Nein, die Rede ist nicht von Taurus oder Oreschnik oder anderen angesagten Gamechangern. Manchmal ist der Ruf nach der ultimativen Waffe eine Drohung und manchmal ein Hoffnungsträger. Bisher wurde sie offenbar noch nicht gefunden. Alle warten darauf in der Hoffnung, dass der Krieg dann zu Ende geht. Strategisch betrachtet, passt der Plan gut in die Theorie der Konfliktevolution.1 Die Theorie besagt, dass ein zur Beendigung des Krieges führender Strategiewechsel nur eintrifft, wenn sich die Vernichtungsstrategie als erfolglos erweist oder als aussichtslos herausstellt. Die unterlegene Partei wird kapitulieren, wenn sie nicht mehr wehrfähig ist. Die aggressive Partei wird ihren Plan ebenfalls ändern, wenn sie den Gegner nicht zu unterwerfen vermag. Weil die Waffengewalt einen direkten Einfluss auf die Siegeschancen nimmt, arbeiten alle Parteien daran, den Gegner in eine militärische Lage zu versetzen, in der er nicht mehr angreifen oder sich verteidigen kann. Das ist der Moment für Verhandlungen. Gut, wenn er einsetzt, bevor alles kaputt geht, falls das nicht schon längst geschehen ist. Entscheidend ist letztlich, an welchen Sieg die Kriegsparteien glauben. Deshalb genügt es nicht, die ultimative Waffe zu besitzen. Viel wichtiger ist es, den Gegner davon zu überzeugen, dass er aus keiner Perspektive gegen diese Waffe noch eine Chance hat. Wir sehen den eskalativen Erfolg dieser Bemühungen gerade am Ukraine-Krieg, wo beide Seiten an den Sieg glauben und die Brutalität vor lauter Verzweiflung und einer auffälligen, kognitiven Inflexibilität zunimmt, solange sich kein Ausweg zeigt.2

Wenn der Schuss nach hinten losgeht

Was wir auch sehen ist, dass die Menschheit ihren Waffen nicht gewachsen ist. Deren Zerstörungskraft ist inzwischen so immens, dass sie dem Größenwahn keine Grenzen mehr entgegensetzen kann. Mit dem Kontrollverlust steigt auch die Zerstörungswut und mit ihr die Verachtung der zivilen Opfer, die sich gegen die Bomben nicht wehren können. Der moderne Waffeneinsatz kann längst nicht mehr mit den Kriegen im Mittelalter verglichen werden. Dort war die Zerstörung zwar groß, aber immer noch begrenzt. Moderne Waffen hingegen vernichten wahllos ganze Städte, Landschaften und großflächig auch die Natur. Die hybride Kriegsführung erlaubt darüber hinaus die Zerstörung von Gesellschaften. Ihre Mittel sind die Hetze, die Wut und die Rache. Leider machen sich die Nationen oder zumindest deren Anführer diese Emotionen zu eigen,3 wenn sie sie nicht sogar instrumentalisieren.

Stellen wir uns nun vor, es gäbe tatsächlich die ultimative Waffe, die den Gegner überwältigt. In welche Hände soll sie gelangen? Selbst wenn es die "guten" sind, bleiben sie noch immer in den Händen einer Kriegspartei ohne Gewähr, dass ihr die verliehene Macht nicht zu Kopfe steigt. So wie es aussieht, ist die Menschheit noch nicht reif für ihre Erfindungen. Ihr Defizit betrifft nicht nur die Waffen, sondern auch die KI, den Umgang mit Medien und viele andere Erfindungen, die eine ethische Kontrolle erfordern. Die Entwicklung erfolgt so rasend schnell, dass die Evolution nicht mehr Schritt halten kann. Die Technik ist schon in der Zukunft angekommen, unser Gehirn steckt noch in der Steinzeit fest.

Spätestens jetzt kommt die Mediation ins Spiel. Es wurde bereits ausgeführt, dass sie den erforderlichen Evolutionssprung herbeiführen kann.4 Sie verleitet zu einem anderen Denken. Sie lehrt uns, Emotionen zu kontrollieren und den Nutzen zu fokussieren. Sobald sich das andere Denken auf den Waffengebrauch erstreckt, führt es die Frage nach der ultimativen Waffe in eine neue Dimension. Nämlich dorthin, wo die ultimative Waffe auch tatsächlich zu finden ist. Ähnlich dem 9-Punkte-Problem liegt der neue Kontext jenseits der angedachten Lösungen.5 Im Jenseits erkennen wir, dass es nicht nur Waffen der Vernichtung gibt, sondern auch Waffen des Friedens.

Welche Waffe ist mächtiger?

