Die Machbarkeit des Friedens
Wissensmanagement » Diese Seite ist der Kategorie Konfliktphänomenologie des Archivs in der Wiki-Abteilung Wissen zugeordnet. Eine logische Verknüpfung erfolgt mit der Rubrik Konflikt und dem Thema Politik. Bitte beachten Sie auch:
Konflikt Frieden Zufriedenheit Friedensmediation Eskalation Feindschaft Krieg Suche
Es geht um die Herstellung und die Wahrung des Friedens und die Frage, was die Mediation dazu beitragen kann. Gerade in der aktuellen Zeit erregt schon die Diskussion über den Frieden und wie er herbeizuführen ist die Gemüter. Das ist Grund genug, dem Frieden auf die Schliche zu kommen und zu überlegen, ob und gegebenenfalls was Mediatorn dazu beitragen können, den Frieden herbeizuführen und zu wahren.
Was ist Frieden?
Sowohl das deutsche Wort "Frieden" wie das englische Wort "Peace" lassen sich auf die gleiche sprachliche Wurzel der indogermanischen Sprachfamilie zurückführen. Ihre ursprüngliche Bedeutung war Harmonie, Eintracht und Abwesenheit von Konflikten. Im Laufe der Zeit haben sich jedoch weitere Bedeutungen entwickelt. Heute werden die Begriffe in einem umfassenderen Sinne verwendet, der nicht nur das Fehlen von Konflikten, sondern auch positive zwischenmenschliche Beziehungen und Zustände des Wohlbefindens umfasst. Es gibt eine Parallele zum Begriff der Gesundheit, der ursprünglich als Abwesenheit von Krankheit definiert wurde und von der WHO heute als ein Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens verstanden wird.1 Besonders das Merkmal des sozialen Wohlbefindens lässt einen Zusammenhang erkennen zwischen der Gesundheit und dem Frieden. Nach der Definition des BMZ ist Frieden die Abwesenheit von gewaltsamen Konflikten oder Krieg. Danach bezeichnet der Frieden einen Zustand, in dem auftretende Differenzen zwischen Einzelpersonen, Gruppen oder Staaten auf Basis von Rechten und Gesetzen und ohne Gewalt begegnet wird.2 Davon sind wir offenbar noch weit entfernt. Weitere Definitionen sind:
- Frieden ist die Abwesenheit von Gewalt oder Konflikten, sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene, begleitet von Harmonie, Stabilität und positiven zwischenmenschlichen Beziehungen. (Quelle: United Nations Peacebuilding Support Office - UNPBSO)
- Frieden ist ein Zustand des sozialen Wohlbefindens, in dem Gerechtigkeit, Gleichheit und Freiheit herrschen, und in dem Menschen Konflikte gewaltfrei lösen können. (Quelle: Global Peace Index - GPI)
- Frieden ist ein Prozess, der auf die Förderung von Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit, sozialer Integration und Dialog abzielt, um eine harmonische Koexistenz zwischen Menschen und Nationen zu erreichen. (Quelle: United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization - UNESCO)
- Frieden ist nicht nur das Fehlen von Krieg, sondern auch die Anwesenheit von Gerechtigkeit, Gleichheit, Toleranz und Respekt für die Menschenrechte. (Quelle: World Peace Foundation)
- "Frieden ist ein Zustand, in dem verschiedene Gemeinschaften und Nationen in einer Atmosphäre des Verständnisses und der Zusammenarbeit leben, um gemeinsame Ziele und das Wohlergehen aller zu fördern." (Quelle: Institute for Economics and Peace - IEP)
Friedens- und Konfliktforschung
