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Die kognitive Mediationstheorie

Wissensmanagement » Sie befinden sich auf der Seite Mediationstheorie der Rubrik Theorien in der Abteilung Akademie. Es geht um die wissenschaftliche Herleitung der Mediation und ihrer Wirkungsweise.

Mediationstheorie


Worum es geht: Am Anfang war die Erkenntnis. Am Ende steht die Lösung. Dazwischen liegt eine gedankliche Entwicklung, die eine Lösung ermöglicht hat. Die Mediation ist somit ein Prozess, der nicht nur Erkenntnisse einfordert, sondern auch herbeiführt. Wie sonst soll es Parteien, die sich ganz und gar nicht einig sind, gelingen, SELBST eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen? Die Antwort findet sich in der kognitiven Mediationstheorie. Sie begreift die Mediation als einen erkenntnisbasierten Prozess, der weit über das Verfahren nach dem Mediationsgesetz hinaus zur Anwendung kommt.

Einführung und Inhalt: Dieser Beitrag bildet durchaus einen Schwerpunkt im Thinktank. Die wichtigen Erkenntnisse der Theorie fließen in alle Bereiche des Portals und somit auch in die Mediation ein. Sie werden kenntlich gemacht, soweit sie von der allgemeinen Lehre abweichen. Eine umfassende Herleitung der Theorie finden Sie in dem Buch Mediation visionär von Arthur Trossen, der die Theorie entwickelt hat.

Die kognitive Mediationstheorie1 wurde als Theorie der Mediation bestätigt.2 Sie ist ein Must-know für jeden Mediator. Die Theorie kann den Prozess der Mediation als Ganzes und im Zusammenhang erklären und die einzelnen Schritte folgerichtig anhand der an die Mediation zu stellenden Anforderungen herleiten. Durch ihren Praxisbezug bildet sie einen hermeneutischen Zirkel, der den mediativen Entscheidungsprozess nicht nur lenkt und inspiriert, sondern auch zur Schärfung des Mediationsverständnisses beiträgt. Es handelt sich um die erste und bisher wohl einzige Theorie der Mediation weltweit.3 Sie grenzt sich von den vielen Theoriefragmenten ab, die lediglich einzelne Aspekte der Mediation erklären, ohne ihre Zusammenhänge untereinander aufzudecken.4

Der wissenschaftliche Hintergrund

Die vielgestaltige Ausprägung der Mediation erlaubt nicht nur unterschiedliche Sichten. Sie ermöglicht auch Überschneidungen mit anderen Verfahren und Vorgängen im Bereich der Konfliktbeilegung. Viele Unklarheiten resultieren aus einem inflationären Gebrauch des Begriffs. Einmal meint das Wort Mediation ein Verfahren, einmal eine Methode und manchmal auch nur eine sachbezogene Verhandlung.5 Die Mediation wurde auch schon schlicht als die Lehre der vermittelnden Kommunikation6 oder einfach nur als facilitative Negotiation7 beschrieben. Es ist fraglich, ob diese Bezeichnungen die Kompetenz der Mediation überhaupt erfassen. Wenn die Kommunikation in der Mediation und die durch sie möglichen Verhandlungen eine zu Erkenntnissen führende Ausprägung des Denkens und Wahrnehmens ist, wäre es zutreffender, von der Lehre des nutzenorientierten Denkens zu sprechen. Denn darum geht es letzten Endes.

Bereits die unterschiedlichen Zuschreibungen der Mediation8 belegen die Notwendigkeit einer wissenschaftsbasierten Klärung. Sie würde nicht nur dazu beitragen, die Mediation zu identifizieren. Sie erlaubt auch eindeutige Abgrenzungen zu anderen Verfahren und eine präzise Qualitätsbestimmung.9 Eine wissenschaftlich fundierte Herleitung, die als eine Theorie der Mediation10 bezeichnet werden kann, ist in der Lage, den Prozess, seine Bedeutung und die darin vorkommenden Elemente folgerichtig zu beschreiben und aufeinander zu beziehen, sodass die Funktionalität der Mediation aus sich selbst heraus erkennbar wird. Ihr Augenmerk wäre auf die Frage gerichtet, was wie dazu beiträgt, dass die Parteien trotz widriger Umstände und vor dem Hintergrund ihres Konfliktes in die Lage versetzt werden, selbst eine Lösung für ein scheinbar unlösbares Problem zu finden.

Es ist ein Phänomen der Mediation, dass die Parteien zu ihrem Beginn nicht in der Lage sind, selbst eine Lösung zu finden. Sie werden dazu in der Lage sein, wenn die Mediation endet. Also müssen die während der Mediation parteiseitig zu gewinnenden Erkenntnisse und Fähigkeiten ein Schlüssel dafür sein, ob und inwieweit die Parteien dieses Ziel erreichen. Die Ergebnisse werden umso zuverlässiger ausfallen, je mehr es gelingt, den ermutigenden Erkenntnisprozess zu steuern. Mit dem Blick auf die Erkenntnis kommt die Erkenntnistheorie ins Spiel. Diese Theorie, die auch Epistemologie oder Gnoseologie genannt wird, ist ein Hauptgebiet der Philosophie. Sie umfasst die Fragen nach den Voraussetzungen für Erkenntnis, dem Zustandekommen von Wissen und anderen Formen von Überzeugungen.11 Jenseits der Philosophie befassen sich auch die Psychologie und andere Disziplinen mit der Frage, wie Erkenntnisse zustandekommen und wie Entscheidungsprozesse ablaufen. Auf der Suche nach einer wissenschaftlichen Herleitung gerät unweigerlich die Kognitionstheorie in den Vordergrund. Sie erfasst die elementaren Modelle des Denkens, die aus der Psychologie, der Neurowissenschaft, der Informatik und der Linguistik stammen.12

Auch wenn sich die Mediation als ein auf Erkenntnisgewinnen beruhender Entscheidungsprozess beschreiben lässt, würde die Anwendung der Erkenntnis- oder der Kognitionstheorien die Besonderheiten dieses Prozesses nur unvollständig beschreiben. Es bedarf einer Adaption, damit sich das Wissen über den kognitiv zu bewältigenden Prozess auf die spezifischen Anforderungen der zukunftsgestaltenden Mediation einlassen kann. Um den Unterschied zu den bestehenden Theorien auszudrücken, lässt sich das auf die Mediation bezogene Derivat am besten mit einem eigenen Namen kennzeichnen. In der Kurzform eignet sich die Bezeichnung Mediationstheorie. In der Langform bietet sich die Bezeichnung kognitive Mediationstheorie an. Das Adjektiv deutet darauf hin, dass es, je nach dem Mediationsverständnis durchaus auch eine weniger dezidierte, allgemeine Theorie zur Mediation geben mag, falls die kognitive Mediationstheorie nicht bereits als eine solche anzusehen ist. Sie sind zu einem wissenschaftlichen Diskurs eingeladen, um dieser Frage auf den Grund zu gehen.13

Worum es genau geht, und wie sich der mediative Erkenntnisprozess aus den Theorien herleiten lässt, soll im Wege der Deduktion herausgearbeitet werden. Bei der deduktiven Methode werden die vorzugebenden Anforderungen als Prämissen mit den zwingenden Konsequenzen in einen logischen Zusammenhang gebracht. Der dadurch vorgegebene Blick vom Allgemeinen auf das Besondere führt zunächst in eine systemische Betrachtungsweise.

Der innere Zusammenhalt

Um die Funktionalität der Mediation zu beschreiben, müssen zunächst ihre wesensbestimmenden Elemente identifiziert werden. Die viel erwähnten mediativen Techniken beispielsweise wären ein solches Element. Ihre mechanische Verwendung in einer Verhandlung genügt allerdings nicht, um eine Mediation zu verwirklichen. Es würde auch nicht genügen, die Techniken zusammen mit anderen mediativen Bausteinen selektiv und willkürlich einzusetzen. Bitte beachten Sie:

 Merke:
Leitsatz 16518 - Die Werkzeuge entfalten ihre mediative Wirkung nur in ihrem vorgegebenen Zusammenspiel.

Puzzle Zusammen

Schon um die Bausteine zu identifizieren, muss der Mediator wissen, was wie zusammengehört, um eine mediative Wirkung zu entfalten. Es genügt nicht, einzelne Elemente oder Techniken zu kennen. Das folgende Beispiel mag veranschaulichen, was damit gemeint ist:

Beispiel 11615 - Was hilft es, wenn man weiß, dass ein Gegenstand aus etwa 15 kg Kohle, 4 kg Stickstoff, 1 kg Kalk, 1/2 kg Phosphor und Schwefel, etwa 200 g Salz, 150 g Kali und Chlor und etwa 15 anderen Materialien sowie aus 4 – 5 Eimern Wasser besteht?


