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Die Verhandlungsanalyse

Wissensmanagement » Diese Seite gehört zum Fachbuch Mediation in der Wiki-Abteilung Wissen. Sie befinden sich auf der Themenseite Verhandlungsanalyse die den Verhandlungen des Kapitels Verfahren im 2. Buchabschnitt Systematik zugeordnet wird. Beachten Sie bitte auch:

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Worum es geht: Die Verhandlungsanalyse ist von der Konfliktanalyse zu unterscheiden, die sich jedoch auf die Einschätzung der Verhandlung auswirkt. Die Verhandlungsanalyse untersucht die Dynamiken, Strategien und Ergebnisse von Verhandlungen mit dem Ziel, Lösungen zu entwickeln, die sowohl für alle Beteiligten vorteilhaft sind als auch die Effektivität des Verhandlungsprozesses verbessern. Wie lässt sich die Analyse für die Konfliktbeilegung nutzen?

Einführung und Inhalt: Bei der Verhandlungsanalyse geht es um die Einschätzung der Verhandlungsoptionen und Möglichkeiten, um daraus eine optimale Verhandlungslage zu gestalten. Das Ziel ist die Strukturierung der Verhandlung. Der Zweck ist ihre Optimierung. Ihre Anwendung beschränkt sich nicht auf den konkreten Fall. Es gibt auch Berührungspunkte zur Mediation.

Anwendung der Verhandlungsanalyse

Die Verhandlungsanalyse kann sowohl auf konkrete Verhandlungen als auch auf Verhandlungen allgemein angewendet werden. Sie bietet eine systematische Herangehensweise, um Verhandlungen besser zu verstehen und zu verbessern, indem sie die zugrunde liegenden Dynamiken, Interessen, Machtverhältnisse und Optionen analysiert. Dabei lässt sich die Verhandlungsanalyse sowohl auf individuelle Verhandlungsprozesse als auch auf allgemeine Prinzipien und Theorien übertragen.

Verhandlungsanalyse (allgemein)
Die allgemeine Verhandlungsanalyse entwickelt theoretische Modelle und Prinzipien, die in einer Vielzahl von Verhandlungskontexten relevant sind. Ihr geht es weeniger um eine spezifische Verhandlungssituation, als vielmehr darum, allgemeine Erkenntnisse zu gewinnen, die auf viele Verhandlungen angewendet werden und dazu beitragen, das passende Verhandlungskonzept zu wählen.1 Bei der allgemeinen Verhandlungsanalyse liegt der Schwerpunkt auf der theoretischen Forschung, der Identifizierung von Mustern und der Entwicklung von allgemeinen Verhandlungsstrategien.
Verhandlungsanalyse (konkret)
In konkreten Verhandlungen wird die Verhandlungsanalyse genutzt, um spezifische Handlungsempfehlungen und Strategien für das weitere Vorgehen zu entwickeln. Die Analyse erstreckt sich auf eine bestimmte Verhandlungssituation, um die Interessen der beteiligten Parteien zu identifizieren, um die Machtverhältnisse zu bewerten, um mögliche Szenarien zu simulieren oder um optimale Strategien zu empfehlen. Die Verhandlungsanalyse dient als ein praktisches Werkzeug, um den Verhandlungsführern zu helfen, in einer laufenden Verhandlung fundierte Entscheidungen zu treffen und die Verhandlungen in die gewünschte Richtung zu lenken.

Theoretische Grundlagen der Verhandlungsanalyse

Die Verhandlungsanalyse stützt sich auf eine Vielzahl von Theorien und Modellen, die in unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen entwickelt wurden. Die Verhandlungstheorie liefert die theoretischen Modelle, die in der Verhandlungsanalyse angewendet werden. Zwei der zentralen theoretischen Ansätze sind die Spieltheorie und das Harvard-Konzept der Verhandlung.

