Sachkunde, Kompetenz und Mediationslehre
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Wissenschaft Sachkunde Wissensgrundlagen Mediationskompetenz
Worum es geht: Was hat die Sachkunde der Mediation mit der Kernkompetenz des Mediators, seiner Ausbildung und der Wissenschaft zu tun? Das Wort sachkundig steht ganz versteckt im Mediationsgesetz. Ganz indirekt stellt es einen aussagekräftigen Zusammenhang mit der Ausbildung, der Anwendung und der Erforschung der Mediation her, über den sich nicht nur Mediatoren bewusst sein sollten.
Einführung und Inhalt: Wenn die Sachkunde einer Sachkenntnis entspricht,1 genügt sie sicher, um eine Mediation zu beurteilen. Genügt sie aber auch, um eine Mediation durchzuführen? Die Antwort lautet: Es kommt darauf an. Das Gesetz jedenfalls erwartet eine sachkundige Durchführung der Mediation und geht davon aus, dass die Ausbildung dazu befähigt. Aber was genau ist damit gemeint?
Was ist Sachkunde?
Grundsätzlich bezieht sich die Sachkunde auf fundiertes, aber breiteres und praktisches Wissen in einem bestimmten Bereich. Es geht darum, dass jemand sachlich kompetent ist, eine bestimmte Aufgabe oder ein Thema zu verstehen und darauf basierend korrekt zu handeln. Die Sachkunde grenzt sich auf der einen Seite zur Sachkenntnis auf der einen Seite und zur Expertise auf der anderen Seite ab. Die Sachkenntnis bezeichnet ein fundiertes allgemeines Wissen in einem bestimmten Bereich. Das Wissen genügt, um grundlegende Themen zu verstehen und sich sachlich fundiert zu äußern. Die Expertise beschreibt das andere Ende der Kompetenzskala. Sie kennzeichnet das umfassende Wissen und die Erfahrung einer Person oder Institution in einem bestimmten Fachbereich. Das Mediationsgesetz begnügt sich mit dem Mittelmaß. Ein Mediator muss mehr wissen, als die Sachkenntnis erwartet und weniger, als die Expertise einfordert. Der Maßstab wird in §5 Abs. 1 Mediationsgesetz festgelegt. Die Vorschrift besagt:
Die Sachkunde wird also auf theoretische Kenntnisse und praktische Erfahrung zurückgeführt. Aber woran wird sie festgemacht und wie lassen sich die theoretischen Kenntnisse und die praktische Erfahrung messen? Der Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz vom 04.08.2010 zum Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung führt dazu aus:2
Diese Inhalte sind in die Ausbildungsverordnung übernommen worden. Sie wurden sogar über einen Stundenaufwand von bis zu 130 Präsenzstunden festgelegt und gewichtet. Das Ausbildungsziel, also mit der Ausbildung zu erwerbende Kompetenz, wird nicht beschrieben. Offenbar wird davon ausgegangen, dass die mit den Inhalten in der Ausbildungsverordnung definierte Sachkunde genügt, um eine Mediation durchzuführen. Die Begründung im Entwurf zur Ausbildungsverordnung führt zur Zielsetzung lediglich aus, dass es darauf ankommt ...3
Was wir also erfahren ist, dass es sich um eine Mindestanforderung handelt, die sicherstellen soll, dass der zertifizierte Mediator nicht ahnungslos, inkompetent, unerfahren oder unkundig eine Mediation als Dienstleistung anbietet. Diese Adjektive bilden den Gegensatz zur Sachkunde. Ob und welche Meditationen er tatsächlich beherrscht, wird nicht erwähnt.
