Fragen sind mit Vorsicht zu genießen
Wissensmanagement » Diese Seite gehört zum 5. Buchabschnitt Methodik der Mediation des Fachbuchs Mediation in der Wiki-Abteilung Wissen. Sie befinden sich auf der Unterseite der Rubrik Vermitteln, dem das Thema Kommunikation zugeordnet ist.
Kommunikation Zuhören Fragen Gemeinsamkeiten Loopen Fragetechniken
Worum es geht: Wieso, weshalb, warum ... Wer nicht fragt bleibt dumm!
So lautet der Kindervers. Bleibt der Mediator dumm, wenn er keine Fragen stellt? Muss er dumm sein, um Fragen stellen zu können?
Manchmal wird zu viel gefragt, manchmal zu wenig. Beides ist nicht hilfreich in der Mediation. Es scheint wirklich eine Kunst zu sein, im richtigen Moment die richtige Frage zu stellen. Die Kunst ist erlernbar.
Wer zu viel fragt, der nervt. Hört er auch zu?
Inhalt Themen Zurück WeiterlesenEinführung und Inhalt: Die Voraussetzung, nicht dummm zu bleiben ist, dass sich ein Mediator überhaupt traut, die richtigen Fragen zu stellen. Nicht immer sind es angenehme Fragen. Die Fragen gehen auf den Konflikt ein. Sie haben deshalb immer auch eine persönliche Note. In jedem Fall sollte der Mediator die Möglichkeit zur Befragung sehr behutsam einsetzen. Vorsicht ist schon deshalb geboten, weil es in der Mediation nicht darum geht, den Fragensteller, also den Mediator schlau zu machen. Wozu auch? Er muss ja keine Entscheidung treffen. Weshalb fragt er dann? Vorsicht ist auch deshalb geboten, weil an der Art und Weise, wie der Mediator Fragen stellt, oft erkennbar wird, wie und woran er denkt. Besonders die inquisitorischen Fragen legen die Denkrichtung offen und sind nur selten zielführend. Die Fragen müssen sich deshalb auf den Gedankengang der Mediation einlassen.
Der Zweck
Es würde keinen Sinn machen, Fragen um des Fragens willen zu stellen. Die Fragen verfolgen keinen Selbstzweck. Auch sind sie nicht dazu da, die Kompetenz des Mediators herauszustellen oder den Parteien ihre Unwissenheit vor Augen zu führen. Es geht auch nicht darum, einen Sachverhalt aufzuklären, soweit die Klärung nicht relevant für die Lösung ist. Die Fragen stellen keine Grundlage für eine Entscheidung des Mediators dar.
Wenn es das oberste Ziel des Mediators ist, die Mediation zu verwirklichen, sind die Fragen sein Hilfsmittel, dieses Ziel zu erreichen, nicht mehr und nicht weniger. Der Zweck zur Befragung ist es also, den Prozess der Verstehensvermittlung zu verwirklichen. Mithin zielen die Fragen auf ein Verstehen ab, das aus Erkenntnissen entsteht. Mit diesem Verständnis von Mediation wird der Zweck der Frage auf die Erkenntnisgewinnung gelenkt. Die Parteien sollen selbst die Lösung finden. Also zielen die Fragen durchaus auch darauf ab, alle Zweifel aufzudecken, die zum Nachdenken anregen. Der Grundsatz lautet:
Fragegegenstand
Der Gegenstand für mögliche Fragen ergibt sich aus dem Verfahren einerseits und dem Fall andererseits. Die auf das Verfahren bezogenen Fragen beziehen sich auf die im Verfahren zu treffenden Entscheidungen. Die auf den Fall bezogenen Fragen beziehen sich auf das in Phase zwei festgelegte Thema, das jeweils einen Konflikt repräsentiert und die dafür zu findende Lösung. Alle Fragen müssen vom Auftrag des Mediators gedeckt sein und mit dem Wesen der Mediation im Einklang stehen.
Fragerecht
Die Berechtigung, Fragen zu stellen, leitet der Mediator aus seinem Auftrag ab. Er kann davon ausgehen, dass er mit der vereinbarten Mediation von den Parteien die Erlaubnis bekommen hat, darauf bezogene Fragen zu stellen. Solange die Parteien das Gefühl haben, dass die Frage diesen Zweck verfolgt beantworten sie selbst auch intime Fragen.
