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Kreatives Denken als Höhepunkt der Mediation

Wissensmanagement » Sie befinden sich auf einer Unterseite zur Lösungssuche im Abschnitt Methodik des Mediationshandbuchs.
Hier geht es um die zur Lösungsfindung beitragende und erforderliche Kreativität. Bitte beachten Sie auch:

Das ist ein Werkzeug Kreativität Kreativtechnik Denkhüte Walt Disney 4.Phase Lösungssuche

Abstract: Die Parteien sollen Lösungen finden, auf die sie zunächst selbst nicht gekommen sind. Das gelingt kaum, wenn die Lösung ein Teil des Problems oder gar das Problem selbst ist. Das Denken muss sich darüber hinwegsetzen können. Kreativität ist gefragt. Aber was ist damit gemeint und wozu brauchen wir das in der Mediation?

Einführung und Inhalt: Ideen sind gefragt. Je mehr umso besser. Die Parteien sollen jetzt kreativ sein. Das fällt ihnen nicht immer leicht. Manchmal muss der Mediator nachhelfen. Das gelingt umso besser, je mehr er über die Kreativität weiß.

Was ist Kreativität?

Kreativität ist die Fähigkeit, neue und originelle Ideen, Konzepte, Lösungen oder Ausdrucksformen zu entwickeln. Es beinhaltet den Prozess des Denkens und Schaffens, bei dem neue Verbindungen zwischen bestehendem Wissen und Erfahrungen hergestellt werden, um etwas Einzigartiges zu erschaffen oder zu gestalten. Die Kreativität ist als ein Prozess zu verstehen, bei dem Ideen generiert, weiterentwickelt und schließlich umgesetzt werden. Was hat das mit der Mediation zu tun? Die Mediation ist eine Verhandlung. Da geht es um Fakten. Wo bleibt da ein Raum für Kreativität?

Es geht um die Suche nach einer Lösung

Würden Sie die Suche nach einer Lösung auf den Widerspruch (Position und Gegenposition) beschränken, geraten Sie unweigerlich in eine gedankliche Schleife, die in einer Entweder-oder-Logik gefangen wird. Bestenfalls kommt ein Kompromiss zustande, der irgendwo zwischen dem Entweder oder dem Oder festgeschrieben wird. Um den auf der Lösungsebene anzutreffenden Widerspruch zu vermeiden, führt die Mediation in eine andere Gedankenwelt. Der Mediator löst sich aus dem Entweder-oder-Gefängnis, indem er wie ein Taucher nach einer gedanklichen Ebene sucht, auf der sich ausreichende Gemeinsamkeiten finden lassen. Anders als die aus dem Widerspruch herausführende Lösungssuche führt die Suche nach einer Lösung aus der Gemeinsamkeit heraus automatisch in ein gleichgerichtetes, paralleles Denken hinein.

Der Einfluss des Denkens auf die Kreativität

Um die geniale Lösung für ein scheinbar unlösbares Problem zu finden, braucht es noch mehr als nur einen gemeinsamen gedanklichen Ausgangspunkt. Auch das Denken muss aus Grenzen befreit werden. Wie und warum lässt sich mit dem nachfolgenden Rätsel gut belegen: Verbinden Sie bitte die neun Kreise im nachfolgenden Bild mit vier geraden Linien, ohne den Stift abzusetzen. Die Geraden müssen zusammenhängen:

Aufgabe:


Kreise

Beispiel (falsche Lösung):


Kreise

Kreise
Die Lösung findet sich, wenn Sie out of the Box denken und einen Punkt hinzufügen.
Kreatives Denken ist gefragt!


