Die Informatik ist die Wissenschaft von der systematischen Verarbeitung von Informationen, insbesondere mithilfe von Computern. Kommunikation ist die Verständigung durch die Verwendung von Zeichen und Sprache.1 Auch wenn die Definitionen für eine fachliche Auseinandersetzung zu kurz greifen, geben sie einen ersten Hinweis auf das Problem und die zu beobachtende Schnittstelle. Die Verarbeitung von Informationen geschieht stets durch die Verwendung von Zeichen, aus denen Worte und Sätze gebildet werden. Die dadurch herausgebildeten Codes verkoppeln sich mit Gedanken. Ihre Übermittlung erfolgt durch die Kommunikation. Zumindest endet sie dort.

Wenn die Mediation, wie im Fall der kognitiven Mediation als ein Prozess der Erkenntnisgewinnung und der Informationsverarbeitung gesehen wird,2 bildet sich möglicherweise eine spannende Schnittmenge heraus. Sie trägt dazu bei, die Probleme der Kommunikation in einer digitalen Welt zu lösen. Umgekehrt könnte die digitale Kommunikation dazu beitragen, essentielle Probleme der zwischenmenschlichen Kommunikation zu überwinden. Diese Frage soll in dem Kapitel Die digitale Kommunikation erörtert werden. Mit ihr öffnet sich der Fokus auf den Informatiker, der die Algorithmen der digitalen Kommunikation vorgibt und die Frage, inwieweit er die Kommunikation beherrschen muss, um anderen eine gute Kommunikation zu ermöglichen. Diese Frage soll in einem weiteren Kapitel unter der Überschrift Die Kommunikationskompetenz des Informatikers besprochen werden.

Die digitale Kommunikation

Die Ausbildungsverordnung für Mediatoren wurde um den Lehrinhalt "Digitale Kompetenz" erweitert.3 Gemeint ist die Fähigkeit des Mediators, Onlinemediationen durchzuführen.4 Er soll lernen, mit den Einschränkungen und den Möglichkeiten der digital gestützten Kommunikation umzugehen. Die digitale Kommunikation verändert zweifellos das Kommunikationsverhalten. Die Veränderung betrifft nicht nur den Bereich der Mediation. Sie ist ein Phänomen des Alltags, dem wir uns alle zu stellen haben. Also sollten wir uns darüber bewusst sein, was digitale Kommunikation überhaupt bedeutet.

Das Wort "digital" wird auf den lateinischen Ursprung zurückgeführt, der von "digitus", dem Finger, abgeleitet wird. Das englische "Digit", was mit Zahl zu übersetzen ist, lässt sich daraus herleiten, dass ursprünglich mit den Fingern gezählt wurde. Der Begriff "digit" verbindet somit das Zeigen mit dem Zählen. 5

In der Kommunikation wird der Begriff "digital" dem Wort "analog" gegenübergestellt. Kommunikation ist also nicht nur digital. Watzlawick hat zwei Ebenen der Kommunikation herausgearbeitet. Die rational wahrnehmbare digitale Ebene, mit der die aus Zeichen und Worten bestehende, verbale Kommunikation beschrieben wird, und die sinnlich wahrnehmbare analoge Ebene, mit der die non-verbale Kommunikation gemeint ist. Es gibt also auch eine Kommunikation jenseits der Zeichen, die alle menschlichen Sinne einbezieht.

Computer können nicht nur Zeichen. Sie können auch komplexe Bilder und Bewegungen übermitteln. Genügt das, um eine Kommunikation zu ersetzen? Immerhin können sich die Gesprächspartner bei einer synchronen Onlinekommunikation auch persönlich begegnen und sehen. Sie können sich zwar nicht riechen oder anfassen. Auch die Proxemik kommt zu kurz.6 Trotzdem können die Kommunikanten in einem Online-Meeting die unausgesprochene non-verbale Kommunikation zumindest zum Teil wahrnehmen. Wer die Onlinemediation geschickt ausführt, kann mit diesem Medium selbst hoch eskalierte Konflikte auflösen.

