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Persönlichkeit, Charakter und Identität

Wissensmanagement » Diese Seite ist der Kategorie Konfliktphänomenologie des Archivs in der Wiki-Abteilung Wissen zugeordnet. Eine logische Verknüpfung erfolgt mit der Rubrik Konflikt, also dem 6. Buchabschnitt des Fachbuchs Mediation und den Konfliktphänomenen. Bitte beachten Sie auch:

Konflikt Persönlichkeit Ebenen Identität Selbststystem Transaktionsanalyse Eintrag Psychologie

Worum es geht: Das Killerargument in der Mediation lautet oft: "Das macht keinen Sinn, der ändert sich ja doch nicht!". Das Argument wird zum Alibi, die Mediation abzulehnen. Schlechte Erfahrungen und Resignation kommen zum Vorschein. Aber auch der Wunsch, sich zu schützen, das Vertrauen nicht nocheinmal zu vergeuden, erneute Verletzungen zu vermeiden. Die Mediation macht trotzdem Sinn. Sie kann eine Veränderung herbeiführen. Die Auseinandersetzung mit der Persönlichkeit hat deshalb in der Mediation eine mehrfache Bedeutung.

Einführung und Inhalt: Schon der fundamentale Attributionsfehler bewirkt eine Zuschreibung von Charaktereigenschaften, die durchaus einer Reflexion zugänglich sind. Die unterschiedliche Wahrnehmung der Innen- und Außensicht legt es nahe, dass charakterliche Zuschreibungen unterschiedlich bewertet werden. Hier sind Abstimmungen möglich. Schließlich hat auch der Konflikt einen Einfluss auf die Bewertung der Charaktereigenschaften (zumindest aus der Sicht der Parteien). Wie wäre es, wenn man sich von diesen Bewertungen und den damit verbundenen Abhängigkeiten befreien kann?

Was ist Persönlichkeit?

Persönlichkeit bezieht sich auf die Muster von Gedanken, Gefühlen und Verhaltensweisen, die eine Person im Laufe der Zeit aufweist und die sie von anderen unterscheidet. Es ist die Art und Weise, wie eine Person denkt, fühlt und handelt. Die Persönlichkeit wird durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst, einschließlich der genetischen Veranlagung, der Umwelt, der Kultur, der Erfahrungen und der persönlichen Entscheidungen und Handlungen. Alles zusammen ergibt den Ausdruck einer Individualität. Sie ist stets auf eine Person bezogen. Oft wird der Begriff synonym mit dem Temperament und dem Wesen verwendet. Zumindest im psychologischen Verständnis sind folgende Begriffe zu unterscheiden1