Spieltheorie
Die Spieltheorie bietet einen mathematischen Rahmen zur Analyse von Verhandlungen als strategische Interaktionen. Sie konzentriert sich darauf, wie rationale Akteure Entscheidungen treffen, wenn die Ergebnisse ihrer Handlungen von den Entscheidungen anderer abhängen. Erkenntnisse der Spieltheorie unterscheiden kooperative Spiele von den nicht-kooperativen Spielen, die bei den Verhandlungskonzepten besprochen wurden. Ein wichtiger Aspekt der Spieltheorie, der sich auf das Verhandeln auswirkt ist das Nash-Gleichgewicht. Das Nash-Gleichgewicht bestimmt die Marke, wann eine Verhandlung nicht mehr sinnvoll ist. Das ist der Fall, wenn die Verhandlung keinem der Verhandlungspartner seinen Nutzen steigern kann, ohne den anderen zu schädigen.
Harvard-Verhandlungskonzept
Das Harvard-Konzept legt den Fokus auf interessenbasierte Verhandlungen. Statt auf Positionen zu beharren, empfiehlt dieses Konzept, die dahinter liegenden Interessen der Parteien zu verstehen und Lösungen zu finden, die diese Interessen bestmöglich berücksichtigen. Entscheidungen sollten auf objektiven Standards und fairen Kriterien basieren, nicht auf Machtspielen. Das Harvard-Konzept zielt darauf ab, integrative Verhandlungen zu fördern und nachhaltige Ergebnisse zu erzielen, bei denen alle Parteien profitieren.

Methoden der Verhandlungsanalyse

Zur Analyse von Verhandlungen werden verschiedene Methoden eingesetzt, um Verhandlungsprozesse und -ergebnisse besser zu verstehen. Zu den gängigen Ansätzen gehören Modellierung, Simulationen und empirische Analysen.

Modellierung und Szenarioanalyse
Eine wichtige Methode in der Verhandlungsanalyse ist die Modellierung von Verhandlungen durch mathematische oder spieltheoretische Modelle. Diese Modelle helfen, verschiedene Szenarien und Strategien zu simulieren, um potenzielle Ergebnisse vorherzusagen. Szenarioanalysen helfen Verhandlungsführern, zu erkennen, wie sich verschiedene Verhaltensweisen der anderen Partei auf das Ergebnis auswirken könnten.
Simulationen und Verhandlungstraining
Simulationen werden häufig genutzt, um Verhandlungsprozesse nachzubilden und zu analysieren. In Trainingsumgebungen oder in Forschungsexperimenten können Verhandlungen simuliert werden, um unterschiedliche Strategien zu testen und die Auswirkungen verschiedener Ansätze auf das Verhandlungsergebnis zu beobachten.
Empirische Studien
Empirische Ansätze in der Verhandlungsanalyse beruhen auf der Untersuchung realer Verhandlungen, um Muster und Erfolgsfaktoren zu identifizieren. Dies umfasst die Analyse von Fallstudien, Interviews mit Verhandlungsführern und die Beobachtung von Verhandlungen in verschiedenen Branchen und Kontexten. Solche Studien liefern wertvolle Einblicke in erfolgreiche Verhandlungsstrategien und die Dynamiken von Verhandlungsprozessen.

Faktoren, die Verhandlungen beeinflussen

Die Verhandlungsanalyse berücksichtigt eine Vielzahl von Faktoren, die den Verhandlungsprozess und das Ergebnis beeinflussen. Diese Faktoren umfassen die Verhandlungsmacht, Informationen, Zeitdruck, Beziehungsdynamiken, Optionsspielräume und kulturelle Unterschiede.

Verhandlungsmacht
Die relative Verhandlungsmacht der beteiligten Parteien spielt eine zentrale Rolle in der Verhandlungsanalyse. Macht kann aus verschiedenen Quellen stammen, wie zum Beispiel finanzielle Ressourcen, rechtliche Positionen oder das Vorhandensein alternativer Optionen (auch als BATNA, Best Alternative to a Negotiated Agreement, bekannt). Parteien mit einer stärkeren BATNA haben tendenziell mehr Einfluss auf den Verhandlungsprozess und das Ergebnis.
Informationsasymmetrie
Wenn eine Partei mehr oder bessere Informationen hat als die andere, entsteht eine Informationsasymmetrie, die die Verhandlungen erheblich beeinflussen kann. In solchen Fällen kann die besser informierte Partei versuchen, ihre Informationsvorteile auszunutzen, um günstigere Bedingungen auszuhandeln.
Zeitdruck
Zeitdruck kann die Dynamik einer Verhandlung stark beeinflussen. Wenn eine Partei unter Zeitdruck steht, kann dies ihre Verhandlungsposition schwächen, da sie möglicherweise gezwungen ist, schneller Kompromisse einzugehen. Umgekehrt kann eine Partei, die weniger unter Zeitdruck steht, eine stärkere Position einnehmen.
Beziehungsdynamik
Die Beziehung zwischen den Verhandlungspartnern kann ebenfalls den Verlauf und das Ergebnis einer Verhandlung beeinflussen. In langfristigen Beziehungen spielen Vertrauen und Kooperation eine größere Rolle, während in kurzfristigen Verhandlungen oft härtere Taktiken und strategisches Verhalten dominieren.
Optionsspielräume
Die Optionsvielfalt entsteht mit der Auflösung der Positionen. Die Partei die mehr Lösungsoptionen akzeptieren kann und einen größeren Optionenspielraum besitzt, hat ein größeres Verhandlungspotenzial.
Kulturelle Unterschiede
In globalen Verhandlungskontexten müssen kulturelle Unterschiede berücksichtigt werden. Unterschiedliche Kulturen haben oft unterschiedliche Ansätze, wie Verhandlungen geführt werden sollten. Zum Beispiel legen einige Kulturen mehr Wert auf Kompromissbereitschaft und Kooperation, während andere direktere und wettbewerbsorientiertere Verhandlungsstile bevorzugen.

