Lade...
 

Typologie der Konflikte in der Mediation

Wissensmanagement » Diese Seite gehört zum Fachbuch Mediation in der Wiki-Abteilung Wissen. Sie befinden sich auf der Titelseite Konfliktdimensionen, die zur Rubrik Konflikt des 6. Buchabschnitts gehört und der folgende Kapitel zugeordnet sind:

Konflikt Konfliktanalyse Dimensionen Sachkonflikte Beziehung Werte Struktur System

Worum es geht: Für die Mediation kommt es darauf an, einen Zugang zu Konflikten zu finden, der sich auf den mediativen Prozess einlassen kann. Die sogenannten Konfliktdimensionen stellen eine Systematik her, mit der sich die Konflikte gut in der Mediation bearbeiten lassen. Worum geht es dabei und wie grenzen sie sich die Konfliktdimensionen von den Konfliktarten ab?

Einführung und Inhalt: Der Versuch, die unterschiedlichen Konflikte zu typologisieren soll helfen, mit den Konflikten besser zurecht zu kommen. Um Regelmäßigkeiten zu entdecken, werden die Konflikte nach Arten unterschieden. Es liegt auf der Hand, dass mit einem Führungskräftekonflikt anders umzugehen ist als mit einem Erbschaftskonflikt. Gelingt es, die typischen Merkmale des Konfliktes zu identifizieren, lässt sich daraus eine Möglichkeit ableiten, wie die Konflikte zu behandeln sind. Die Konfliktarten werden also herausgebildet, um konstante Zugänge für eine Konfliktlösung zu finden.

Die Konfliktarten

Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten vornehmlich an der Trennung von Altehen. Da gibt es Besonderheiten, die Sie gerne herausstellen möchten. Sie schreiben einen Artikel darüber und nennen das Thema Altehenkonflikte. Schon haben Sie eine neue Konfliktart erfunden. Die Konfliktdatenbank im Wiki erfasst auch solche Fälle, um eine vollständige Übersicht zu ermöglichen. Dort finden Sie also auch Informationen über Generationskonflikte, Führungskonflikte usw. Wenn Sie nach Konfliktarten recherchieren, finden Sie dementsprechend unterschiedliche Hinweise. Gängig ist die Unterscheidung der folgenden Konfliktarten:

  • Sozialer Konflikt (Konflikt zwischen Personen nur darauf bezieht sich das Mediationsgesetz)
  • InnererKonflikt (psychologischer Konflikt)
  • Verteilungskonflikt (empfundene Gegensätze in Bezug auf die Nutzung/Realisierung von Ressourcen)
  • Zielkonflikt (empfundene Gegensätze in Bezug auf Absichten bzw. Interessen)
  • Beziehungskonflikt (empfundene Gegensätze in Bezug auf Verhaltensdispositionen)
  • Rollenkonflikt (widersprüchlich empfundene Rollen, z. B. Gewerkschaft und Arbeitgeberverband)
  • Machtkonflikt (ungleich empfundene Machtverteilung, z. B. Bürger und Behörde)
  • Informationskonflikt (unterschiedliche Information, z. B. falsch, ungenügend, falsch verstanden)
  • Wertekonflikt (unterschiedliche Anschauungen zu moralischen, religiösen, kulturellen oder ideologischen Überzeugungen)
  • Strategiekonflikt (unterschiedliche Auffassung zur Erreichung eines Ziels)
  • Identitätskonflikt (empfundene Bedrohungen des eigenen Selbstbildes oder dessen, was jemanden als Person ausmacht)

Die Einteilung der Konflikte nach Arten mag zwar eine differenziertere Herangehensweisen beschreiben können. Sie genügt aber nicht für eine über die Konfliktart hinausgehende Systematisierung. Es gibt Überschneidungen. Auch wird mit den Konfliktarten nicht der Einfluss berücksichtigt, den die Mediation auf den Prozess der Konfliktlösung nimmt. Der Mediator kommt besser zurecht, wenn er sich statt auf Konfliktarten auf Konfliktdimensionen einlässt. Man könnte die Konfliktdimensionen auch als eine inhaltsbezogene Konfliktart ansehen. Die Unterscheidung ist zwar grober. Sie ist für die Mediation aber durchaus ausreichend und nicht nur das. Wegen des inhaltlichen Konfliktbezugs fügt sie sich optimal in die Systematik des Verfahrens ein und hilft dem Mediator oder der Mediatorin ebenso wie den Parteien besser, sich auf den Konflikt einzulassen.

 Merke:
Leitsatz 12069 - Konfliktdimensionen sind Konfliktarten mit einem inhaltlichen Bezug zum Konflikt!