Temperament
Das Temperament bezieht sich auf den angeborenen Teil der Persönlichkeit des Menschen. Gängig ist die Unterscheidung zwischen Phlegmatiker (ruhig, bedacht), Sanguiniker (heiter, lebhaft), Choleriker (leicht erregbar, aufbrausend) oder Melancholiker (schwermütig, misstrauisch).2 Diese Unterscheidung geht zunächst auf Hippokrates und später auf den griechischen Arzt, Galenos von Pergamon, zurück. Er hat die vier Grundelemente Feuer, Luft, Wasser und Erde in Körperflüssigkeiten wiedergefunden, die für vergleichbare Eigenschaften verantwortlich gemacht werden. Die moderne Psychologie hat sich von diesem Konzept allerdings gelöst. Sie definiert das Temperament nur noch als die besonders ausgeprägte Empfänglichkeit eines Menschen für ein bestimmtes Gefühl3 .
Prägung
Prägung bezieht sich auf die Einflüsse, die auf eine Person während ihrer Entwicklung einwirken und ihr Verhalten und ihre Persönlichkeit beeinflussen. Diese Einflüsse können aus der Umwelt, der Kultur, der Familie und anderen Faktoren stammen. Einige dieser Umweltfaktoren können dazu beitragen, bestimmte Eigenschaften oder Verhaltensweisen zu verstärken oder zu schwächen, während andere dazu beitragen können, neue Eigenschaften und Verhaltensweisen zu entwickeln. Während die Prägung den Prozess der Formung von Einstellungen und Überzeugungen bezeichnet, ist der Belief das Ergebnis von Grundannahmen, das aus dem Prozess der Prägung resultiert.
Identität
Die Identität umfasst die Gesamtheit dessen, was eine Person einzigartig macht, einschließlich ihrer sozialen, kulturellen und persönlichen Zugehörigkeiten. Sie beschreibt die Gesamtheit der einzigartigen Merkmale, Eigenschaften, Überzeugungen und Erfahrungen, die eine Person individuell kennzeichnen.4
Persönlichkeit
Die Persönlichkeit bezieht sich auf die charakteristischen Muster von Gedanken, Gefühlen und Verhalten einer Person. Sie ist relativ stabil über die Zeit und verschiedene Situationen hinweg. Die Persönlichkeit kann in verschiedene Persönlichkeitsmerkmale oder -typen unterteilt werden, die dazu beitragen, wie eine Person auf die Welt reagiert und sich verhält. Der nachfolgend noch beschriebene Big-Five-Test legt einige Persönlichkeitsmerkmale fest5
Charakter
Der Charakter einer Person bezieht sich auf die moralischen und ethischen Werte, die eine Person leitet. Er zeigt sich in den Entscheidungen, die eine Person trifft, und in ihrem Verhalten gegenüber anderen. Charakter ist eng mit den inneren Überzeugungen und der Integrität einer Person verbunden. Der Charakter beschreibt das individuelle Gepräge eines Menschen durch ererbte und erworbene Eigenschaften, wie es in seinem Wollen und Handeln zum Ausdruck kommt.6 Er ist eine Persönlichkeitskomponente, die auf dem Temperament beruht und die Gesamtheit des Verhaltens einer Person bewertet.
Identität
Die Begriffe Identität, Persönlichkeit und Charakter werden oft miteinander verwechselt, da sie eng miteinander verbunden sind und sich gegenseitig beeinflussen. Den psychologischen Zusammenhang stellt Kempf anschaulich dar, indem er die Identität mit einer Taschenlampe und die Persönlichkeit mit ihrem Schein vergleicht. Der Strahl, der auch mit der Ausstrahlung gleichgesetzt werden kann, wird durch die energetische Leistung der Taschenlampe, mithin der Identität, maßgeblich gesteuert.7 Die Metapher vedeutlicht, dass und wie das Selbstkonzept einer Person Auswirkungen auf Ihre Austrahlung hat. Das mit der Identität gleichzusetzende Selbstkonzept ist die Summe der Überzeugungen, die eine Person über sich selbst hat. Es umfasst die Wahrnehmungen der eigenen Fähigkeiten, Stärken, Schwächen und Eigenschaften und drückt sich etwa im Selbstwertgefühl und dem Streben nach Selbstverwirklichung aus.

Wie entsteht Persönlichkeit?

Die Bildung der Persönlichkeit wird im Gehirn organisiert. Leider gibt es dort keinen spezifischen Bereich, der für die Persönlichkeitsbildung verantwortlich ist. Zuständig ist ein Netzwerk von Gehirnregionen und neuronalen Schaltkreisen, die in komplexen Wechselwirkungen stehen. Einige Bereiche des Gehirns, die an der Persönlichkeitsbildung beteiligt sein können, sind die Amygdala, der präfrontale Kortex, das limbische System und das Belohnungssystem. Die Amygdala spielt eine wichtige Rolle bei der Verarbeitung von Emotionen und der Regulierung von Angst, während der präfrontale Kortex für die Planung, Entscheidungsfindung und Selbstkontrolle zuständig ist. Das limbische System, einschließlich des Hippocampus und des Mandelkerns, spielt eine wichtige Rolle bei der Emotionsregulation und der Bildung von Gedächtnisinhalten, während das Belohnungssystem, zu dem der Nucleus accumbens und der Ventral Tegmental Bereich gehören, mit positiven emotionalen Erfahrungen und der Motivation verbunden ist. Keiner der Bereiche des Gehirns arbeitet jedoch isoliert.