Die genannten Rohmaterialien sind die chemischen Bausteine eines Menschen. Je nach Zusammensetzung könnten die einzelnen Elemente alles Mögliche ergeben. Ihre Benennung allein genügt nicht, um zu beschreiben, was den Menschen ausmacht. Erst ihre Zusammensetzung und noch nicht einmal nur die, sondern ihr Zusammenspiel und das sich daraus ergebende Potenzial ergeben den Menschen. Die Bedeutung des Zusammenwirkens der Elemente wurde erst mit dem Aufkommen der Kybernetik wissenschaftlich untersucht. Die Kybernetik, die in der Sozialwissenschaft als Systemtheorie adaptiert wurde, setzt sich mit der Frage auseinander, wie das Zusammenspiel der funktionalen Einheiten erkannt und gesteuert werden kann. Die Untersuchung der Steuerungsmechanismen beachtet die Interaktionen zwischen der Umwelt, den Systemen und seinen Elementen. Sie geht weit über die Auflistung und Analyse der Bestandteile eines Systems hinaus und erfasst die gesamte Komplexität der möglichen Beeinflussungen.

Ähnlich sind die Anforderungen, wenn es darum geht, die Mediation in ihrer Funktionalität zu beschreiben. Was hilft es, wenn der Mediator weiß, dass es Techniken, Phasen und Prinzipien gibt, solange er nicht weiß, wie das Eine das Andere beeinflusst? Goethe hatte das Bedürfnis nach der grundlegenden Erkenntnis in einem Zitat von Faust zum Ausdruck gebracht. Faust wollte erkennen ....

... was die Welt im Innersten zusammenhält.


Analog dazu muss der Mediator wissen, was die Mediation in ihrem Innersten zusammenhält. Er muss wissen, was wie zusammenkommen muss, damit die Mediation ihre Wirkung entfalten kann. Anders als Faust muss er sich aber nicht der Magie verschreiben, außer vielleicht der Magie der Mediation.14 Er muss jedoch die innere Logik15 begreifen, aus der sich ein folgerichtiges Zusammenspiel der Elemente ergibt, die in der Mediation als funktionale Einheiten dazu beitragen, dass aus einer Verhandlung eine Mediation werden kann.

 Merke:
Leitsatz 4111 - Erst die Kenntnis über die Steuerung der Zusammenhänge und ihre Verwirklichung im konkreten Fall ergibt das, was eine Mediation ausmacht
Prämisse: Die Parteien sollen SELBST die Lösung herbeiführen.
Konsequenz: DIE PARTEIEN müssen denken, um auf die Lösung zu kommen. Mithin ist die Mediation ein komplexer Vorgang, der sich mit den Kognitionen der Parteien auseinandersetzt und als ein Erkenntnisprozess angelegt sein muss.

Die Erkenntnislast liegt bei den Parteien

Wer das Innerste der Mediation durchschaut, der weiß, dass nicht der Mediator die Lösung herbeiführt, sondern die Mediation. Der Perspektivwechsel verwirklicht die konfuzianische Weisheit, wonach der Weg das Ziel ist. Es genügt, ihn zu gehen. Deshalb sind es genau genommen die Parteien, die die Lösung herbeiführen. Denn sie beschreiten den Weg der Mediation und schöpfen ihre Möglichkeiten aus. Der Mediator hilft ihnen dabei. Dass die Parteien die Lösung selbst herbeiführen sollen, ist eine der wichtigsten Anforderungen, die den Prozess der Mediation so einzigartig und die Dienstleistung so speziell macht. Sie leitet sich aus dem Tatbestandsmerkmal der eigenverantwortlichen Konfliktbeilegung in §1 Mediationsgesetz her. Indem herausgestellt wird, dass die Parteien die Lösung selbst herbeiführen sollen, wird deutlich, dass SIE die Akteure sind, die denken müssen, nicht der Mediator. Die Parteien MÜSSEN denken, weil sie auf Einsichten und Erkenntnisse angewiesen sind, die ihre Gedanken zur Lösung führen. Die Erkenntnislast liegt bei den Parteien, nicht beim Mediator. Der Mediator muss lediglich wissen, wie die Parteien zu denken haben, damit sie diese Last tragen können.

Prämisse: Es geht darum, eine Lösung zu FINDEN
Konsequenz: Die Mediation beschreibt den Weg, wie nach der Lösung zu SUCHEN ist. Stragegisch betrachtet ist sie ein Suchspiel.

Die Lösung muss gefunden werden

Eine weitere wesensbestimmende Vorgabe ist das Finden einer Lösung. Bitte beachten Sie, dass §1 Mediationsgesetz nur das Anstreben einer Lösung erwartet, was alles und nichts bedeuten mag. Erst in Verbindung mit dem Prinzip der Lösungsoffenheit wird deutlich, dass es sich bei dem Anstreben um eine Suche handeln muss. Die Lösungssuche ist die einzig logische Konsequenz der Lösungs- oder der Ergebnisoffenheit. Die Offenheit kennt keine feststehenden, vorgegebenen oder durchzusetzenden Lösungen. Wenn es um eine Suche geht, dann kann die Mediation als die Beschreibung des Weges angesehen werden, über und mit dem die Suche abzuwickeln ist. Mit der Anforderung, dass es darum geht, eine Lösung zu finden, wird die Mediation zu einem erkenntnisbasierten Suchprozess, was sich auf die Prozessgestaltung auswirkt. Es ist kein leichter Weg, weil nicht einmal klar ist, wonach zu suchen ist. Die Klarheit muss sich während der Suche herstellen. Zunächst ist nur bekannt, dass etwas gefunden werden soll. Wie das Fundstück aussieht, kann zu dem Zeitpunkt niemand sagen. Es bedarf einer ausgeklügelten Strategie, damit die Parteien finden, wanach zu suchen ist. Erschwerend kommt hinzu, dass die Suche auf widerstreitende Realitätskonstrukte und ganz unterschiedliche Zielvorstellungen aufsetzt. Dann kommt noch der Konflikt ins Spiel. Er sorgt für zusätzliche Verwirrung und kocht die Emotionen hoch.

Prämisse: Das Finden der Lösung setzt VERSTEHEN voraus.
Konsequenz: Wenn das umfassende VERSTEHEN die Grundlage der Erkenntnis ist, dann muss die Mediation eine Verstehensvermittlung sein.

Das Verstehen ist die Grundlage

Die Mediation nähert sich in kleinen Schritten dem Ziel. Damit sich die streitenden Parteien auf eine gemeinsame Suche begeben können, sind permanente Abstimmungen und konzertierte Aktionen erforderlich. Sie sollen verhindern, dass die Suche vereitelt wird. Gelegenheiten zur Vereitelung gibt es genügend. Im Verlauf der Konfliktbeilegung sind viele Entscheidungen zu treffen.16 Man mag unterstellen, dass die Wahrscheinlichkeit, das Richtige zu tun, steigt, je besser die Parteien informiert sind und je mehr sie von sich, voneinander und vom Konflikt verstehen. Der Grundsatz lautet: Wer alles versteht, trfft die richtigen Entscheidungen. Somit ist das Verstehen die Basis, von der aus eine gemeinsame Lösung zu finden ist. Die Mediation muss überlegen, wie sie die mentalen, kognitiven und praktischen Fähigkeiten der Parteien ansprechen und nutzen kann, um das erforderliche Verstehen zu generieren. Die Kognition bietet ihr einen Zugang.

Prämisse: Verstehen erfordert REFLEXION.
Konsequenz: Die Mediation muss eine Metaebene herstellen, die den Parteien eine neutrale, wertfreie und umfassende Perspektive zur Verfügung stellt.


Jedes kritische Hinterfragen der zum Verstehen beitragenden Informationen erfordert eine Reflexion. Die Reflexion gelingt auf der Metaebene. Nur dort lassen sich Gedanken verifizieren, reflektieren, korrigieren und zusammenführen. Die Mediation etabliert die Metaebene als festen Bestandteil des Verfahrens. Weil die Mediation selbst nicht handeln kann, fungiert der Mediator in dem Konstrukt wie ein Architekt. Er kennt den Bauplan. Er überlässt die Bauausführung aber den Bauunternehmern. Er überwacht lediglich, dass alle Baumaterialien am dafür vorgesehenen Platz verbaut werden, sodass sich der Plan verwirklicht. Auf die Mediation bezogen bedeutet die Analogie, dass der Mediator den gedanklichen Weg kennt. Er weiß, was die Parteien verstehen müssen, um selbst eine Lösung zu finden. Er hilft den Parteien, diesen Weg zu gehen. Er weiß aber auch, dass die Parteien den Weg selbst gehen müssen. Der Mediator noimmt ihnen die Verantwortung nicht ab.

Prämisse: Verstehen darf KEIN Zufall sein.
Konsequenz: Damit die Verstehensvermittlung nicht auf einem Zufall beruht, bedarf es einer Verfahrensweise mit festen Grundsätzen.

