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Das Verfahren als Gespräch

Wissensmanagement » Diese Seite gehört zum Fachbuch Mediation in der Wiki-Abteilung Wissen. Sie befinden sich auf der Themenseite Gesprächsführung, die dem Kapitel Handhabung des Titels Eigenschaften des 2. Buchabschnitts Systematik zugeordnet wird. Beachten Sie bitte auch:

Handhabung Gesprächsführung Lösungsweg Informationsverarbeitung Vorkommen Gesprächsregeln

Worum es geht: Was für den Mediator ein Verfahren ist, fühlt sich für die Parteien wie ein Gespräch an, vielleicht wie eine Krisensitzung. Nicht immer werden sowohl der Gesprächsbedaf wie die Erfolgschancen eines mediativen Gespräches korrekt eingeschätzt.

 Verfahrenskriterium
Die Gesprächsführung und die Art und Weise der Kommunikation sind Ausprägungen der Handhabung, anhand derer sich die Verfahren unterscheiden. Auch die Gesprächsführung trägt dazu bei, den Verfahrenscharakter zu bestimmen. Die Kommunikation ist deshalb ein sekundäres Verfahrenskriterium. Hier erfahren Sie mehr über die Verfahrenskriterien.

Einführung und Inhalt: Definitionsgemäß handelt es sich bei einem Gespräch um einen mündlichen Gedankenaustausch durch Rede und Gegenrede. In der Mediation würde darunter auch der schriftliche und der nonverbale Austausch erfasst sein. Es ist unstreitig, dass die getrennten Gespräche im Sinne des §2 Abs. 3 Mediationsgesetz auch die assynchrone Kommunikation etwa durch Brief und e-Mail meinen.

Was ist das Wesen eines Gesprächs?

Das Gesprächs ermöglicht den Austausch zwischen zwei oder mehr Personen, um eine Verbindung herzustellen oder zu vertiefen, Informationen auszutauschen, eine Diskussion zu führen, eine Entscheidung zu treffen oder gemeinsam ein Problem zu lösen. Die Betonung liegt auf gemeinsam. Deshalb spielt die Interaktion zwischen den Gesprächspartnern eine wichtige Rolle für sein Gelingen. Es muss gewährleistet sein, dass jeder Gesprächspartner seine eigenen Erfahrungen, Meinungen und Perspektiven einbringt, die dazu beitragen, eine differenzierte Betrachtung des Themas zu ermöglichen. Dabei geht es nicht nur um das Übermitteln von Informationen, sondern auch um die Reflexion und Verarbeitung der Inhalte. Das Gespräch beinhaltet also auch eine soziale Komponente. Ein konstruktives Gespräch kann zum Aufbau von Beziehungen beitragen.

Ist die Mediation ein Gespräch oder eine Verhandlung?

Im Streit wäre es hilfreich, wenn die Parteien in der Lage wären, miteinander zu reden und ein Gespräch zu führen. Die Mediation verhilft ihnen dazu. Ihr Ziel ist eine sachliche Auseinandersetzung, die aus dem Streit herausführt. Ihr Medium ist das Gespräch. Die Mediation ist eine Mediation. Sie ist also weder ein Gespräch noch eine Verhandlung. Gleichzeitig ist sie sowohl ein Gespräch wie eine Verhandlung. Sie beginnt mit einem Gespräch und mündet in eine Verhandlung. Man könnte also sagen, die Mediation bettet das Gespräch und die Verhandlung in sich ein. In jedem Fall ist sie gesprächsbasiert. Sie wird so angelegt, dass sich das Wesen eines Gespächs zwischen den Parteien verwirklicht, sodass eine Verhandlung möglich wird.

