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Die Verwirklichung des Nutzens

Wissensmanagement » Sie befinden sich auf der 5. Station der Konfliktbeilegungstour in der Abteilung Praxis.
Hier geht es um die Frage, wie sich der Nutzen verwirklichen lässt.

Tourstart


Ihre Reise durch eine Konfliktbeilegung: Auf dieser Station unserer Tour durch die Konfliktbeilegung, die mehr und mehr zu einer Tour durch die Mediation wird, setzen wir uns mit der Frage des Verfahrens auseinander und wie es gelingen kann, dass eine Einigung selbst bei einem hoch eskalierten Streit noch möglich wird?

Sich einen (in der Zukunft liegenden) Nutzen vorzustellen ist das Eine.
Zu glauben, dass der Nutzen zu erzielen sei, ist das Andere.

Ich würde mich ja auf eine Kooperation mit dem Gegner einlassen. Aber der will ja nicht.
Der müsste erst einmal eingestehen, dass er schuld hat, bevor wir weiterreden.


Der Weg zum Nutzen ist nicht linear. Allerdings wird sich der dorthin führende Umweg als eine Abkürzung herausstellen. Leider lässt sich erst am Ende des Weges erkennen, dass der Umweg in Wirklichkeit eine Abkürzung war. Auch sind einige Hürden zu überwinden.

Hürden der einvernehmlichen Konfliktbeilegung

Menschen neigen dazu, das Naheliegende und nicht unbedingt das Nützliche zu tun.
Deshalb tun sich zwei grundlegende Hürden auf, die auf dem Weg zur bestmöglichen Konfliktlösung zu überwinden sind:

1. Hürde: Der gemeinsame Start

Zumindest was das Verfahren anbelangt, müssen beide (alle) Streitparteien den Nutzen (des Verfahrens) für sich in Anspruch nehmen. Sie müssen aufeinander zugehen.

Beide Parteien müssen die Mediation wollen

Die Mediation kann leider nicht einseitig abgerufen werden. Also müssen sich beide (alle) Streitparteien dafür entscheiden. Das ist nicht immer selbstverständlich, nicht immer naheliegend und nicht immer einfach. Obwohl die Parteien bei einem hoch eskalierten Konflikt nicht mehr miteinander reden, müssen sie sich im Konflikt für eine gemeinsame Strategie entscheiden, um den Konflikt zu lösen. Das ist schon eine große Herausforderung. Sie wird noch größer, weil die gemeinsame Strategie eine Kooperation nach sich zieht. Wenn sich der Streit in eine Konfrontation entwickelt hat, ist die Kooperation nicht gerade die naheliegende Strategie. Je höher der Streit eskaliert ist, umso schwerer wird es den Parteien fallen, einer Kooperation zuzustimmen. Das ist die erste Herausforderung, die es in der Mediation zu überwinden gibt. Allerdings sind die Startprobleme überwindbar. Auch das Kooperationsdilemma lässt sich umgehen.

Startprobleme Strategische Überlegungen

2. Hürde: Die Lösungsorientierung

Wenn sich die Parteien für diesen Schritt entschieden haben, sich also auf eine Mediation einlassen können, richtet sich der Blick auf die Lösung. Viele Mediatoren bezeichenn die Mediation sogar als ein lösungsorientiertes Verfahren, was nicht zutreffend ist. Die Mediation ist nutzenorientiert. Ihr Ziel ist es jedoch eine daran zu messende Lösung zu finden. Das führt in die nächste Hürde, wenn es darum geht, sich für eine Mediation zu entscheiden. Niemand wird zu Beginn des Verfahrens in der Lage sein, die (zu findende) Lösung im Vorhinein zu benennen. Die Lösung muss in einer (ergebnisoffenen) Mediation erst noch ermittelt werden. Damit können Menschen, die gerne wissen wollen was hinten herauskommt (also ergebnisorientiert denken), nicht gut umghehen.

Die Lösung muss gefunden werden

In der Mediation orientiert sich die Lösung an dem Nutzen, den jede Partei für sich in Anspruch nehmen will. Wenn es gelingt, ein Ergebnis herzustellen, das beide Seiten als für sich nützlich erachten können, dann liegt die Erwartung (Schlussfolgerung) nahe, dass beide Parteien das Ergebnis auch unterstützen können, weil die innere Abwehr gegen eine falsche Lösung überwunden wird. Tatsächlich zeigt die Statistik, dass Vollstreckungen nach einer Mediation kaum noch vorkommen.