Eine Metaebene wird fest installiert

Der Verstehensprozess ist so komplex wie die Menschen, die ihn auszuführen haben. Die Mediation kann sich darauf einstellen. Von außen betrachtet fällt bereits ihr eigenwilliges Konstrukt ins Auge. Ihre Systemik identifiziert mehrere, voneinander zu unterscheidende aber miteinander interagierende Systeme. Im Vordergrund stehen das Streitsystem und das Mediationssystem.

Systemik 4

Mit den Systemen lassen sich unterschiedliche Arbeitsebenen identifizieren. Die Unterscheidung der Arbeitsebenen ist für das Verständnis der Mediation und ihre Wirkungsweise außerordentlich wichtig. Das Streitsystem entspricht der operativen Ebene. Das ist die Ebene, wo der Streit ausgetragen wird und wo letztlich die Streitentscheidungen getroffen werden. Das Streitsystem existiert unabhängig vom Mediationssystem. Seine Unabhängigkeit wird über den Grundsatz der Freiwilligkeit garantiert. Anders als die Parteien agiert der Mediator ausschließlich im Mediationssystem. Er ist ein Teil davon. Anders als der Richter oder der Schlichter ist er nicht an dem Streitsystem beteiligt. Mit dieser Freistellung verwirklicht sich ein wichtiger Effekt der Mediation. Die Systemtheorie stellt heraus, dass Systeme die Fähigkeit besitzen, einander zu beobachten. Genau das ist die Aufgabe, die dem Mediationssystem zukommt. Das Mediationssystem soll das Streitsystem beobachten. Um sich der Dynamik des Streits anzupassen, bildet es die Verfahrensebene heraus. Sie ist eine reine Reflexionsebene. Ihr kommt es darauf an, das Verhalten der Parteien entlang des Streites zu verstehen und einer gemeinsamen Reflexion zugänglich zu machen.

Der Streit wird beobachtet

Auch wenn die reflexive Verfahrensebene strikt von der operativen Streitebene zu unterscheiden ist, stehen die Systeme in einer Wechselbeziehung, die sich gegenseitig beeinflusst.

Metaebene

Die Einflussnahme ermöglicht die für die Metaebene typische, wertfreie und lösungsoffene Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Sichten und dem Verhalten der Protagonisten. Sie unterstreicht ein besonderes Kommunikationsmodell, das sich als Folge der systemischen Ebenentrennung herausbildet. Das eigentümliche Kommunikationsmodell abstrahiert die Rolle des Mediators, indem er weder Entscheidungen trifft, noch Lösungsvorschläge unterbreitet. Er bewegt sich ausschließlich auf der Metaebene. Seine Aufgabe besteht darin, den Prozess und den damit verbundenen Informationsfluss zu überwachen.17 Er wird auf alles reagieren, was auf der operativen Ebene geschieht. Die gewollte Distanz zur operativen Ebene wird von dem Grundsatz der Indetermination getragen. Er geht über den Grundsatz der fehlenden Entscheidungsbefugnis hinaus, indem er jede Form der Beeinflussung ausschließt. Die Parteien sollen keine Gelegenheit haben, die Lösungssuche zu delegieren, den Mediator zu manipulieren oder zu instrumentalisieren, um die eine oder andere Lösung herbeizuführen. Weil ihnen niemand die Entscheidungsverantwortung abnimmt, haben die Parteien keine andere Wahl, als die Lösung selbst zu erarbeiten. Die Reflexion ist das einzige und letzte Mittel, das ihnen zur Verfügung steht.

Die Systemik der Mediation Das Kommunikationsmodell der Mediation

Der Kognitionsprozess

Die zur Lösung führenden Gedanken lassen sich nicht einfach zurufen. Wo das möglich ist, genügt eine Moderation. In allen anderen Fällen müssen sich die Gedanken in den Köpfen der Parteien erst entlang des Weges entwickeln. Damit wird ein kognitiver Vorgang angesprochen. Er lässt sich auf die Einsichtsfähigkeit der Parteien ein. Dem kognitiven Ansatz wird entgegengehalten, dass viele Parteien emotional handeln, weshalb auch die Mediation emotionsbasiert sein müsse.18 Der Einwand verkennt, dass Emotionen durchaus ein Teil der Kognition sind. Die Areale des Gehirns, die das eine und das andere bewirken, sind eng miteinander vernetzt. Sie lassen sich kaum so scharf trennen, wie es die Logik gerne sähe. Ganz abgesehen davon, fallen Emotionen spätestens dann der Kognition zu, wenn darüber gesprochen wird, wenn sie bewusst gemacht werden und wenn versucht wird, ihre Botschaft zu verstehen.

Prämisse: Der Prozess muss sich auf die KOMPLEXITÄT der Verstehensvermittlung einlassen.
Konsequenz: Die Mediation ist ein mehrdimensionaler Prozess, der sich auf die Verstehensanforderungen einlassen kann.

Die Mediation ist ein Gedankengang

Das Gelingen des erkenntnisbasierten Suchprozesses hängt von vielen, ineinander verschachtelten Faktoren, Einflüssen und Rahmenbedingungen ab. Nur wenn es der Mediation gelingt, den außerordentlich komplexen Prozess der Verstehensvermittlung vollständig zu integrieren, kann sie erfolgreich sein. Die Mediation würde der Komplexität nicht gerecht werden, wenn sie, wie in der Legaldefinition, lediglich als ein strukturiertes Verfahren angesehen wird. Tatsächlich setzt sich die Verstehensvermittlung aus mehreren Strukturen zusammen.19 Sie ist auch weit mehr als nur eine nach Phasen geordnete Abfolge von Verfahrenshandlungen. Die Mediation wird treffender als ein Prozess beschrieben, der miteinander verbundene, aufeinander aufbauende und vernetzte Schritte zu einem inspirierenden Gedankengang zusammensetzt. Der mehrschichtige Prozess umfasst unter anderem die Aufnahme, Verarbeitung und Weitergabe von Informationen. Er muss sich damit auseinandersetzen, wie der Gedankengang zu gestalten ist und welche Zusammenhänge herzustellen sind, damit sich die Gewinnung von Erkenntnissen in den Köpfen der Parteien herstellt, ohne dass ihnen die Lösung vorgegeben wird. Die Mediation ist der Bauplan für den gedanklichen Prozess. Die Gedanken sind das Baumaterial.

 Merke:
Leitsatz 14213 - Die Mediation beschreibt einen in Etappen unterteilten Gedankengang, über den das Denken der Parteien in eine das Problem überwindende konstruktive Lösung führt.
Prämisse: Der gedankliche Weg setzt sich aus mehreren ETAPPEN zusammen.
Konsequenz: Die Mediation setzt sich aus verschiedenen gedanklichen Prozessen zusammen, die in den Phasen abgebildet werden.

Mehrere Etappen sind zurückzulegen

Die Mediation ist in der Lage, ganz unterschiedliche Denkweisen miteinander zu kombinieren. Sie kann selbst unkompatible Denkweisen, wie das psychologische und das juristische Denken, das logische und das dialektische Denken, das lineare und das assoziative Denken usw. in sich aufnehmen. Die Zusammenführung nicht kompatibler Denkweisen wird möglich, indem das Denken Prozessequenzen zugeordnet wird. Die Einteilung des Denkens bewirkt eine Etappenbildung. Die großen Etappen des gedanklichen Wegs der Mediation werden als Phasen bezeichnet. Sie bilden markante Abschnitte, wobei jeder Abschnitt eine unterschiedliche Herangehensweise mit einerunterschiedlichen Zielsetzungen verfolgt. Weil die Abschnitte eigenwillige Herangehensweisen ausbilden, werden ihnen dazu passende Methoden zugeordnet. Die Mediation ist demnach nicht, wie noch vor dem Erlass des Mediationsgesetzes mit nur einer Methode gleichzusetzen, sondern mit mehreren, je nachdem welcher logisch funktionaler Auftrag erfüllt werden soll.

Die Denkweisen der Mediation

 Merke:
Leitsatz 4112 - Die Mediation ist ein verstehensbasiertes Verfahren. Sie kann als ein gedanklicher Prozess verstanden werden, der mittels der Reflexion Erkenntnisse aufgreift, generiert und zusammenführt, sodass die Parteien einen Erkenntnisgewinn erzielen, der es ihnen erlaubt, die Lösung zu finden
Prämisse: Die Parteien müssen BEFÄHIGT werden, SELBST die Lösung zu finden.
Konsequenz: Die Mediation gestaltet den Gedankengang zur Lösung, indem sie Hindernisse aus dem Weg räumt, die dem Denken im Wege stehen.