Die Kreativität kann als eine Form des Denkens betrachtet werden. Es ist ein komplexer Prozess im Gehirn, der durch neuronale Verbindungen ausgelöst wird. Es geht um das Generieren neuer Ideen, Konzepte oder Lösungen, wobei kognitive Fähigkeiten und mentale Operationen im Vordergrund stehen. Das kreative Denken umfasst das Entdecken unkonventioneller Zusammenhänge, das Erkennen von Mustern, das Überwinden von Denkgrenzen und das Generieren von neuen Lösungsansätzen. Der Denkprozess verläuft anders als gewohnt. Es ist ein nicht-linearer Prozess, der von Assoziationen, Intuition und Vorstellungskraft geprägt ist. Die Neuroplastizität des Gehirns unterstützt die Fähigkeit, sich anzupassen und zu verändern. Kreative Ideen entstehen durch die Schaffung neuer Verbindungen zwischen den Neuronen. Auch Dopamin fördert die Kreativität. Der Neurotransmitter beeinflusst die Motivation zur Suche nach etwas Neuem. Sie können sich anhand der vorausgegangenen Aufgabe selbst überzeugen, was die kreative Lösung ermöglicht hätte.

Beispiel 15630 - Hätten Sie die Lösung gefunden, wenn Sie dazu aufgefordert gewesen wären, sich nicht nur auf die angezeigten Punkte zu konzentrieren? Hätten Sie die Lösung auch gefunden, wenn es eine sehr kurze Zeitvorgabe gegeben hätte, um das Rätsel zu lösen? Hätten Sie die Lösung gefunden, wenn ein anderer Stressfaktor hinzugekommen wäre oder wenn Sie gar keine Lust gehabt hätten, das Rätsel zu lösen? Hätten Sie die Lösung besser gefunden, wenn Sie sich angestrengt hätten oder einfach gewartet hätten, bis Ihnen die Lösung zufliegt?


Die besten Ideen entstehen, wenn das Gehirn entspannt ist und nicht unter Druck steht. Es kommt darauf an, dass die Gedanken frei sind oder befreit werden können. In den Momenten der Ruhe und des mentalen Abstandes kann das Gehirn am besten neue Verbindungen herstellen und auf kreative Weise denken. So sehr das kreative Denken bei der Suche nach Konfliktlösungen gewünscht ist, so sehr wird es gerade wegen des Konfliktes auch verhindert. Um die Hindernisse aus dem Weg zu räumen, sollte der Mediator wissen, wo er anzusetzen hat.

Wo das Denken Lösungen verhindert

Paul Watzlawick beschreibt in dem nebenstehenden, auf Video aufgezeichneten Interview eindrücklich und mit vielen Beispielen, warum es so schwer ist, eine kreative Lösung zu finden, die nicht in das Problem hinein, sondern aus dem Problem hinausführt. Kreativität bedeutet Gestaltung und Innovation. Das Schaffen von etwas Neuem. Es liegt auf der Hand, dass die Innovation in dem Umfang eingeschränkt wird, in dem unser Denken eingeschränkt ist. Also kommt es darauf an die Einschränkung zu kennen und zu wissen, wie sie zu überwinden sind. Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem Video um ein bei Youtube (Google) hinterlegtes Video handelt. Was das bedeutet, erfahren Sie in der Datenschutzerklärung. Eintrag im Videoverzeichnis erfasst unter Wenn die Lösung das Problem ist


Auch Einstein hatte die Erkenntnis, dass unser Denken die Lösung verhindert, indem er sagte:

Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.


Einige Menschen scheinen natürliche Begabungen, Neigungen und Talente für ein kreatives Denken entwickelt zu haben. Bei anderen ist diese Fähigkeit weniger ausgeprägt. Die individuellen Unterschiede sind auf eine Kombination von genetischen, neurologischen, psychologischen und Umweltfaktoren zurückzuführen. Angst und Selbstzweifel bilden eine der größten Hürden für die Kreativität. Die Angst vor Fehlern und die Unsicherheit über die eigene Fähigkeit führen dazu, sich selbst zu zensieren und keine Risiken eingehen zu wollen. Mangelnde Motivation und ein fehlendes Interesse an der Aufgabe lassen die Kreativität ebenfalls leiden. Die Begeisterung für eine Idee ist somit ein wichtiger Treiber für kreative Lösungen. Zeitdruck und Stress hindern ebenfalls daran, sich zu entfalten. Weil der Konflikt ein Stressauslöser ist, bildet er eine maßgebliche Ursache für mangelnde Kreativität. Auch ein Perfektionismus steht der Kreativität im Wege. Der Wunsch nach Perfektion behindert das kreative Denken, weil man sich zu sehr auf Details und Fehler konzentriert, anstatt neue Ideen zu entwickeln. Natürlich bewirkt auch der Mangel an Inspiration einen Dämpfer. Wer keinen neuen Eindrücken, Ideen oder Perspektiven ausgesetzt wird, hat es schwer, innovative Lösungen zu finden. Das Umfeld, in dem man sich bewegt, hat deshalb auch einen großen Einfluss auf die Kreativität. Schließlich kann eine fehlende Unterstützung zur Einschränkung der Kreativität führen. Es muss deutlich werden, dass die Kreativität geschätzt, gewünscht und gefördert wird, um ihr einen freien Lauf zu geben.

