Lade...
 

Die (parteiliche) Verhandlung

Wissensmanagement » Diese Seite gehört zum Fachbuch Mediation in der Wiki-Abteilung Wissen. Sie befinden sich auf der Themenseite Verhandlung die dem Kapitel Verfahren im 2. Buchabschnitt Systematik der Verfahren zugeordnet wird. Beachten Sie bitte auch:

Verfahren Verhandlung Verhandeln Analyse Logik Theorie Reife Angebot Diplomatie

Worum es geht: Die Verhandlung (engl. Negotiation) ist ein Austausch, der eine Entscheidung herbeiführen soll. Damit ist bereits die Nähe zu den Entscheidungsprozessen gegeben. An der Verhandlung sind stets mehrere Personen beteiligt. Ob es sich dabei um eine kollektive Entscheidung, also um die Entscheidung einer Personenmehrheit als Entscheidungsträger handelt, hängt davon ab, wer die Entscheidungsverantwortung rägt. Von einer parteilichen Verhandlung ist die Rede, wenn sie zwischen den Parteien oder ihren Vertretern geführt wird.

Einführung und Inhalt: Weil der Begriff Verhandlung in der deutschen Sprache sehr vielfältig gebraucht wird, macht seine Verwendung nicht klar, wenn von der Verhandlung als ein eigenständiges ADR Verfahren gesprochen wird. Besser wäre es deshalb, wenn der englische Begriff "Negotiations" verwendet wird oder wenn von der parteilichen Verhandlung gesprochen wird. Bei Wiki to Yes werden die Begriffe parteiliche Verhandlung, Verhandlung und Negotiations synonym und als Bezeichnung für das ADR-Verfahren verwendet.

Einordnung

Die Verhandlung ist die grundlegende und naheliegende Form der Streitbeilegung. Meistens entsteht sie aus der Situation heraus und dem sozialen Bedürfnis, Probleme zu klären. Nach der Lehre der erweiterten Konfliktevolution kommt die Verhandlung sogar noch vor allen anderen konfrontativen Konfliktstrategien zum Tragen. Wegen der möglichen Spontanität ihrer Inanspruchnahme und der jederzeitigen Verfügbarkeit, fällt es den Parteien schwer, die Verhandlung als ein Verfahren anzusehen. Trotzdem zeichnet jede Verhandlung einen Weg auf, der zu irgend einem Ergebnis führen soll, worin zumindst ein Vorgang zu erkennen ist. Die Flexibilität der Verhandlung überlässt es den Parteien, ob sie einen Weg festlegen und Meilensteine bestimmen oder nicht.

In die Verfahrenssystematik einsortiert, würde die Verhandlung zu den monadischen Verfahren zählen. Es ist keine neutrale dritte Person eingeschaltet. Die Verhandlungen werden auch nicht durch Berater geführt, die aber durchaus hinzugezogen werden können. Dann wird aus der Verhandlung gegebenenfalls ein dyadisches Verfahren. Wie für monadische Verfahren typisch, bearbeiten die Parteien ihren Konflikt oder ihr Problem selbst.1 Zur besseren Unterscheidbarkeit wird die parteiliche Verhandlung den Verhandlungen der triadischen Verfahren gegenübergestellt:

Verhandeln in der Mediation Verhandeln im Gericht

Verhandlungskonzepte

Verhandlungen sind so vielfältig wire ihre Anlässe. Sie lassen sich in unterschiedliche Arten einteilen, die je nach Kontext, Ziel und beteiligten Parteien variieren. Hartung unterscheidet abhängig von der Zielsetzung und der Situation fünf Arten von Verhandlungen: Die Verhandlung auf Augenhöhe, die Verhandlung mit überlegener Position, die Verhandlung mit unterlegener Position, die kooperative Verhandlung, die konfrontative Verhandlung, die distributive Verhandlung und die integrative Verhandlung.2 Wikipedia unterscheidet zunächst abhängig von der Anzahl der Teilnehmer zwischen bilateralen und multilateralen Verhandlungen, zwischen distributiven und integrativen Verhandlungen und einer automatisierten Verhandlung in einem iterativen Kommunikations- und Entscheidungsprozess.3 Die Verhandlungsarten unterscheiden sich durch ihre Methoden, Ziele und Dynamiken. Die wichtigsten Verhandlungsarten und ihre jeweiligen Charakteristika sowie ihre Unterschiede ergeben sich aus der nachfolgenden Auflistung.