Hindernisse sind zu überwinden

Der Ausgangspunkt des innovativen Prozesses findet sich in einem Menschenbild wieder, das Menschen grundsätzlich für fähig hält, Probleme selbst zu lösen. Zu Beginn der Mediation sind die Parteien dazu allerdings nicht in der Lage. Es gibt Hürden, die den Gedanken im Wege stehen. Sie werden im Wiki im Beitrag über die Lösungshindernisse zusammengestellt. Für den erfolgreichen Gedankengang kommt es darauf an, diese Hindernisse zu vermeiden oder zu überwinden. Wenn alle Hindernisse, die der Lösung im Wege stehen, aus dem Weg geräumt sind kann unterstellt werden, dass die Parteien wieder uneingeschränkt über ihre Fähigkeit zur eigenständigen Problemlösung verfügen.

Es kommt der Mediation entgegen, dass die Lösungshindernisse konkret zu benennen sind. Sie ergeben sich aus einer außerordentlich verwirrenden und irreführenden Komplexität, aus der Art und Weise des Denkens und der gedanlichen Ausrichtung, aus dem jeweiligen Fokus und dem Kontext, aus den Einflüssen des Konfliktes, den verhinderten Reflexionen, einer lösungsfixierten Strategie, aus Interaktionen, die mit Wahrnehmungs- und Kommunikationsfehlern einhergehen und Missverständnissen Tür und Tor öffnen, sowie aus sonstigen Einflüssen, die den Erkenntnisprozess der Parteien wie auch immer beeinflussen. Die Beseitigung der Hindernisse erfordert eine konzertierte Maßnahme, die sich in der konzeptuellen Gestaltung der Mediation wiederfindet. Sie wirkt sich im Zusammenspiel der Elemente aus. Ein Mediator, der die Mediation für sich arbeiten lässt, kennt das Zusammenspiel.

 Merke:
Leitsatz 16519 - Die Strategie der Mediation besteht darin, alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die die Parteien davon abhalten (können), die Lösung des Problems oder des Konfliktes selbst herbeizuführen.

Die Überwindung von Lösungshindernissen

Im Vordergrund stehen die systemischen und die kognitiven Hindernisse. Erst wenn sie überwunden sind, macht es Sinn, sich den eventuell verbliebenen sachlichen Herausforderungen zuzuwenden. Die Mediation greift die gedankliche Logik auf, indem sie sich den Sach- und Beweisfragen erst gegen Ende der vierten Phase nähert. Sie weiß, dass es wenig Sinn macht, sich den Problemen zuzuwenden, solange kognitive Hindernisse die Parteien davon abhalten, sie zu begreifen.

Prämisse: Die Mediation braucht eine innere Konsistenz.
Konsequenz: Es gibt mehrere Strukturen und selbstregulierende Faktoren.

Werkzeuge sichern die Konsistenz

Der von der kognitiven Mediationstheorie beschriebene Prozess der Mediation bietet ein umfassendes Konzept, um die Lösungshindernisse aus dem Weg zu räumen. Erst wenn die prozessualen Mechanismen versagen ist die Zeit gekommen, an Interventionen zu denken. Interventionen sind Eingriffe, die darauf abzielen, die Gedanken der Parteien in den Gedankengang der Mediation einzubinden. Wie alle Werkzeuge müssen sich die Interventionen in die hierarchische Strukur einordnen, die den mediativen Gedankengang verwirklicht und die in der Lage ist, die Konsistenz der Mediation zu gewährleisten. Was auf den ersten Blick wie ein Abhängigkeitsverhältnis aussieht, bewirkt in Wirklichkeit die Befreiung der Werkzeuge aus dem formalen Verfahrenskonzept. Die hierarchische Struktur bewirkt, dass sich die Techniken an den Methoden und die Methoden am Verfahren orientieren. Mit einer Landkarte verglichen wäre das Verfahren die Straße, die wegweisend auf einer Landkarte verzeichnet ist. Sie ergibt die Zielausrichtung und die Nutzungsbedingungen. Die Methoden der Mediation stellen das Know-how dar. Beachten Sie bitte, dass die Mediationstheorie von Methoden im Plural spricht. Weil die Mediation aus mehreren unterschiedlich abzuwickelnden Abschnitten und Etappen besteht, erfordert jede Etappe ein eigenes Hnow-how, um das Etappenziel zu erreichen. Die Techniken sind schließlich die Hilfsmittel, mit denen der Weg in seiner jeweiligen Etappe zurückzulegen ist.

Container

Wenn sich die Techniken an den Methoden und die Methoden am Verfahren ausrichten, wird sichergestellt, dass die Techniken zu den Methoden und die Methoden zu den Aufgaben passen, die im Verfahren zu erledigen sind. Weil es sich um Werkzeuge eines Erkenntnisprozesses handelt, trägt die Konsistenz dazu bei, die Mediation methodisch auch in anderen Verfahren, insbesondere auch als eine virtuelle Mediation für das eigene Qualitätsmanagement vorzuhalten.

Prämisse: Der prozessuale Weg ist nicht beliebig.
Konsequenz: Der Weg ist mit Grundsätzen gekennzeichnet, die eine Orientierung geben und zur Selbstregulierung beitragen.

Selbstregulierende Wegmarken sichern den Prozess

Es wird deutlich, dass es wenig Sinn macht, die Werkzeuge unbedacht und beliebig einzusetzen. Neben der Methodik sollen Benchmarks und Grundsätze eine Orientierung geben, um die korrekte Verwendung der Werkzeuge sicherzustellen. Die Mediationstheorie legt Wert darauf, die Grundsätze sind von den Eigenschaften zu unterscheiden. Gemessen an den Eigenschaften, die zur charakterklichen Unterscheidung der Verfahren heranzuziehen sind, fungieren die Prinzipien als Bedingungen, um die Eigenschaften zu verwirklichen. Durch die Bezugnahme auf die Eigenschaften werden konkrete Aussagen darüber möglich, ob ein Grundsatz disponibel ist und welche Bedeutung ihm zukommt. Damit sich die Metaebene selbst in einem streitigen Umfeld etablieren kann, isoliert sie sich von dem operativen Geschehen und bildet eine strategische Exklave. In dieser Exklave stellt die Mediation alles zur Verfügung, was nötig ist, damit sich das Verfahren selbst verwirklichen kann. Folgende Mechanismen der Selbstregulierung sind zu beachten:

  1. Das Prinzip der Freiwilligkeit führt dazu, dass die Parteien in einer Art und Weise verhandeln müssen, dass niemand die Mediation verlassen muss.
  2. Das Prinzip der Vertraulichkeit führt dazu, dass die Parteien ihre Gedanken fliegen lassen und dass Informationen nicht für einen Streit missbraucht werden.
  3. Das Prinzip der Indetermination verwirklicht ein spezifisches Kommunikationsmodell, mit dem die Metaebene geschützt wird.
  4. Die Erarbeitung der Lösungskriterien führt dazu, dass die Mediation den Qualitätsmaßstab für einen erfolgreichen Ausgang aus sich selbst heraus bestimmen kann,
Prämisse: Die Mediation muss ein Umdenken ermöglichen.
Konsequenz: Befreiung der Gedanken, um Lösungen zu erkennen, die außerhalb der Vorstellungswelt liegen.


Es macht wenig Sinn, Leistungen anzubieten, die andere Verfahren bereits liefern. Es macht auch keinen Sinn, identische Leistungen wie des Kaisers neue Kleider einfach mit einem neuen Namen zu belegen. Die kognitive Mediationstheorie geht davon aus, dass ein Prozess, der den Namen Mediation verdient, mehr liefern muss. Er muss anders sein, wenn er nicht den bereits eingetretenen Pfaden der Konfliktbeilegung hinterherlaufen will. Nur ein neuer Weg kann den Parteien einen echten Ausweg aus dem Konflikt anbieten. Der neue Weg führt in ein Umdenken. Ein Umdenken muss stattfinden, wenn die Mediation das von Paul Watzlawick herausgestellte mehr vom Selben - Phänomen verhindern will oder wenn sie vermeiden will, dass sich die Lösung nicht von dem Problem befreien kann und das Problem ein Teil der Lösung wird. Sie muss umdenken, wenn sie die Weisheit Albert Einsteins berücksichtigen will. Einstein sagte:

Das Denken, das in ein Problem hineinführt, kann nicht aus dem Problem herausführen.


Die Mediation formt diese Erkenntnisse in einen Gedankengang, der sich nicht nur mit der Komplexität der Menschen und der Geschehnisse auseinandersetzt, sondern auch eine Logik vorhält, mit denen die Gedanken tatsächlich und denknotwendigerweise aus dem Problem heraus in eine tragfähige Lösung hineingeführt werden.

Prämisse: Die Mediation beschreibt den zur Lösung führenden GEDANKENGANG.
Konsequenz: Wenn der Konflikt zu lösen ist, muss die Mediation ein Denken ermöglichen, das die Gedanken aus dem Problem heraus führt.

