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Resilienz und Widerstandskraft

Wissensmanagement » Diese Seite ist der Kategorie Konfliktphänomenologie des Archivs in der Wiki-Abteilung Wissen zugeordnet. Eine logische Verknüpfung erfolgt mit der Rubrik Konflikt, also dem 6. Buchabschnitt des Fachbuchs Mediation und den Konfliktphänomenen. Bitte beachten Sie auch:

Konflikt Persönlichkeit Resilienz VUCA Trauma Eintrag Wikisuche

Der Begriff Resilienz bezeichnet die psychische Widerstandskraft einer Person. Er meint die Fähigkeit, schwierige Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen. Auch Konflikte können schwierige Lebenssituationen abbilden. Die innere Widerstandskraft der Konfliktparteien ist deshalb auch ein Thema in der Mediation. Immerhin wird von der Partei wird erwartet, dass sie sich selbst und dem Gegner stellt. Sie muss nicht nur Stärke gegenüber dem Gegner aufbringen, um sich mit dem Konflikt auseinanderzusetzen. Ihre psychische Widerstandskraft ist ein Indiz, ob und inwieweit es ihr gelingt, sich der Mediation zu stellen, die Mediation zu überstehen und den Konflikt vollständig aufzulösen.

Definition von Resilienz

Der Begriff Resilienz wird von dem lateinischen Wort resilire abgeleitet, das mit zurückprallen übersetzt werden kann. Der Begriff wurde ursprünglich in der Werkstoffkunde verwendet. Er bezeichnete die Fähigkeit von Elementen, nach extremen Außeneinwirkungen in ihre Ausgangsform zurückzuspringen. In der Psychologie wurde der Begriff von Jack Block geprägt und als ein psychologisches Phänomen auf den Menschen übertragen.

Es wäre zu einfach, die Resilienz zu beschreiben, wenn es nur eine Definition gäbe. Mauritz stellt die unterschiedlichen Definitionsversuche zusammen.1 Er selbst definiert die Resilienz wie folgt:

Resilienz ist eine Problem-Umgangs- und Problem-Lösungs-Kompetenz – weg von dysfunktionalem Stress und toxischen Stress-Folge-Wirkungen wie Burn-out, Trauma und Krisen und hin zu funktionalem, aktivierendem Stress für Lernen, Wachstum und einer Erweiterung der Komfortzone.


Bereits diese Definition lässt die Nähe zur Mediation erahnen. Auch die Mediation beschreibt eine Fähigkeit im Umgang mit Konflikten, die eine Problem-Umgangs- und Problem-Lösungs-Kompetenz umfasst, Auch sie legt Wert darauf, dass die Konfliktparteien die damit einhergehende Belastung schadlos überstehen. Noch deutlicher wird die Nähe zur Mediation allerdings mit der Definition von Windle. Er bezeichnet die Resilienz als Prozess des wirkungsvollen Verhandelns mit der Anpassung an oder der Bewältigung wesentlicher Quellen von Trauma oder Stress.2 Ein hoch eskalierter Konflikt kann durchaus eine Quelle von Stress darstellen oder gar mit einem Trauma einhergehen. Der Mediator begegnet auch Parteien, die der pathogenen Überzeugung unterworfen sind, dass es nie (mehr) gut werden könne. Andere Parteien haben diffuse Ängste, die ihre Wahrmehmung beeinflussen und unverarbeitete Beziehungsbedürfnisse, die der Konfliktbeilegung im Wege stehen.

Die Weltenbalance

Bei der Mediation steht der Konflikt im Mittelpunkt. Bei der Resilienz ist es der Stress. Hier geht es um die Konfliktbewältigung. Dort geht es um die Stressbewältigung. Das klingt fast so, wie die Frage nach der Henne und dem Ei. Das eine ergibt das andere. In beiden Fällen spielt sowohl die Aufdeckung wie die Bereitstellung stressvermindernder Ressourcen eine wichtige Rolle.

Stress bezeichnet die Beanspruchung des Menschen durch innere und äußere Reize oder Belastungen. Er kann sich positiv auswirken, wenn sich der Mensch dem Stress gewachsen fühlt. Er kann aber auch negative Konsequenzen herbeiführen, die sich durchaus auch gesundheitsschädigend auswirken. Die Resilienzforschung will dazu beitragen, die gesundheitsschädigenden Wirkungen zu vermeiden. Ihr Anknüpfungspunkt sind die Stressoren. Damit werden die Stressfaktoren, also die Faktoren identifiziert, die für die negativen Folgen der Stressverarbeitung verantwortlich gemacht werden.