Frageanlass
Fragen sollten zurückhaltend eingesetzt werden. Warum auch sollte der Mediator Fragen stellen, wenn die Partei aus eigenem Antrieb bereit ist, Auskünfte zu geben? Ihre Auskünfte haben stets Vorrang, denn sie offenbaren den Gedankengang und sie Assoziationswelt der Parteien. Jede Frage würde von diesem Gedankenweg ablenken. Der Anlass für Fragen ergibt sich zunächst aus dem Verfahrensablauf und den Erfordernissen der jeweiligen Phase. Dann ergibt er sich aus dem Gesprächsverlauf und dem zur Phase passenden Verstehensbedarf. Er ergibt sich nicht (primär) aus dem Sachverhalt. Der Gesprächsverlauf wird über die Paraphrasen abgebildet. Sie führen mit der Technik des präzisen Zuhörens zu einer Synchronisation der Gedanken, sodass die Frage auf einem abgestimmten Gedanken aufsetzen kann. Der Grundsatz lautet:
Fragezeitpunkt
Es ist außerordentlich wichtig, den Kairos, also den richtigen Moment für eine Frage zu nutzen.
Dieselbe Frage kann im falschen Moment ihre Wirkung vollkommen verfehlen. Im richtigen Moment führt sie zum Erfolg. Fragen steuern Gedanken. Wenn sie sich in den Gedankenfluss einbeziehen, klingen sie für den Befragten stimmig. Passen sie sich nicht dem Gedankenfluss an, wirken sie irritierend. Der richtige Zeitpunkt wird in der Mediation als das Window of Opportunity bezeichnet. Wann der richtige Moment eintrifft, ergibt der Mediationslogik. Wenn sich die Fragen an die Phasenkonsistenz anpassen, fügen sie sich automatisch korrekt in den Gedankengang der Mediation ein.
Die Fragearten
Es gibt unterschiedliche Arten und Stile, wann und wie Fragen anzubringen sind. Grundsätzlich sind stets offene Fragen zu bevorzugen, weil sie die Bedeutungshoheit bei den Parteien belassen. Die folgende Unterscheidung mag bei der Auswahl von Fragen behilflich sein:
Die Auch-Wenn Frage ist eine Fragetechnik. Sie zielt darauf ab, Alternativen und Ressourcen zu erkennen. Die Frageformel passt in das Format der Mäeutik, des Reframing, der zirkulären Fragen und der Reflexionsfragen. Ihr Ziel besteht darin, Erkenntnisse zu ermöglichen, Ressourcen aufzudecken und einen Sichtwechsel einzuleiten.
Methode: Kognition. Die Gedanken werden von der Position weggeführt und auf Alternativen gelenkt.
Beispiel: Auch-Wenn-Frage
Die Ausnahmefragen werden auch Die Ausnahmensuchenfragen genannt. Es handelt sich um eine offene Frage, die darauf abzielt, positive Momente oder Ausnahmesituationen in Bezug auf das Problem oder die Herausforderung zu identifizieren.
Ziel Die Fragetechnik zielt darauf ab, Ressourcen und Fähigkeiten hervorzurufen, die bereits im System vorhanden sind..
Methode: Kognition. Die Gedanken werden auf die im Problem verborgenen Chancen gelenkt.
Beispiel: Ausnahmesuchenfrage
Fragen nach und zur Bewältigung von Problemen. Coping heißt "bewältigen".
Methode: Erfolgserfahrungen werden abgefragt
Ziel: Stärkung der Person (und ihrer Fähigkeit an der Mediation mitzuwirken und sich dem Problem zu stellen)
Beispiel: Coping
Direkte Fragen sind Fragen mit klarer Zielrichtung. Sie werden auch geschlossenen Fragen genannt, weil sie den Antwortraum einschränken. Dies ist in der Mediation v.a. dann sinnvoll, wenn es um die Sammlung von Informationen und um einen schnellen Überblick geht. Darüber hinaus (besonders in Phase 3) sind geschlossene Fragen zu vermeiden.
Methode: W-Fragen (wann, was, wo, wer, wie?) oder Entscheidungsfragen oder auch rhetorische Fragen, die nur mit Ja/Nein zu beantworten sind
Ziel: Direkter rascher, gezielter Informationsgewinn; Informationsfluss fördern; Rückgewinnung verloren gegangener Informationen; Verdeutlichung bestimmter Punkte (aufklärende Absicht)
Hypothetische Fragen sind so genannte „Was wäre wenn – Fragen“.