Die Entscheidung wird permutiert

Es klingt paradox, wenn Gedanken, die eine Lösung herbeiführen sollen, aufgefordert werden, nicht an die Lösung zu denken. Nur so lässt es sich jedoch verhindern, dass die Gedanken nicht in das Problem hineinführen, das eine Lösung erfordert. Die Paradoxie verwirklicht sich, indem die Mediation den gedanklichen Fokus verschiebt. Der Fokus wird nicht in das Problem oder in die Lösung gelenkt. Es wird stattdessen auf den noch hinter der Lösung liegenden Nutzen ausgerichtet. Wegen dieser Ausrichtung ist die Mediation nach der kognitiven Mediationsteheorie anders als die Mediation nach dem Harvard-Konzept nicht lösungs-, sondern nutzenorientiert. Die Fokusverschiebung bewirkt, dass der durch die Mediation gekennzeichnete Entscheidungsprozess rückwärts abgewickelt wird.

rückwärts

Der auf den Nutzen ausgerichtete Fokus erlaubt es den Parteien, eine Lösung zu finden, mit der alle zufrieden sind. Der mediative Entscheidungsprozess beschreibt präzise, welche Gedanken dazu erforderlich und wie sie auszurichten sind, damit sich die Parteien darauf einlassen können.

Der mediative Entscheidungsprozess

Prämisse: Die Parteien sollen den Weg GEMEINSAM gehen.
Konsequenz: Das Denken muss so ausgerichtet werden, dass der Gedankengang gemeinsam zurückzulegen ist.

Das Denken wird parallel ausgerichtet

Wenn sich die Gedanken nicht im Streit verlieren sollen, müssen sie aus der Konfrontation herausgeführt werden. Damit eine Kooperation innerhalb einer Konfrontation überhaupt möglich ist, wird die Mediation als ein eigenständiges Verfahren angelegt. Abhängig davon, wie stark die Konfrontation ausgeprägt ist, bedarf es einer formalstrategischen Ausgrenzung dieses Verfahrens. Das Ziel wird hinter das Problem gelegt. Es besteht darin, eine Lösung zu finden, die für alle nützlich ist. Mit dieser Zielsetzung wird die Mediation zu einem Suchspiel ausgeprägt, das die Kooperation automatisch nahelegt. .

box

Solange die Parteien auf ihre Positionen fokussiert sind, wird es ihnen nicht gelingen, den von der Mediation beschriebenen Gedankengang gemeinsam zurückzulegen. Ihre Gedanken sind noch immer konträr ausgerichtet. Sie folgen der Widerspüchlichkeit ihrer Positionen. Sie müssen deshalb im Verlauf des Verfahrens in ein paralleles Denken überführt werden. Aus diesem Grund werden die Positionen in einem Thema aufgelöst, das die gemeinsam zu klärende Frage offenbart. Der Fokus wird auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet, das in ein paralleles Denken hineinführt.

Zielsetzung Strategie

Prämisse: Die Etappen führen durch mehrere Gedankenwelten.
Konsequenz: Mit jeder Phase ändern sich die kognitiven Anforderungen.

Die Welt der Gedanken

Die Etappenbildung erlaubt es der Mediation, den Gedankengang in mehrere selbständige Abschnitte einzuteilen, um seine Linearität zu durchbrechen. Die Mediation führt die Gedanken in unterschiedliche Gedankenwelten hinein, aus denen sich ein in sich geschlossener Gedankenkreis ergibt. Eine entscheidende Rolle kommt der 2., 3. und 4. Phase zu. Die Gedanken werden zunächst in das Problem gelenkt, das die kaputte Welt beschreibt. In der 3. Phase werden die Gedanken in eine heile Welt geführt, also in eine Welt, die das Problem überwunden hat. Sie arbeitet die Nutzenkriterien heraus. Wenn der zu erwartende Nutzen geklärt ist, werden die Gedanken in die reale Welt zurückgeführt, wo die Parteien Lösungen entwickeln sollen, die den zuvor erarbeiteten Nutzenkriterien entsprechen.

Phasen

Die Vorgehensweise erinnert an die lösungsorientierte Kurztherapie. Es ist eine Therapie die ohne Diagnose auskommt und mit Hilfe der auch in der Mediation verwendeten Techniken wie der Wunderfrage oder dem Zauberstab den Patienten hilft, den gedanlichen Sprung über das Problem zu vollziehen. Die Mediation geht darüber hinaus, indem sie in der dritten Phase nicht nur die auf die Bedürfnisse zurückzuführenden Kriterien des Nutzens, sondern auch den Grad der Gemeinsamkeiten und die möglichen Sichtweisen herausarbeitet. Es ist, wenn man so will, die Phase des gedanklichen Prozesses, in der die Gedanken nicht nur von den Positionen, sondern auch von den Lösungen entkoppelt werden. Diese Befreiung erlaubt es ihnen, sich völlig neu und an den Bedürfnissen ausgerichtet zu entwickeln.

Die Phasen der Mediation im Einzelnen

Alles hat einen Sinn

Es bedarf einiger Schritte, um das Denken der Parteien in die parallele Richtung zu lenken. Wenn die Mediation diesen gedanklichen Prozess ermöglichen soll, ist sie alles andere als willkürlich. Nur indem sie einer internen Logik folgt, kann sie ihren Zweck verwirklichen. Die Logik des Prozesses muss die zu gewinnenden Erkenntnisse identifizieren und in einer aufeinander aufbauenden Abfolge beschreiben können. Die zugrunde liegende Logik wird als Logik der Mediation beschrieben. Sie wird durch die Koordination der Wegmarken, der Themenlogik, der Phasenkonsistenz, der Konfliktdynamik und der Suchlogik verwirklicht. Die Mediationslogik führt die unterschiedlichen Ansätze in einer noch näher zu beschreibenden Art und Weise zusammen. Sie steuert die Interaktionen (Wechselwirkung) und stimmt sie aufeinander ab.

Mediationslogik

Die vorgegebene Prämisse, dass die Lösung aus Erkenntnisgewinnen zu generieren ist, führt zu der Konsequenz, dass es einer, an einem Plan zu orientierenden Logik bedarf, die es erlaubt, die Gedanken in die von der Zielvorgabe der Lösungsfindung vorgegebene Richtung zu lenken. Aus dieser logischen Konsequenz ergeben sich weitere Prämissen, die sich mit der Frage auseinandersetzen, welche Erkenntnisse wie zu gewinnen sind, damit sich der Plan verwirklichen kann.


Erkenntnisbedarf

Erkenntnisse kommen nicht von ungefähr. Jede Erkenntnisgewinnung setzt einen Erkenntnisbedarf voraus. Wer glaubt, alles zu wissen, wird nicht nach der Weisheit suchen. Wer die Lösung kennt, wird nicht nach einer Lösung suchen. Wer nicht bereit ist, nach einer Lösung zu suchen, wird sich nicht auf den Weg der Suche begeben. Er wird sich der Mediation mental nicht öffnen können.

Die Möglichkeit, Erkenntnisse zu gewinnen, setzt ein Nachdenken voraus. Das Nachdenken wiederum wird duch Zweifel angeregt. Wer schon alles weiß, denkt nicht darüber nach. Wer sein Wissen in Frage stellt, denkt nach. Wenn die Mediation eine erkenntnisbasierte Suche nach der besten Lösung ist, muss sie die Parteien ans Nachdenken bringen. Sie muss den Erkenntnisbedarf aufdecken und die zu klärenden Fragen aufwerfen.

 Merke:
Leitsatz 4113 - Wenn die Parteien die Lösung finden sollen, brauchen SIE (also die Parteien) neue Erkenntnisse, die ihnen dazu verhelfen
Prämisse: Die Parteien müssen ERKENNEN, dass und welche Fragen wie zu klären sind.
Konsequenz: Die Mediation muss sich auf den ERKENNTNISBEDARF einlassen, indem alle zu klärenden Fragen aufgedeckt werden.


Oft ist der Erkenntnisbedarf den Parteien gar nicht bewusst. Es ist deshalb die Aufgabe der Mediation, Zweifel zu wecken, die ein Nachdenken nahelegen und die Verstehenslücken aufdecken. Der Erkenntnisbedarf erstreckt sich auf alle Ebenen der Mediation, also die Verfahrensebene und die Streitebene.

Auf der Verfahrensebene bedarf es der zur Suchbereitschaft führenden Erkenntnis, dass es keine oder keine gute Lösung gibt. Diese Erkenntnis ergibt das Motiv für die Duchführung der Mediation. Das Motiv zur Suche nach einer Lösung genügt allein noch nicht, um auch tatsächlich eine Lösung zu finden. Sie ist lediglich eine Erkenntnis, die den Weg in andere Erkenntnisse eröffnet. Die Parteien müssen auch erkennen, wie der Weg in die Lösung möglich ist, welche Fragen dafür zu klären sind, welchen Nutzen sie erwarten und wie die Nutzenerwartung in eine Lösung zu überführen ist. Erst die Summe der Erkenntnisgewinne erlaubt das gedankliche Konstrukt einer Mediation. Die Zusammenführung der Erkenntnisse findet sich in einem komplexen Verstehensprozess wieder, der sich aus verschiedenen Elementen zusammensetzt.

