nicht verstanden oder gewollt ist. Ein Gesprächsangebot, das mit feindlichen Sichtweisen verknüpft wird, kann leicht abgelehnt werden. Die Ablehnung findet dann im Narrativ der ablehnenden Partei sogar eine Rückendeckung. Anders sieht es aus, wenn das Angebot Perspektiven eröffnet, die selbst in dem Narrativ der Konfliktparteien und der jeweiligen Bevölkerung gewollt sind. Angeblich wollen ja alle ein Ende der Gewalt. Also muss ein Gesprächsangebot erfolgen, das frei von allen Vorwürfen und Bedingungen erklärt wird und in dem der Nutzen im Vordergrund steht. Eine solche Einladung könnte lauten: "Wir möchten mit Ihnen verhandeln, um die Gewalt zu beenden. Das Ziel soll sein, dass wir alle, insbesondere auch die Bürger der jeweils beteiligten Nationen gemäß ihrer Wertevorstellung in Frieden und Wohlstand und gegenseitigem Respekt leben können". Hilfreich ist auch der Zusatz: "Wir haben auch Fehler gemacht und sind bereit, sie zu korrigieren". Jetzt dürfte es allen Nationen schwer fallen, ein derartiges Angebot abzulehnen. Wenn sie es ablehnen, beweisen sie, dass es ihnen auf etwas anderes ankommt.

Um sich für diesen Weg zu entscheiden, müssen die Parteien wissen, dass die Mediation auch und besonders im Kriegsfall einen ehrenwerten Ausweg anbietet. Sie verspricht eine Lösung, die alle Interessen befriedigt. Sie kann alle Perspektiven und Aspekte des Konfliktes einbeziehen und zu einer schnellen, nachhaltigen Konfliktauflösung beitragen. Sie verhindert den Gesichtsverlust und stärkt die Reputation der Handelnden. Ein Krieg wäre dazu nicht in der Lage. Nur die Mediation führt aus der Konfrontation heraus. Sie basiert auf einer Verstehensvermittlung, mit der die Narrative zu einer allseits anerkannten Wirklichkeit zusammengeführt werden. Dass eine Verstehensvermittlung notwendig ist, zeigt sich an den nicht erfüllbaren Forderungen, mit denen die Parteien ein Einlenken der Gegenseite erzwingen wollen. Ihre Forderungen beweisen aber nicht mehr, als dass sie die Interessen des Gegners nicht verstanden haben. In der Mediation werden die Forderungen in Angebote überführt, die der Gegner auch akzeptieren kann. Sie ist damit viel wirkungsvoller als jeder Krieg, der das Nichtverstehen unterstreicht. Leider wird der mediative Weg nur erkennbar, wenn nicht nur die Konfliktparteien, sondern auch die Diplomaten und sogar die Bevölkerung versteht, dass die Mediation kein Nachgeben oder Einknicken bedeutet und alles andere ist, als ein Zeichen von Schwäche. Sie ist einfach nur vernünftig und ein Beweis dafür, dass jede Seite versucht, das beste für sich, sein Land und seine Bevölkerung zu ermöglichen. Um ihre Bedeutung herauszustellen, ist es wichtig, dass die Kompetenz der Mediation verstanden und nicht mit einer distributiven Verhandlung verwechselt wird.