Die Konfliktdimensionen

Zu unterscheiden sind drei auf das Individuum bezogene Konfliktdimensionen:

  • die sachlich-intellektuelle Dimension
  • die sozio-emotionale Dimension
  • die wertmäßig-kulturelle Dimension

Weiterhin können die auf Gruppen bezogene Konfliktdimensionen identifiziert werden:

  • die strukturelle Dimension
  • die systemische Dimension

dimensionen

Auffällig sind die Entsprechungen mit den Intelligenzzentren des Menschen:

  • Kopf (Verstand) = sachlich-intellektuelle Dimension
  • Herz (Gefühl) = sozio-emotionale Dimension
  • Bauch (Instinkt/Intuition) = wertmäßig-kulturelle Dimension

wobei die sozio-emotionale Dimension mit der strukturellen Dimension einhergeht und die wertmäßig-kulturellen Dimension im Individuum mit der systemischen Dimension einer Gruppe.

Die Konfliktzuordnung

Die Konfliktdimensionen erleichtern nicht nur die Identifikation der Konflikte. Sie erlauben auch eine Zuordnung, die sich nahtlos in das Verfahren einbeziehen lässt und sich mit den übrigen Dimensionen verbindet. Mit der Unterscheidung zwischen Sachkonflikten, Beziehungskonflikten, Wertekonflikten, Strukturkonflikten und Systemkonflikten lassen sich alle Konflikte in der Mediation bearbeiten. Indem die Themen den Konfliktdimensionen zugeordnet werden,1 verwirklicht sich ausch das Prinzip des Harvard-Konzeptes das die Trennung von Mensch und Problem nahelegt. Die Unterscheidung trägt nicht nur zur systematischen Einteilung der Konflikte bei, sondern auch für die Dimensionierung, die zur Bewältigung der Komplexität erforderlich ist. Mithin sind die Konfliktdimensionen zugleich Dimensionen der Komplexität. Die Konfliktdimensionen im Einzelnen:

Der Sachkonflikt konzentriert sich auf die zu regelnden Sachfragen. Im Grunde geht es um das Problem, das zu lösen ist. Der Sachkonflikt erlaubt eine faktenbasierte Auseinandersetzung.

Der Beziehungskonflikt konzentriert sich auf die Regelung oder Restaurierung des Umgangs miteinander. In einer Beziehung kommt der einzelne Mensch zur Geltung, der sich in einer Beziehung verwirklicht. Die Unterscheidung zwischen Sach- und Beziehungskonflikten führt also automatisch zu der im Harvard-Konzept geforderten Unterscheidung zwischen Mensch und Problem.

Der Wertekonflikt konzentriert sich auf die Fragen der Identität und Prägung. Auch hier steht der Mensch im Vordergund. Seine Prägung beeinflusst den Umgang mit Konflikten (und Problemen), sodass auch über die Wertekonflikte eine Unterscheidung zwischen Mensch und Problem realisiert wird.

Der Strukturkonflikt konzentriert sich auf die Umweltbedingungen, aus denen sich Rollen und Funktionen ableiten lassen. Hier wird der Mensch als Teil einer Gruppe (oder eines Systems) wahrgenommen. Die Struktur wirkt sich auf die Beziehung aus. Mit der Unterscheidung von Struktur- und Beziehungskonflikten können also Einflüsse auf die Beziehung zwischen Menschen in einer Gruppe herausgestellt werden.

Der Systemkonflikt konzentriert sich auf die Umweltbedingungen, die Einfluss auf die Identität und die Prägung der Individuen einer Gruppe haben. Im Vordergrund stehen Spannungen, die aus der Identität und den Eigenschaften des Systems, dem die Parteien angehören, resultieren.

Die Konfliktrelation

Ein Konflikt kommt selten allein. Meist zieht er andere nach sich. Die Konfliktanalyse soll dazu beitragen, das Knäuel zu lösen. Dabei hilft die aus der kognitiven Mediationstheorie abgeleitete Regel, dass jeder Konflikt einem Thema entsprechen muss. Eine weitere Regel lautet, dass alle Konflikte zu erfassen sind, auch wenn nicht darüber gesprochen wird. Mit diesen beiden Regeln wird sichergestellt, dass jeder Konflikt erfasst wird und dass die Konflikte (nach Themen getrennt) zugänglich sind.

Mit der Konfliktlandkarte werden die Relationen der ineinander verschachtelten Konflikte verdeutlicht. Hierzu ein Beispiel aus einer Familiensache, wo um den Kindesumgang und damit zusammenhängend den Kindesunterhalt gestritten wird.