Wie lassen sich die Hindernisse überwinden?

Die Kreativitätshindernisse zu kennen und zu wissen, welchen Einflüssen die Kreativität unterliegt, gibt dem Mediator Anhaltspunkte, wie die Hindernisse zu überwinden sind. Natürlich kommt es zunächst darauf an, eine Bereitschaft für den kreativen Prozess zu wecken. Dabei splelen die Lust und die Motivation eine wichtige Rolle. Das assoziative Denken sollte in den Vordergrund gestellt werden und vorrangig vor dem logischen Denken zur Geltung kommen. Es muss ein sicheres Umfeld geschaffen werden, damit die Ängste aus dem Bewusstsein verdrängt werden. Zeit und Raum für kreative Aktivitäten. Ein durch Zeit und Raum gesicherter Rahmen, der auch Experimente erlaubt, unterstützt kreative Denkprozesse. Der Perfektionismus kann losgelassen werden, wenn Fehler und unvollständige Ideen erlasubt werden.Schließlich unterstützt die Inspiration durch neue Erfahrungen, Eindrücke und Perspektiven den kreativen Prozess. Der Phatnasie sind keine Grenzen gesetzt. Jeder Mensch ist einzigartig. Also muss im Einzelfall herausgefunden werden, was die Kreativität am besten fördert. Probleme, die in der 4.Phase aufkommen und die Lösungssuche verhindern, werden im Zusammenhang mit der Methode der Lösungssuche beschrieben.

Das andere Denken

Wenn ein anderes Denken erforderlich ist, um konstruktive Lösungen zu finden, lautet die Frage, wie dieses andere Denken ermöglicht werden kann. Eine Aufforderung: "Du musst anders denken!", genügt dafür sicher nicht. Das Denken ist ein komplexer Vorgang in unserem Gehirn, der vielen Einflüssen unterliegt. Die Aufforderung beispielsweise: "Denk nicht an einen roten Elefanten", würde genau dazu führen, dass eine auf die Tätigkeit, die Farbe oder das Tier bezogene Assoziation aufkommt, und schon denkt man daran, woran man nicht denken soll oder will.

Die Mediation bildet die Komplexität des Denkens ab, indem sie einen anderen Zugang zur Problemlösung anbietet. Dabei berücksichtigt sie sowohl kognitionspsychologische wie strategische Aspekte. Sie beginnen mit der schon von anderen Verfahren zu unterscheidenden Zielvereinbarung. Insgesamt versucht die Mediation die Parteien in mehreren Schritten in eine problembefreite Lösung zu führen. Den Schwerpunkt bildet die 3.Phase, wo Bedeutungen erhellt und problembefreite Gedankenebenen eröffnet werden. Sie lenken in einen anderen Gedankenraum und setzen neue Rahmenbedingungen für das nun beginnende Denken an die Lösung.