Jenseits der synchronen Kommunikation unterstützt die digitale Technik auch die assynchrone, also die zeitlich versetzte Kommunikation. So gesehen erweitert sie die Möglichkeiten der Kommunikation. Bei einer Onlinemediation macht sich die Erweiterung im Chat bemerkbar, über den in einem Onlinemeeting eine weitere Kommunikationsebene hergestellt werden kann. Am häufigsten begegnen wir der assynchronen Kommunikation im Mailverkehr, in Blogs und in den sozialen Medien. Der neben den Sessions stattfindende Mailverkehr spielt durchaus auch in der Mediation eine wichtige Rolle. Um seine Fallstricke zu umgehen, ist die assynchrone Kommunikation ganz sicher auch ein Lehrinhalt der digitalen Kompetenz des Mediators.

Was auf den ersten Blick wie eine Bereicherung erscheint, hat einen hohen Preis. Die technischen Möglichkeiten erlauben nicht nur eine Zeitverschiebung, was sich auf die Interpunktion der Mediation auswirkt. Sie schaffen auch eine Distanz zwischen Sender und Empfänger. Zusätzlich bewirken sie eine extreme Informationsüberflutung. Informationen sind stets und überall und zu jeder Zeit verfügbar. Zu allem Überfluss werden sie auch noch auf verschiedenen Kanälen gesendet, was sich auf die Erreichbarkeit auswirkt.

Leider haben zu viele Information den gleichen Effekt wie zu wenig Informationen. Sie erschweren den Durchblick und erweisen sich als kontraproduktiv, wenn es darum geht, ein Verstehen zu vermitteln. Die ungebremste Informationsfülle führt deshalb zu einem weiteren Phänomen der digitalen Technik, das Menschen mit der gleichen Technik versuchen zu bewältigen. Die Technik wird genutzt, damit die Informationen in der Fülle überhaupt wahrgenommen werden. Das geschieht durch eine extreme Verdichtung. Informationen werden selektiv herausgestellt. Sachverhalte werden auf ein Bild reduziert, Emotionen auf ein Icon. Informationen werden reduziert, damit sie in wenigen Sekunden erfasst werden können. Dabei werden die Regeln der Kommunikation nicht vom Gegenüber, sondern von der SEO-Technik vorgegeben. Damit die Information auffindbar wird, passen wir sowohl die Grammatik wie die Wortwahl an Tags und Regeln an, von denen Google meint, dass sie gewollt sind und verstanden werden, nicht unbedingt der Adressat.

Obwohl die digitale Kommunikation die Information in einen umfassenden Kontext einbinden könnte, bewirkt das Kommunikationsverhalten die Gefahr, die knappen Informationen, aus einem Blickwinkel zu interpretieren, der sich von dem realen Kontext entfernt. Die Nerd-Sprache kennt das Rabbit hole.7 Der User verliert sich mehr und mehr in eine irreale Welt, wo ihn das Phänomen der toxic Positivity von sich selbst und allem Realen entfremdet.8 Es kommt zu einem Kontrollverlust. Wenn die Kommunikation eine Verständigung bewirken soll, trägt die digitale Informationsvermittlung dazu bei, diesen Zweck zu verfehlen. Um dies zu verdeutlichen, sollte sie sich begrifflich von der Kommunikation unterscheiden. Statt von einer digitalen Kommunikation zu sprechen, sollte von einer digital gestützten Kommunikation oder einer digitalen Informationsvermittlung gesprochen werden.

Andererseits sind die zuvor dargestellten Phänomene keine Erfindung der digital gestützten Kommunikation. Sie sind auch der zwischenmenschlichen Kommunikation nicht fremd. Auch hier verwenden wir im Framing Worte, die andere Assoziationen auslösen, als deren eigentliche Bedeutung ausdrücken will.9 Mit der gleichen Absicht benutzen wir Metaphern, Bilder und Schlagzeilen. Die Rhetorik führt zu einer bewussten Tilgung von Informationen, um den Vortrag spannend zu machen.10 Die zuvor beschriebenen Phänomene der digitalen Technik sind also nicht neu. Sie werden lediglich auf eine ungesunde Weise verstärkt.