Methode: Veränderungen versuchsweise vorwegnehmen
Ziel:Es geht darum, Blockaden aufzulösen; Rahmenbedingungen, Details oder zusätzliche Veränderungen abfragen (forschende Absicht)
Voraussetzung:Diese Fragetechnik kommt verstärkt in der Konfliktlösungsphase des Verfahrens zur Anwendung. Sie setzt ein ausreichendes Vertrauen voraus, das die Partei ermutigt mal drauf los zu planen.
Beispiel: Wunderfrage.
Mit diesen Fragen wird der Arbeitsauftrag, den die Phasen dem Mediator geben, an die Parteien weitergeleitet.
Beispiel: Initialisierungsfrage
Imaginationsfragen sollen die Vorstellungskraft anregen und Menschen dazu bringen, sich bestimmte Situationen, Bilder oder Szenarien vorzustellen. Sie stimmulieren und zielen darauf ab, kreative Ideen oder Lösungsansätze zu fördern.
Beispiel: Imaginationen
Gezielte Sachverhaltsabfragen mit ausforschendem Hintergrund. Der Mediatoir steigt in die Geschichte ein und wilkl sie zu Ende schreiben oder den Sachverhalt aufklären. Sie sollten in der Mediation vermieden werden.
Das sind die naiven, kindlichen Fragen. Sie haben oft eine große Wirkung. Zunächst irritieren sie die Parteien: "Sie stellen aber auch Fragen". Dann aber wird Ihnen bewusst, dass sie darüber noch nie nachgedacht haben. "Aber ja, da muss ich einmal drüber nachdenken. Darüber muss ich schlafen", ist eine häufige Reaktion.
Ziel: Erkenntnisgewinnung, Glaubensätze hinterfragen
Beispiel: Kindfragen
Offene Fragen sind Fragen, die eine freie Gestaltung der Antwort erwarten. Sie sind in der Mediation deshalb willkommen, weil sie den Gesprächspartner ermutigen, sich zu offenbaren. Je mehr Assoziationen ins Gespräch kommen, umso mehr Anhaltspunkte ergeben sich für eine Synchronisation.
Methode: Die Frage wird so gestellt, dass der Befragte völlig offen ist in seiner Antwort.
Ziel:Der Mediator verfolgt eine aufschließende, ermutigende und kontaktfördernde Absicht.
Voraussetzung:Offene Fragetechniken sind immer möglich, also in jeder Lage des Verfahrens. Sie können zeitaufwändig sein, weil der Befragte eben offen ist in seinen Antworten und sich vom Thema ent-fernen kann.
Problemfragen sollen helfen, ein Bewusstsein über das eigene Problemverhalten zu verschaffen. Sie verdeutlichen den eigenen Beitrag bei der Problemlösung.
Methode: Die Frage passt zur 3.Phase und unterstützt die Windows 1 Technik. Sie bildet den Kontrast zur Problemlösung, also die Aufrechterhaltung des Problems, um die Problemlösungsmöglichkeiten zu erkennen.
Beispiel:"Was müssen Sie tun, um das Problem zu verstärken?"
Die Mediatoren sollen den Medianden dabei unterstützen, Klarheit darüber zu erhalten, was ihr Problem ist, wo ihre Interessen liegen usw. Dazu benötigen sie eine Reflexionsebene. Viele schreiben, um klarer denken zu können, andere müssen darüber reden.
Methode: Die Reflexion über bisherige Wahrnehmungen soll ermöglicht werden. Die Reflexion hilft, um sich aus einer Betrachtungsweise zu befreien.
Ziel:Aufmerksamkeit auf bestimmte Themen oder Fragen lenken bzw. deren Vertiefung (fördernde Absicht)
Voraussetzung:Reflexive Fragen sind in allen Phasen des Verfahrens anwendbar.
Beispiel: Mäeutik, Kindfragen, Problemfragen
Diese Frage Technik wird als Mäeutik oder sokratische Fragetechnik beschrieben. Sokrates sagte: "Du kannst mich überzeugen, aber ich mache es Dir sehr schwer". Das ist die Haltung hinter der Frage.