Distributive Verhandlung (Verteilungsverhandlung)
Die distributive Verhandlung, auch als „Win-Lose“-Verhandlung bezeichnet, zielt darauf ab, einen festen Kuchen aufzuteilen. Sie ist durch eine Nullsummenlogik geprägt, bei der der Gewinn der einen Partei direkt den Verlust der anderen Partei bedeutet. Es gibt keine Möglichkeit, den zu verteilenden Kuchen zu vergrößern. Ihre Merkmale sind feste Ressourcen bei einer begrenzten Menge an Ressourcen oder Vorteilen, die aufgeteilt werden müssen. Die Interessen der Parteien stehen oft in direktem Gegensatz zueinander. Beide Seiten konzentrieren sich auf die Verteidigung und Durchsetzung ihrer Positionen. Die distributive Verhandlung unterscheidet sich von anderen Verhandlungsarten durch ihren stark kompetitiven Charakter. Die Parteien arbeiten nicht zusammen, sondern agieren als Konkurrenten, die versuchen, den größten Teil eines festen Gewinns zu erhalten.
Integrative Verhandlung (Kooperative Verhandlung)
Die integrative Verhandlung, oft als „Win-Win“-Verhandlung bezeichnet, verfolgt das Ziel, eine für beide Parteien vorteilhafte Lösung zu finden. Im Gegensatz zur distributiven Verhandlung gibt es hier das Potenzial, den „Kuchen zu vergrößern“, indem gemeinsame Interessen identifiziert und Lösungen entwickelt werden, die für beide Seiten von Vorteil sind. Diese Verhandlungsart zeichnet sich dadurch aus, dass die Parteien nach Bereichen suchen, in denen ihre Interessen übereinstimmen. Ziel ist es, Lösungen zu finden, die für beide Seiten vorteilhaft sind und über bloße Kompromisse hinausgehen. Beide Seiten arbeiten zusammen, um eine Lösung zu finden, die beiden Parteien zugutekommt. Die integrative Verhandlung unterscheidet sich von der distributiven Verhandlung durch ihren kooperativen Ansatz. Statt die Interessen der anderen Seite zu bekämpfen, suchen die Parteien nach Möglichkeiten der Zusammenarbeit.
Positionales (positionsbasiertes) Verhandeln
Beim positionalen Verhandeln konzentrieren sich die Parteien auf ihre jeweiligen Positionen oder Forderungen, anstatt auf die dahinterliegenden Interessen. Jede Seite versucht, ihre Position so gut wie möglich zu verteidigen, was oft zu einer festgefahrenen Situation führen kann. Markant ist, dass sich die Verhandlungen um festgelegte Forderungen und Ansprüche drehen. Da beide Parteien an ihren Positionen festhalten, kann es zu Konflikten und Stillstand kommen. Positionales Verhandeln unterscheidet sich von interessenbasierten Verhandlungen (siehe „prinzipienbasierte Verhandlungen“) dadurch, dass die Parteien primär an ihren Forderungen festhalten, anstatt nach einer für beide Seiten vorteilhaften Lösung zu suchen.
Prinzipienbasiertes (interessenbasiertes) Verhandeln
Dieser Begriff wurde von ChatGPT vorgelegt. Er konnte als solcher nicht verifiziert werden. Gemeint ist das Verhandeln, das durch das Harvard-Verhandlungsprojekt entwickelt wurde. Es konzentriert sich darauf, Interessen statt Positionen zu verhandeln. Der Kern dieses Ansatzes ist es, hinter den Positionen liegende Bedürfnisse, Interessen und Ziele zu verstehen und darauf basierend Lösungen zu finden. Markant bei dieser Art des Verhandelns ist, dass die Parteien daran arbeiten, die zugrunde liegenden Interessen zu identifizieren, statt nur ihre Positionen zu vertreten. Entscheidungen werden auf Grundlage von fairen, objektiven Kriterien getroffen, statt auf Machtkämpfen. Es wird empfohlen, zwischen den emotionalen Aspekten der Beziehung und der Sachfrage zu unterscheiden. Prinzipienbasiertes Verhandeln hebt sich dadurch ab, dass es eine analytischere und weniger emotionale Herangehensweise fördert. Es betont die Zusammenarbeit und das Lösen von Problemen anstelle des Verharrens auf Positionen.
Nutzenbasiertes Verhandeln
Offen gesagt wurde dieses Konzept nur aufgenommen, um die nicht abschließende Aufzählung des auf die Positionen oder die Interessen gerichteten Fokus aufzudecken. Wie der Name sagt, steht der Nutzen im Fokus der Verhandlung. Der Ablauf erfolgt nach dem Konzept der auf der kognitiven Mediationstheorie basierenden integrierten Mediation.
Multilaterale Verhandlung
Multilaterale Verhandlungen sind Verhandlungen, bei denen mehr als zwei Parteien beteiligt sind. Diese Art der Verhandlung ist oft komplexer, da mehr Interessen berücksichtigt werden müssen und die Dynamik zwischen den Parteien unterschiedlich ist. Da mehrere Parteien beteiligt sind, gibt es eine Vielzahl von Interessen, die berücksichtigt werden müssen. Die Parteien können Bündnisse eingehen, um ihre Verhandlungsposition zu stärken. Multilaterale Verhandlungen unterscheiden sich von bilateralen Verhandlungen durch die Anzahl der beteiligten Akteure. Dies führt zu einer komplexeren Verhandlungsdynamik und erfordert oft mehr Kompromissbereitschaft und Koordination.
Informelle Verhandlungen