Entscheiden Sie selbst, indem Sie sich die nachfolgenden Bilder anschauen. Dort sehen Sie eine Waffe, die zerstört und eine andere, die möglich macht. Das eine ist eine Bombe, das andere eine Umarmung. Lassen Sie die Bilder auf sich wirken.
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Es klingt wie ein Widerspruch, wenn von Waffen des Friedens gesprochen wird. Der Frieden kennt keine Gegner und erfordert auch keinen Kampf. Er ist auch keine zwingende Folge der Waffenniederlegung. So wie die Gesundheit nicht lediglich die Abwesenheit von Krankheit ist, wird der Friede nicht mehr durch die Abwesenheit von Krieg definiert. Laut dem GPI bedeutet Frieden ein Zustand des sozialen Wohlbefindens, in dem Gerechtigkeit, Gleichheit und Freiheit herrschen, und in dem Menschen Konflikte gewaltfrei lösen können.6 Waffen neigen zur Zerstörung. Sie legen es darauf an, den Gegner handlungsunfähig zu machen. Die Vernichtung ist ihre vielversprechende Herangehensweise. Waffen können zerstören. Was sie nicht können ist, die Kontrolle der Emotionen. Es ist außerordentlich unwahrscheinlich, dass die vorausgegangene Vernichtung durch tödliche Waffen eine Voraussetzung schafft, dem unerwünschten Aggressor auch nach der Waffenniederlegung freundlich zu begegnen. Wir beobachten den Hass, der im Ukraine-Krieg geschaffen wird. Dort hört man Stimmen wie: "Die behaupten, sie würden uns befreien. Dabei töten sie unsere Familien und zerbomben unsere Heimat".7 Es bleiben Traumata zurück. Waffen können sie nicht heilen. Sie verstärken im Zweifel nur die Wut und den Hass. Verhandlungen nach einer erzwungenen Waffenniederlegung können daran kaum etwas ändern. Was nutzt uns also die ultimative Waffe?

Die Frage nach der ultimativen Waffe ergibt sich deshalb aus einem Blick in die Zukunft. Es kommt darauf an, was sie bewirken soll und was das Beste für eine geografische Nachbarschaft ist, der man nicht aus dem Weg gehen kann. Wir haben die Wahl zwischen Feindschaft oder Freundschaft. Lassen Sie uns in diesem Kontext über die ultimative Waffe nachdenken. Welche Waffe ist in der Lage, den optimalen Weg in die Zukunft zu sichern? Wenn wir uns vorstellen, dass die Mittel, die den Handlungsspielraum des Gegners einschränken, auch friedlich sein können, dann fällt die im Bild gezeigte Umarmung in den Kreis der Möglichkeiten. Diese "Waffe" geht keinesfalls mit einer Zerstörung einher. Die Umarmung symbolisiert Freundschaft. Das ist mehr als ein Handschlag. Die Geste ist nicht wörtlich zu nehmen. Keine Sorge, ein Körperkontakt ist nicht erforderlich. Auch ist nicht die Umarmung gemeint, die es erlaubt, dem Umarmten ein Messer in den Rücken zu stechen. Gemeint ist das auf einem Konsens beruhende Symbol für Verständnis und Mitgefühl basierend auf einer gemeinsamen Vision der Zukunft. Das sind die Werte, die den Gegensatz zum Konflikt abbilden und zur Überwindung der Gewalt beitragen.

Die ultimative Waffe ist alles, was eine gemeinsame Vision der Zukunft herstellen kann.

Nur eine gemeinsame Vision über die Weltherrschaft, die von allen geteilt werden kann, ist in der Lage, den Krieg endgültig beizulegen. Es erschließt sich nicht auf den ersten Blick, dass die ultimative Waffe nur ein Weg sein kann. Wenn die ultimative Waffe ein Gamechanger sein soll, muss sie ein anderes Spiel eröffnen, nicht lediglich die Gewinnchancen im Spiel verändern. Das ist der Fall, wenn aus dem Kriegsspiel ein Friedensspiel wird. Der Spielwechsel beschreibt einen Weg, der den Krieg und die Nachwehen beendet und eine prosperierende Zukunft ermöglicht. Nennen wir den Friedensweg doch einfach Mediation.8 Sie stellt sicher, dass ein Spielwechsel möglich wird.9 Die Mediationstheorie liefert einen wissenschaftlichen Ansatz, mit dem sich der Weg genau beschreiben und absichern lässt.10 Auch wenn der Gegner der Mediation nicht zustimmt. Wir müssen nur lernen, mit dieser "Waffe" umzugehen. Ihr Zweck erschließt sich nicht auf den ersten Blick, weil man mit ihr nicht schiessen kann und ihre Wirkung mündet nicht in einer unmittelbaren Detonation. Das macht ihre Verwendung schwierig und setzt unter Umständen bereits ein Umdenken voraus. Wer jedoch der Mediation vertraut, wird den Weg in den Frieden erkennen und die vielen kleinen Schritte einleiten, bis der Weg begehbar ist.

Arthur Trossen


Bild von Gennaro Leonardi und von Pete Linforth aus Pixabay