Kenntnis und Wissen
Wikipedia setzt die Begriffe Wissen und Kenntnis gleich. Dort wird ausgeführt:4
Rost geht von einem wissenschaftstheoretischen Ansatz aus, indem er das Wissen als den Besitz einer Erkenntnis definiert.5
Die Erkenntnis ist wiederum eine Einsicht, die durch die Verarbeitung von Eindrücken und Erfahrungen gewonnen wird und auf ein Verstehen hindeutet. Ganz spannend und für die Ausbildung gut verwertbar, ist der Zugang von Spitzer. Der Neurowissenschaftler bezieht das Wissen auf die Fähigkeiten unseres Gehirns. Er stellt darauf ab, wie das Gehirn Wissen generiert und verarbeitet. Kurz zusammengefasst stellt er heraus, dass Wissen erforderlich ist, um Wissen zu erlangen. Es gäbe kein Knowledge on demand, weil unser Gehirn anders funktioniert, als die Festplatte eines Computers. Wissen lässt sich weder auf Vorrat anlegen, noch auslagern. Es ist stets vernetzt und anwendungsorientiert. Es entsteht in einem hermeneutischen Zirkel, wo die Kenntnis des Details Rückschlüsse auf den Gesamtzusammenhang erlaubt und die Zusammenhänge besser begreifbar macht, was wiederum dazu führt, dass das Detail besser begreifbar wird, wenn die Zusammenhänge besser begriffen werden.6
Aus dieser Herleitung folgt eine Ahnung, was Wissen in und für die Mediation bedeutet. Besonders in der Mediation kommt es auf die Erkenntnis (oder das Wissen) an, was wie zusammenzuführen ist, damit daraus eine Mediation entstehen kann. Mithin muss das Einzelwissen7
in einen Gesamtzusammenhang gestellt werden können, der sich wiederum auf eine Anwendung beziehen lässt. So mag es sich erklären, dass Wissen und Erfahrung zusammengestellt werden, um eine Sachkunde darzulegen. So wird auch deutlich, warum es einer Theorie der Mediation bedarf, damit diese inneren Zusammenhänge der einzelnen Wissensgegenstände auf eine Gewissheit zurückgeführt werden können. Sowohl in der Ausbildung wie in der Praxis geht es also um weit mehr, als nur um eine Sachkunde. Um die Anforderungen an die Tätigkeit des Mediators und mithin an seine Ausbildung besser erläutern zu können, hilft der Begriff der Kompetenz weiter.
Verhältnis zur Kernkompetenz
Die Mediation ist dermaßen vielfältig, dass sich in einer Ausbildung gar nicht genügend Realitätsbezüge herstellen lassen, um das gesamte Wissen mit Erfahrung zu belegen. Die auch von der Ausbildungsverordnung vorgeschriebenen Rollenspiele können nur exemplarisch Beispiele abliefern, die in der Praxis nicht einmal als eine Schablone verwendbar sind, die immer und überall zutrifft. Aus diesem Grund ist es notwendig, die Sachkunde auf die Kompetenz zu beziehen. Tatsächlich wird der Begriff der Kernkompetenz in der Begründung zu §5 des Mediationsgesetzes verwendet.8 Er wird allerdings mit der Sachkunde gleichgesetzt. Das wirft die Frage auf, ob sich die Kernkompetenz eines Mediators tatsächlich (nur) aus den in der Verordnung genannten Komponenten und einigen darauf bezogenen Rollenspielen abbilden lässt. Überlegen Sie selbst. Wäre ein Mediator mit dieser Ausbildung in der Lage, eine hoch eskalierte Familienmediation durchzuführen oder eine innerbetriebliche Mediation mit einer Gruppe? Die Antwort ist naheliegend, denn das kann er sicherlich nicht. Das führt wiederum zu der Frage, welches Mediationsverständnis der Ausbildungsverordnung zugrunde gelegt wird, wenn das erfordferliche Wissen über die Mediation mit diesen Inhalten abgedeckt sein soll?
Es ist bereits außerordentlich irritierend, wenn die aus dem vorgegebenen Wissen und der dazu passenden Erfahrung definierte Sachkunde mit der Kernkompetenz des Mediators gleichgesetzt wird. Anders als die Sachkunde setzt sich die Kompetenz nicht nur aus dem vorgegebenen Wissen und der Erfahrung, sondern zusätzlich noch aus der Fertigkeit zusammen. Die Vielfalt der Mediation erlaubt nicht nur ein außerordentlich breites Wissen, sie fordert es auch ein. Mithin bedarf es einer selektiven Komprimierung, um das als grundlegend bezeichnete Wissen herauszufiltern. Die Selektion erfolgt abhängig vom zugrunde liegenden Mediationsverständnis. Darauf bezogen ist die Ausbildungsverordnung stimmig, wenn ihr (nur) das auf dem Harvard-Konzept beruhende Mediationsverständnis zugrunde gelegt wird.
