Der Selbstwert des Menschen
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Das Selbst spielt in der Mediation eine große Rolle. Wir begegnen ihm bei der Selbstverantwortung, der Selbstwahrnehmung, der Selbstsicht, bei der Art und Weise wie Emotionen verarbeitet werden und bei der Auseinandersetzung mit dem Selbst an und für sich.
Die Mediation führt so oder so unweigerlich in die Selbstreflexion.
Sie wird oft nicht nur vom Mediator erwartet. Auch die Parteien werden angehalten, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen.1
Begriffliche Abgrenzungen
In der Praxis werden die Worte Selbstwert, Selbstrespekt, Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein oft synonym verwendet und miteinander verbunden. Es sind verwandte Begriffe, die sich gegenseitig beeinflussen. In ihrer Bedeutung unterscheiden sie sich jedoch geringfügig. Das ist Grund genug, sie gegeneinander abzuigrenzen:
- Selbstachtung: Selbstachtung bezieht sich auf die positive Wertschätzung und Anerkennung, die man für sich selbst hat. Es beinhaltet die Fähigkeit, sich selbst zu akzeptieren, sich seiner eigenen Stärken und Schwächen bewusst zu sein und sich selbst zu respektieren. Selbstachtung ist eng mit dem eigenen Selbstbild und der Selbstliebe verbunden.
- Selbstwert: Selbstwert bezieht sich auf den inneren Wert, den man sich selbst zuschreibt. Es ist das Gefühl, dass man als Mensch wertvoll und bedeutsam ist, unabhängig von Leistungen, Erfolgen oder äußeren Bewertungen. Ein gesunder Selbstwert basiert auf der inneren Überzeugung, dass man sich selbst respektiert und dass man ein Recht auf Glück und Erfüllung hat.2
- Selbstrespekt: Der Selbstrespekt bezieht sich auf den Respekt, den man sich selbst entgegenbringt. Es umfasst die Achtung und Wertschätzung für die eigenen Werte, Prinzipien und Grenzen. Selbstrespekt bedeutet, dass man sich selbst treu bleibt, für sich selbst einsteht und sich nicht unter Wert verkauft. Es beinhaltet die Fähigkeit, sich selbst gegenüber fair und respektvoll zu sein.
- Selbstvertrauen: Selbstvertrauen bezieht sich auf das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, Stärken und Entscheidungen. Es ist die Überzeugung, dass man Herausforderungen bewältigen kann und dass man die Kompetenz besitzt, bestimmte Ziele zu erreichen. Selbstvertrauen basiert auf vergangenen Erfahrungen, positivem Feedback und der Fähigkeit, Misserfolge als Lernerfahrungen zu betrachten.
- Selbstbewusstsein: Selbstbewusstsein bezieht sich auf das Bewusstsein über sich selbst, seine Identität und sein Verhalten. Es beinhaltet ein Gefühl der Sicherheit und Klarheit darüber, wer man ist und was man möchte. Selbstbewusste Menschen sind sich ihrer eigenen Stärken, Schwächen, Werte und Ziele bewusst. Sie können in sozialen Situationen selbstsicher auftreten und ihre Meinungen und Bedürfnisse angemessen ausdrücken.
- Selbstzufriedenheit: Die Selbstzufriedenheit ist ein Zustand der inneren Erfüllung und des Wohlbefindens, in dem man mit sich im Reinen ist und keine übermäßigen (unerfüllbaren) Ansprüche oder Erwartungen an sich selbst stellt.
Es geht um die innere Haltung
Eine gesunde Selbstachtung, ein positiver Selbstwert, Selbstrespekt, Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein tragen alle dazu bei, ein positives Selbstbild und eine starke innere Haltung zu entwickeln. Sie wirkt sich auf die Konfliktanfälligkeit, die Verletzlichkeit, die Resilienz und somit auf das Konfliktverhalten aus.
Selbstwertkriterien
Das Selbstwertgefühl strahlt auf das Konfliktverhalten aus. Es bestimmt die gefühlte Abhängigkeit von der Meinung des Gegners, veringert die Notwendigkeit ihn herabzuwürdigen und nimmt Einfluss auf die Fähigkeit, auch nein sagen zu können. Das vorstehende Video benennt 6 Kriterien, die als Ideen und Säulen des Selbstwertgefühls bezeichnet werden. Sie sollen das Selbstwertgefühl ausmachen und es auch verändern können. Die dort aufgeführten Kriterien sind: die Bewusstheit im Leben, das sich selbst Annehmen, die Kontrolle über das eigene Leben, die Selbstbehauptung, die Zielgerichtetheit und die Integrität (ehrlich und authentisch, mit sich selbst im Reinen sein). Indikatoren sind Erfolge und Leistungen, soziale Beziehungen, innere Überzeugungen, Anerkennung und Lob sowie Selbstpflege und Selbstfürsorge.
Der Fokus auf sich selbst
Auch wenn die Sinnesorgane auf Außenwahrnehmung gerichtet sind, haben sie immer mit einem selbst zu tun. Das zeigt sich schon am Personalisierungseffekt der ein Wahrnehmungsfehler ist. Er besagt, dass Mensch dazu neigen, äußere Ereignisse auf sich selbst zu beziehen.3 Wenn wir uns die Ich-Zentriertheit jedoch auf die Fahne schreiben, hinterlässt sie schnell einen negativen Einfluss. Die von außen wahrnehmbare Selbstbezogenheit verführt zu der Annahme, dass die Person sich selbst und das eigene Wohlbefinden im Vordergrund stellt. Mit dem Verdacht kommt der Egoismus ins Spiel. Normalerweise wird die Ich-Bezogenheit durch die Empathie begrenzt. Es ist wichtig, dass sich der Mensch als Teil einer Gemeinschaft wahrnimmt. Nach dem Spiegelgesetz, ist ohnehin alles, was in einem Leben auftaucht, ein Spiegel des eigenen Bewusstseins und ein Hinweis auf das eigene Innere.4 Das Ich steht so oder so also tatsächlich im Zentrum der Wahrnehmung. Es sollte sich dessen bewust werden. In der Mediation wird es nach vorne gestellt.
Wer definiert den eigenen Wert?
Im Idealfall bestimmt jeder Mensch seinen Wert selbst. Oft scheint es aber so, als wäre die Bewertung anderen überlassen. Im schlimmsten Fall wird sie dem Konfliktgegner übertragen, was nicht nur eine Konfliktursache darstellen kann. Es vergrößert auch die Konfliktabhängigkeit. Nun braucht es eine gehörige Portion von Selbstvertrauen und Selbstbestimmtheit, um diese Hoheit zurückzugewinnen.
Wie der Selbstwert aus der Prägung des Menschen heraus zustande kommt, wird schon in den ersten Lebenjahren angelegt. Sowohl die Ego-Zustände der Transaktionsanalyse wie die Auswirkungen der Bindungstheorie beschreiben seine Ursprünge. Dann kommen erzieherische, kulturelle und sonstige Lebenserfahrungen hinzu, die dem Menschen ein Gefühl von sich selbst vermitteln. Die Selbstsicht ist eine daraus resultierende Wahrnehmunsperspektive, die allerdings mit der Selbst-Fremdsicht korrespondiert. Die Selbst-Fremdsicht beschreibt wie man glaubt, von außen wahrgenommen zu werden. Der Mediator interessiert sich dafür, was die Partei damit verbindet.
Ein mangelnder Selbstwert lässt sich ebenso leicht wie die fehlende Resilienz aus dem Konfliktverhalten einer Partei herauslesen. Beides sollte gegebenenfalls thematisiert werden.
Bedeutung für die Mediation
Es gibt Selbsttests mit denen der Selbstwert angeblich ermittelt werden kann.5 Falls sie genutzt werden, ist Vorsicht angesagt. Das Ergebnis ist keine Diagnose. Der Mediator hat bessere Methoden. Diese braucht er auch, denn es zählt durchaus zu seinen Aufgaben, sicherzustellen, dass die Parteien auf gleicher Augenhöhe verhandeln können.6 Ebenfalls zählt es zu seinen Aufgaben, die Parteien zu unterstützen, dass sie selbst die Lösung finden und den Konflikt überwinden können.7 Es gehört durchaus zu seiner Unterstützung, die Lösungshindernisse aus dem Weg zu räumen, die es den Parteien verwehren, selbst die Llösung zu finden. Dazu gehören auch diejenigen Hinsernisse, wo sich der Mensch selbst im Weg steht, relavante Erkenntnisse zu gewinnen. Die dazu erforderlichen Werkzeuge werden im Beitrag Verstehenshindernisse aufgeführt.
Der gedankliche Weg der Mediation führt automatisch zur Ich-Zentriertheit. Wenn der Mediator in der Phase drei die Windowstechnik korrekt anwendet, lenkt er den Fokus der Partei stets auf sich selbst. Die Sichten auf sich und den Gegner werden korrigiert und Resilienzeffekte werden herausgearbeitet. Wenn das nicht genügt, stehen ihm auch Coaching-Elemente zur Verfügung, um den Selbstwert einer Partei zu stärken und ihr Selbstvertrauen (wieder) herzustellen. Die Einflussmöglichkeiten und Interventionen enden allerdings, wenn sie nicht mehr mit der Lösungsfindung im Zusammenhang stehen. Dann mag der Selbststärkungseffekt der Mediation in der Erkenntnis enden, dass eine weiter erforderliche Stärkung des Selbstwertes einer Therapie oder einem Coaching zu überlassen ist.
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Siehe auch: Inner Game, Persönlichkeit, Emotionen, Vertrauen
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