Methode: Die Gedanken werden in keinen Schritten hinterfragt oder weitergeführt (zu Ende gedacht)
Ziel:Es geht um den Erkenntnisgewinn, die Stimmigkeit und die Kleinschrittigkeit
Voraussetzung:Sie ist in jeder Lage des Verfahrens anwendbar, vorzugsweise in der 3.Phase
Beispiel: Mäeutik
Diese Fragen können sowohl offen wie auch geschlossen sein. Sie verdienen ihren Namen von der strategischen Ausrichtung und dem Fragezweck. Strategische Fragen können ein Bestandteil der Metakommunikation sein.
Methode: Die Fragetechnik soll problematische Annahmen oder Verhaltensweisen nach ihrem Realitätsgehalt überprüfen
Ziel:Es geht darum, ein Verständnis des komplexen Sachverhalts und der Beziehung der Medianden zueinander (lenkende Absicht) herzustellen.
Voraussetzung:Sie ist in jeder Lage des Verfahrens anwendbar
Beispiel: AusnahmeSuchenFrage
Dierser Fragentyp soll helfen, Hintergründe aufzusecken und Sichtweisen zu verändern.
Methode: Was wäre wenn - Fragen können sehr effizient sein, wenn es darum geht, den Konflikt abzuklopfen. Sie lenken die Gedanken genau dahin, wo die Mediation sie haben will, nämlich in die Zukunft. Von dort sind Rückschlüsse auf die Gegenwart (und den Konflikt) möglich. Mehr dazu unter WasWennFragen
Beispiel: "Was wäre wenn der Gegner Ihre Forderung begleicht, wäre dann alles in Ordnung?"
Fragen nach dem Warum können zweierlei Bedeutung haben. Sie hinterfragen eine Begründung oder den Zweck.
Methode: Warumfragen sind in der Mediation mit Vorsicht zu genießen. Sie verleiten zum Argumentieren und führen deshalb in die 2.Phase zurück.
Beispiel: Warumfrage hinterfragt die Begründung: "Warum hast Du das gemacht?";
Beispiel: Warumfrage hinterfragt den Zweck: "Warum ist Dir das wichtig?"
Fragen, die eine unvorstellbare Situation abfragen. Die befragte Person wird eingeladen, sich vorzustellen und im Detail zu beschreiben, wie die Zukunft aussieht, wenn das Problem nicht (mehr) existiert. Damit sie sich das vorstellen kann, wird ein Wunder unterstellt. mit dem das "Aber das geht ja doch nicht" aus dem Kopf geholt wird.
Beispiel: Wunderfrage
Mit zirkulären Fragen kann ein Perspektivenwechsel bzw. ein Reframing erreicht werden. Die Fragen drehen sich um einen bestimmten Punkt indem sie Ort und zeit relativieren auch die Sicht von Personen kann einbezogen werden. Der befragte wird eingeladen, den Punkt (das Problem) aus unterschiedlichen zeitlichen, örtlichen, sozialen, persönlichen Perspektiven zu betrachten.
Beispiel: Reframing
Es ist nicht immer leicht, die Frage der einen oder anderen Kategorie zuzuordnen. Eine reflexive Frage kann durchaus direkt und eine zirkuläre Frage kann durchaus hypothetisch sein. Für die Mediation kommt es weniger darauf an, die Fragen korrekt zu kategorisieren als darauf, sie für den mediativen Zweck einzusetzen. Die Frage ist stets eine Technik, deren Ausrichtung sich aus der Methode ergibt. Damit liefern die Phasenaufträge eine wichtige Vorlage, um die Fragen korrekt in die Mediation einzubeziehen.1
Der Fragecharakter
Fragen, die der Verstehensvermittlung dienen, dürfen hintergründig und naiv sein. Wichtig ist, dass sie Erkenntnisse ermöglichen. Die wirkungsvollsten Fragen sind die, die Erkenntnisse ermöglichen, ohne die Erkenntnisse vorzugeben.
Die Reflexion über den hinterfragten Bedeutungsinhalt des Wortes erlaubt es nicht nur dem Zuhörer, sondern auch der Partei selbst, besser zu verstehen, was sich hinter dem Wort und damit hinter dem Problem verbirgt. Egal ob sie beantwortet werden oder nicht, Fragen bringen Gedanken in den Kopf des Befragten. Sie möchten einen Beweis? Woran denken Sie, wenn Ihnen jetzt die folgende Frage gestellt wird:
Wahrscheinlich hat diese Frage bei Ihnen irgend eine Assoziation ausgelöst. Entweder wurden sie durch das Wort heute inspiriert. Sie haben vielleicht an gestern oder morgen gedacht oder sie wurden durch das Wort Frühstück inspiriert und haben vielleicht wirklich daran gedacht, was Sie heute Morgen gefrühstückt haben. Vielleicht haben Sie auch an das Abendessen gedacht oder einfach nur an Brötchen oder Eier. Auch wenn Sie die Frage nicht beantworten, ist ein Gedanke (eine Assoziation) in ihrem Kopf entstanden. Was sie mit ihm jetzt machen, ist Ihre Entscheidung. Vielleicht haben Sie jetzt Hunger bekommen?