Die Wissensgrundlagen der Mediation
Weiterhin fällt auf, dass die angesagte Sachkunde aus den Ausbildungsinhalten hergeleitet wird und nicht aus den Anforderungen an die Tätigkeit. Es wird wohl unterstellt, dass die Ausbildungsinhalte den Anforderungen an die Tätigkeit entsprechen. Tatsächlich bleibt die auch für Haftungsfragen entscheidende Frage, was die sachkundige Tätigkeit des Mediators ausmacht im Unklaren. Die Unklarheit findet sich auch in der Rechtsprechung, die das gebotene, sachunkundige Verhalten eines Mediators nicht aus dem Mediationsrecht herzuleiten vermag. Sie muss auf das Anwaltsrecht ausweichen, um die Haftung für offensichtliche Mediationsfehler zu begründen.9 Man mag unterstellen, dass der BGH das Mediationsgesetz und die Ausbildungsordnung kennt. Wenn er trotzdem nicht das Mediationsrecht anwendet, scheint sich die mit der Verordnung beschriebene und für erforderlich gehaltene Sachkunde zumindest keinem Außenstehenden zu erschließen, um die Leistungsverpflichtung des Mediators hinreichend konkret zu bestimmen.
Erst wenn das Ziel der Ausbildung zur Mediation darin bestehen soll, dass der Mediator die Mediation beherrscht, kommt die Mediationskompetenz ins Spiel. Sie erlaubt eine differenziertere Einschätzung des Leistungsvermögens.
Verhältnis zur Mediationskompetenz
Die Mediation ist ein außerordentlich komplexer Vorgang mit einer Vielfalt an Möglichkeiten und Optionen, die je nach dem zugrunde liegenden Mediationsverständnis, weit über den Anwendungsfall des Verfahrens i.S.d Mediationsgesetzes hinausgeht und auch für anspruchsvolle Konfliktlagen in unterschiedlichsten Anwendungsfeldern einzusetzen ist. Mit diesem Anspruch kann der Prozess nur dann effizient durchgeführt werden, wenn bekannt ist, welche Fähigkeiten sich hinter der Mediation verbergen und warum sie wie zur Wirkung kommen. Eine Kompetenz bezeichnet die Möglichkeit, Handlungsanforderungen durch den kreativen Einsatz des Gelernten zu erfüllen und das Gelernte situationsabhängig neu zu generieren, um die gestellte Aufgabe (die von den gelernten Schablonen abweicht) zu lösen.
Die für die Mediation erforderliche Kompetenz wird mit dem Begriff der Mediationskompetenz nicht nur erfasst, sondern auch beschrieben. Die Mediationskompetenz lässt sich auf die Leistungsfähigkeit der Mediation ein. Sie fasst die Kompetenz des Verfahrens und die des Mediators zusammen. Das eine geht mit dem anderen einher. Der kompetente Mediator weist die Fähigkeiten des Verfahrens zu nutzen. Welche Fähigkeiten das sind, ergibt sich aus dem Mediationsverständnis. Darauf bezogen besteht die Kompetenz des Mediators darin, die hinter dem Verfahren verborgenen Fähigkeiten zu verwirklichen und bedarfsgerecht zu ergänzen. Mithin beschreibt die Kernkompetenz, dass der Mediator auf der Grundlage von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten aktuell gefordertes Handeln im Sinne der Mediation neu generieren kann.10 Das Kompetenzmerkmal besteht darin, dass der Mediator mit der Mediation als ein Werkzeug kreativ und flexibel umgehen kann, um sie an die Anforderungen des Falles anzupassen, ohne dabei ihre Wesenhaftigkeit zu beeinträchtigen.
Um die Anforderungen einer Mediation zu bewältigen und ihre Möglichkeiten optimal zu nutzen, helfen keine Faustregeln.11
Der Mediator braucht ein tiefergehendes Verständnis von der Mediation. Er muss wissen, was die Mediation ausmacht, wie sie sich in die Verfahrenswelt einordnet, was ihre Wesensmerkmale sind, wie die verschiedenen Ausprägugen der Mediation systematisch zu klassifzieren sind, welche Möglichkeiten die Mediation eröffnet, aus welchen Komponenten sie sich zusammensetzt, wie ihr Zusammenspiel funktioniert, was welche Wirkung hat, wie sie die Lösungshindernisse aus dem Weg räumt und wie die dazu verhelfenden Werkzeuge effektiv einzusetzen sind.
Anforderungen an die Sachkunde
Das Erlernen der Mediation ist deshalb so anspruchsvoll, weil die Mediation alle Merkmale der Komplexität erfüllt. Sie besteht aus einer Vielzahl von Variablen, die alle miteinander vernetzt sind. Sie verursachen eine Intransparenz, sodass die Informationen eine Eigendynamik bekommen. Die Informationsvielfalt führt zwangsläufig zu Lücken, die Vorurteile und Selektionen erlauben. Deshalb zeigt sich die Kompetenz des Mediators an der Art und Weise, wie er mit dieser Kompliziertheit umgehen kann. Die Qualität der Ausbildung zeigt sich daran, welchen Leitfaden sie zur Verfügung stellt um damit umgehen zu können.