Ein Gespräch fühlt sich besser an als eine Verhandlung

Die Mediation ist als ein Verfahren definiert. Das ist sicherlich korrekt. Wie aber wirkt sich der Begriff Verfahren oder Verhandlung auf die Parteien aus? Sowohl das Wort Verhandlung wie das Wort Verfahren setzen den Fokus in das Problem und seine Lösung. Davon will die Mediation gerade ablenken. Es ist wichtig, die Gedanken der Parteien von dem Problem zu lösen. Deshalb bietet die Mediation einen Gedankengang an, der um das Problem herumführt und nicht in das Problem hineinlenkt. Wie die Mediation den Parteien in der 1.Phase vorgestellt wird und wie sie in die Mediation hineingeführt werden, ist eine Frage des Einzelfalls und der Erwartungen der Parteien. Um der Mediation die Schwere zu nehmen, kann es Sinn machen, die als ein Gespräch vorzustellen.

Beispiel 15478 - Nach der Begrüßung fragt der Mediator die Parteien: "Was erwarten Sie von dem Gespräch?". Aus der Antwort entwickelt er eine Zielvereinbarung, um danach die Mediationsregeln mit den Parteien abzutimmen.

Kein Gespräch ohne Gesprächsbedarf

In der Regel versuchen die Parteien selbst ihr Anliegen in einem Gespräch zu klären. Dabei machen sie oft die Erfahrung, dass dies (meist wegen des Konfliktgegners) nicht möglich sei. Weil sie ein Gespräch nicht für möglich halten, suchen sie andere Wege zur Konfliktbeilegung. Der Grundsatz lautet:

 Merke:
Leitsatz 4119 - Ohne miteinander zu reden ist es schwierig, ein Einvernehmen herzustellen. Ohne ein Einvernehmen ist es schwierig eine Entscheidung herbeizuführen, die von beiden Seiten akzeptiert werden kann. Ohne dass beide Seiten die Entscheidung akzeptieren, wird es schwierig sein, eine Lösung zu realisieren.

Die Mediation verfügt selbst in ausichtslos erscheinenden Fällen über Mechanismen, ein Gespräch wieder in Gang zu bringen. Die Parteien werden (spätestens in der Mediation) erfahren, dass es möglich ist, in der Mediation Dinge anzusprechen, die bei anderen Gelegenheiten sofort zur Eskalation führen.

Die Gesprächsführung

Die Gesprächsführung bezieht sich auf die Fähigkeit, ein Gespräch zu führen, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Es ist ein wichtiger Aspekt der zwischenmenschlichen Kommunikation und bezieht sich darauf, wie man effektiv und zielgerichtet mit anderen kommuniziert. Die Gesprächsführung umfasst eine Vielzahl von Fähigkeiten, wie zum Beispiel die Fähigkeit, aktiv zuzuhören, die Fähigkeit, Feedback zu geben und zu empfangen, die Fähigkeit, Fragen zu stellen, um Informationen zu sammeln, und die Fähigkeit, ein Gespräch zu lenken und zu führen. Eine gute Gesprächsführung kann dazu beitragen, Missverständnisse zu vermeiden, Konflikte zu lösen, eine bessere Beziehung zwischen den Gesprächspartnern aufzubauen und die Effektivität der Kommunikation zu erhöhen. Eine schlechte Gesprächsführung kann hingegen zu Verwirrung, Unklarheit und Frustration führen.

Der Gesprächscharakter

Jeder erfahrene Verhandler weiß, dass ich die Lösungen eher nicht am Konferenztisch ergeben. Es sind die informellen Gespräche, in denen sich Beziehungen und tolle Ideen herstellen. Nicht ohne Grund werden deshalb geschäftliche und politische Treffen mit einem Arbeitsessen verbunden. Der persönliche Austausch im Hintergrund, etwa in einem Telefonat oder bei einem Spaziergang hilft Meinung zu bilden und Übereinstimmung zu finden. Hier finden die Verhandlungspartner eine Ebene, wo sie gesichtswahrend und "rein menschlich" miteinander reden können.

informelle Kommunikation

Der Gesprächsrahmen

In einer Debatte, einer öffentlichen Auseinandersetzung oder gar einem Krieg steht ein derartiger (Informations-) Kommunikationsraum nicht ohne weiteres zur Verfügung. Er muss erst geschaffen werden. Die informelle Kommunikation erwartet eine Kooperation, die schon aus strategischen Gründen bei einer (hoch eskalierten) Konfrontation nicht möglich ist. Manchmal braucht es deshalb eines abgegrenzten, besonders geschützten Gesprächsrahmens, in dem das möglich wird.