In der Kreativphase, also in der 4.Phase, versucht die Mediation das Denken (zumindest das problemorientierte) abzuschalten. Das Denken soll der kreativen Fantasie nicht im Wege stehen. Deshalb wird der Prozess jetzt so stark beschleunigt, dass kaum Zeit zum Nachdenken besteht - zumindest nicht zum problemorientierten Nachdenken. Das ist kein Widerspruch zu den vorausgegangenen Ausführungen, wo das kreative Denken als ein entspannntes Denken beschrieben wird, das mit dem entsprechenden zeitlichen Rahmen auszustatten ist. Die Beschelunigung wird nachvollziehbar, wenn die Lösungssuche als ein kurzer Abschnitt eines insgesamt zur Kreativität führenden, gedanklichen Vorgangs angesehen wird. Jetzt kommt es lediglich darauf an, das Aber aus dem Kopf zu holen, das beim Nachdenken aufkommt. Deshalb wird der Mediator auch sofort einschreiten, sobald die Parteien damit beginnen, einen Vorschlag zu diskutieren oder zu kritisieren.

Beispiel 15632 - Die Partei macht einen Vorschlag in der 4. Phase, der der Gegenseite überhaupt nicht gefällt. Sie fängt an dagegen zu argumentieren und will richtig stellen. Der Mediator unterbricht sie sofort: "Bitte machen Sie einen anderen Vorschlag. In einem nächsten Schritt haben Sie Gelegenheit, über alle Vorschläge zu diskutieren!".


Es kommt bei der Lösungssuche darauf an, Lösungsoptionen zu sammeln. Wichtig ist es darauf zu achten, dass es keine perfekten, richtige oder falsche Vorschäge sein müssen und dass auch unsinnige Ideen eingebracht werden können und sollen. Wichtig ist auch der Hinweis, dass alle Vorschläge nur Ideen sind, die (noch) keinen Anspruch auf Verbindlichkeit haben und deren Realisierbarkeit durchaus auch (noch) in Frage stehen kann. Eine Auswahl und Bewertung der Sammlung von Lösungsideen geschieht in einem von der Sammlung abgegrenzten, weiteren Schritt, ganz nach dem Motto: "Zuerst sind wir kreativ, danach sind wir wieder kritisch".

Kreativtechniken

Um die Lösungssuche als einen kreativen Vorgang zu unterstützen, stellt die Mediation eine Reihe von Techniken zur Verfügung. Sie sollen zur Kreativität beitragen. Gegebenenfalls muss die optimale Technik nach dem Trial and Error Prinzip herausgefunden werden. Hier eine Übersicht über mögliche Kreativtechniken:

Bedeutung für die Mediation

Auch wenn die Kreativität der 4.Phase zugeordnet wird, muss der gesamte Prozess der Mediation beleuchtet werden, damit kreative Lösungen gefunden werden können. Jeder Schritt ist erforderlich, damit die kreative Phase gelingt. Dass die Mediation anders ist und vor allem ein anders Denken hervorruft und einfordert, scheint viel zu wenig bewusst zu sein. Die Mediation kommt ohne Argumentieren aus. Ihr genügt ein Erklären. Dann blickt sie nicht in die problematische, kaputte Welt, sondern lenkt den Fokus auf den Nutzen und die Frage, wie eine heile Welt aussieht. Aus diesem gedanklichen Setting, das hinter dem Problem (nicht im Problem) liegt, entwickelt sie die Lösung.1 Der mit der kognitiven Mediationstheorie dargestellte, mediative Gedankengang ist so aufgebaut, dass gedankliche Hindernisse aus dem Weg geräumt und die Gedanken befreit werden, um auch dorthin schauen zu könne, wo die Lösung nicht vermutet wird. Die Kreativtechniken unterstützen den Prozess, die Gedanken aus dem Problem herauszuführen und einmal fliegen zu lassen, damit sich der Horizont erweitert.

Hinweise und Fußnoten
Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen.
Bearbeitungsstand: 2023-10-02 10:09 / Version 56.

Alias: Fantasie
Siehe auch: Denken, Kreativität, Ratgeber für Interventionen
Included: Kreativtechnik
Prüfvermerk:

1 Siehe auch Entscheidungsprozess


Based on work by Arthur Trossen und Bernard Sfez und anonymous contributor und anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Donnerstag März 28, 2024 17:37:25 CET.

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