Nicht jede Frage ist inspirierend. Manche Fragen provozieren auch Ablehnung und Verweigerung. Deshalb können durch Fragen Gedanken ermöglicht aber auch verhindert werden. In der Mediation sollen Gedanken ermöglicht werden. Sie sollen das Unmögliche überwinden und das Mögliche fokussieren, ohne dass die Lösung gesteuert wird. Sie meinen, das ist unmöglich? Die Parteien meinen das auch. Sie werden eines Besseren belehrt. Um die Fragen korrekt zu platzieren, muss der Mediator die Bedeutung und die Wirkungsweise von Fragen verstehen. Einen Überblick hierzu geben die sogenannten Fragetechniken.
Die Fragemethodik
Das Wissen um Fragen und ihre Wirkungen soll dem Mediator helfen, sich über die Bedeutung der Frage bewusst zu sein, damit er sie wirkungsvoll für die Mediation einsetzen kann. Oft werden Mediatoren gefragt, woher sie wüssten, was nachzufragen ist. Natürlich sind die Fragen situations- und fallabhängig. Allerdings lassen sich grundlegende und hilfreiche Anforderungen formulieren, an denen sich der Mediator orientieren kann.
Die Haltung des Mediators
Im Vordergrund steht sein eigenes Denken. Denkt er an eine Lösung, werden seine Fragen die Lösung ins Spiel bringen, selbst wenn er nicht darüber redet. Der Mediator sollte sich bewusst darüber sein, dass die Art und Weise, wie er Fragen stellt, Rückschlüsse auf seine innere Einstellung und seine Haltung erlaubt.
Wenn er sich gedanklich in die von den Parteien erzählte Geschichte begibt, wird er lineare Fragen stellen, die die Geschichte fortführen. Er macht die Geschichte dann zu seiner eigenen. Es kommt aber meist nicht darauf an, die Geschichte zu verstehen, sondern den Menschen, der in der Geschichte lebt oder den Konflikt, der in der Geschichte zum Ausdruck kommt. Damit wird der Fragefokus von der Geschichte weggelenkt.
Wenn der Mediator die Partei überzeugen will, dabei aber keine Argumente verwendet, weil er weiß dass Überzeugen nicht seine Aufgabe ist, dann wird er zu rethorischen Fragen neigen und Fragen stellen, die seine Argumente als Antworten enthalten.
Auch wenn der Mediator Stereotypen und Techniken lernt, wird die gestellte Frage verraten, was er im Kopf hat. Besser ist es deshalb, er lernt im Rhythmus der Mediation zu denken, keine Lösung im Kopf zu haben, die Parteien nicht überführen zu wollen, sondern einfach nur neugierig zu sein, was die Parteien meinen könnten. Wenn er nur darauf konzentriert ist, stellt er automatisch die richtigen Fragen.
Anfänger äußern oft Zweifel, ob sie denn die eine oder andere Frage überhaupt stellen dürfen. Sie haben die Sorge, die Frage könnte übergriffig sein. Abgesehen davon, dass ein Konfliktgespräch immer eine intime Note hat, ist es die Entscheidung der Partei, ob sie darauf antwortet oder nicht. Besonders wenn es um Befindlichkeiten geht, verhindert die Frage gegebenenfalls falsche Einschätzungen auch der Gegenpartei. Sie kann Spekulationen verhindern und Befürchtungen ausräumen. Denken Sie an die Todesliste des Bären.2
Mit seinen Fragen kann der Mediator den Parteien in ein positives Denken verhelfen. Das ist seine Aufgabe. Er sollte also von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Vorausgesetzt, er selbst hat ein positives Denken. Sein Denken ist nicht in die Vergangenheit gerichtet und er muss auch keine Ursachen kennen. Warum-Fragen sind deshalb immer gefährlich. Sie halten die Gedanken nicht nur im Problem fest, sie verdichten es sogar. Der Mediator interessiert sich deshalb hauptsächlich dafür, wie die Welt aussieht, wenn sie aus der Sicht der Parteien in Ordnung ist. Er fragt nicht: „Warum hat ihr Streitgegner das getan?“. Stattdessen fragt er. "Was hätten sie sich gewünscht, dass ihr Streitgegner stattdessen getan hätte und was hätte es ausgelöst bei Ihnen, wenn er es getan hätte?“ Das positive Denken kann der Mediator auch mit Illusionen herbeiführen. „Angenommen es wäre möglich, was würde es bei Ihnen auslösen?“. Die Wunderfrage ist dafür ein Beispiel.