Eckdaten zur Verhandlungsanalyse

Eine Analyse versucht, den zu untersuchenden Gegenstand (in dem Fall die Verhandlung) nach ihren Bestandteilen auszuwerten. Bestandteile, die den Zustand und die Optionen einer Verhandlung aufdecken, ergeben sich aus den folgenden Eckdaten:

  • Zielfestlegung: Gibt es ein definiertes Verhandlungsziel, an dem die Parteien ihre Verhandlung ausrichten? Welches Verhalten indizoert das Ziel? Erlaubt es ein paralleles Denken oder führt es die Parteien in die Konfrontation?
  • Strategie: Damit kommt die Frage auf, welche Strategie zur Anwendung kommt. Ist das Verfahren so angelegt, dass die Parteien sich in einem Nullsummenspiel wiederfinden? Kann gegebenenfalls ein anderes Spiel initiiert werden, das eine Kooperation nahelegt?
  • Fokus: Es geht um die Frage, worauf der Fokus gerichtet ist. Dreht sich der Kampf um Positionen oder Interessen? Kann der Fokus auf den Nutzen gelenkt werden?
  • Struktur: Gibt es einen Plan (einen vereinbarten Weg der Verhandlung mit festgelegten Etappenzielen) oder wird nur intuitiv, aus dem Bauch heraus verhandelt, wo ein Wort das andere ergibt.2
  • Information: Welcher Grad an Informiertheit ist sichergestellt und welcher ist erforderlich. Wenn Informationen zurückgehalten werden, ist das ein Indiz für eine weiterhin bestehende Konfrontation.
  • Rationalität: Die Frage nach dem Grad der Rationalität steht mit der Frage im Zusammenhang, welche Dimensionen des Streitkontinuums anzusprechen sind. Genügen Sachinformationen? Gibt es eine Metainstanz (-ebene)?
  • Gegenstand: Es geht um die Frage, inweiweit der Gegenstand der Verhandlung geklärt ist. Deckt er den ganzen Konflikt ab oder ist er Ausdruck einer konfrontativen Salamitaktik. Erst wenn alle Streitigkeiten umfasst werden, kann entschieden werden ob sich der Kuchen erweitern lässt.
  • Machtgleichgewicht: Welche Abhängigkeiten bestehen? Ist die Mitwirkung des Gegners erforderlich, um die Lösung herbeizuführen? Wie sehr müssen seine Interessen beachtet werden? Ist ein Verhandeln auf gleicher Augenhöhe möglich?

Vier Schlüsselfaktoren der Verhandlung

Ist es wirklich möglich, die Verhandlung anhand von nur vier Schlüsselfaktoren korrekt einzuschätzen? Der folgende Videovortrag der Eidenmüller, Hacke, Fries GbR, stellt die Möglichkeiten der Verhandlungsanalyse und ihr mögliches Aufkommen in der Mediation vor:

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem Video um ein bei Youtube (Google) hinterlegtes Video handelt. Was das bedeutet, erfahren Sie in der Datenschutzerklärung. Eintrag im Videoverzeichnis erfasst unter Verhandlungsanalyse


Dieser Vortrag bringt Beispiele für ein intuitives Drauflosverhandeln und weist dessen Fehleranfäligkeit nach. Aus diesen Fehlern werden vier Schlüsselfaktoren herausgearbeitet. Sie sollen eine Entscheidungshilfe anbieten, ob und welches Verhandlungspotenzial noch vorhanden ist oder nicht. Das Modell der Schlüsselfaktoren stammt von Büring-Uhle. Eidenmüller und Nelle. Es soll wie ein Röntgenbild die wichtigsten Parameter des Verhandelns abbilden.