Sowohl in der analogen, wie in der digitalen Kommunikation kommt es darauf an, die Bedeutung der übermittelten Information zu erfassen. Weil die Kommunikation mehr ist, als nur die Übermittlung von Worten und Bildern, sieht die Psychologie in ihr eine Anleitung zur Rekonstruktion einer Wirklichkeit der Kommunikanten.11 Diese Definition kommt dem Zweck der Verständigung näher. Gewollt oder nicht wird die Wirklichkeit der Personen stets zum zwingenden Bestandteil einer jeden Kommunikation.12 Je mehr die Kommunikation von den Kommunikanten entfremdet wird, umso schwieriger wird es, die persönliche Wirklichkeit zu erkennen.

Nur wer diese Wirklichkeit erahnt, kann verstehen, was der Kommunikant meint. Das ist nicht gleichbedeutend mit dem was er sagt. Der Shitstorm liefert ein Beispiel dafür, dass es auf ein gegenseitiges Verstehen in der digitalen Welt gar nicht mehr ankommt. Der Shitstorm wird möglich, weil die Distanz zum Sender und die Anonymität den direkten Kontakt der Kommunikanten verhindert. Resonanzeffekte gehen verloren.13 Die Kommunikation verliert ihre Kontrolle im Gegenüber.14

Warum fällt und das Verstehen so schwer?

Wenn die Kommunikation eine Verständigung darstellt, sollte die zum Verstehen führende Verständlichmachung in ihrem Mittelpunkt stehen. Sie erfordert eine Interaktion, die weit über die Informationsvermittlung hinausgeht. Warum uns das Verstehen so schwer fällt ist eine außerordentlich komplexe Frage. Sie beschränkt sich nicht nur auf die Fähigkeit zur Informationsübermittlung. Das Verstehen erfasst die Sinnhaftigkeit der Kommunikation. Es ist ein innermenschlicher Vorgang, den kein Computer ersetzen kann.15

Die integrierte Mediation führt alle Hindernisse auf, die den Menschen daran hindern, selbst eine Lösung für ein Problem, einen Widerspruch oder einen Konflikt zu finden. Die Kommunikation bildet in dieser Aufzählung nur eine der Schwachstellen ab. Wenn es um das Verstehen geht, genügt es nicht, den Blick nur auf die Kommunikation an und für sich zu lenken. Sie erschließt sich erst, wenn verstanden wird, was sie auslöst, wie sie bewirkt wird und was sie anrichten kann und soll. Die menschliche Wahrnehmung, über die Informationen aufgenommen werden, das menschliche Denken, das die Information verwertet und die Kommunikation, die ihre Auswirkung vermittelt, werden deshalb zu einem zwingenden Bestandteil jeder Informationsverarbeitung, die dem Denken vorbehalten ist.

Auch wenn die Informatik noch so viele Informationen und Algorithmen für eine Informationsverarbeitung zur Verfügung stellen kann, bildet die menschliche Fähigkeit zur Informationsverarbeitung stets das Nadelöhr, das die Information passieren muss, um eine Erkenntnis auszulösen. Auch wenn der Computer dem Menschen das Denken abnimmt, bleibt die Entscheidung über seine Sinnhaftigkeit stets eine höchst menschliche Angelegenheit.

Um den menschlichen Informationsverarbeitungsprozess zu verstehen, hilft eine systemtheoretische Sicht. Systemtheoretisch betrachtet kann der Mensch in drei unabhängig voneinander agierende Systeme unterteilt werden. Das biologische System, das seine Körperlichkeit beschreibt, das psychologische System, das seinen Verstand beschreibt und das soziale System, das seine Interaktionsfähigkeit beschreibt. Jedes System funktioniert eigenständig. Es beeinflusst jedoch das jeweils andere, das entsprechend der Aufgabenteilung wiederum einer eigenen Logik folgt. Fehlinterpretationen gehören deshalb bereits zur Interaktion der innermenschlichen Systeme. Bei der zwischenmenschlichen Kommunikation wirkt sich jede Interaktion auf eines oder alle Systeme des Menschen aus, was wiederum Auswirkungen auf das eine oder andere System anderer Menschen hat und in der Kettenreaktion sogar eine gesellschaftliche Dimension annimmt. Es ist kaum anzunehmen, dass sich dieser komplexe und auch oft unbewusste Vorgang steuern lässt.