Mauritz ordnet die Stressfaktoren verschiedenen Welten zu, die bei der Stressbewältigung aufeinanderprallen. Die grundlegenden Stressfaktoren werden in dem Akronym VUCA zusammengefasst und als die VUCA-Welt beschrieben. VUCA bedeutet:

  • volatile (unberechenbar/ flüchtig)
  • uncertain (unsicher/ ungewiss)
  • complex (komplex, vielschichtig)
  • ambiguous (mehrdeutig, unklar, widersprüchlich)

Sie werden bereits in diesen Parametern Parallelen zur Komplexität und zum Auftrag an die Mediation erkennen, die Komplexität (soweit möglich) zu bewältigen. Die Parallelen stellen sich zumindest dann her, wenn Sie die Mediation im Konzept der kognitiven Mediationstheorie begreifen. Danach ist die Komplexität allerdings nicht mit ihrer landläufigen Konnotation zu verwechseln, die auch in dem Akronym verwendet wird. Die Komplexität im wissenschaftlichen Verständnis zeichnet sich gerade dadurch aus, dass sie in eine nicht lineare Kausalität führt, die unvorhersehbar ist.3 Damit werden die Merkmale der Unberechenbarkeit und der Ungewissheit angesprochen. Auch die Vielschichtigkeit und die Mehrdeutigkeit sind Eigenschaften der Komplexität im hier verwendeten Sinn. Den Gegensatz zur VUCA-Welt bildet die von Amann und Ciesielski beschriebene SEEE-Welt. SEEE steht für:4

  • stable (stabil)
  • secure (sicher)
  • easy (einfach)
  • explicit (eindeutig)

Beide Welten kommen in den Krisen vor. Auch wenn eine Partei das Gefühl hat, sich nur in der VUCA-Welt zu bewegen, gibt es auch in der Krise die SEEE-Welt. Die Krise wird aus dem Spannungsverhältnis des Gegensatzes geschürt, woraus sich ihre Dynamik entwickelt. Die Beschreibung deckt Parallelen zur Konfliktdynamik auf und zur Bedeutung und dem Umgang mit Widersprüchen in der Mediation. Wenn Mauritz die Resilienz nun anschaulich als die Fähigkeit beschreibt, sich zwischen diesen Welten flexibel hin und her zu bewegen und "aus der Fähigkeit zur Anpassung, der Adaptabilität, und der Fähigkeit zur Regulation, um zwischen VUCA und SSEE zu oszillieren", finden sich wieder Vorgänge, die auch in der Mediation eine Rolle spielen.

Ein weiteres Konzept, das die Stressbewältigung ermöglichen soll, kommt in dem Akronym RAAT zum Ausdruck. RAAT steht für:

  • Resilienz
  • Achtsamkeit (Das Achten auf Wahrnehmungsfilter und Fokussierungen, sowie auf somatische Marker und emotionale Reaktionen)
  • Adaptation (Die Fähigkeit sich an äußere Einflüsse funktional anzupassen)
  • Transparenz

Auch diese Merkmale finden sich in der Mediation wieder. Neben der phänomenologischen Beschreibung, wie die Resilienz eine Balance zwischen den Erlebniswelten der Stressbelastung darstellen kann, schreibt Mauritz der Resilienz auch eine Metakompetenz zu. Sie ist erforderlich, um auf die im Stress verborgenen Fähigkeiten und Kompetenzen zugreifen zu können. Wie im Konflikt schaltet das Gehirn im Stresszustand seine Kapazitäten herunter. Das limbische System wird aktiviert, der präfrontale Cortex wird abgeschaltet. Dabei gehen kognitive Kompetenzen nicht nur verloren. Sie werden erst gar nicht mehr gesehen. Mithin stellt sich die Frage der Resilienz ebenso wie der Mediation, wie es gelingt, den Parteien die Handlungsfähgigkeit wiederzugeben. Ob die Maßnahmen zur Sicherstellung der eigenen Gesundheit oder zur Konfliktbeilegung dienen sollen, hat eine untergeordnete Bedeutung. Sie deutet vielmehr auf ein gemeinsames Ziel hin, wo die Konfliktbewältigung durchaus auch ein Weg zur Gesundung darstellen kann. Die Gesundung ist nicht das Ziel der Mediation. Sie ist aber ein häufig zu beobachtender Effekt, der mit der vollständigen Konfliktbeilegung einhergeht. Nicht umsonst beginnen die Worte Mediation, Medizin und Meditation alle mit der Silbe Medi, was mit Balance gleichgesetzt werden kann.5

Die Vorgehensweise

Es gibt zwei verschiedene Sichten auf die Resilienz. Sie kann einerseits als eine Eigenschaft (Fähigkeit) des Menschen verstanden werden. Brüstle führt aus, dass etwa jeder dritte Mensch über so viel Widerstandsfähigkeit verfügt, dass er belastende Ereignisse und ungünstige Rahmenbedingungen gut verkraften könne.6 Andererseits kann die Resilienz auch als ein Prozess verstanden werden, bei dem es darauf ankommt, die Belastbarkeit eines Systems zu optimieren. Das System erfasst nicht nur Individuen, sondern auch Teams und Gruppen.7

Die Grundlage für den dynamischen Prozess bildet das als Resilienzkonzept beschriebene Rahmenmodell von Kumpfer und Wustmann.8 Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass der Prozess von vier Variablen bestimmt wird. Sie werden Prädiktoren genannt, weil es sich um Variablen handelt, die eine Vorhersage der Resilienz erlauben sollen. Die Prädikatoren sind:

  1. Im Vordergrund steht der Auslöser. Er wird als Stressor bezeichnet. Stressauslöser können sowohl physikalische, psychische oder soziale Anlässe sein. Allen ist gemeinsam, dass sie eine Störung des Gleichgewichts auslösen.
  2. Die jeweiligen Umweltbedingungen stellen sowohl Schutz- wie auch Risikofaktoren bereit. Mit der Umwelt wird der Kontext angesprochen, in dem sich die stressbelastete Person bewegt.
  3. Den Umweltbedingungen stehen individuelle Veranlagungen und Fähigkeiten gegenüber. Sie werden als Ressourcen aufgeführt und als Resilienzfaktoren benannt.
  4. Der Resilienzprozess besteht im Wesentlichen aus einer Transaktion zwischen der Umwelt und dem Individuum. Er zeichnet sich dadurch aus, wie gut oder schlecht die Anpassung gelingt, die sich in einem positiven oder negativen Entwicklungsergebnis abbildet.

Mithin gestaltet sich die Prozesshaftigkeit der Resilienz aus der Beziehung zwischen Anlass und Ergebnis, die ganz maßgeblich davon abhängt, wie die Spannung zwischen Auslöser, Umwelt und Individuum verarbeitet werden. Mauritz benennt die explizit identifizierten Schutz- und Risikofaktoren für psychische Gesundheit als Prädiktoren für Resilienz und ergänzt sie um psychosoziale und neurobiologische Prädiktoren. Er stellt folgende Risikofaktoren zusammen:9

Individuelle Risikofaktoren Kontextuelle Risikofaktoren
Erwartungshaltung Hohe Arbeitsintensität
Nicht „Nein“ sagen Geringer Handlungsspielraum
Perfektionismus „Effort-Reward-Imbalance“
Fehlende Regeneration Überstunden, Schichtarbeit
Angst vor Fehlern Aggressives Verhalten am Arbeitsplatz
Geringe Durchsetzungskraft Arbeitsplatzunsicherheit
Fehlende Delegation Häufige Störungen
Dysfunktionale Antreiber Geringe soziale Unterstützung
Loyalität Unklare Vorgaben
Selbstvorwurf Mangelnde Wertschätzung
Fremdvorwurf Konkurrenzkampf
Inneres Schrumpfen Schlechte Kommunikation
Problemtrance Ineffiziente Arbeitsabläufe
Emotionale Dissonanz Druck durch Vorgesetzte
Zu viel Verantwortung Unklare Ziele, Sinn-los
Dysfunktionaler Umgang mit Emotionen Feedbackkultur
Keine Hilfe annehmen Umgebungsfaktoren: Licht, Lärm, Luft
Rollenkonflikte Arbeitsplatz-Ergonomie

Um eine psychische Gesundheit und ein Wohlbefinden herzustellen, müssen die Schutzfaktoren die Risikofaktoren überwiegen. Die Schutzfaktoren sind:10

Individuelle Schutzfaktoren Kontextuelle Schutzfaktoren
Positive Emotionen Team-Resilienz Faktoren:
Optimismus Zugehörigkeit
Hoffnung Sicherheit in der Beziehung
Selbstwirksamkeitserwartung Orientierung
Selbstwertgefühl Transparenz
Kontrollüberzeugungen Sich einbezogen fühlen
Kohärenzgefühl Rollen- und Aufgabenklarheit
Hardiness Wertschätzung
Religiosität und Spiritualität Gesehen- und Gehörtwerden
Coping Verbundenheit
Soziale Unterstützung Handlungsmöglichkeiten
Psychologische Sicherheit Selbstwirksamkeit
Entspannung Diversität
(kognitive) Empathie
Akzeptanz Organisationale Resilienz:
Lösungs- und Zielorientierung Geteilte Vision
Selbstwahrnehmung Umfeld verstehen
Selbstreflexion Ermutigende Führungskraft
Anpassungsfähigkeit Geteiltes Wissen
Verfügbare Ressourcen
Koordinierte Bereiche
Veränderungen Antizipieren
Anpassungsfähigkeit
Kompensation
Heterogenität und Dezentralität
Redundanz
Wechsel-Belastung/ Entlastung

Wir stoßen auf die gleichen Anforderungen, die auch in der Mediation eine Rolle spielen. Der Anlass kann in dem Konflikt gesehen werden. Die Umweltbedingungen ergeben sich aus der sozialen Komponente des Konfliktes und die Einflussnahmen des Helfersystems. Im Mittelpunkt steht die Auseinandersetzung des Individuums, die in dem Verstehensprozess der Mediation auch die eigene Betroffenheit und ihre Wirkungen hinterfragt. Die Zusammenstellung von Mauritz wurde übernommen, um die Schnittmengen zur Mediation nachzuweisen. Auch hier geht es darum, herauszuarbeiten, dass die Schutzfaktoren die Risikofaktoren überwiegen.

Die Stärkung

Es scheint besser zur Mediation zu passen, wenn statt vom Widerstand von der Stärke gesprochen wird. Gemeint ist die Stärke, nicht nur den Stress, sondern auch den Prozess zur Konflikt- oder Stressbeilegung auszuhalten und zu überstehen. Widerstand ist eigentlich nicht das, was die Mediation unterstützt. Ihr Ziel ist stets die Einbeziehung. Die Mediation versucht, nicht nur den sich in gegnerischen Positionen verdichteten Widerstand, sondern auch den (inneren) Widerstand gegen den Konflikt aufzulösen. Dieser Ansatz geht durchaus mit der Resilienz einher. Er findet sich in dem Gedanken wieder, eine Balance zwischen der VUCA und der SEEE-Welt herzsutellen. Wie bei der Resilienz kommt es darauf an, dass sich die Partei der VUCA-Welt nicht ergibt und dass sie den besten Weg findet, auf die SEEE-Welt zugehen zu können. Für die Resilienz nennt Brüstle 10 als Wege bezeichnete Empfehlungen, wie dieser Effekt im Allgemeinen zu erzielen ist.11 Es ist bemerkenswert, wie die Mediation diese Empfehlungen aufgreift und umsetzt. Um die Ansätze der Mediation herauszustellen, enthält die nachfolgende Aufstellung zwei Spalten. Die erste Spalte listet die als Wege bezeichneten Empfehlungen. Die zweite Spalte stellt die Ansätze der Mediation heraus, die diese Empfehlungen aufgreifen:

Wege der Resilienz Ansätze in der Mediation
Bemühen Sie sich um soziale Beziehungen und Netzwerke Der Mediator bildet die Kommunikationsbrücke. Die Mediation ist in der Lage, Beziehungen zu heilen
Betrachten Sie Krisen als überwindbare Probleme Der Fokus wird auf zufriedenstellende Lösungen gesetzt. Die Gedanken werden nicht in das Problem, sondern in den Nutzen gelenkt
Akzeptieren Sie, dass Veränderung Teil des Lebens ist Die Akzeptanz der Veränderung steigt mit der Hoffnung auf eine zufriedenstellende Lösung
Streben Sie danach, Ihre (realistischen) Ziele zu erreichen Der Mediator trennt Fakten von Meinungen und Emotionen. Die Lösungen sind faktenbasiert. Der Mediator prüft auch die Nachhaltigkeit und Umsetzbarkeit
Entschliessen Sie sich zum Handeln Es genügt, sich für die Mediation zu entschließen. Die erforderlichen Handlungen ergeben sich aus der erarbeiteten Lösung.
Suchen Sie nach Möglichkeiten, um „(zu) sich selbst zu finden“ Die Konfliktarbeit in der Mediation führt in eine Selbstsicht und Konfliktverantwortung. Die Partei wird mit der Rückgabe der Konfliktverantwortung zunehmend autonom vom Gegner
Fördern Sie ein positives Selbstbild Der Mediator arbeitet die Ressourcen und Möglöichkeiten heraus. Das Denken wird in ein positives Denken überführt, das Hindernisse aus dem Weg räumt
Betrachten Sie Situationen nüchtern Die Mediation führt in eine Metasicht über den Konflikt, der lle Optionen auslotet
Behalten Sie eine optimistische Erwartungshaltung bei Der Fokus auf den Nutzen und die Möglichkeit der Nutzenverwirklichung führt automatisch in eine zunehmend optimistischere Sicht
Sorgen Sie für sich selbst Die Mediation achtet darauf, dass jede Partei den von iher erwarteten Nutzen verwirklichen kann. Der Mediator sorgt dafür, dass jede Partei den Nutzen benennt.

Ähnlich verhält es sich mit dem Modell der 7 Säulen der Resilienz. Die hier vorgestellten Säulen von Mauritz stellen eine Erweiterung des Modells von Wiebel dar.12 Die 7 Säulen sind:

  1. Akzeptanz (verinnerlichen, was nicht geändert werden kann und was sich noch nicht verändern lässt)
  2. Bindung (Beziehung zu sich selbst, zu anderen Menschen, Gruppen und ganzen Systemen|
  3. Lösungsorentierung (die Arbeit mit Zielen)|
  4. Optimismus (ein realistischer Optimismus, der auch den Pessimismus würdigt)
  5. Selbstwahrnehmung (die Fähigkeit die Signale des Körpers wahrzunehmen und einordnen zu können)
  6. Selbstreflexion (Einnahme der Meta-Perspektive)
  7. Selbstwirksamkeit (die Einsicht etwas verändern zu können)

Es ist erstaunlich, dass all diese Säulen auch in der Mediation eine Rolle spielen. Sie werden durch den kognitiven Prozess der Mediation in kleinen Schritten verwirklicht.

  1. Akzeptanz stellt sich her, indem die Kommunikation mit dem Gegner ermöglicht und eine Erfahrung vermittelt wird, dass sie möglich ist. Der Realitycheck verbindet das Denken mit dem was möglich ist und was nicht. Die Einschränkung (Abweichung von Erwartungen) wird dadurch ermöglicht, dass die Gedanken an die Lösungen abgekoppelt werden bis ein vollständiges Bild über die eigentlich zu befiredigenden Bedürfnisse hergestellt wurde. Die Lösung ergibt sich als eine Folge daraus. Sie orientoert sich an den zuvor erarbeiteten Kriterien des Nutzens.
  2. Die Bindung wird über den Mediator vermittelt, indem er zunächst im Windows 1 eine stabile Selbstsicht herstellt, um erst in einem zweiten Schritt, im Windows 2, den Blick auf den Gegner zu wenden, wo die Beziehung neu aufgebaut und stabilisiert werden kann. Zuvor werden Gemeinsamkeiten herausgestellt, die ebenfalls zum Aufbau einer konstruktiven Beziehung beitragen.
  3. Die Mediation ist lösungsoffen. Die Lösungsorientierung wird deshalb in eine Nutzenorientierung übersetzt, wobei die maximale Nutzenverwirklichung als das zu erreichende Ziel vorgegeben wird.
  4. Optimusmus stellt sich her, indem das Ziel für möglich gehalten wird. Im Verlauf der Mediation merken die Parteien mehr und mehr, dass seine Verwirklichung tatsächlich möglich ist. Hoffnung stellt sich ein. Gleichzeitig achtet der Mediator bei seinen Rückmeldungen darauf, dass die positiven Gedanken nach vorne gestellt werden. Der Weg in positive Gedanken wird durch den kognitiven Prozess der Mediation unterstützt, der alle Denkhindernisse aus dem Weg räumt und in ein paralleles Denken überführt. Der Mediator stellt stets den Kontrast zu negativen Gedanken her, wodurch positive Gedanken überhaupt erst erkennbar werden.
  5. Die Selbstwahrnehmung wird durch die intensive Fokussierung auf die Partei und die Aufdeckung der non-verbalen Kommunikation über Verbalisierungen hergestellt wird. Die Emotionen werden aufgegriffen und als Botschaft des Körpers identifiziert und verstanden.
  6. Die Selbstreflexion ist ein wesentlicher Bestandteil der Mediation. Sie ist erforderlich, um die Konflikteinsicht zu ermöglichen. Interessanterweise schafft der Mediator Verwirrung im Kopf der Parteien. Auch wenn es sich dabei um einen Risikofaktor handelt, ist die Verwirrung erforlderlich, um verfestigte Positionen im Kopf der Parteien aufzulösen. Es sind die Zweifel, die zum Nachdenken führen. Indem der Mediator selbst die Metaebene einnimmt, relativiert sich die Verwirrung jedoch. Sie richtet keinen Schaden an, wenn es dem Mediator gelungen ist, den Parteien das Gefühl zu vermitteln, dass er die Mediation im Griff hat. Weiterhin wird die Partei durch die Herangehensweise gestärkt, indem der Mediator zunächst dazu beiträgt, dass die Partei sich selbst versteht, ehe es daran geht, auch den Gegner zu verstehen.
  7. Die mit der Selbstwirksamkeit einhergehende Einsicht, etwas verändern zu können, ergibt sich aus der über die Mediation herbeigeführte Emergenz.