Informelle Verhandlungen sind weniger strukturiert und folgen keinem festen Verhandlungsprotokoll. Sie finden oft im Alltag oder in weniger formellen Umgebungen statt und können schnell und flexibel geführt werden. Informelle Verhandlungen sind oft spontan und weniger regelgebunden. Da sie in einer entspannten Atmosphäre stattfinden, ist der Verhandlungsdruck meist geringer. Im Gegensatz zu formellen Verhandlungen, bei denen klare Strukturen und Regeln beachtet werden müssen, sind informelle Verhandlungen flexibler und meist weniger von Machtstrukturen und festgelegten Protokollen beeinflusst.
Intuitive Verhandlung
Eine intuitive Verhandlung basiert auf den unbewussten Entscheidungsprozessen und dem „Bauchgefühl“ einer Person. Sie wird häufig von Menschen durchgeführt, die über viel Erfahrung in einem bestimmten Bereich verfügen und deshalb schnell und ohne detaillierte Analyse reagieren können. Die Intuition dient dabei als Leitfaden für das Handeln, oft ohne formelle Vorbereitung oder den Einsatz spezifischer Verhandlungstechniken. Entscheidungen werden oft auf Basis von Gefühl und Erfahrung getroffen, ohne formale Analyse. Im Gegensatz zu methodischen Verhandlungen folgt der Prozess keinen festen Regeln oder Modellen. Menschen mit viel Erfahrung in einem bestimmten Bereich verlassen sich auf Muster, die sie unbewusst erkannt haben. Im Gegensatz zu formellen oder prinzipienbasierten Verhandlungen, bei denen oft analytische und strukturelle Methoden angewendet werden, basiert die intuitive Verhandlung auf einem subjektiven Gefühl, das von der unbewussten Wahrnehmung und Erfahrung beeinflusst wird. Es gibt keine festen Regeln oder Taktiken, die angewendet werden; vielmehr kommt es auf Instinkte und schnelle Entscheidungsfindung an.
Strukturierte Verhandlung
Sie bildet den gegensatz zur intuitiven Verhandlung. Es gibt eine Gliederung, an der sich die Verhandlung ausrichtet.
Taktische Verhandlung
Bei einer taktischen Verhandlung liegt der Fokus auf der kurzfristigen Maximierung des eigenen Vorteils. Verhandlungsparteien setzen oft spezielle Taktiken ein, um das bestmögliche Ergebnis in einem einzelnen Verhandlungsprozess zu erzielen. Der Fokus liegt auf dem unmittelbaren Ergebnis, ohne langfristige Beziehungen zu berücksichtigen. Taktische Verhandlungen beinhalten häufig Verhandlungstricks, Täuschungen oder Druck. Im Gegensatz zu integrativen Verhandlungen, die auf langfristige Beziehungen abzielen, konzentriert sich die taktische Verhandlung nur auf den unmittelbaren Vorteil. Sie setzt häufig auf Manipulation und gezielte Strategien, um den eigenen Nutzen zu maximieren.
Virtuelle oder digitale Verhandlung
In der heutigen, zunehmend digitalisierten Welt gibt es eine neue Form der Verhandlung: die virtuelle oder digitale Verhandlung. Diese findet hauptsächlich über digitale Kommunikationsplattformen statt, wie z. B. per E-Mail, Video-Calls oder spezielle Verhandlungstools. Verhandlungen werden durch Technologien wie Videokonferenzen, E-Mails oder digitale Verhandlungstools geführt. Virtuelle Verhandlungen müssen den Mangel an Körpersprache und persönlichen Interaktionen ausgleichen. Digitale Verhandlungen unterscheiden sich durch die Nutzung von Technologien von traditionellen Verhandlungen. Sie erfordern eine Anpassung der Kommunikation, da viele nonverbale Hinweise verloren gehen, was zu Missverständnissen führen kann, wenn keine klaren Kommunikationsstrategien verwendet werden.
Koalitionsverhandlung
In Koalitionsverhandlungen schließen sich mehrere Parteien zusammen, um eine gemeinsame Position gegenüber einer oder mehreren anderen Parteien zu vertreten. Dies ist besonders häufig in politischen oder multilateralen Verhandlungen der Fall. Mehrere Parteien bilden eine Koalition, um eine stärkere Verhandlungsposition zu erlangen. Oft müssen innerhalb der Koalition Kompromisse gefunden werden, bevor die Koalition gegenüber den anderen Parteien als Einheit auftritt. Koalitionsverhandlungen unterscheiden sich von multilateralen Verhandlungen, da hier mehrere Parteien eine gemeinsame Front bilden, anstatt jede Partei für sich selbst zu verhandeln. Die Verhandlungen innerhalb der Koalition können ebenso entscheidend sein wie die mit externen Parteien.
Krisenverhandlung
Eine Krisenverhandlung findet in einer hochgradig angespannten und oft zeitkritischen Situation statt. Dies kann in Notfällen, bei Geiselnahmen, diplomatischen Krisen oder wirtschaftlichen Notlagen der Fall sein. Entscheidungen müssen oft schnell getroffen werden, und der Verhandlungsprozess ist von hoher Unsicherheit geprägt. Die Folgen einer gescheiterten Verhandlung können extrem sein, z. B. Verlust von Leben, wirtschaftlicher Schaden oder politische Instabilität. Krisenverhandlungen unterscheiden sich von den meisten anderen Verhandlungsarten durch den hohen Stressfaktor und die möglichen schwerwiegenden Konsequenzen eines Scheiterns. Sie erfordern schnelle, effektive Kommunikation und oft die Zusammenarbeit mit Spezialisten.