Das Grundproblem des Menschen ist sein Informationsdefizit. Er gesteht sich das Defizit nicht gerne ein, was mit dem Plentitudo Effekt zu erklären ist.16 Obwohl das Gehirn nur eingeschränkt Informationen verarbeiten kann, suggeriert der Wahrnehmungsfehler stets, die volle Wahrheit zu kennen. Im Extremfall kommt es zu dem Dunning-Kruger-Effekt, der die eigene Dummheit kaschiert.17 Die digitale Technik macht sich diese Phänomene zu eigen, obwohl sie dazu beitragen könnte, die Fähigkeiten des menschlichen Gehirns zu fördern. Ihre Grenze ist aber stets die Wahrnehmung und die Fähigkeit des Menschen, der die Informationen letztlich zu verarbeiten hat. Das menschliche Gehirn verarbeitet 11 Millionen Bits an Sinnesinformation in der Sekunde. Ein Computer, der eine vergleichbare Rechenfähigkeit aufweisen kann, hätte 500.000 mal mehr Leistung aufzuweisen als unser Gehirn dafür benötigt.18 Wie schafft unser Gehirn eine solche Rechenleistung mit nur maximal 20 Joule?

Das Gehirn benutzt einen einfachen Trick. Es filtert die Informationen. Ganz abgesehen davon, dass die wahrgenommenen Informationen selbst nur einen unbedeutenden Bruchteil der Realität ausmachen, gelangt selbst davon nur ein verschwindend geringer Teil in das menschliche Bewusstsein. Die bewusste Wahrnehmung deckt weniger als 5% der zugänglichen Informationen ab. 95% bleiben im Verborgenen. Wer entscheidet darüber wie und welche 5% bewusst wahrgenommen werden? Das ist die erste große Hürde der menschlichen Informationsverarbeitung. Auch wenn die digitale Kompetenz mehr Informationen zur Verfügung stellen könnte, muss sie immer noch durch das Nadelöhr der beschränkten menschlichen Fähigkeiten gelangen, damit sie wahrgenommen wird. Das bedeutet, dass die Informationstechnik eine Vorfilterung durchführen müsste, die der des menschlichen Gehirns entspricht. Das wiederum wäre nur dann möglich, wenn es gelingt, das Chaos zu berechnen, das nicht linear kausale Abläufe produziert.

Das Gehirn ist ein faszinierendes, sich selbst organisierendes Organ. Es folgt, wenn überhaupt, ganz eigenen Regeln. Welche Fähigkeiten der menschlichen Informationsverarbeitung zugeschrieben werden, versucht die Kognitionswissenschaft zu untersuchen und zu beschreiben.

Die Kognition als Schlüssel

Die Kognition ist eine Wissenschaft, die sich mit der Aufnahme, der Verarbeitung und der Weitergabe von Informationen in Organismen beschäftigt. Die Informationstechnik ist gut beraten, wenn sie sich an die organischen Voraussetzungen anpasst. Die Aufnahme von Informationen entspricht der Wahrnehmung. Die Verarbeitung entspricht dem Denken. Die Weitergabe entspricht der Kommunikation. Das eine ist ohne das andere nicht erklärbar. Eine Auseinandersetzung mit der Kommunikation ist also nicht denkbar, ohne auf die Wahrnehmung und das Denken einzugehen. Dabei genügt es nicht, den Blick auf den einzelnen Menschen zu lenken. Die Wahrnehmung wird von den Umweltbedingungen beeinflusst. Das Denken von der Prägung. Es ist ein außerordentlich komplexer Vorgang, der sich interaktiv auf die Kommunikation auswirkt.