Lösungen ohne Streit

Um diese gewagte These zu verstehen, müssen wir zunächst den Unterschied zwischen einem Streit als hitziger, emotionsgeladener Auseinandersetzung und einer sachlich geführten Auseinandersetzung verstehen. Die Mediation scheut keine Auseinandersetzung. Im Gegenteil, sie führt sie herbei, aber ohne Streit. Es gelingt ihr also, den Streit zurückzulassen und zu überwinden.

Die Parteien müssen wissen, dass die Mediation keinen Anlass zum Streiten gibt

Wenn Parteien sich auf eine Mediation einlassen, melden sie oft zurück, dass sie in der Mediation Dinge ansprechen konnten, die im privaten Dialog nicht ansprechbar waren oder zur Eskalation führten. Es gibt viele Gründe in der Mediation, die zu diesem Effekt beitragen. Schon das grundlegende Konzept der Mediation hat eine deeskalierende Wirkung. Entscheidend ist die Art des Denkens der Mediation, die in ein Umdenken führt. Um das Umdenken zu ermöglichen, kommt vieles zusammen.

Ein Gerichtsverfahren entwickelt sich beispielsweise vom Unstreitigen ins Streitige und führt zu einem logischen Entweder - Oder. Die Mediation entwickelt sich vom Streitigen ins Unstreitige und führt zu einem dialektischen Sowohl - Als - Auch.1 Sie schafft die Bedingungen, unter denen die Parteien sich am Ende ein Angebot machen können, von dem sie wissen, dass es attraktiv genug ist, um es anzunehmen. Spieltheoretisch betrachtet wird die Mediation zu einem Ultimativspiel. Markant ist auch, dass die Mediation mit einer Vereinbarung über das Verfahren beginnt. Wenn alles gut geht, endet sie mit einer Vereinbarung über das Ergebnis. Was zwischen den Vereinbarungen liegt, sollte dem Weg entsprechen, wie er am Anfang vereinbart war! Das ist gar nicht so einfach, denn wir bewegen uns im Rahmen einer informellen Kommunikation im informellen Verfahren.2

 Merke:
Leitsatz 6217 - Die Parteien sollen die Lösung finden. Also müssen sie die Erkenntnisse gewinnen, damit dies möglich wird. Die im Verfahren generierten Lösungen müssen ausreichen, um sich ein Angebot zu unterbreiten, das die gegnerische Partei anzunehmen bereit ist.

Das Gesetz beschreibt die Mediation in §1 Mediationsgesetz als ein strukturiertes Verfahren. Die Struktur ergibt sich aus den Phasen. Nach der Lehre der integrierten Mediation repräsentieren die Phasen die Schritte in einem Erkenntnisprozess, der darauf angelegt ist, die Verhandlungen in ein Angebot zu überführen, mit dem sich das Problem aus der übereinstimmenden Sicht beider Parteien lösen lässt.

Mediation von hinten

Die Vorgehensweise

Wenn die Mediation als ein Erkenntnisprozess verstanden wird, beschreibt sie einen Gedankengang, der in der Lage ist alle (gedanklichen) Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die der Lösung im Wege stehen. Den gedanklichen Weg müssen die Parteien allerdings selbst zurücklegen. Der Mediator hilft ihnen dabei.

Die Parteien sollten eine Vorstellung haben, was sie in der Mediation erwartet

Für die Parteien ist das Verfahren (ähnlich wie beim Gericht) nicht immer durchschaubar. Zwar soll der Mediator darauf achten, dass die Parteien die Grundsätze und den Ablauf des Verfahrens verstanden haben. Trotzdem fühlt sich die Mediation für die Parteien wie ein Gespräch an, was sie auch ist. Die Kommunikation steht im Mittelpunkt.