 Merke:
Leitsatz 4120 - Die Mediation ist ein Verfahren das die informelle Kommunikation ermöglichen soll und auf einer informellen Kommunikation basiert.

Damit der informelle Charakter weitest möglich erhalten bleibt, sollten sich Regulierungen, die die Mediation betreffen, lediglich darauf beschränken, diesen Rahmen abzusichern und zur Verfügung zu stellen. Der rechtliche Rahmen des Gesprächs ergibt sich aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis, das den Anlass für das Gespräch gegeben hat.

Der rechtliche Rahmen als Container

Die Gesprächsvorgaben

Die informelle Kommunikation hat den Charakter einer linearen Kommunikation. Eine assoziationsbasierte, lineare Kommunikation riskiert stets, dass man das Thema aus dem Auge verliert. Das Gespräch beginnt mit einem Gedankenaustausch über die Reise und endet mit einer Diskussion über das Wetter. Jetzt bedarf es einer Kontrolle, die darauf achtet, dass das Gespräch nicht ausufert.

Nur wer ein gemeinsames Ziel hat, kann einen gemeinsamen Weg gehen. Deshalb sollte die Zielvereinbarung jedem Gespräch vorausgehen. Weil die Mediation lösungsoffen ist, kann das Ziel nur darin bestehen, eine Lösung zu FINDEN, mit der alle zufrieden sind.

Zielvereinbarung

Die Gesprächsstruktur

Die zu klärenden Fragen und die Lösungskriterien werden bei der Mediation in eigenständige Gedankengänge unterteilt. Die an dem mediationstypischen Erkenntnisprozess auszurichtende Struktur führt in eine Phasenlogik, bei der die zur Konkretisierung des Ziels zu klärenden Fragen in der 2.Phase erörtert werden. Die zusammenzutragenden Lösungskriterien werden in der 3.Phase ermittelt.

Die Bedeutung der Struktur in der Mediation

Die Gesprächskontrolle

Bei der Mediation geht es um die Bewältigung eines Konfliktes. Damit steigen die Anforderungen an eine Gesprächskontrolle. Damit das Gespräch und sein Verlauf reflektiert werden können, bedarf es einer Metaebene aus der heraus das Gespräch beobachtet werden kann. Die über das Gespräch gelegte Metaebene stellt eine Reflexionsebene dar, die dazu beiträgt, die Qualität des Gesprächs zu überwachen.

Die Metaebene ist von der operativen Ebene zu unterscheiden. Wenn sich beide Ebenen in einer Person wiederfinden besteht die Gefahr, dass die operative Ebene die Metaebene verdrängt. Wenn der Gesetzgeber also in §2 Abs. 1 Mediationsgesetz davon spricht, dass der Mediator die Parteien durch das Gespräch führt, gibt es ihm einen operativen Auftrag. Es bleibt zu hoffen, dass der Mediator dabei die Metaebene nicht aus dem Blick verliert. Letztlich ist es eine Stilfrage wie der Mediator die Gesprächskontrolle verwirklicht. Die EU-Vorlage des Mediationsgesetzes enthält eine mediationsgerechtere Formulierung, wenn geschrieben steht, dass der Mediator mit den Parteien die Mediation durchführt.

Metaebene

Die Gesprächspartner

Gesprächspartner sind natürlich die an der Mediation zu beteiligenden Personen. Sie bilden eine Gesprächsbeziehung heraus. Unter ihnen bildet der Mediator die Kommunikationsschnittstelle. Die Kommunikation erfolgt über Bande. Der Mediator lenkt die Gespräche zunächst auf sich, bis die Kommunikationsachse zwischen den Parteien ausreichend stark ausgeprägt ist, sodass die Parteien auch miteinander wieder ins Gespräch kommen.