Die Bewältigung der Komplexität

Zunächst sollte die Komplexität nicht mit der Kompliziertheit verwechselt werden.19 Man mag einem Computer zutrauen, mit der Kompliziertheit besser zurechtzukommen als der Mensch. Aber wie kann er mit der Komplexität umgehen? Die Komplexität verhält sich chaotisch und kennt keinen Algoritmus.20 Außerdem wird sie schon in dem Moment reduziert, wo darüber gesprochen wird. Die Sprache verwendet Zeichen. Das Zeichen kann alles und nichts bedeuten. Es ist ein Symbol, das der Vorstellung von Realität im günstigsten Fall nur nahekommt. Mit der Frage, wie sehr die Symbole der Wirklichkeit entgegenkommen, die wir mit Hilfe der Kommunikation reproduzieren wollen, kommen wir auf die Semiotik zu sprechen.

Die Bedeutung der Zeichen

Die Semiotik ist die Wissenschaft der Zeichen. Wir wissen, dass es nicht genügt, ein Zeichen, einen Zeichencode oder ein Wort zu kennen. Es kommt auf die Bedeutung an, die dem Zeichen zugeschrieben wird. Seine Konnotation ist nicht immer eindeutig. Was meine ich, wenn ich den Zeigefinger hebe, ein Smiley sende oder „Du Opfer“ sage? In allen Fällen lautet die richtige Antwort: „Es kommt darauf an“. Das Zeichen erklärt sich nicht selbst. Selbst die Kenntnis seiner Bedeutung erklärt noch nicht, was der Verwender gemeint hat, wenn er den Code verwendet. Er braucht weitere Informationen. Oft helfen Metainformationen, die die digitale Technik zur Verfügung stellen könnte. Aber auch sie sind unzureichend, um zu verstehen, was gemeint ist.

Die menschliche Wahrnehmung ist selektiv. Die digitale Technik verschärft den Effekt, indem sie die Auswahl des Wahrzunehmenden vorgibt. Wer sieht schon, dass bei einem Video, wo ein Tier oder Mensch ums Leben kommt ein Kameramann, ein Tontechniker, ein Storyeditor und anderes Personal hinter der Kamera stehen und zuschauen? Wer macht sich bewusst, dass der kurze Moment in dem die gezeigte Person völlig ausgerastet gezeigt wird, eine Vorgeschichte hat, in der die Reporter diese Person so lange maltraitiert haben, bis sie die Person die Kontrolle verloren hat. Nur dieser Moment wird festgehalten, nicht die Geschichte darum herum. Die moderne Technik lässt alles so real erscheinen, dass die Inszenierung kaum noch zu erkennen ist. Die KI trägt dazu bei, die Realität noch mehr zu verzerren. Man weiß gar nicht mehr was real und was gefälscht ist. Kein Wunder also wenn Bernasu behauptet, die Digitaltechnik sei eine Zeichenmanipulation. Die digitale Technik könnte der Kommunikation einen Dienst erweisen, wenn sie die Manipulation aufdeckt.21

Die Bedeutung des Kontextes

Es wäre unzureichend, die isolierte Bedeutung des Zeichens, der Worte oder der Sprache zu hinterfragen. Besonders dann, wenn die Zeicheninterpretation in einen Zusammenhang gestellt wird, kommt es auf den Kontext an. Der Kontext ist der Rahmen, in dem wir uns gedanklich bewegen. Die Kontextualisierung ist übrigens der Trick unseres Gehirns, mit der es die Datenfülle bewältigt. Jede Information wird über die Amygdalla gesteuert. Sie wird sofort in einen Kontext gestellt und gefiltert. Die Relevanz des gedanklichen Kontextes für das Verständnis von Informationen ergibt sich aus dem Schachbeispiel.

Stellen Sie sich vor, Sie machen Ihrem Gegner den Vorschlag, seine Dame auf das Feld C7 zu stellen. Wird er den Vorschlag befolgen? Eher nein, weil das Schachspiel den Kontext eines Nullsummenspiels vorgibt. Ein Nullsummenspiel indiziert eine Konfrontation, keine Kooperation. Der hilfreiche Vorschlag wird deshalb als ein Täuschungsversuch eingeordnet werden. Das gleiche gilt bei der Friedensarbeit. Solange wir im Kontext eines Krieges denken, erschließt sich nicht die Lösung für den Frieden, der einen anderen gedanklichen Kontext voraussetzen würde. Konventionelle Überlegungen, wie ein Krieg zu beenden sei, konzentrieren sich demzufolge stets auf die Unterwerfung und die Niederlage. Die Mediation würde einen anderen Kontext herstellen, bevor über die Beendigung des Krieges gesprochen wird.