Im Ukraine-Konflikt ist die Bereitschaft für eine Mediation nicht erkennbar. Das kann viele Gründe haben. Es gibt allerdings Hinweise, dass auf der diplomatischen Ebene durchaus verhandelt wird. Diese Bemühungen müssen unterstützt werden. Methodisch kann die Mediation auch in solchen Verhandlungen umgesetzt werden.13 Es kommt darauf an, mit, nicht gegen die Narrative der jeweiligen Gegenseite zu denken. Wie sonst können die Diplomaten Bedenken aufwerfen, die sie an die Entscheider weitergeben? Von außen betrachtet stehen alle Parteien mit dem Rücken an der Wand. Damit sind nicht nur die Streitparteien gemeint. Es wäre hilfreich, diese Lage einzugestehen, damit der Konflikt seine positive Wirkung entfalten kann. Ein Indianersprichwort sagt: "Wenn Du merkst, dass das Pferd auf dem Du reitest stirbt, steig ab". Es will sagen, ändere die Strategie, denke um. Genau das ist es, was die Welt braucht, ein Umdenken. Denn das Pferd Welt ist dabei zu sterben. Solange die Parteien nicht von alleine darauf kommen, verstärkt sich der Konflikt bis die Absurdität dieses Krieges und aller nachfolgenden Konfrontationen immer deutlicher wird und irgendwann für sich selbst spricht. Meist ist es dann allerdings zu spät. Das Pferd ist tot. Die Mediation bietet eine Exit-Strategie an, die das Überleben des Pferdes sicherstellt. Sie führt in ein Umdenken, das Verhandlungen ohne jeden Gesichtsverlust erlaubt und garantierte Gewinner hinterlässt. Sie beweist, dass den Verhandlern die Menschen wichtig sind und dass sie versuchen, Schaden von ihnen fernzuhalten. Wer das weiß und trotzdem den Krieg will, offenbart seine wahren Absichten.

Es kommt darauf an, zur Mediation, nicht lediglich zu Verhandlungen einzuladen. Wenn die Parteien sich nicht von direkten Einladungen überzeugen lassen und auch Einzelgespräche darüber nicht möglich sind, wird der Mediator im nächsten Schritt versuchen, eine der Konfliktpartei nahestehende Instanz zu finden, die Einfluss nehmen kann, um die Parteien von Gewaltanwendungen abzuhalten und von der Mediation zu überzeugen. Es gibt solche Instanzen im Ukraine-Konflikt. Zu denken ist an China und an die UN. China könnte den Krieg leicht beenden. China hat sogar ein Interesse daran, wenn es beobachtet, dass die Nato immer näher an den Osten herangebracht wird und sich die EU immer fester an die USA bindet. China hat viele Gründe einzuschreiten. Seine Motivation hängt jedoch ganz wesentlich von der Beziehung zum Westen ab. Auch die USA haben die Möglichkeiten Chinas erkannt. Leider üben sie Druck auf China aus. Es ist der falsche Weg, weil er den eigentlichen Konflikt verstärkt. Die UN hat, anders als China, keine Druckmittel. Das zeigt sich daran, dass die Resolution der UN-Vollversammlung im März 2022, die Moskau zum Ende seiner Aggression aufgefordert hat, lediglich zur Kenntnis genommen wurde. China hat sich enthalten. Einem Mediator fiele auf, dass es bei dieser Resolution nur eine Mehrheit und keinen Konsens gab. Die Resolution hätte möglicherweise einen Konsens gefunden, wenn die UN-Resolution statt einer Verurteilung eine Mediation vorgeschrieben hätte. Dann hätten die Staaten zu ihrer Durchsetzung möglicherweise sogar Druckmitteln zugestimmt, um sie zu ermöglichen, denn daran sollten alle ein Interesse haben.