Die Ausrichtung der Frage
Die Fragerichtung ergibt sich zum einen aus dem Auftrag, den das Verfahren dem Mediator über die Phasen stellt, aus der Richtung des Verfahrens, das auf Suche und Verstehensvermittlung aufsetzt und den Nutzen nach vorne stellt sowie zum anderen aus der inneren Einstellung, der Art des Denkens des Mediators. Der Mediator fragt nicht ins Blaue hinein und auch nicht um etwas auszuforschen. Der Fragegegenstand wird durch das in Phase zwei erarbeitete Thema, den Kontext und den Konflikt dargestellt. Die Konflikthypothese ist dabei extrem wichtig.
Der Mediator muss nicht wissen, wer was falsch gemacht hat. Er fragt also auch nicht danach. Er muss auch nicht wissen, wie die Geschichte der Parteien weiter geht. Er fragt also auch nicht in diese Richtung. Er will aber wissen, was die Parteien brauchen, um zufrieden zu sein. Also fragt er in diese Richtung.
Die Mediation will die Zukunft regeln. Also sind die Fragen zukunftsbezogen, indem sie auf die Bedürfnisse der Gegenwart aufsetzen und den zu erwartenden Nutzen hinterfragen. Deshalb lautet die Standardfrage des Mediators stets: "Wozu brauchen Sie das?", "Was bezwecken Sie damit?", "Was haben Sie davon?", "Was hilft es Ihnen?", "Was ist anders, wenn Sie es erreicht haben?", usw.
Der Alltag lenkt die Frage in die Lösung. Die Meditation lenkt die Frage in den Nutzen. Das sollte sie zumindest. Die Frage hilft ihr dabei, den Kontext zu finden, in dem die Lösung möglich wird. die Ausrichtung auf dem nutzen eine andere Fragerichtung.
Die Lösung soll eine einvernehmliche sein. Einvernehmen findet sich nicht im Streit, sondern in den Gemeinsamkeiten. Die Gemeinsamkeiten stellen sich meist im Nutzen her. Fragen zielen also darauf ab. Weil auch das Ergebnis einvernehmlich sein soll, arbeiten die Fragen die Übereinstimmungen heraus.
Formulierung von Fragen entlang der Mediation
Bedeutung für die Mediation
Fragen spielen in der Mediation eine wichtige Rolle, aber nicht die wichtigste. Fragen lenken Gedanken. Deshalb sollten sie mit Bedacht eingesetzt werden. Die Fragen entsprechen dem Auftrag des Mediators. Weil sich der Auftrag aus den Phasen ergibt, ändert sich der Fragencharakter und der Fragezweck von Phase zu Phase. Weil sich die Fragen aus dem Gesprächsverlauf ergeben, der immer eine persönliche Note hat, fällt es schwer stereotypische Fragefloskeln vorzugeben. Es gibt allerdings einige Formeln, die zur Orientierung dienen und typische Fragen empfehlen. Sie finden diese Formeln bei den initialisierenden Fragen, mit denen die Phasen eingeleitet werden, sowie in den Ausführungen zu den Fragetechniken. Premium-User finden im Training und speziell in der Toolbox ins Detail gehende Vorlagen und Übungsanleitungen.
Was tun wenn ...
- Der Mediator stellt die falschen Fragen
- Der Mediator fragt zu viel
- Der Mediator fragt: "Warum ..."
- Der Mediator fragt ohne zu paraphrasieren
- Die Partei weicht den Fragen des Mediators aus
- Die Partei beantwortet die Frage des Mediators nicht
- Weitere Empfehlungen im Fehlerverzeichnis oder im Ratgeber
Bitte beachten Sie die Zitierund Lizenzbestimmungen
Alias: Fragen, Frage
Siehe auch: Verzeichnis-Werkzeuge
Included: Fragetechniken
Prüfvermerk: