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Der zeitliche Rahmen der Mediation

Wissensmanagement » Diese Seite gehört zum Fachbuch Mediation in der Wiki-Abteilung Wissen. Sie befinden sich auf der Themenseite Zeitrahmen, die dem Kapitel Mediationsrahmen des 4. Buchabschnitts Mediationsprozess zugeordnet wird.

Rahmen Struktur Gegenstand Kooperation Zeitrahmen Moment Reife Management

Worum es geht: Die Zeit spielt in der Mediation eine ebenso heraufordernde wie herausragende Rolle. Sie ist ein Thema, dem der Mediator sehr oft begegnet. Da geht esnicht nur um das Zeitmanagement, sondern auch um den Kairos und die Konfliktreife, die ebenfalls einen zeitlichen Aspekt aufweist. Hier geht es um den Anfang und das Ende. Die eher formale, auf das Verfahren bezogene Frage, setzt sich damit auseinander, wann (genau) die Mediation beginnt und wann (genau) sie endet. Eine einfache Frage glauben Sie? Wie denken Sie würde ein Psychologe die Frage beantworten, wie ein Philosoph, wie ein Jurist und wie ein Mediator?

Einführung und Inhalt: Im Grunde arbeitet der Mediator stets gegen die Zeit. Spätestens wenn er seine Rechnung schreibt werden die Parteien fragen, ob der Aufwand wirklich gerechtfertigt war. Effizienz spielt in der Mediation deshalb eine wichtige Rolle. Der Zeitfaktor ist ein Merkmal der Effizienz.

Der mediative Zeitstrahl

Ablaufplan
Wenn wir die Mediation wie in der nebenstehenden Skizze auf einem Zeitstrahl darstellen, werden verschiedene Abschnitte erkennbar. Der Zeitstrahl könnte noch mit den Etappen der jeweiligen Phase ergänzt werden. Er veranschulicht nit nur den Prozess an und für sich. Er weist auch darauf hin, dass vor und nach der Mediation noch weitere Maßnahmen erforderlich sein können, wenn die Partei Hilfe bei der Umsetzung der getroffenen Entscheidung (der gefundenen Lösung) benötigt. Die Frage, wann die Mediation beginnt und wann sie endet, hat nicht nur eine juristische Bedeutung. Ihr soll nachfolgend näher auf den Grund gegangen werden.

Wann beginnt die Mediation?

Wenn das Mediationsgesetz im §1 die Mediation als ein Verfahren definiert, bezieht sich die Frage nach deren Beginn also zunächst auf das Verfahren im juristischen Verständnis. In einem juristischen Verständnis scheint die Antwort noch relativ eindeutig zu sein. Juristen würden nach dem Akt suchen, der das Verfahren eröffnet. Bei einem zivilgerichtlichen Verfahren wäre der das Verfahren auslösende Akt die Klageerhebung nach § 253 ZPO. Nach § 261 ZPO begründet die Klageerhebung die Rechtshängigkeit der Streitsache. Die Rechtshängigkeit tritt mit dem Zeitpunkt ein, in dem die Klage zugestellt wird. Mithin erfolgt der Prozessbeginn mit der Zustellung der Klageschrift.

Bei einem Schiedsgerichtsverfahren wird der Beginn ebenfalls auf den zugestellten Schiedsantrag festgelegt. Wenn in einer Verfahrensordnung zur Mediation festgelegt wird, dass die Mediation mit dem Antrag einer Partei beginnen soll, merkt jeder Mediator, dass mit dieser Fiktion etwas nicht stimmen kann1 . Der Antrag begründet noch kein Rechtsverhältnis. Die Fiktion ignboriert die freiwillige Entscheidung der gegnerischen Partei. Nein, die Mediation kann nicht einseitig beginnen.

Ein markanter Einsatzpunkt für den Beginn des Verfahrens ist sicher die Unterzeichnung des Mediationsvertrages bzw. der Mediationsdurchführungsvereinbarung. Je nach Ausgestaltung kommt es allerdings erst nach der 1.Phase zum Vertragsabschluss. Auch haben auf die Mediation zu beziehende Handlungen schon vorher stattgefunden. So betrachtet, hat die Mediation also tatsächlich schon lange begonnen, bevor der Vertrag unterzeichnet wird.

 Merke:
Leitsatz 3389 - Der Mediationsvertrag markiert nicht den Beginn der Mediation. Wohl begründet er die Rechtsverhältnisse aus denen sich die rechtlichen Verpflichtungen der Prozessteilnehmer ergeben und legitimiert die Prozesshandlungen.

Wenn der Beginn der Mediation nicht mit ihrer rechtlichen Legitimation, sondern mit der Vornahme mediationsrelevanter Handlungen gleichgesetzt wird, ist ihr Beginn zweifelsfrei schon für die 1. Sekunde anzusetzen, in der der Mediator seine Tätigkeit aufnimmt. Dieser Zeitpunkt liegt gegebenenfalls sogar noch weit vor dem ersten Kontakt mit einer der Parteien. Er fällt mit der ersten Akquisehandlung zusammen. Denn schon jetzt kommt es zu Handlungen, an die sich an der Mediation zu messen haben. Schon jetzt kann es zu Mediationsfehlern kommen, was für eine Mediation unbedingt zu vermeiden ist.

Anbahnung und Akquise Mediationsvertrag

Wann endet die Mediation?

Wie bei dem Beginn der Mediation fällt die Antwort auf die Frage, wann eine Mediation endet, nicht immer leicht. Grundsätzlich endet sie mit einer Entscheidung. Im einen Fall ist es die explizit oder konkludent ausgesprochene Kündigung, im anderen Fall ist es eine, die Lösung festschreibende Abschlussvereinbarung. Beide Erklärungen sind rechtlich relevant. Sie lassen sich leicht als eine formelle Marke für das Ende der Mediation festlegen. Ob die Mediation damit aber tatsächlich ihren Zweck erreicht hat, hängt von dem Auftrag und der Konflikteinschätzung ab. Entscheiodend ist, dass die Abschlussvereinbarung den gesamten Konflikt beigelegt und nicht nur Teile davon. Eine weitere Frage ist, ob der Konflikt mit der gefundenen Lösung auch tatsächlich bewaältigt ist, oder ob weitere Maßnahmen zur endgültigen Überwindung des Konfliktes erforderlich sind. Die Mediation gibt keinen Raum, die Parteien wie in einer Therapie oder in einem Coaching zu begleiten, falls die Parteien weitere Hilfen benötigen. Dann ist zwar die Mediation beendet, nicht aber der Konflikt. Wie ist ihr Ende einzuschätzen, wenn der Mediator in der Abschlussvereinbarung beispielsweise noch die Verpflichtung übernimmt, deren Einhaltung zu überwachen, um einen Rückfall zu vermeiden? Liegt diese Pflicht innerhalb oder außerhalb der Mediation? Aus Rechtsgründen wird empfohlen diese Maßnahmen noch als Teil der Mediation anzusehen. Faktisch gehören sie in jedem Fall noch zur Mediation, weil es auch hier darum geht, Mediationsfehlern zu vermeiden. Das gleiche gilt für eine gegebenenfalls nachfolgende Evaluierung. Sie ist zumindest Teil der geschuldeten Dienstleistung.

 Merke:
Leitsatz 15597 - Das Ende der Mediation kann angenommen werden, wenn keine weiteren Maßnahmen mehr erforderlich oder möglich sind, um ihren Zweck zu verwirklichen.

Abschluss der Mediation Abschlussvereinbarung Kündigung

Relevanz der Frage nach Beginn und Ende der Mediation

Die Frage nach dem Beginn und dem Ende der Mediation hat Auswirkungen auf das zugrunde liegende Rechtsverhältnis und somit auf die Pflichten des Mediators und gegebenenfalls die Einschätzung und Verantwortung von Fehlverhalten.

Rechtsfolgen, wie sie der Rechtshängigkeit zugeschrieben werden, kennt die Mediation nicht. Die Rechtshängigkeit eines Gerichtsverfahrens bewirkt beispielsweise, dass das Verfahren mit gleichem Gegenstand bei keinem anderen Gericht mehr geltend gemacht werden kann. Rechtsansprüche aus dem Mediationsvertrag können erst nach dem Vertragsabschluss geltend gemacht werden. Der Mediationsvertrag bildet zusammen mit der Mediationsdurchführungsvereinbarung die Rechtsgrundlage und das Verfahrensrecht der Mediation ab. Er definiert also die verbindlichen Mediationspflichten, aus denen sich gegebenenfalls auch die Frage der Haftung ableitet.

Handlungen, die vor dem rechtsbegründenden Akt stattgefunden haben, werden von den vertraglichen Regelungen (also dem Verfahrensrecht der Mediation) grundsätzlich nicht erfasst, wenn der Vertrag keine Rückwirkung vorsieht. Für den Mediator, der das Gelingen einer Mediation im Sinn hat, wäre es allerdings naheliegend anzunehmen, dass die Handlungen des Mediators nicht an die erst mit dem Mediationsvertrag begründeten Rechte und Pflichten zu messen sind. Die Mediation gibt ihm keinen Freibrief, außerhalb der Mediation zu tun und lassen was er will. Diesen Grundsatz erkennt auch das Gesetz. §3 Abs. 1 Mediationsgesetz verlangt Aufklärung oder ein mediationskonformes Verhalten hinsichtlich der Neutralität. Das Verbot der Vorbefassung verbietet Interessenkollisionen mit Handlungen, die vor der Mediation stattgefunden haben. Es gibt also auch Pflichten, die über das Mediationsverfahren hinausgehen.

Das vor dem Abschluss des Mediationsvertrages liegende Verhalten des Mediators wird einer mediativen Kontrolle unterzogen, indem die Durchführung einer fehlerfreien Mediation auch Fehler erfasst, die zwar im Vorfeld aufgekommen waren, aber auf die Mediation ausstrahlen. Dieses rechtliche Konstrukt deckt sich mit der Auffassung, dass der Mediator von der 1. Sekunde seines Wirkens an, der Mediation verpflichtet ist. Eine jenseits der vertraglichen Grundlage liegende Verhaltenskontrolle ist der Berufsaufsicht überlassen.

Berufsaufsicht Beschwerden

Bedeutung für die Mediation

Unabhängig von Rechtsfragen stellt die Mediation ethische Anforderungen an den Mediator. Die darüber hinausgehende Frage, wann die Mediation anfängt und wann sie aufhört beantwortet sich aus der Mediation heraus ganz eindeutig. Sie beginnt mit dem ersten Moment, schon bevor der erste Kontakt zu den Medianden zustande kommt und endet mit dem letzten. Jedes Auftreten und jede Handlung muss der Rolle des Mediators entsprechen. Die Rechtsfolgen werden mit dem Zustandekommen des Mediationsvertrages ausgelöst.

Was tun wenn ...

Hinweise und Fußnoten
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Bearbeitungsstand: 2024-03-24 14:59 / Version 44.

Aliase: Beginn, Mediationsbeginn
Siehe auch: Abschluss, Mediation-Prozess, Zeitmanagement, Windows of Opportunity, Konfliktreife
Prüfvermerk: -

1 Mediationsordnung der IHK München Verfahrensordnung des Mediationszentrums.pdf abgelesen am 3.7.2014


Based on work by Arthur Trossen und Bernard Sfez und anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Donnerstag November 14, 2024 13:12:23 CET.

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