Frühkindliche Erfahrungen
Die Psychologie weiß, dass die Persönlichkeitsbildung jenseits der genetischen Veranlagung bereits durch frühkindliche Erfahrungen und Interaktionen geprägt wird, die als Lebenserfahrungen im Gehirn hinterlegt werden. Sowohl die Transaktionsanalyse wie die Bindungstheorie belegen die Einflüsse von Bezugspersonen. Die Forschungen verdeutlichen, dass und wie die Erfahrungen in Verbindung mit den angeborenen oder erworbenen Fähigkeiten zur Persönlichkeitsbildung beitragen.

Die vier Persönlichkeitsebenen
Ein weiterer Versuch, das Entstehen der Persönlichkeit zu erklären, ist das auf Roth und Ryba zurückgeführte Modell der vier Persönlichkeitsebenen. Das Modell lässt sich auf die Funktionalität des Gehirns ein, weshalb die anatomischen Gehirnebenen den Ausgangspunkt bilden. Weil das limbische System des gehirns als Entstehungsort von Affekten, Gefühlen, Motiven, Handlungszielen, Gewissen, Empathie, Moral und Ethik angesehen wird, unterscheidet dieses Modell die Wirkung der drei limbischen Ebenen (untere, mittlere, obere) und der sprachlichkognitiven Ebene. Jede Ebene stellt eine andere Kompetenz zur Verfügung, die auch über die Frage der Disponibilität entscheidet. Deshalb hilft das Konzept der vier Persönlichkeitsebenen nicht nur bei der Erkenntnis, wie Persönlichkeit zustande kommt, sondern auch bei der Vorstellung, wie sie zu verändern ist. Es wird deutlich, dass eine Persönlichkeitsveränderung eine Kombination von Verstandes- und Vernunftkompetenzen mit intensiven Gefühlen und antreibenden Motiven erfordert, um eine Wirkung zu entfalten.8

Typologisierung der Persönlichkeiten

Der Mensch ist nicht einfach nur ein Mensch. Man weiß gerne, mit wem man es zu tun hat. Der Umgang mit den Mitmenschen hängt sehr davon ab, ob sie als vertrauenswürdig, zuverlässig und gewissenhaft oder als sprunghaft, unreflektiert und erregbar eingeschätzt werden. Psychologen haben herausgefunden, dass sich im Wörterbuch 17.953 Begriffe finden lassen, über die sich ein Mensch charakterisieren lässt.9 Es gibt verschiedene Modelle und Theorien, die versuchen, die verschiedenen Aspekte der Persönlichkeit zu beschreiben und zu erklären, einschließlich der Big Five (Fünf-Faktoren-Modell), der Myers-Briggs-Typindikator und der psychodynamischen Theorien.

Myers-Briggs-Typindikator
Der Myers-Briggs-Typindikator, kurz MBTI genannt, soll den Menschen helfen, ihre Persönlichkeit besser zu verstehen und ihre Stärken und Schwächen zu erkennen, um ihre zwischenmenschlichen Beziehungen, ihre Arbeitsleistung und ihr persönliches Wachstum zu verbessern. Das auf der Theorie von Carl Jung basierende und von Katherine Briggs und Isabel Myers entwickelte Konzept kategorisiert Menschen anhand von vier Dimensionen, wobei jede Dimension zwei Pole hat. Die vier Dimensionen und ihre jeweiligen Pole sind:

  1. Extraversion (E) oder Introversion (I): Extravertierte Menschen sind im Allgemeinen kontaktfreudig, gesellig und suchen die Stimulation von außen, während introvertierte Menschen sich eher zurückziehen und die innere Welt bevorzugen.
  2. Sensing (S) oder Intuition (N): Menschen mit einer Präferenz für Sensing bevorzugen konkrete Informationen und Erfahrungen, während Menschen mit einer Präferenz für Intuition eher abstrakte Ideen und Konzepte bevorzugen.
  3. Thinking (T) oder Feeling (F): Menschen mit einer Präferenz für Thinking treffen Entscheidungen auf der Grundlage von Logik und Rationalität, während Menschen mit einer Präferenz für Feeling eher auf ihre persönlichen Werte und Empfindungen achten.
  4. Judging (J) oder Perceiving (P): Menschen mit einer Präferenz für Judging sind tendenziell organisiert und planen gerne im Voraus, während Menschen mit einer Präferenz für Perceiving eher spontan und flexibel sind und offen für neue Erfahrungen.
Fünf-Faktoren-Modell
Das Fünf-Faktoren-Modell, das auch als Big Five bekannt wurde,10 versucht, die wichtigsten Dimensionen der menschlichen Persönlichkeit zu beschreiben. Das Fünf-Faktoren-Modell wird oft in der Persönlichkeitspsychologie und in der Arbeitspsychologie verwendet, um die Persönlichkeit von Menschen zu beschreiben und zu messen. Es dient auch dazu, verschiedene Aspekte der Persönlichkeit besser zu verstehen und zu erklären, einschließlich der zwischenmenschlichen Beziehungen, der Arbeitsleistung, der psychischen Gesundheit und des persönlichen Wohlbefindens. Darüber hinaus kann es auch für die Beratung, die Karriereberatung und die Entwicklung von Persönlichkeitsprofilen eingesetzt werden. Das Modell unterscheidet folgende Hauptdimensionen oder Faktoren:

  1. Offenheit für Erfahrungen: Eine Person, die offen für Erfahrungen ist, ist neugierig, kreativ und bereit, neue Dinge auszuprobieren.
  2. Gewissenhaftigkeit: Eine Person, die gewissenhaft ist, ist organisiert, zuverlässig und verantwortungsbewusst.
  3. Extraversion (Geselligkeit): Eine extravertierte Person ist gesellig, aktiv und sucht die Gesellschaft anderer.
  4. Verträglichkeit: Eine verträgliche Person ist mitfühlend, kooperativ und harmonieorientiert.
  5. Neurotizismus (emotionale Stabilität): Eine Person mit hohem Neurotizismus ist anfälliger für emotionale Instabilität, Sorgen und Stress.

Selbsttest Big Five Persönlichkeitstest von Dr. Satow

Das Sechs-Faktoren-Modell
Hartmann stellt wissenschaftliche Diskussionen heraus, die auf der Suche nach einem global gültigen Persönlichkeitsmodell einen sechsten elementaren Charakterzug dem Fünf-Faktoren-Modell hinzufügten.11 Den sechsten Faktor nannten sie „Ehrlichkeit-Bescheidenheit". Er gibt Hinweise darauf, wie aufrichtig, fair, bescheiden und genügsam jemand ist. Diesem Faktor werden auch negativ besetzte Eigenschaften wie Habgier und Überheblichkeit zugewiesen. Er soll eine Verbindung zu sozialen und politischen Einstellungen und der Kooperationsbereitschaft herausstellen.

Ist der Charakter festgeschrieben?

Der Mensch ändere sich nicht, heisst es allenthalben. Lohne Frank geht in dem nachfolgenden Video sogar davon aus, dass die Persönlichkeit und der Charakter eines Menschen genetisch festgeschrieben sei. Von dieser Einschätzung gehen auch viele Medianden aus, weshalb sie Verhandlungen über bestimmte Themen von vorne herein als sinnlos ansehen. Ihre Grundannahme bedarf jedoch der Korrektur.

Dieses eindrucksvolle Video zeigt die Recherchen und Auseinandersetzungen der Journalistin und promovierten Neurobiologin Lohne Frank mit der Persönlichkeit und ihrer genetischen Vorprägung. 'Lohne Frank' betrachtet die Psyche (Seele) und damit die Persönlichkeit zunächst als reine Biologie, deren Ausgangspunkt unser Genom sei. Die Frage bleibt, ob sie auch Ausgangspunkt für das ist, was der Mensch denkt und fühlt? Lohne Frank hat sich intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, was die Persönlichkeit ausmacht.