Erkenntnisbausteine

Der Mediator muss wissen, welche Erkenntnisse benötigt werden, ohne dass er die zur Lösung führenden Einsichten vorgibt. Die Mediation zeigt zwar, welche Erkenntnisgewinne dazu erforderlich sind. Sie liefert aber nicht die dazu erforderlichen Bausteine. Das sind die informationen. Ihre Qualifikation und die daraus folgende, korrekte Zuordnung der zu verarbeitenden Information liefert den Schlüssel zur Erkenntnis. Mithin entscheidet die in der Qualifikation verborgene Metainformation darüber, ob die Information zur Mediation gehört und wie sie in den Prozess einzubeziehen ist. Um den Schlüssel korrekt einzusetzen, sind die Informationen nach ihrem Gehalt und ihrer Zugehörigkeit zu gewichten. Eine Kategorisierung der Erkenntnisse hilft, die Informationen in der Erkenntnisstruktur anzuordnen.

 Merke:
Leitsatz 14214 - Der Gedankengang der Mediation ist darauf ausgerichtet, dass die Parteien das zur Lösung führende Verstehen und die sich daraus ergebenden Erkenntnisse gewinnen können.
Prämisse: Die Erkenntnisgewinne müssen zielführend sein.
Konsequenz: Grundlage der Mediatioin ist ein komplexer Verstehensprozess, aus dem heraus sich die am Nutzen orientierten Lösungen entwickeln.

Erkenntniskategorien

Die in der Mediation zu gewinnenden Erkenntnisse und die dafür zu erfassenden, verwertbaren Infromationen unterliegen keinem Zufallsprinzip. Um die Informationen in die Logik der Mediation einbeziehen zu können, bedarf es einer Zuordnung. Die Zuordnung entscheidet über den Rang und die Qualität der Information und stellt eine Beziehung zu dem jeweils zu erzielenden Erkenntnisgewinn her. Das zur Komplexität der Mediation passende Ordnungsprinzip wird erkennbar, wenn die Informationen kategorisiert werden.

Sowohl die methodische Herangehensweise, wie die sich aus der Kategorisierung ergebende Struktur, lassen sich am Besten aus der Metapher eines Puzzlespiels ableiten. Bei einem Puzzle geht es darum, Puzzlesteine so aneinanderzufügen, dass sich daraus ein Bild ergibt. Auch bei der Mediation werden Informationen aneinandergefügt, sodass sich daraus ein Bild, nämlich die Lösung ergibt. Es liegt also nahe, die Puzzlesteine als Synonym für die in der Mediation zu verwertenden Informationen anzusehen.

Anders als bei einem Puzzlespiel, sind die Informationen in der Mediation dem Puzzle noch gar nicht zugeordnet. Der Mediator erhält viele Informationen, wobei unterlassene Informationen auch einen Informationsgehalt haben. Die Metapher kommt der Mediation also am nächsten, wenn man sich einen Haufen ungeordneter Puzzlesteine vorstellt, die dem zu legenden Puzzle zunächst zuzuzordnen sind.

Der Vergleich mit einem Puzzlespiel lässt sich nur dann auf die Mediation beziehen, wenn man sich vorstellt, dass nicht nur ein, sondern zwei oder gar drei Puzzle zu legen sind. Das eine Puzzle betrifft das Verfahren. Das andere den Fall und das dritte die Rechtsanwendung. Jedes Puzzle hat unterschiedliche Steine (Informationen), die nur in das eine oder andere Puzzle passen.

Innerhalb des jeweiligen Puzzles können die Steine auch nicht beliebig aneinandergereiht werden. Sie haben unterschiedliche Bilder und unterschiedlich geformte Ränder, sodass nur bestimmte Puzzlesteine zueinander passen. Wenn die Steine korrekt zusammengelegt wurden ergibt sich das fertige Bild.

Die Metapher des Puzzlespiels 

Erkenntnislandkarte

Die Zuordnung der Steine zu einem Puzzle und ihre Positionierung innerhalb des jeweiligen Puzzles, knüpft auch insofern an die Puzzlemetapher an, als das mit den Puzzlesteinen zu legende Bild eine Vorlage besitzt. Anders als bei einem Puzzle kann die Vorlage der Mediation nicht vollständig sein. Denn im Gegensatz zu einem Puzzle ist das fertige Bild (also die zu zeichnende Lösung) nicht vorgegeben. Vorgegeben wird allerdings ein Plan, der die Erkenntniskategorien wie in einer Lankarte ausweist. Er gibt die Anordnung vor und zeigt, wo die Steine (also die Informationen) zu platzieren sind. Wenn das Ablegen der Informationen wie bei den Puzzlesetinen an der richtigen Stelle erfolgt, fügen sich Stein zu Stein zusammen, bis das fertige Bild erkennbar wird.

Erkenntnislandkarte

Die Erkenntnislandkarte ergibt die Positionen, an denen die Informationen jeweils abzulegen sind. Wie in einem Organigramm werden Strukturen, Hierarchien und Funktionen der zu erfassenden Informationen aufgedeckt:

Erkenntniskategorien der 1. Ordnung
Die Erkenntnisse der 1. Ordnung betreffen die grundlegende Frage, ob die Information eine Relavanz für die Mediation hat. Wenn die Information als zur Mediation gehörig eingestuft wird, erfolgt eine Zuordnung zu einer der Erkenntniskategorien der 2. Ordnung.
Erkenntniskategorien der 2. Ordnung
Auf dieser Ebene werden die Bearbeitungsebenen festgelegt. Die Informationen werden entweder dem Verfahren oder dem Fall zugeordnet. Fallbezogene Informationen führen in die Bearbeitung auf der Fallebene, verfahrensbezogene Informationen führen auf die Verfahrensebene. Die Unterscheidung fügt sich in die Systemik der Mediation ein, indem sie die Differenzierung zwischen dem Streitsystem und dem Mediationssystem aufgreift. Je nach Notwendigkeit erfolgt eine weitere Zuordnung zur Ebene der Rechtsanwendung. Es ist wichtig, die Ebenen stets auseinanderzuhalten. Denn jede Bearbeitungsebene hat ihre eigene Herangehensweise.
Erkenntniskategorien der 3. Ordnung
Auf dieser Ebene werden die Informationen Kategorien zugeordnet, die sich jeweils unterhalb einer Kategorie der 2. Ordnung befinden. Hier finden Sie die Kategorien, über die die Informationen verortet werden. Kategorien der 3. Ordnung sind:

Verfahrensebene

Die Erkenntniskategorien der Verfahrensebene erfassen alle Informationen, die das Verfahren selbst betreffen. Sie werden nach den Kategorien Rahmen, Argumente, Positionen, Themen, Motive und Lösungen unterschieden.

Fallebene

Die Erkenntniskategorien der Fallebene erfassen alle Informationen über den Fall, also das zu lösende Problem oder den zu lösenden Konflikt. Standardmäßig sind damit die Kategorie der Fakten, Meinungen und Emotionen angesprochen. Die Fallbezogenheit erlaubt und erwartet gegebenenfalls, weitere Kategorien zu bilden. Bei einem Beziehungskonflikt wäre die Beziehungsebene eine mögliche Kategorie, bei einem Wertekonflikt ist eine die Wertigkeit betreffende Kategorie zu bilden.

Rechtsebene

Auf der Ebene der fallbezogenen Rechtsanwendung werden alle Informationen erfasst, die den Kategorien Sachverhalt und Rechtsfolgen zuzuordnen sind.

Erkenntnisweg

Die Erkenntnislandkarte weist nicht nur die in eine Struktur eingebundene Position der dort abzulegenden Information aus. Aus ihr lassen sich auch Beziehungen und Verbindungen herleiten, die die Informationen wie Atome zu einem Molekül zusammenführen und die Moleküle miteinander vernetzen. In einer Detailansicht wird deutlich, dass jede Erkenntniskategorie wiederum Elemente besitzt, die innerhalb einer Kategorie logisch zu verknüpfen sind.

Dimensionen

Die Elemente lassen sich als Ausgangserkenntnis, Erkenntnisbedarf und Erkenntnisgewinn beschreiben.

Beispiel 11616 - Die Kategorie Rahmen der dritten Ordnung unter der Verfahrensebene erwartet eine Zielvereinbarung. Die Zielvereinbarung muss lauten, eine Lösung suchen zu wollen. Die Notwendigkeit zur Lösungssuche ist somit ein Erkenntnisgewinn. Die Voraussetzung für den Erkenntnisgewinn ist die Ausgangserkenntnis, dass es keine oder zumindest keine gute Lösung gibt, sodass nach einer Lösung zu suchen ist. Der Erkenntnisbedarf beschreibt, was die Partei verstehen muss, um den Erkenntnisgewinn zu erlangen.