Die Bedeutung der Motive

Das Beispiel des Schachspiels verdeutlicht die unterschiedlichen Perspektiven. Da gibt es den kooperativ denkenden Spieler, der den Vorschlag für einen konstruktiven Zug macht. Dann gibt es den konfrontativ denkenden Spieler, der sich nicht auf den Vorschlag einlassen kann. Zunächst wird die Spielsituation genutzt, um die Absichten des Gegners einzuschätzen. Vielleicht nutzen die Spieler auch die non-verbalen Informationen, die sie einander senden, um die Lage und das Verhalten des Gegners einzuschätzen. In allen Fällen wollen sie sein Motiv erkennen. Das Motiv weist auf die Absicht hin. Es ist mit den Bedürfnissen verknüpft und deutet an, wann der Mensch welche Befriedigung erreichen will. Die Gefühle sind dabei lediglich das Mittel zum Zweck. Will unser kooperativer Spieler siegen oder will er die Qualität des Spiels verbessern, um eine größere Herausforderung zu erleben oder will er einfach nur nett sein? Wir wissen es nicht. Würden wir aber die Motive kennen, wäre alles klar. Sein Verhalten kann korrekt eingeschätzt werden und wir wissen, wie darauf zu reagieren ist.

Die einzige Möglichkeit die Motive herauszufinden sind intensive Gespräche.22 Sie gehen über eine reine Informationsweitergabe hinaus. Nur der Handelnde kann seine Motive kennen. Oft bleiben sie ihm sogar selbst verborgen. Um sie zu verstehen, müsste er seine Gefühle aufdecken und selbst verstehen. Die Gefühle sind der Wegweiser durchs Leben. Hätte der Mensch kein Hungergefühl, wüsste er nicht, dass er Nahrung aufnehmen muss.

Die Informationsverarbeitung der kognitiven Mediation

Das Verstehen ist kein statisches Moment. Es ist Teil eines komplexen Prozesses. Wie in der Informatik kommt es darauf an, Funktionen abzuschalten, um den Fehler zu entdecken. Nach einem ähnlichen Prinzip arbeitet der Verstehensvermittlungsprozess der kognitiv ausgerichteten Mediation. Um es in der Sprache der Informatik zu erläutern, werden die ineinandergreifenden Prozesse identifiziert und isoliert, um den Fehler zu erkennen. Die Integrierte Mediation hat dafür den Begriff des Dimensionierens eingeführt. Er erlaubt es, jede Information nach ihrem Gehalt und ihrer Bedeutung so zu erfassen, dass sie sich in einen lösungsführenden Gedankengang einordnen lassen. Ein Mediator der Integrierten Mediation lernt deshalb: Informationen zu qualifizieren, Denkweisen zu identifizieren und zu isolieren, gedankliche Ebenen zu differenzieren, den lösungsführenden Gedankengang (Prozess) zu steuern. Techniken wie das aktive Zuhören und Interventionen sind dabei nur Hilfsmittel zur Prozessverwirklichung.

Um die Information korrekt einordnen zu können, bildet die beim Dimensionieren herauszuarbeitende Metainformation eine ganz entscheidende Rolle.23 Die Metainformation deckt auf, um welche Information es sich handelt und wie sie einzuordnen ist. Die digitale Technik würde die Kommunikation unterstützen, wenn sie die Metainformationen ähnlich wie bei Bildern und Fotos zugänglich macht. Sie müsste erforschen, welche Metainformationen erforderlich sind und wie sie mit den technischen Mitteln zu erheben sind, damit die Information korrekt eingeschätzt werden kann. Die Erkenntnisse der kognitiven Mediation geben Anhaltspunkte für eine derartige Forschung. Wenn die technische Möglichkeit besteht, bliebe nur noch die Frage, ob der Sender überhaupt will, dass der Empfänger die (wahren) Hintergründe der gesendeten Information überhaupt kennen soll. Würden die Metainformationen offengelegt, wäre seine Absicht leichter zu durchschauen. Wer will das schon?