Parteien Kommunikationsachsen

Die Gestaltungsmöglichkeiten

Die Konzeption eines informellen Gespräches bietet den Parteien eine größtmögliche Flexibilität. Idealerweise passt sich die Mediation an die Gegebenheiten an und gestaltet das Gespräch in einer Art und Weise, dass trotz - oder gerade wegen - der ihr innewohnenden Freiheiten, eine größtmögliche Effizienz gewährleistet wird.

Auf der operativen Ebene bietet die Formalisierung des Gesprächs Möglichkeiten, das Gespräch zu kontrollieren. Wenn jeder darauf los redet, besteht die Gefahr in eine lineare Kommunikation zu verfallen, die gerne ausufert. Aus der Sicht der Parteien gibt es einfach Dinge, die aus ihrer Sicht gesagt werden müssen. Nicht immer tragen sie zur konstruktiven Entwicklung bei. Die formale Kommunikation kann Grenzen setzen. Sie birgt allerdings die Gefahr, dass Informationen verloren gehen. Die Mediation will eine informelle Kommunikation ermöglichen. Deshalb sollte sich der Mediator mit Formalisierungen zurückhalten. In der Regel wird versucht, das Gespräch über die Einführung von Gesprächsregeln zu kontrollieren.

Die Gesprächsregeln

Die Gesprächsregeln sind von den Regeln der Mediation, also den Mediationsregeln, zu unterscheiden. Letztere sind zwingend zu vereinbaren, erstere nur, wenn dafür ein Anlass besteht. Es gilt der Grundsatz:

 Merke:
Leitsatz 4403 - Die Regeln der Mediation betreffen die Struktur, den Ablauf und die Prinzipien der Mediation. Die Gesprächsregeln sollen sicherstellen, dass sich die Regeln der Mediation im Gespräch verwirklichen.

Die Praxis zeigt, dass Mediatoren mit der Einführung von Gesprächsregeln ganz unterschiedlich umgehen. Wichtig ist stets, dass ihre Einführung und die Regeln selbst dem Wesen der Mediation enstprechen. Wegen der Bedeutung von Gesprächsregeln in der Mediation ist ihnen ein eigener Beitrag gewidmet.

Gesprächsregeln in der Mediation

Die Gesprächsgrundsätze

In einem konstruktiven (mediativen) Gespräch ist jeder Gesprächpartner (der Mediator) ein Vorbild für die Gesprächsführung. Wenn sich das Gespräch der Kooperation verschrieben hat und nach Lösungen sucht, sollten folgende Grundsätze beachtet werden:

  1. Ausreden lassen!!! (jede Frage, jeder Einwurf verändert den Gedankengang beim Gesprächspartner)
  2. Langsam und deutlich im natürlichen Redefluss sprechen.
  3. Darauf achten, dass das Gegenüber zuhört (zuhören kann).
  4. Nach jedem Gedanken eine Pause machen (von 20 bis 23 zählen), damit sich der Gedanke setzen kann.
  5. Keine Frage ohne Loop (wenn sie eine Reaktion auf das Gesagte des Gesprächspartners ist)
  6. Jede Frage wird nur einzeln gestellt und nur, wenn sie erforderlich ist. Die Antwort wird abgewartet, ehe eine neue Frage gestellt wird.
  7. Tilgungen und Verallgemeinerungen sind zu vermeiden oder aufzudecken.
  8. Fragen orientieren sich am WOZU nicht am WARUM

Bedeutung für die Mediation

Die Mediation ist mehr als nur die Anwendung von Gesprächsregeln oder Gesprächsgrundsätzen. Trotzdem ist die Gedsprächsführung außerordentlöich wichtig. Sie betrifft die Informationsweitergabe und ist deshalb ein wesentlicher Bestandteil des kognitiven Prozesses. Aus dem Gespräch wird eine Mediation, wenn es die Mediationslogik abbildet.

Was tun wenn ...

Hinweise und Fußnoten

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Bearbeitungsstand: 2024-03-09 21:17 / Version 39.

Alias: Gesprächführung, Gesprächsbedarf, Gespräch, Gesprächsrahmen, Gesprächsgrundsätze
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Based on work by Arthur Trossen und Bernard Sfez und anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Donnerstag März 28, 2024 23:06:14 CET.

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