Ähnlich dem vorgenannten Beispiel lässt sich für fast jede der in der Erkenntnislandschaft aufgezeichneten Erkenntniskategorien eine Erkenntnisrelation erstellen. Die Erkenntniskategorie Themen beispielsweise beschreibt die Relation zwischen Sachverhalt und der Benennung des zu lösenden Problems als Erkenntnisgewinn. Die Erkenntniskategorie Dimensionen beschreibt die Relation zwischen der zu bewältigenden Komplexität und der daraus abzuleitenden Alt-Bearbeitungstiefe als Erkenntnisgewinn. Die Erkenntniskategorie Interessen beschreibt die Relation zwischen Motiven und Lösungskriterien als Erkenntnisgewinn.

Wenn die Partei dem Gegner ein Angebot für eine einvernehmliche Lösung unterbreiten soll20 , müssen die Erkenntnisse in eine logische Folge gebracht werden, die dieser Aufgabenstellung gerecht wird. Deshalb stehen die Informationen nicht nur innerhalb der Erkenntniskategorien in der logischen Verknüpfung von Ausgansgerkenntnis, Erkenntnisbedarf und Erkenntnisgewinn. Die
Erkenntniskategorien bilden selbst Informationseinheiten, die in einem logischen Zusammenhgang stehen. Auf diese Weise verknüpfen sich die Informationen über die Erkenntniskategorien hinaus miteinander.

Das logische Zusammenspiel der Erkenntniskategorien ergibt sich auf der Verfahrensebene aus dem Zusammenhang der Phasen, der in der Phasenkonsistenz beschrieben wird. Die Phasen finden sich in den Erkenntniskategorien Rahmen, Themen, Motive und Lösungen wieder. Die Einigung wäre in dieser Logik die Umsetzung der gefundenen Lösung. Der logische Zusammenhang der Kategorien Argumente, Positionen und Themen, wird in der Themenlogik aufgedeckt. Auf der Fallebene beschreibt die Konfliktdynamik die Zusammenhänge der Erkenntniskategorien. Der Gesamtzusammenhang ergibt sich aus der Mediationslogik.

Mediationslogik 

Die Erkenntnisgewinnung

Die Wegbeschreibung alleine ist noch keine Garantie dafür, dass die zur Begehung des Weges erforderlichen Erkenntnisse auch tatsächlich gewonnen werden. Deshalb bietet die Mediation noch weitere Unterstützungen an, um die Erkenntnisgewinnung zu ermöglichen.

Erkenntnisflow

Mit der Zusammenführung der Informationen in Erkenntniskategorien und mit der Zusammenführung dieser Kategorien stellen sich die Verbindungen zwischen den Informationen wie von selbst her. Die Ebenen werden deutlich, die Informationen werden gewichtet und können deshalb miteinander verglichen und in Bezug gesetzt werden.

Beispiel 11617 - Ein Argument wird beispielsweise einem Thema zugeordnet und kann kein Eigenleben entfalten. Die Lösung wird den Motiven (Interessen) zugeordnet, weshalb sie einen Maßstab bekommt, an dem sie zu messen ist usw.


Je mehr Informationen an der richtigen Stelle eingefügt werden, desto besser werden die zu den Lösungen führenden Gedanken erkennbar. Wieder bietet sich der Vergleich mit einem Puzzle an. Auch bei einem Puzzle wird das fertige Bild umso deutlicher, je mehr Steine an die richtige Stelle gelegt wurden. Erkennbar wird auch, welche Teile noch fehlen, um das Bild zu vervollständigen.

Was mit dem Bild geschieht, geschieht auch mit den Gedanken der Parteien. Gedanken und Informationen sind miteinander verknüpft. Die Kategorisierung hilft, die Gedanken zu ordnen. Deshalb ist es der Mediation möglich auch für komplexe Verfahren und Fragestellungen Lösungen zu finden. Die Verknüpfung der Informationen erzeugt einen Flow, der die Parteien davon befreit, künstliche Argumentationsketten aufzubauen. Die Mediation wirkt aus sich selbst heraus. Wenn diese These als eine weitere Prämisse angesehen wird, ist die Rolle des Mediators eine Konsequenz. Seine Aufgabe besteht nicht darin, Informationen zu verarbeiten. Vielmehr ist ein Auftrag, den Erkenntnisprozess der Mediation zu ermöglichen, also die Mediation zur Wirkung zu bringen.

 Merke:
Leitsatz 4114 - Der Mediator, oder besser gesagt: die Mediation, leisten Erkenntnishilfe, indem die Gedanken wie Bausteine einer auf den anderen aufgesetzt werden. Verschiedene, selbst inkompatible Denkperspektiven werden möglich, indem sie in eine sequentielle Folge gebracht werden.

Gedankengang

Um diesen Auftrag zu erledigen, muss der Mediator nicht nur die Mediation im Kern begriffen haben. Er muss auch wissen, wie die im Streit befindlichen Parteien aus ihrer Kontroverse heraus und gegebenenfalls entgegen ihrer Wahrnehmung und Emotionen Gedanken entwickeln können, die es ihnen erlauben, sich in dem aus der Mediation entstehenden Flow zu bewegen. Er muss wissen, wie Gedanken entstehen, korrigiert werden, und wie sie geöffnet werden können, damit sich die passende Lösung finden lässt. Der Erkenntnisprozess der Mediation unterstützt den Gedankengang mit folgenden Vorgaben:

  1. Die strategische Ausrichtung ist eine Lösungssuche. Gedanklich wird die Partei vom Denken an die Lösung weggeführt.
  2. Die Suchstrategie legt eine Kooperation nahe und führt in ein paralleles Denken
  3. Die Kontroverse wird lediglich festgestellt. Argumente, die die Gedanken im Problem festhalten, erübrigen sich spätestens mit Beginn der 3.Phase.
  4. Der Kontext geht nicht aus den Augen verloren, indem jede Erkenntniskategorie an Ziel und Thema (statt Position) ausgerichtet wird.
  5. Die Interessen (Motive) werden in den Vordergrund gestellt, sodass sich die Gedanken in eine konfliktfreie Welt führen lassen. Es wird nicht gefragt, was schief gelaufen ist, sondern was besser sein soll. Hier gibt es Parallelen zur Lösungsorientierten Kurztherapie
  6. Die sich aus der Zeilsetzung ergebende Zukunftsorientierung stellt den Nutzen in den Vordergrund, nicht das Problem
  7. Die Gedanken werden durch die Phasenabgrenzung aktiv unterbrochen. Das Denken an Positionen und Lösungen wird vom Denken an Interessen abgegrenzt.
  8. Die Phasen sind mit unterschiedlichen Aufträgen an den Mediator und die Medianden verbunden. Jede Phase passt sich dem notwendigen Erkenntnisbedarf an. In der Kreativphase (4.Phase) beispielsweise wird der Prozess beschleunigt. In der Reflexionsphase (3.Phase) wird er verlangsamt, weil das Eine ein Nachdenken erfordert, das Andere ein Nachdenken verhindern will.
  9. Die Abtrennung des Denkens an Lösungen verhindert eine gedankliche Fokussierung, woduch sich der Lösungsrahmen erweitert.
  10. Die Verhandlungen werden auf eine Ebene geführt, wo es Gemeinsamkeiten gibt.
  11. Die Mediation etabliert eine durch den Mediator ständig verfügbare Metaebene, die Argumente in Reflexionen überführt, statt in Gegenargumente.
  12. Der Mediator repräsentiert die Metaebene und ist nicht operativ in den Streit eingebunden.
  13. Die Position außerhalb des Streitsysteme erlaubt die Spiegelung des Streites.und unterstützt die Einsichtsfähigkeit
  14. Weil die Mediation eine Verstehensvermittlung ist, gibt sie keinen Anlass zum Streit. Sie gibt nur Anlass zum Verstehen.

Metaebene

Eine wichtige Bedingung, dass sich Gedanken entwickeln können, ist das Vorhalten einer Metaebene. Die Metaebene ist die Reflexionsebene. Von hier aus ist es möglich, den Parteien ihr Denken und Handeln bewusst zu machen und zu hinterfragen. Systemisch betrachtet begünstigt die Mediation die Abgrenzung zwischen der operativen Ebene und der Metaebene. Um dies deutlich zu machen werden die Ebenen zwischen den Mediationssystemen und dem Strahlsystem unterschieden. Die Mediation bewegt sich außerhalb des Streitsystems, weshalb auch der Mediator außerhalb des Streitsystems steht. Durch den Grundsatz der Indetermination wird er von der operativen Ebene (also dem Entscheidungsprozess) distanziert.

Die Metaebene ist völlig wertfrei und hat den Blick auf alles, auch auf das was nicht sichtbar ist. Die Metaebene meldet zurück was sichtbar wird und überlässt die Bewertung den Akteuren in einer Weise, dass sie reflektiert und überprüft werden können.