Die Mediation sorgt also, wenn man so will, von Haus aus für eine Resilienz. Es gibt allerdings Fälle, bei denen die natürlichen Kräfte der Mediation nicht ausreichen. Das sind Fälle, wo die Parteien tief in ihrem Konflikt verhaftet sind. Zu denken ist an Konflikterlebnisse, wo eine Partei langanhaltenden Mobbingattacken ausgesetzt war oder von ihrem Partner massiv unterdrückt worden ist. Die Mediation erwartet die Verhandlung von gleich starken Parteien. Erkennt der Mediator, dass eine Partei dazu nicht in der Lage ist, muss er helfen, die ihr im Weg stehenden Hinderniss zu überwinden. Er muss sich überlegen, wie er die Partei verhandlungsstark machen kann. Dabei nutzt er Coachingelemente, ebenso wie die Resilienzeffekte.

Bedeutung für die Mediation

Die Metapher der Welten findet sich auch in der Mediation wieder, wenn sie vor dem Hintergrund der kognitiven Mediationstheorie beschrieben wird. Dort ist allerdings nicht von Erlebniswelten, sondern von Gedankenwelten die Rede. Als ein Prozess der Verstehensvermittlung lässt sich die Mediation bei Bedarf auf alle Risiko- und Schutzfaktoren ein, um den Parteien zu helfen, sich für das Eine oder das Andere zu entscheiden. Die Erkenntnisse der Mediation können der Resilienz helfen, so wie die Resilienz dazu beitragen kann, die Parteien auf dem Weg zur eigenständigen und nachhaltigen Lösung zu unterstützen. Die Mediation endet stets mit der Entscheidung für die gefundene Lösung. Alles was darüber hinausgeht, muss von anderen Dienstleistern vollendet werden, wenn sich die Partei dazu nicht in der Lage fühlt. Jetzt kann die Zusammenarbeit mit Coaches oder Therapeuten geboten sein, die dem Netzwerk des Mediators angehören sollten.

Was tun wenn ...

Hinweise und Fußnoten
Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen
Bearbeitungsstand: 2024-03-09 13:45 / Version .

Alias: Widerstandskraft
Siehe auch: Mediationstheorie
Prüfvermerk: -

1 Alle Definitionen sind hier zusammengestellt: Mauritz (Resilienz) - 2022-02-28
2 Mauritz, a.a.O
3 Siehe Chaos, Unvorhersehbarkeit der Zukunft
4 Mauritz, a.a.O
5 Siehe Etymologie
6 Brüstle (Resilienz) - 2022-02-28 S. 2
7 Was wiederum für die Unternehmensmediation interessant sein könnte.
8 Brüstle (Resilienz) - 2022-02-28
9 Mauritz, a.a.O. Mauritz stellt heraus, dass die Aufstellung der Risikofaktoren nach dem iga Report 31 aufgeführt und durch erfahrungsbasierte Elemente ergänzt wurden
10 Mauritz, a.a.O. Mauritz stellt heraus, dass die Aufstellung der Schutzfaktoren auf den Ergebnissen einer Meta-Analyse der BZgA mit Ergänzungen aus verschiedensten weiteren Bereichen basieren.
11 Brüstle (Resilienz) - 2022-02-28 S. 8
12 Mauritz, a.a.O.


Based on work by Arthur Trossen . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Freitag März 29, 2024 14:05:35 CET.

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