Konfliktlandkarte

Die Landkarte weist den Beziehungskonflikt auf der Paarebene aus. Dieser ungelöste Konflikt strahlt in alle anderen Konflikte hinein. Er wirkt sich auf den Beziehungskonflikt auf der Elternebene aus, dem Sachkonflikt der daraus resultierenden Umgangsregelung und der Fragen des Kindesuntarhaltes. Indem jeder Konflikt einem Thema zugeordnet wird, verwirklicht sich das Prinzip des Harvard-Konzeptes, das die Trennung von Mensch und Problem nahelegt.2 Das Problem wird mit dem Sachkonflikt angesprochen. Der Mensch wird mit dem Beziehungskonflikt angesprochen. Weil die Konflikte eigenen Themen zugeordnet werden, kann das Thema Mensch vom Thema Problem getrennt werden. Die in der Konfliktlandkarte erfassten Konflikte können sogar einen inneren Konflikt aufführen und mit den anderen Konflikten in ein Verhältnis setzen. So kann aufgezeigt werden, wie der innere Konflikt auf den sozialen Konflikt ausstrahlt, um eine Reihenfolge hereauszuarbeiten, in der die Konflikte anzusprechen sind. Es liegt auf der Hand, dass die Klärung des inneren Konfliktes auch den sozialen Konflikt klären kann. Die Konfliktrelation wird spätetstens bei der Frage der Priorisierung deutlich. Die Skizze deutet an, dass der Paarkonflikt der Konfliktmotor ist. Demzufolge sollte dieser Konflikt als erstes nbeigelegt werden. Oft lösen sich dann die Folgekonflikte wie von selbst.

Bedeutung für die Mediation

Die Zuordnung zu den Intelligenzzentren des Menschen ergibt einen validen Bearbeitungshinweis. Der rationale Verstand funktioniert anders als die emotionale Intelligenz, der Kopf hat andere Ideen als das Herz und das wiederum tickt anders als die Prägung. Auf der emotionalen Ebene liegt die Beziehung. Auf der Prägung die Werte. Es ist kein Zufall, dass sich die Konflikte diesen Ebenen zuordnen lassen. Selbst bei Glasls 9 Eskalationsstufen findet sich die Dreiteilung wieder. Auch dort findet sich die rationale, die emotionale und die Werteebene wieder. Dementsprechend unterschiedlich ist die Behandlungsweise. Mit dem Kopf kommuniziert man anders als mit dem Herzen. Es ist also konsequent, wenn die Konflikte auf der einen oder anderen Ebene behandelt werden. Die Mediation gibt mit ihren Mediationsmodellen und der Themensammlung eine Handhabe:

  • Rationale Konflikte (laut Glasl mit Moderation zu bearbeiten) erlauben eine facilitative Mediation
  • Emotionale Konflikte (Beziehungskonflikte) erfordern eine transformative Mediation
  • Hoch eskalierte Wertekonflikte, die nach Glasl nur mit autoritären Elementen zu bearbeiten sind, lassen sich verkürzt mit einer evaluativen Mediation beilegen, die allerdings nur das Problem, nicht den Konflikt zu lösen vermag3 .

Es macht Sinn, wenn sich die nach Konfliktdimensionen unterschiedenen Konflikte auch in der Themensammlung wiederfinden. Wenn jeder Konflikt und jede Konfliktebene durch ein Thema repräsentiert wird, fällt es den Parteien leichter den oder die Konflikte als Motoren des Streites zu erkennen und gegeneinander abzugrenzen.

Die konfliktorientierte Themenbildung

Was tun wenn...

Hinweise und Fußnoten
Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen.
Bearbeitungsstand: 2024-06-02 16:51 / Version 66.

Alias: Konfliktarten, Konfliktdimension, Konfliktdimensionen
Siehe auch: Sachkonflikt, Beziehungskonflikt, Wertekonflikt, Strukturkonflikt, Systemkonflikt
Emotionen, Konfliktarbeit, Konfliktlandkarte, Konfliktanalyse
Prüfvermerk:

1 Siehe die Ausführungen im Beitrag Themenund 2.Phase
3 Alternativ bietet die integrierte Mediation die Chance, solche Konflikte zu lösen, weil sie einen anpassungsfähigen Mix an Methoden zulässt


Based on work by Katrin Warneke und Holger Kern und Arthur Trossen und anonymous contributor und Bernard Sfez . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Samstag November 9, 2024 14:14:08 CET.

Durchschnittliche Lesedauer: 8 Minuten