Miteinander reden 

Das Puzzle

Eine weitere Besonderheit der Mediation besteht darin, dass sie sich auf die gesamte Komplexität des Falles (und des Verfahrens) einlassen kann und alle Dimensionen des Streitkontinuums abdeckt. Weil die Mediation einen gedanklichen Weg verfolgt, der in eine Lösung führt, konzentriert sich der Mediator darauf, diesen Weg zu verwirklichen. Er weiß aus Erfahrung, dass sich die Lösung immer herstellt, wenn der Gedankengang verwirklicht wird. Der Mediator vermeidet es dabei, an die Lösung zu denken. Sie stellt sich her.

Die Parteien müssen wissen, dass der Mediator prozessorientiert denkt

Um die Mediation zu verstehen ist der Verglkeich mit einem Puzzle angebracht. Das Puzzle ist ein Rätsel, so wie die Mediation.
Es passt vom Spieltyp her betrachtet am besten zur Mediation. Das oft zur Anschauung herangezogene Orangenbeispiel erklärt nur einen Teilaspekt der Mediation und nicht den gesamten Prozess. Ein Puzzle kennt keine Gewinner, nur einen Gewinn, wenn das Bild gelegt ist. Die Mediation könnte man mit einem Puzzle ohne Vorlage vergleichen. Das Spiel ist gewonnen, wenn die Parteien ein Bild gelegt (gefunden) haben, das ihnen beiden gefällt (wo beide zustimmen können). Wenn man so will, überlagern sich in der Mediation zwei Puzzles. Das eine steht für die Falllösung, das andere für den Prozess. Auch hier müssen die Bausteine, so wie sie aufkommen, derart zusammengesetzt werden, dass sich der Prozess der Mediation vervollständigt.
Puzzle

 Merke:
Leitsatz 6218 - Die Kunst der Mediation besteht darin, die Bausteine des Verfahrens und des Falles zu erkennen, auseinanderzuhalten und korrekt zusammenzusetzen.

Die Bausteine

Der Mediator wird auf den Ablauf der Mediation und ihr Grundsätze hinweisen. Er ist hierzu vom Gesetz verpflichtet.3 Im Idealfall wird er sie mit den Parteien vereinbaren.

Die Parteien sollten die Elemente kennen aus denen sich die Mediation zusammensetzt

Die Mediation ist ein sehr komplexes Verfahren, das sich aus vielen Elementen zusammensetzt. Damit sie ihre Wirkung entfalten kann, kommt es darauf an, die dahinter verborgene Mediationslogik zu kennen und zu verwirklichen. Wenn die Mediation als ein kognitiver Prozess verstanden wird, kann sie (methodisch) auch in anderen Verfahren zur Anwendung kommen. Sie erfordert nicht mehr, als ein bisschen Verstand. Wenn Sie sich näher dafür interessieren, finden Sie im Fachbuch Mediation alle Details, um eine Mediation korrekt aufzubauen.

Mediationshandbuch, Abschnitt Prozess

Was tun wenn ...

Verfahrensstand

Im Babysitterfall haben die Parteien verstanden wie sie sich zu verhalten haben. Hilfreich war auch das Merkblatt zur Mediation, das der Mediator den Medianden vor der Mediation als Handreichung ausgehändigt hat. Das können Sie auch benutzen.

Merkblatt zur Mediation

Fahrplan (nächste Station)

Die Parteien haben sich schon etwas entspannen können. Vor dem Konflikt haben sie jedoch Respekt. Klicken Sie auf die Eintrittskarte, um zur nächsten Station zu gelangen.

Die Reise durch die Konfliktbeilegung nach Maßgabe der Mediation gestaltet sich wie ein Puzzle. Sie müssen nur die passenden Teile zusammenfügen, dann kommen Sie am Ziel an.

Hinweise und Fußnoten
Klicken Sie auf den Fahrschein, um zur nächsten Station zu gelangen.
Eine Liste der Fragen und Entscheidungen entlang der Konfliktbeilegung finden Sie in der Zusammenfassung
Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen
Bearbeitungsstand: 2023-09-04 18:05 / Version .

Alias: Verfahrensverständnis, Nutzenausrichtung, Mediation-Nutzenverwirklichung

1 Siehe Bewusstsein
3 §2 Abs. 2 Mediationsgesetz


Based on work by anonymous contributor und anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Sonntag November 24, 2024 05:18:18 CET.

Durchschnittliche Lesedauer: 8 Minuten