Intuitiv distributiv

Verhandlungsformat

Privatrechtliche Verhandlungen zwischen den Parteien sind grundsätzlich frei zu gestalten. Sie sind insbesondere nicht an ein Konzept gebunden und können, wo es Sinn macht, auch Konzepte miteinander verbinden. Bei üblichen Verhandlungen steht die lineare Kommunikation , weshalb sich die Parteien oft in den Themen verlieren. Es ist ein für die lineare Kommunikation nicht untypisches Phönomen. Wenn Ihnen die Metaebene bewusst und zugänglich ist, können Sie die Verhandlung steuern und gegebenenfalls Regeln und Meilensteine vereinbaren. Ist Ihnen die Metaebene verschlossen (etwa weil der Streit auf diese Ebene mitgenommen wurde), ist die Hilfe Dritter angesagt. Dann wird aus der parteilichen Verhandlung eine Moderation, eine Mediation, eine Schlichtung oder ein anderes Verfahren der triadischen Ebene.

Bewertung

Der Vorteil von Verhandlungen ist ihre jederzeitige Verfügbarkeit. Sie können spontan einberufen werden und verursachen keine Honorarkosten. Sie können frei gestaltet werden und passen sich (deshalb fast) jeder Situation an.

Ihr Nachteil ist, dass es keine vorgegebene Steuerung gibt. Die Metaebene, die es den Parteien ermöglichen würde, Kommunikationsregeln aufzustellen, ist den Parteien nicht immer bewusst und verfügbar.

Vorgehen

Auch wenn keine Regeln festgelegt sind, folgt jede Verhandlung mehr oder weniger bewusst einer inneren Logik.Sie beginnt mit der Begrüßung und endet mit der Verabschiedung. Dazwischen liegen Schritte, die die Parteien zu einem festgelegten oder nicht nächer spezifizierten Ergebnis führen sollen.

Der Fokus liegt nicht auf dem Verfahren, sondern auf der Tätigkeit des Verhandelns. Aus diesem Grund wird die parteiliche Verhandlung in dem Beitrag Verhandeln besprochen.

Das Verhandeln 

Bedeutung für die Mediation

Die Auseinandersetzung mit dem Verhandeln führt die Verhandlungstheorie ein, aus der sich Verhandlungen in der Mediation ableiten lassen. Auch die Mediation ist eine Verhandlung. Das Verhandeln beginnt allerdings erst in der 4.Phase und wird mit den vorausgehenden Phasen detailliert vorbereitet.

Leistungszuordnung

Die Mediation basiert grundsätzlich auf dem integrativ strukturierten Verhandlungsmodell. Sie kann nach Bedarf aber auch distributive und intuitive Elemente einschließen und sich den Bedarfen anpassen.

Hinweise und Fußnoten
Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen
Bearbeitungsstand: 2024-09-26 06:54 / Version 48.

Aliase: parteiliche Verhandlung, Negotiation, Negotiations
Siehe auch: Verhandlungsanalyse, Verteilungskonflikt, Verhandlungstheorie, Verhandeln
Prüfvermerk:

1 Zur Abgrenzung zum Gerichtsverfahren siehe Gerichtsverhandlung
2 Siehe Hartung (Verhandlungsarten) - 2024-09-25


Based on work by Arthur Trossen und Bernard Sfez und anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Montag Dezember 16, 2024 09:20:50 CET.

Durchschnittliche Lesedauer: 10 Minuten