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem Video um ein bei Youtube (Google) hinterlegtes Video handelt. Was das bedeutet, erfahren Sie in der Datenschutzerklärung. Eintrag im Videoverzeichnis erfasst unter Genetische Programmierung


Nach ihren Recherchen hat auch Lohne Frank ihre Ausgangshypothese relativiert. Sie räumt schließlich ein, dass sich die Persönlichkeit durchaus ändern kann. Das entspricht auch der Volksweisheit, die besagt, dass der Mensch mit seinen Anforderungen wachse. Ursula Staudinger weist darauf hin, dass sich die Persönlichkeit nach der neuesten Forschung während des gesamten Lebens verändern kann. Nur die Hälfte der Persönlichkeitsunterschiede sei auf genetische Unterschiede zurückzuführen.12

Ausschlaggebend für die persönliche Entwicklung ist stets die Beziehung zwischen Person und Umwelt. Die Psyche besitzt ein anpassungsfähiges kognitives und emotionales Veränderungspotential. Es gibt weder ein perfektes Genom noch gibt es eine perfekte Physiologie des Gehirns. "Alles hängt vom Kontext ab", lautet deshalb die Zusammenfassung in den Ausführungen des Videos von Lohne Frank. Sie kommt zu folgender Erkenntnis:

Vielleicht kann man seine Persönlichkeit nicht radikal verändern. Aber man kann Möglichkeiten erkennen und nicht nur Einschränkungen. Für die Veränderung der Persönlichkeit kann es aussschlaggebend sein, sich selbst anders zu verstehen und die Perspektive zu wechseln.


Von einer Festschreibung des Charakters und der Persönlichkeit kann also keine Rede sein. Nicht nur die genetischen Voraussetzungen, sondern auch die mentalen Bedingungen (wie zum Beispiel die Möglichkeit Handlungsoptionen überhaupt zu erkennen) und situative Einflüsse (wie zum Beispiel die zur Verfügung stehenden Optionen), die kulturellen Erwartungen (wie z.B. Ethik und Moral) spielen eine entscheidende Rolle, ebenso wie die unterschiedlichen Sichtweisen und die zu erledigenden Aufgaben. Ein Mensch der in der einen Situation seine typischen Fähigkeiten ausleben kann, mag sich in einer anderen Situation völlig untypisch verhalten.

Bewertung der Persönlichkeit

Nicht nur für die Beurteilung der Persönlichkeit, sondern auch, weil die Einschätzung des Gegenübers für das Miteinander so entscheidend ist, kommt es unweigerlich zu einer Bewertung der Charaktereigenschaften. Sie sollen helfen, das Verhalten einzuschätzen. Die Persönlichkeitsbewertung ist nicht nur für die Beurteilung der Mitmenschen von Bedeutung. Auch um die eigenen Chancen im Leben besser einschätzen zu können, machen sich viele Menschen Gedanken über ihre eigene Veranlagung.

Was macht die Persönlichkeit aus und welche Person steht dahinter? Der Mensch ist ein komplexes, mehrdimensionmales Konstrukt, das nicht nur aus seinem Handeln definiert wird, sondern aus seinen Möglichkeiten. Wie die Ausführungen zum Selbstsystem des Menschen ergeben, determiniert sich die Person trotz der Verknüpfung von der Psyche und Physis mit dem Geist als eine, dem Menschen oft selbst verborgene Metainstanz. Wir müssen uns im Klaren darüber sein, dass die Person den Menschen an und für sich ausmacht, während die Persönlichkeit nur seine Attribution wiederspiegelt. Mithin können Person und Persönlichkeit auseinanderfallen.

Wenn jemand versucht, den Charakter eines Menschen einzuschätzen, achtet er auf die Erfahrungen, die er im Umgang mit der Person gewonnen hat. Der Fokus ist nicht nur auf die Erscheinungsform, sondern auch auf die Vergangenheit gerichtet. Eine weitere Einschränkung ergibt sich aus der Vermengung der zur Erfahrung führenden Beobachtung mit der Persönlichkeit der Beobachters. Sowie in der Quantenphysik die Beobachtung bereits das Messergebnis beeinflusst,13 setzt auch der menschliche Beobachter Filter, die seinen Fokus steuern.