Im Mittelpunkt der Sachkunde steht das Verfahren, woran letztlich die Leistung des Mediators zu messen ist, und nicht die Ausbildung. Die Aufgabe der Ausbildung besteht darin, das zur Durchführung des Verfahrens erforderliche Können herbeizuführen. Es geht also um mehr, als um die Inhalte der Ausbildungsverordnung. Auch die im Nachgang herausgearbeiteten Standards der Verbände12 überlassen es der Ausbildung, wie die Inhalte in ein Können zu überführen sind und welche Orientierungshilfe sie den Mediator geben, um die Komplexität der Mediation zu bewältigen und das Werkzeug zu beherrschen.
Wie die Ausbildung damit umgeht, ist nicht nur eine Frage der Didaktik. Der rote Faden und die Orientierungshilfe ergeben sich vielmehr aus dem zugrundegelegten Mediationsverständnis und der damit einhergehenden Lehre. Die Lehre soll verdeutlichen, wie die Aufbereitung und die Darstellung des Wissensgebietes erfolgt. Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen und ihre Offenlegung ist ein Qualitätsmerkmal der Ausbildung.
Was sagt die Mediationslehre?
Die in der Ausbildungsordnung oder den Standards erwähnten Ausbildungsinhalte können unterschiedlich belegt werden. Bereits der in der Verordnung und in den Standards als Ziffer 1 aufgenommene Lehrinhalt Einführung und Grundlagen der Mediation13 eröffnet den Spielraum für ein zugrundeliegendes Mediationskonzept. Um diesen Spielraum transparent zu machen und den Titeln Inhalte und Konzepte zuordnen zu können, werden die Lehrinhalte mit Fundstellen im Mediation Wiki hinterlegt.
Aufbereitung der Ausbildungsinhalte
Spätestens jetzt, wenn von verschiedenen Konzepten die Rede ist, kommt die Lehre ins Spiel. Der Begriff der Lehre steht hier also nicht nur für eine Ausbildung. Er wird als Ausdruck für ein wissenschaftliches System und die Anschauung über ein Problem der Wissenschaft, der Philosophie oder der Kunst und in unserem Fall der Mediation verwendet. Die Vielfalt der Mediation erlaubt verschiedene Anschauungen. Jetzt ist es die Aufgabe der Lehre, diese herauszuarbeiten, wissenschaftlich herzuleiten und einander gegenüberzustellen.
Die Auseinandersetzung mit der Mediationslehre ist ein durchgängiges Thema, mit dem sich auch das Mediationswiki befasst. Sie findet in der Rubrik über die Schulen der Mediation ihren Höhepunkt. Dort wird versucht, die unterschiedlichen Lehren zu identifizieren, den Ausbildungen zuzuordnen und ihre Auswirkungen auf die Anwendung zu erforschen. Die so identifizierten Lehren werden als Mediationskonzepte in die Mediatioonssystematik eingeordnet und durch Leitsätze sichtbar gemacht, um sie in die Regeln der Kunst zu überführen. Neben der generellen Aufarbeitung des wissenschaftlichen Hintergrundes der Mediation wird die Unterscheidung der Lehren in Texthinweisen und Verzeichnissen zusammengestellt, damit sie der Mediation als Fachwissen zugeordnet werden können und sichtbar werden.
Erfassung und Auswirkungen der Mediationslehren
Bedeutung für die Mediation
Ob die als Sachkunde bezeichnete, vermeintliche Kernkompetenz ein Können der Mediation ermöglicht, hängt ganz wesentlich davon ab, Welches Mediationsverständnis und welches Mediationskonzept gelehrt wird. Je nach ihrer Herleitung ergeben sich unterschiedliche Herangehensweisen, die einen mehr oder weniger effizienten Leitfaden ergeben,wie der Mediator befähigt wird, das in der Mediation geforderte Handeln fallabhängig jeweils im Sinne der Mediation neu zu generieren Punkte zugrunde liegende Leitfaden ist abhängig von der Lehre, die unterschiedliche Schulen identifiziert. Wo die Ausbildungen diese Fragen offen lassen, kann das Mediationswiki ergänzend herangezogen werden, um die innere Logik der Mediation verständlich zu machen und um die Entscheidung für die eine oder andere Schule zu ermöglichen.
Bitte beachten Sie die Zitier - und LizenzbestimmungenAliase: Mediationslehre
Siehe auch: Kunstregeln, Mediation-Dienstleistung, MediationAllgemein
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