Wenn es keine außenstehende Instanz gibt, die in der Lage ist, die Gewalt zugunsten einer Mediation zu unterbinden, ist ein strategisches Denken angesagt. Hierbei hilft die Lehre der Konfliktevolution.14 Sie besagt, dass Menschen ihre Strategie ändern, wenn sie erkennen, dass die verfolgte Strategie nicht zum Ziel führt. Wenn die Parteien also merken, dass die Konfrontation selbst in ihrem eigenen Narrativ keinen Erfolg verspricht, werden sie die Verhandlung als nützlichere Strategie annehmen. Um den Erfolg aus der Sicht der Parteien zu bestimmen, sollte berücksichtigt werden, dass der Ukraine-Krieg einem größeren Plan entspricht, sodass sich die strategischen Überlegungen nicht auf die Ukraine beschränken. Wenn es beispielsweise darum gehen soll, Russland zu vereinen und stark zu machen, müssen die strategischen Überlegungen ergeben, dass dieses Ziel auf dem eingeschlagenen, konfrontativen Weg definitiv nicht zu erreichen ist. Wenn es darum geht, die Vormachtstellung des Westens auszubauen, müssen die strategischen Überlegungen ergeben, dass der Krieg das größte Risiko ist, um dieses Ziel zu erreichen. Für die Ukraine wird die kriegerische Auseinandersetzung sinnlos, wenn sie Ihr Recht auf Selbstbestimmung wahrnehmen kann. Wichtig ist, dass die strategische Erfolglosigkeit nicht in einer Sackgasse endet, wo die Parteien noch mehr mit dem Rücken an der Wand stehen. Sie müssen also einen alternativen, leichteren Weg erkennen, um ihr Ziel zu erreichen. Der Westen muss sich die Frage gefallen lassen, ob er diese Möglichkeit jemals in einer für Russland und die anderen Mächte verständlichen Form gesendet hat. Falls nicht, muss er sich fragen, warum nicht. Wo liegt das Problem? Ein Mediator weiß, dass die Frage, wie sich das Ziel verwirklichen lässt, nicht in den Positionen widerspiegelt. Die Frage nach der Lösung, also der Frage, wie das Ziel zu verwirklichen ist, kommt erst in der vierten Phase der Mediation auf, wo das Ziel in eine Nutzenverwirklichung übersetzt werden kann.

Natürlich setzen auch die strategischen Überlegungen voraus, dass die Kompetenz-Amnesie noch nicht zu weit fortgeschritten ist. Auch dieses Phänomen ist bei Konflikten zwischen Individuen zu beobachten. Dann kann es erforderlich sein, die Parteien in eine Mediation zu zwingen.15 Weil es nicht möglich ist, den Staaten Anweisungen zu geben und sie direkt zu verpflichten, kann der dazu führende Druck im Ukraine-Konflikt durchaus mit Sanktionen aufgebaut werden. Sanktionen können aber verschiedene Bedeutungen haben. Sie können sowohl ein Druckmittel wie eine Bestrafung darstellen. Mitunter werden sie sogar als eine Vergeltungsmaßnahme beschrieben. Damit werden sie zu einem Teil des Kriegsgeschehens. Um einen Strategiewechsel herbeizuführen, müssen die Sanktionen lediglich erreichen, dass die Gewaltanwendung ihren Sinn verliert. Sie müssen so schwer wiegen, dass der Weg in die Mediation als der einzige Ausweg gesehen wird. Sie sollten deshalb auch lediglich als ein Druckmittel deklariert werden und darauf abzielen, dass sich die Parteien der Mediation stellen, wo alle anderen Fragen, die gegebenenfalls zu einer Bestrafung führen, einvernehmlich und auf übereinstimmende oder ermittelte Fakten gestützt und nutzenorientiert geregelt werden. Diese Herangehensweise löst nicht nur den maximalen Verhandlungsdruck aus, sie entspricht auch einer rechtsstaatlichen Herangehensweise. Die wegen des Ukraine-Konfliktes verhängten Sanktionen gehen weiter. Sie erlauben viele Bedeutungszuschreibungen. Leider sind sie offenbar kein taugliches Mittel, um die Gewalt zu beenden. Auch ihre Wirkungen sind kaum vorhersehbar. Sie können zu Verwerfungen führen, wenn den Menschen die Lebensgrundlage entzogen wird und neue Aggressionen hervorrufen. Sie können aber auch Zweifel wecken über die Politik der Staatenlenker, sodass die Bevölkerung eine Kursänderung einfordern könnte. Zweifel sind erforderlich, um die Narrative anzugleichen und die Feindbilder aufzulösen. Sie sind ein wichtiges Instrument zur Konfliktbeilegung. Die Herangehensweise ist auch bei Großmediationen und dem Umgang mit Aktivisten bekannt. Sie verwirklicht sich mit der NIMBY-Strategie.16 Um das Kriegsnarrativ zu hinterfragen, ist der länderübergreifende Kontakt auch einzelner Menschen außerordentlich wichtig. Dafür sollten Brücken gebaut, nicht eingerissen werden. Für die Meinungsbildung ist es auf allen Ebenen außerordentlich wichtig, dass die Sanktionen nicht als Bestrafung, sondern als ein Weg zur Überwindung des Konfliktes angesehen werden. Sie müssen eine Perspektive eröffnen, um den Weg in eine lebenswerte Zukunft für alle zu weisen.