Beispiel 11819 - Eine ängstliche Person wird eher auf die Phänomene achten, die aus ihrer Ängstlichkeit entspringen und andere Phänomene, die ihr eine Sicherheit vermitteln könnten, möglicherweise gar nicht sehen. Die Frage ist also, was zu bewerten ist, wenn andere Menschen eingeschätzt werden.


Ungeachtet aller Einschränkungen gibt es Charaktereigenschaften, die überwiegend entweder als positiv oder negativ eingeschätzt werden. Beispiele für Charaktereigenschaften ergibt die Liste mit positiven und negativen Eigenschaften14 oder die Liste von 1674 menschlichen Charaktereigenschaften.15 Die positiv eingeschätzten Merkmale werden als helle Merkmale, die negativ eingestuften Persönlichkeitsmerkmale werden als dunkle Merkmale bezeichnet. Letztere werden mit einem Fakter-D (für dunkel) gekennzeichnet. Sie beschreiben ein ethisch, moralisch und sozial fragwürdiges Verhalten. Die dunklen Merkmale beziehen das Handlungsmotiv in die Bewertung ein. Wenn Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie zusammenkommen spricht man von der dunklen Tetrade.16 Im Vordergrund steht die individuelle Nutzenmaximierung, die sich dadurch auszeichnet, dass die damit einhergehende Rücksichtslosigkeit von Überzeugungen begleitet wird, die das Verhalten (aus der individuellen Sicht) rechtfertigen sollen.17

Persönlichkeitsstörungen

Persönlichkeitsstörungen sind gekennzeichnet durch tief verwurzelte Verhaltens- und Denkmuster, die von der gesellschaftlichen Norm abweichen und zu Problemen im zwischenmenschlichen Bereich führen können. Es gibt verschiedene Arten von Persönlichkeitsstörungen. Das Informationsportal zur psychischen Gesundheit und Nervenerkrankungen18 unterteilt die Persönlichkeitsstörungen in drei Hauptgruppen: Die Hauptgruppe A umfasst unter den Stichworten „sonderbar, exzentrisch“ die paranoiden und schizoiden Persönlichkeitsstörungen. Die Hauptgruppe B fasst unter den Stichworten „dramatisch, emotional, launisch“ die histrionische, narzisstische, dissoziale und die Borderline-Persönlichkeitsstörung zusammen. In der Hauptgruppe C finden sich Persönlichkeitsstörungen, die Verhaltensmerkmale aus dem Bereich der Angststörungen aufweisen. Stichworte sind „selbstunsichere, abhängige und zwanghafte“ Persönlichkeitsstörung".19 Als Krankheitsbilder werden genannt: Paranoide Persönlichkeitsstörung, Schizoide Persönlichkeitsstörung, Histrionische Persönlichkeitsstörung, Narzisstische Persönlichkeitsstörung, Emotional instabile Persönlichkeitsstörung (Borderline-Typus), Dissoziale Persönlichkeitsstörung, Selbstunsichere Persönlichkeitsstörung, Dependente Persönlichkeitsstörung und die anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung.20

Folgende Anzeichen können auf eine Persönlichkeitsstörung hinweisen:

  1. Probleme im zwischenmenschlichen Bereich, wie Schwierigkeiten, Beziehungen aufrechtzuerhalten oder enge Freundschaften zu entwickeln.
  2. Starke und starre Denk- oder Verhaltensmuster, die sich auf verschiedene Lebensbereiche auswirken, wie Arbeit, Schule oder Freizeit.
  3. Eingeschränkte Wahrnehmung oder Empathie für die Gefühle und Bedürfnisse anderer Menschen.
  4. Übermäßiges oder unangemessenes Misstrauen gegenüber anderen Menschen oder Paranoia.
  5. Starke Stimmungsschwankungen oder impulsives Verhalten.
  6. Schwierigkeiten bei der Selbstreflexion oder Selbstkritik.
  7. Eingeschränktes Verständnis von Verantwortung und persönlicher Schuld.