Kommunikationskompetenz des Informatikers

Wenn die Informatik die Wissenschaft der systematischen Verarbeitung von Informationen ist, muss sie im Kontakt mit Menschen lernen, wie eine unsystematische Informationsverarbeitung funktioniert. Wenn die Kommunikation eine Verständigung ist, hat sie einen sozialen und einen psychologischen Aspekt. Es ist fraglich, ob ein Computer jemals in der Lage sein wird, die menschlichen Systeme nachzubilden.

Die Kommunikation des Informatikers ist sehr vielschichtig. Sie variiert mit den jeweiligen Kommunikanten. Sein erster Ansprechpartner ist der Computer. Dann kommuniziert er mit dem Auftraggeber, den Mitarbeitern und den Kollegen. Jede Kommunikation folgt ihren eigenen Regeln.

Kommunikation mit dem Computer

Wenn in dem Informationsaustausch mit dem Computer überhaupt von einer Kommunikation gesprochen werden kann, ist ihr markantes Merkmal, dass einer der Kommunikanten eine Maschine ist. Selbst wenn sich die Sprachprogramme der KI sehr menschlich anfühlen, folgen sie einer Schaltlogik, die festen Grundsätzen und Regeln unterliegt. Wenn dieser systematische Austausch von Informationen das Verhalten des Informatikers sozialisiert, wird er im Austausch mit den unsystematisch denkenden Menschen auf viele Irritationen und Phänomene stoßen, die sich seiner Logik entziehen und gegebenenfalls auf Dauer sogar seine Persönlichkeit beeinflussen. Es ist eine eigene Welt, deren Ausgang nur die Kommunikation mit sich selbst sein kann.

Kommunikation mit dem Auftraggeber

Informatiker benutzen eine Fachsprache, die ihnen so selbstverständlich ist, dass sie darauf verzichten, sie dem Auftraggeber zugänglich zu machen. Es kommt zu Missverständnissen, die sich auf die Arbeit und letztlich auf die Bezahlung auswirken. Wenn der Informatiker gelernt hat, zwischen den Zeilen zu lesen und die Interessen und Motive herauszuhören, gelingt es ihm besser, den Kunden zu befriedigen.

Kommunikation mit dem Vorgesetzten

Die Kommunikation mit dem Kunden wird meist von dem Vorgesetzen mit all den zuvor genannten Schwachstellen ausgeführt. Er muss den Auftrag nach innen, also an die ausführenden Mitarbeiter kommunizieren. Hier kann die Kommunikation konfliktlastig werden, wenn die Beziehung zwischen dem Vorgesetzen und den Mitarbeitern nicht so ausgestaltet ist, dass ein offener Austausch möglich ist.

Kommunikation mit Mitarbeitern

Die zuvor aufgeführten Schwachstellen potenzieren sich, wenn es um die Kommunikation mit oder in einer Gruppe von Menschen geht. Jetzt kommen strukturelle Probleme hinzu. Sie haben meist mit Hierarchiefragen zu tun. Gerade bei Softwareunternehmen, die eine flache Hierarchie oder gar eine Heterarchie anstreben, kommt es zu Konflikten, wenn der Softwareentwickler in einem Fall der Projektleiter ist im anderen Fall jedoch der Untergebene des Projektmitarbeiters.

Fazit
Um einen Informatiker in Kommunikation auszubilden, genügt es nicht, ihm Techniken der Kommunikation, wie das aktive Zuhören zu vermitteln. Sicherlich ist das ein erster Schritt. Er nutzt aber wenig, wenn er nicht in einen kommunikativen Prozess eingebunden wird, der die Gedanken auf den richtigen Weg bringt. Um die Gedanken auf den richtigen Weg zu bringen, sollte der Informatiker die Mechanismen der menschlichen Kommunikation und ihre Konfliktlastigkeit kennen. Er muss lernen, wie er sich und die Welt versteht, um andere zu verstehen und um sich verständlich zu machen.

Arthur Trossen


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