Ohne diesen Ausweg ist der Ukraine-Konflikt ein Spiel mit dem Feuer. Alle spielen mit. Der Ausgang dieses Spiels ist mehr als fraglich. Jeder wird in dem angesagten Nullsummenspiel versuchen, für sich Vorteile auf Kosten anderer zu erzielen. Ein Ende dieser Strategie ist nicht in Sicht. Schon jetzt ist klar, dass alle Konfliktparteien einen erheblichen Verlust davon tragen werden, auch die Trittbrettfahrerstaaten. Die Mediation erlaubt eine Zäsur. Sie ermöglicht ein dringend erforderliches Innehalten und den Schritt zurück in die Besonnenheit. Sie eröffnet den Weg in ein anderes Spiel. Ihre Botschaft ist: "Wir spielen das Kriegsspiel nicht mit". Ihr Anspruch ist die Auflösung des Konfliktes, die Angleichung der Realitätskonstrukte und die Herstellung einer Emergenz.17 Mit ihr werden neue Kausalitäten gesetzt. Der Ausgang des Spiels bleibt nicht dem Zufall überlassen. Die Mediation führt aus der Konfrontation heraus. Deshalb sollte jeder Druck, der auf die Parteien ausgelöst wird, zunächst nur dieses Ziel verfolgen. Die integrierte Mediation beschreibt eine Migrationsstrategie,18 die einen Zugang zur Kooperation aus der Konfrontation heraus ermöglicht, wenn die Parteien sich nicht selbst dafür entscheiden können. Mit dieser Strategie werden die Weichenstellungen hin zur Kooperation in kleinen Schritten verändert. Wenn der Konflikt gelöst werden soll, ist es wichtig, die Weltgemeinschaft einzubeziehen. Auch sie trägt eine Verantwortung, die Konfrontation in der Welt zu überwinden. Sie muss sich zusammenzusetzen und die Belange der Staaten auf gleicher Augenhöhe erörtern. Die Probleme, denen sich die Menschheit zu stellen hat, erlauben keine Feindschaft der Nationen. Auch sie erwarten ein globales Umdenken. Es ist ganz sicher kein leichter Weg. Wer aber weiß, wozu die Mediation in der Lage ist, wird darauf vertrauen, dass es ein erfolgreicher Weg sein wird. Bereits die Entscheidung für die Mediation belegt die Bereitschaft zum Umdenken. Anders als konventionelle Verhandlungen zollt sie den Staaten und den einzelnen Menschen auch den gebotenen Respekt. Respekt war übrigens eines der am meisten verwendeten Worte bei der Austragung der zwischenstaatlichen Konflikte. Mit der Entscheidung für die Mediation wird deutlich, ob der Vorwurf auch so gemeint war. Es genügt nicht, nur darüber zu reden. Wir müssen auch lernen, Respekt gegen solche Meinungen und Ideologien aufzubringen, die nicht der eigenen Vorstellungswelt entsprechen. Mit dieser Erkenntnis kommen wir der Konfliktbotschaft etwas näher.

Arthur Trossen

Hinweise und Fußnoten

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3 Siehe Wahrheit
4 Siehe 2.Phase. Der Streit soll genau identifiziert werden.
5 Siehe Entscheidungsprozesse. Die Mediation wickelt den Entscheidungsprozess rückwärts ab.
7 Siehe dazu Konflikteigenschaften. Die Symptome stellen Anzeichen dar, die auf den eigentlichen Konflikt hindeuten.
9 Siehe den Artikel Ukraine-Mediation. https://www.wiki-to-yes.org/article1201-Ukraine-Mediation
10 Das ist die Definition von Krieg
11 Siehe z.B. Resilienz
12 Das limbische System steuert die Emotionen. Siehe Gehirn.