Auch die Wissennschaft befasst sich mit dem wichtigen Thema. Die Friedens- und Konfliktforschung ist interdisziplinär angelegt. Sie zielt darauf ab, ein besseres Verständnis für Konflikte zu entwickeln und Wege zu finden, um Frieden zu fördern und Konflikte zu verhindern oder zu lösen. Die Friedens- und Konfliktforschung umfasst verschiedene Disziplinen wie Politikwissenschaft, Internationale Beziehungen, Soziologie, Psychologie, Anthropologie und Recht. Sie nutzt qualitative und quantitative Forschungsmethoden, um Daten zu sammeln und zu analysieren. Friedensforschunngseinrichtungen sind z.B.:
- Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg
- International Peace Research Institute
- United States Institute of Peace
- Institute for Economics and Peace
- Deutsche Stiftung Friedensforschung
- International Crisis Group
Es gibt auch Versuche, den Frieden zu messen. Der Global Peace Index hinterfragt 23 qualitativen und quantitativen Indikatoren, die den Bereichen gesellschaftlichen Sicherheit, das Ausmaß der anhaltenden nationalen und internationalen Konflikte und der Grad der Militarisierung zugeordnet sind. Zu den Indikatoren zählen solide Institutionen, eine gut funktionierende Regierung, Pressefreiheit, niedrige Korruptionsraten sowie eine geschäftsfördernde Umgebung.3 Der daran orientierte Deutsche Friedensindex hinterfragt beispielsweise die Zahl der Tötungsdelikte, die Gewaltkriminalität, Geiselnahmen, Waffenkriminalität, öffentliche Unruhen und die Polizeidichte, um im Jahre 2020 zu dem Ergebnis zu gelangen, dass sich Deutschland auf Platz 22 von 163 erfassten Nationen der Welt befindet und zu den friedlichen Nationen zählt.4 Die Deutsche Stiftung für Friedensforschung gibt seit 2020 ein jährlich erscheinendes Friedensgutachten heraus.5 Es ist also nicht so, als würde man sich um den Frieden keine Gedanken machen. Es gibt auch durchaus Vorstellungen, wie Frieden herbeizuführen ist.
Friedenskonzepte
Die nachfolgend beschriebenen Konzepte stellen die bekanntesten Theorien und Ansätze in der Friedens- und Konfliktforschung zusammen:
- Realismus: Der Realismus ist eine politische Theorie, die besagt, dass Staaten in erster Linie ihre eigenen Interessen verfolgen und dass Frieden durch ein Gleichgewicht der Macht und Abschreckung erreicht werden kann. Diese Theorie betont die Rolle von Staaten als Akteure und den Wettbewerb um Ressourcen und Einfluss.
- Liberalismus: Der Liberalismus betont die Bedeutung von Demokratie, individuellen Rechten, freiem Handel und internationalen Institutionen bei der Förderung des Friedens. Liberale Theorien argumentieren, dass friedliche Beziehungen zwischen Staaten durch Zusammenarbeit, Verhandlungen und die Förderung von gemeinsamen Interessen erreicht werden können.
- Konstruktivismus: Der Konstruktivismus betrachtet Frieden als ein soziales Konstrukt, das durch gemeinsame Normen, Werte und Überzeugungen geschaffen wird. Diese Theorie betont die Bedeutung von Identität, Kultur und Kommunikation bei der Gestaltung von Beziehungen zwischen Staaten.
- Nachhaltiger Frieden: Der Ansatz des nachhaltigen Friedens bezieht sich auf die Schaffung von dauerhaftem Frieden durch Maßnahmen, die strukturelle Ursachen von Konflikten angehen, wie soziale Ungleichheit, Armut, Ungerechtigkeit und Umweltzerstörung. Es betont die Notwendigkeit, langfristige Friedensprozesse zu fördern, die über die bloße Beendigung von Gewalt hinausgehen.
- Positive Peace / positiver Frieden: Der Begriff "Positive Peace" wurde vom Institute for Economics and Peace (IEP) geprägt und bezieht sich auf einen Zustand, in dem nicht nur die Abwesenheit von Gewalt oder Konflikten besteht, sondern auch Strukturen und Institutionen vorhanden sind, die eine gerechte und nachhaltige Gesellschaft fördern. Auch der positive Frieden in der deutschen Übersetzung bezieht sich auf mehr als nur die Abwesenheit von direkter Gewalt oder Konflikten. Er beinhaltet die Schaffung einer gerechten und harmonischen Gesellschaft, in der strukturelle Gewalt, Ungerechtigkeit und Unterdrückung bekämpft werden. Positiver Frieden bezieht sich auf das Vorhandensein von sozialer Gerechtigkeit, Gleichberechtigung, Menschenrechten, nachhaltiger Entwicklung, guter Regierungsführung und der Erfüllung grundlegender Bedürfnisse.
- Negativer Frieden: Negativer Frieden wird oft als die bloße Abwesenheit von Gewalt oder Konflikten definiert. Es bezieht sich auf eine Situation, in der ein Konflikt vorübergehend beendet oder unterdrückt wurde, aber die zugrunde liegenden Ursachen und Spannungen weiterhin bestehen. Ein negativer Frieden kann instabil sein und zu neuen Konflikten führen, wenn die grundlegenden Probleme nicht angegangen werden.
- Äußerer Frieden: Es ist ein Zustand, in dem Menschen in Harmonie und ohne Angst vor physischer oder verbaler Gewalt zusammenleben. Der äußere Frieden beinhaltet auch den Respekt vor den Rechten und Freiheiten aller Menschen.
- Innerer Frieden: Es geht um die Abwesenheit von inneren Konflikten, Ängsten, Stress oder negativen Emotionen. Innerer Frieden kann erreicht werden, wenn man im Einklang mit sich selbst ist, innere Akzeptanz findet und ein Gleichgewicht zwischen Körper, Geist und Seele herstellt.
Zwischen Zustand und Gefühl
Alles hängt irgendwie miteinander zusammen und beeinflusst sich wechselseitig. Kann es einen äußeren Frieden geben, wenn Menschen keinen inneren Frieden finden? Frieden ist wichtig. Aber nicht um jeden Preis. Maslow hat den Frieden in seiner Bedürfnishierarchie beispielsweise in die Kategorie der höheren Bedürfnisse eingeordnet. Dort wird Frieden als ein Bedürfnis nach sozialer Zugehörigkeit, Liebe und Wertschätzung betrachtet. Er steht im Zusammenhang mit dem Bedürfnis nach Sicherheit und einem stabilen sozialen Umfeld. Es gibt also Bedürfnisse, die höherwertiger sind. Der Ukraine-Krieg ist dafür ein Beispiel. Für die Ukraine ist die Freiheit und Identität höherwertig als der Waffenstillstand, der mit einer Unterwerfung gleichzusetzen wäre.6
Erfahrungen mit Mediation
Der friedlichste Ort auf der Welt ist zweifellos der, wo die Mediation praktiziert wird. Innerhalb der Mediation gibt es keinen Krieg. Vielleicht können wir von ihr lernen? Die Überlegung, ob und inwieweit die Mediation zum Frieden beitragen kann, nimmt verschiedene Perspektiven ein. Es gibt unterschiedliche Ausgangsbedingungen. Die sich daraus ergebenden Perspektiven lassen sich mit folgenden Schlagzeilen festlegen:
- Frieden in der Mediation
- Frieden mit der Mediation
- Frieden für die Mediation
- Frieden in der Mediation
- Wer die Mediation als eine Sphäre der Metawelt ansieht,7 der weiß, dass es in diesem geschützten Raum nicht zum Streit kommen kann. Der Frieden entsteht in der Mediation nicht durch Zufall. Er beginnt mit einem Bekenntnis, sich einigen zu wollen und wird durch das bewusste Schaffen eines professionell gesteuerten, regelbasierten und wertschätzenden Rahmens ermöglicht. Dieser Rahmen unterbricht destruktive Muster. Er überwindet die Hindernisse, die einer Lösung im Wege stehen und fördert ein Verständnis für die tieferliegenden Beweggründe. Die Energie wird auf die gemeinsame Suche nach zukunftsfähigen Lösungen gelenkt. Der Streit wird in eine Auseinandersetzung geführt. Bei dieser Auseinandersetzung geht es nicht darum, Standpunkte zu vertreten, sondern um eine Zukunftsentwicklung, die den allseitigen Nutzen nach vorne stellt. Damit kommt die grundlegende Frage eines jedes Friedensprozesses auf. Wollen die Parteien überhaupt, dass sie aus dem Konflikt den maximalen Nutzen ausschöpfen? Wenn sie die Frage nicht bejahen können, haben sie nicht zu Ende gedacht. Dann hat der Frieden kaum eine Chance. Dann lautet die Frage, was zu tun ist,m damit die Parteien zu Ende denken?
- Frieden mit der Mediation
- Der Unterschied zur Lage in der Sphäre der Mediation zeigt sich schon daran, dass sich jetzt sogar Mediatoren in der Ukraine für Waffenlieferungen aussprechen.8 Der Appell beweist, dass außerhalb der Mediation kein Friede herrscht. Ist die Mediation in dem Fall nicht mehr als ein Angebot, das die Kriegstreiber mit Leichtigkeit ablehnen können? Zumindest gelten andere Regeln als in der Mediation. Ihre Kompetenz lässt sich durchaus auch in der realen Welt verwenden, weil sich auch der Weg in die Mediation nur mit einem Umdenken herstellen lässt.
- Frieden für die Mediation
- Wie kann jemand auf die Idee kommen, eine Mediation vorzuschlagen, wenn ihm die Pistole an den Kopf gehalten wird? Diese Frage wird im Aufsatz "Die Mediation detoniert nicht" aufgeworfen.9 Das Wissen, dass die Mediation auch zur Verteidigung beitragen kann, klingt schon fast esoterisch. Tatsächlich finden wir die Mediation überall dort, wo es einen Wunsch nach Frieden gibt.
Mediation als Friedenskonzept
Auch wenn die Mediation, im Gegensatz zu den benannten Friedenskonzepten, weder einen analytischen Rahmen für den Frieden anbietet, noch eine Zustandsbeschreibung oder gar eine normative Vision und obwohl sie keine Vorstellung davon hat, wie Friede auszusehen hat, würde es zum Frieden beitragen, wenn die Mediation als ein offenes Konzept in die Friedensdiskussion eingebracht wird. Offen ist ihr Konzept, weil es die Lösung nicht vorgibt. Die Mediation ist ein Prozess, weshalb es nicht naheliegt, in ihr ein Konzept zu erkennen. Erst bei genauem Hinschauen ergeben sich konzeptionelle Ansätze. Sie decken sich mit den Anforderungen des Verfahrens. Ihre Friedensbotschaft ist die Machbarkeit und die mit der Mediation herzustellende Balance. Ihr konzeptueller Ansatz wäre ein Präferenzutilitarismus, der die Verwirklichung des Nutzens aller Parteien sicherstellt.
Bedeutung für die Mediation
Das Problem ist, dass die Mediation im Verständnis eines Mediationsverfahrens stets die freiwillige Bereitschaft der Parteien voraussetzt, sich dem Verfahren zu stellen. Das ist in keinem der Kriegsgebiete aktuell der Fall. Dass die Mediation eine Exitstrategie anbietet ist selbst unter Mediatoren nicht bestritten, geschweige denn, dass sie eine weltweite Initiative für den Frieden aufbauen konnten. Es gibt Initiativen, aber keine ausreichende Unterstützung.
Bitte beachten Sie die Zitier - und LizenzbestimmungenAlias: Friede
Siehe auch: Eine gute Politik ist eine Friedenspolitik
Prüfvermerk: -