Bitte beachten Sie, dass dass nicht jeder, der einige dieser Symptome zeigt, notwendigerweise an einer Persönlichkeitsstörung leidet. Eine Diagnose sollte immer von einem qualifizierten Fachmann gestellt werden.21 Der Mediator hat zu prüfen, ob die Mediationsfähigkeit besteht und ein eigenverantwortliches Verhandeln auf gleicher Augenhöhe möglich ist.22

Persönlichkeitstests

Unbewusst ergibt sich die Einschätzung anderer Menschen aus der Empathie, also der Fähigkeit zum emotionalen Verständnis. Der Versuch einer Objektivierung soll mit Persönlichkeitstests erreicht werden. Sie sollen eine möglichst zuverlässige Einschätzung der Menschen ermöglichen. Die Persönlichkeitstests wollen konstante Eigenschaften und Neigungen, aber auch dominante Motive und Interessen einer Person herausarbeiten. Sie werden in der Forensik, im Personalwesen, bei der Beurteilung der Fahreignung (MPU) usw. eingesetzt23 . Beispiele für Persönlichkeitstests, die auch online durchgeführt werden können, sind:

  1. Big Five Test: Big-Five-Persönlichkeitstest kostenlos auf Psychomeda
  2. Ermittlung des Faktors D: darkfactor.org
  3. Persönlichkeitstests: hwww.testedich.de

Bedeutung für die Mediation

Auf der einen Seite muss der Mediator einschätzen können, mit wem er es zu tun hat. Auf der anderen Seite hält er sich von Bewertungen fern. Deshalb ist das zentrale Thema in der Mediation weniger die Persönlichkeit der Partei, als die Frage, ob und wie die Parteien in der Lage sind, auf gleicher Augenhöhe zu verhandeln und eine verlässliche Lösung herbeizuführen. Dafür genügt es, sich zu den Verhaltensmotiven zu stellen.

Die Mediation schaut auf das Potenzial, nicht auf die Einschränkung. Kaum ein anderes Verfahren gibt den Parteien die Gelegenheit, sich selbst besser zu verstehen und einen Perspektivenwechsel zu ermöglichen. Die Mediation könnte also durchaus einen Anlass zur Veränderung der Persönlichkeit geben. Es wäre allerdings ein Nebeneffekt und niemals das Ziel der Mediation.

Wenn die parteiseitige charakterliche Einschätzung des Gegenübers zu einer vermehrten Skepsis und einem gesteigerten Misstrauen bei einer der Parteien führt, sollte der Mediator darauf achten, woraus sich diese Befürchtungen ergeben. Sie müssen nicht immer im Verhalten der Gegenseite begründet sein. Es könnte sich dabei auch um Projektionen handeln. Im Verlauf der Mediation wird sich zeigen, ob und inwieweit die Parteien in der Lage sind, ihre eigenen Gedanken und die des Gegners zu reflektieren. Der Mediator wird merken, inwieweit die Parteien in der Lage sind, die Verantwortung für ihr Verhalten zu übernehmen oder nicht.

Was tun wenn ...

Hinweise und Fußnoten
Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen
Bearbeitungsstand: 2024-03-09 13:40 / Version .

Aliase: Temperament, Fünf-Faktoren-Modell, Big Five, Charakter
Siehe auch: Allgemein, Herausforderung, Lügen, Narzissmus
Prüfvermerk:

1 Eine gute und einfache Abgrenzung ergibt der Beitrag in Gedankenwelt (Blog)
2 Siehe auch Konflikttypen
3 Siehe dazu und zu den mordernen Theorien der Typologisierung https://de.wikipedia.org/wiki/Temperament
4 Näheres dazu siehe den Beitrag über die Identität
7 Eberhard Kempf im Seminar "Psychologische Grundlagen" der Mediatorenausbildung "Integrierte Mediation" am 26.8.2023 in Koblenz
20 Die Krankheitsbilder werden auf Monks (Persönlichkeitsstörungen) - 2019-12-15 genau beschrieben
21 Erfasst im Verzeichnis der Schwierigkeiten unter Persönlichkeitsstörung
22 Die Aufgabe wird im Aufgabenverzeichnis erfasst als Prüfung der Mediationsfähigkeit (Relevanz: Pflicht)


Based on work by Arthur Trossen und anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Donnerstag März 28, 2024 12:05:26 CET.

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