Verstehen

Im Mittelpunkt des Verfahrens steht das wechselseitige Verstehen damit sich der Verstehensprozess verwirklichen kann, bedarf es einer Synchronisation der Wahrnehmung, der Kommunikation und der Gedanken. Methodisch wird der Verstehensprozess auf den Erkenntnisprozess ausgerichtet und am Besten mit der Technik präzisen Zuhörens verwirklicht. Diese Technik bezieht das Dimensionieren ein, wodurch die Zuordnung der Informationen zu den Erkenntniskategorien, mithin die Verwirklichung des Flows möglich wird.

Verstand

Weil die Mediation mit Gedanken arbeitet ist das einzige Werkzeug, das für ihr Gelingen erforderlich ist, der Verstand. Man sollte denken, dass der Verstand stets verfügbar und eingeschaltet ist. Bedenkt man allerdings, dass der Mensch mehrere Intelligenzzentren hat, wird deutlich, dass der Verstand nicht die größte und wichtigste Rolle spielt, wenn es darum geht Entscheidungen zu treffen. Es gibt viele Einflüsse, die die Verstandesleistung steuern und Einfluss auf die Gedanken nehmen. Besonders im Konflikt geschieht es häufig, dass die Emotionen im Vordergrund stehen. Bei hoch eskalierten Konflikten schaffen sie es sogar, den Verstand in den Hintergrund zu bringen. Es muss mit Ausgangsbedingungen gerechnet werden, die es Parteien schwer machen, die zur Lösung führen Gedanken zuzulassen.

In solchen Fällen ist der Mediator gefragt. Er muss versuchen, die Hindernisse zu erkennen und überlegen, was erforderlich ist, damit sich der Erkenntnisprozess der Mediation in den Köpfen der Parteien verwirklichen lässt bei dieser Arbeit stehen ihm Interventionen zur Seite.

Interventionen 

Die Mediation als Matrix

Wenn die Mediation als ein Gedankengebäude verstanden wird, das die Parteien gemeinsam zu errichten haben, können die Puzzlesteine in Bausteine umgedeutet werden.

Funktionseinheiten

Unter Zugrundelegung der Theorie der vermittelnden Erkenntnis lassen sie sich genau identifizieren. Die Bausteine des Erkenntnisprozesses lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  1. Das Fundament wird aus der Systemik gebildet
  2. Das Baumaterial sind die Gedanken
  3. Die Bausteine sind die Erkenntniskategorien
  4. Der Mörtel ist die Mediationslogik
  5. Der Bauplan ist die Erkenntnislandkarte

Die Metapher zeigt, dass alles Erforderliche vorhanden ist, um ein Gedankengebäude zu errichten. Weil die Baumaterialien aber nicht nur statisch, sondern in einer Art und Weise verwendet werden, dass sich ihre Dynamik entfalten kann, werden die Bausteine der Mediation auch als funktionaleEinheiten bezeichnet.

Matrix

Die Architektur dieses Gedankengebäudes führt in eine Matrix. Sie erfasst alle Elemente und steuert ihr Zusammenspiel. Die Matrix weist alle Eckdaten nach, über die sich der interaktive Prozess der Mediation zuverlässig steuern lässt.

Das Wissen über die Funktionalität erlaubt auch ein Qualitätsmanagement. In der Metapher der Errichtung eines Gedankengebäudes wäre das Qualitätsmanagement mit der Bauaufsicht zu vergleichen. Benchmarks überwachen, dass alle zur Verwirklichung des Erkenntnisprozesses erforderlichen Daten und Operationen zum Einsatz kommen. Hier eine Übersicht:

Die Bausteine der Mediation haben nicht nur eine statische, sondern auch eine funktionale Bedeutung. Deshalb werden einige Elemente als sogenannte funktionale Einheiten oder functional Units zusammengefasst. Sie stellen die Schlüsselelemente der Mediation heraus, anhand derer sich die Zusammenhänge innerhalb der Mediation erklären lassen. Es handelt sich um diejenigen Elemente, die in ihrem Zusammenpiel, wie beim Zusammentreffen chemischer Elemente, eine dynamische Wirkung entfalten. Das Zusammenspiel ergibt sich aus der Mediationslogik. Im Grunde steht jedes Element mit jedem in einem Zusammenhang, sodass kein (oder kaum ein) Element hinweggelassen werden kann, ohne dass die Mediation darunter leidet. Ausgangspunkt, um die functional Units herauszuarbeiten, sind die grundlegenden Elemente:

funktionale Einheitenbox

  1. Ziel: Die Zielfestlegung ist zunächst lediglich darauf gerichtet, eine Lösung zu finden, die den maximalen Nutzen verspricht.
  2. Rahmen: Aus der Zielfestlegung ergibt sich der Weg. Weil es um die Suche geht, ist die Kooperation die naheliegende Strategie.
  3. Konflikt: Der Konflikt bildet den Bezug. Er muss sich also in den Themen wiederfinden und in dem Mediationmodell, das die dazu erforderliche Bearbeitungstiefe festsetzt.
  4. Verstehen: Die Klärung des Konfliktes und der zur Beseitgung erforderlichen Anforderungen steht im Mittelpunkt.
  5. Lösung: Das Ziel ict erreicht, wenn eine den Anforderungen entsprechende Lösung gefunden wurde.

Die funktionalen Einheiten erfassen die Bausteine, die in ihrer Interaktion für das Funktionieren der Mediation verantwortlich sind. Sie beschreiben die Funktion der Bausteine und stellen Verbindungen zwischen den Navigations- oder Montagepunkten her, indem sie den inneren Zusammenhang des Mediierens oder dessen beschreiben, was eine Mediation ausmacht. Die Montagepunkte, zwischen denen sich funktionale Beziehungen herstellen lassen, sind:

Navigationspunkt Verknüpfung Erkenntnis
Zielabstimmung 1.Phase Es gibt keine verwertbare Lösung. Eine Suche ist erforderlich
Rahmen 1.Phase Errichtung der Metaebene. Gedankenfreiheit (Offenheit) wird ermöglicht. Kontrollfähigkeit wird eingerichtet (Freiwilligkeit). Der Weg wird markiert (Prinzipien).
Streit 2.Phase Widerspruch wird akzeptiert. Parteien stellen sich der kognitiven Dissonanz, Streitbekenntnis. Das Thema neutralisiert die Positionen und wandelt sie in eine Frage um.
Themen 2.Phase Was zu regeln ist, damit der Konflikt beigelegt werden kann.
Fokus 1.Phase, 3.Phase Wird auf die Nutzenerwartung gesetzt
Dimension 1.Phase, 3.Phase, Kontinuum, Mediationsmodell Welche Dimensionen des Streitkontinuums und der Komplexität sind zu erfassen, damit eine ganzheitliche Lösung möglich wird
Reichweite Konfliktkongruenz Wie weit reicht der Konflikt?
Nutzen 3.Phase Orientiert am Nutzen werden die Kriterien für die Lösung erarbeitet.
Verstehen alle Phasen Es wird ein Gedankengang produziert, der alle Lösungshindernisse aus dem Weg räumt. Die Gedanken der Parteien können sich ungehindert in eine Lösung entwickeln.

Bedeutung für die Mediation

Die Kognitionstheorie schließt den Kreis der fragmentalen Mediationstheorien, indem sie den Zusammenhang der zu durchlaufenden Erkenntnisschritte ausweist. Die Abstraktion erlaubt einen Blick auf das Ganze (ganzheitliche Mediation) und kann sogar die Klammer unter die unterschiedlichsten Varianten der Mediation herstellen.

Die kognitive Mediationstheorie ist eine Theorie der vermittelnden Erkenntnis. Ihre Anwendung erlaubt eine bessere Identifikation der Mediation und eine klare Abgrenzung. Sie verbessert die Qualität in der Mediation, erlaubt ihre Standardisierung durch Benchmarks und erweitert zugleich den Mediationsradius und mithin die Möglichkeit der Nachfrage.

Hinweise und Fußnoten

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Bearbeitungsstand: 2024-07-08 20:06 / Version 316.

Aliase: kognitionsbasierte Mediationstheorie, kognitive Mediationstheorie, Erkenntnis, Erkenntnisprozess, Kognitionsprozess, Erkenntniskategorien
Diskussion (Forum): Der wissenschaftlicher Diskurs ist erwünscht im Forscherforum zum Beitrag Mediation als Erkenntnisprozess
Literaturempfehlung: Buch: Mediation visionär, Artikel Die kognitive Mediationstheorie
Siehe auch: Verstehen, Mediationsradius, Wegmarken, Phasenkonsistenz, Themenlogik, Konfliktdynamik, Mediationslogik, Erkenntnislogik, Informationsmanagement, Mediation ein Weg der Erkenntnis
Bearbeitungshinweis: Textvollendung erforderlich, termínologische Abgleichung, Zitate und Verlinkung


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Seite zuletzt geändert am Montag Juli 8, 2024 21:35:40 CEST.

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