  1. Einigungsoptionen: Einigungsoptionen sind die verschiedenen Möglichkeiten die auf dem Tisch liegen, auf die sich die Parteien vereinbaren können. Anders formuliert sind es die Bedingungen, unter denen ein Konsens möglich ist.
  2. Nichteinigungsalternativen: Nichteinigungsalternativen beschreiben, was geschieht, wenn sich die Parteien nicht einigen können. Letzten Endes ist jede Verhandlung eine Entscheidung zwischen Einigungsoptionen und Vichtinigungsalternativen. Entweder ich sage ja zu den Angeboten oder ich wähle eine der Alternativen, wie etwa der Gang zum Gericht. Das wäre dann die BATNA, die wir vom Harverd-Konzept kennen. Das Akronym steht für Best Alternate to Negotiated Agreement.
  3. Interessen: Interessen sind die Maßstäbe, an denen die Entscheidung zu messen ist. Anders als die Positionen, geben sie die hinter den Wünschen verborgenen Bedürfnisse und Motive bekannt. Einigungs- und Nichteinigungsalternativen sollten daran ausgerichtet werden, sodass die Entscheidung getroffen wird, die den Interssen am besten entspricht.
  4. Wahrnehmung: Mit der Wahrnehmung wird die Erkennbarkeit der Einigungsoptionen, der Nichteinigungsalternativen und der Interessen angesprochen.

Die 4 Schlüsselfaktoren sind für jede Verhandlungspartei zu identifizieren. Wenn sie für jede Partei festgelegt werden, bilden die Einigungsoptionen die Schnittmenge. Die nachfolgende Skizze aus dem Buch Verhandlungsmanagement von Büring-Uhle, Eidenmüller und Nelle veranschaulicht den zur einvernehmlichen Lösung führenden Entscheidungsbereich.

Schlüsselfaktoren

Bis auf die Schnittmenge der Einigungsoptionen sind alle Faktoren individuell und können von jeder Verhandlungspartei auch dementsprechend isoliert wahrgenommen werden. Allerdings spielt die Wahrnehmung der anderen Partei eine wichtige Rolle, gerade wenn es darum geht, die Verhandlungslage einzuschätzen. Oft hängt die Entscheidung, ob und wie verhandelt wird, davon ab. Die Spieltheorie bezeichnet das Phänomen als gegenseitige Erwartungsbildung oder strategische Interdependenz.

Beispiel 16690 - Das Angebot der einen Partei wird anders ausfallen, wenn sie weiß, dass die andere Verhandlungspartei schwach ist und keinesfalls riskiert, den Fall vor Gericht zu verhandeln. Sie wird dann davon ausgehen, dass die Gegenseite eher nachgeben wird. Sie wird ihre Chancen anders einschätzen, wenn sie die Gegenseite als risikofreudig und dumm genug einschätzt, dass sie die Entscheidungsalternativen als zu optimistisch einschätzt.


Bedeutung für die Mediation

Der Begriff Verhandlungsanalyse wird ungenau verwendet und oft mit dem Harvard-Konzept in Verbindung gebracht. Ein detaillierteres Konzept der mediativen Verhandlung ergibt sich aus der Mediationstheorie. Zweifellos gibt die Verhandlungsanalyse und insbeosndere das vier-Schlüsselfaktorenmodell gute Hinweise darauf, ob und inwieweit Verhandlungen zwischen den Parteien Fremdentscheidungen (wie z.B. der gerichtlichen Streitklärung) vorzuziehen sind. Die Analyse zeigt jedoch nicht, ob und inwieweit die Möglichkeiten der Mediation ausgeschöpft werden. Um den Verhandlungsstand der Mediation zu analysieren ist deshalb auf die Mediationsanalyse zurückzugreifen.

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Hinweise und Fußnoten
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Bearbeitungsstand: 2024-10-01 16:52 / Version 30.

Siehe auch: Verhandlung
Included: Vier-Verhandlungsfaktoren
Prüfvermerk: -


Based on work by anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Dienstag November 5, 2024 10:01:44 CET.

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