Lade...
 

Der Grundsatz der Vertraulichkeit

Wissensmanagement » Diese Seite gehört zum Fachbuch Mediation in der Wiki-Abteilung Wissen. Sie befinden sich auf der Unterseite zum Kapitel Grundsätze, das zum 4. Buchabschnitt Prozess gehört.

Grundsätze Vertraulichkeit Offenheit Verschwiegenheit Verantwortung

Worum es geht: Die Vertraulichkeit wird in §1 Mediationsgesetz als ein definierendes Tatbestandsmerkmal exponiert, obwohl es sich bei der Vertraulichkeit nicht um eine Verfahrenseigenschaft handelt.

Einführung und Inhalt: Vertraulichkeit hat mit Vertrauen zu tun. Das lässt sich nicht erzwingen. Auch in der Mediation muss Vertrauen wachsen. Die Vertraulichkeit stützt den Prozess zur Herstellung des Vertrauens. Er bewirkt aber noch mehr.

  Das ist ein Grundsatz der Mediation
Mediationsgrundsätze sind grundsätzlich zu beachten. Dabei sind Regeln einzuhalten. Eine Verletzung der Grundsätze kann eine Pflichtverletzung begründen und zur Haftung führen.

Der geschützte (Gesprächs-)raum

Das Prinzip der Vertraulichkeit ist eine typische Bedingung für das Verfahren1 . Es korrespondiert mit dem Prinzip der Offenheit und dem der Informiertheit.

 Merke:
Leitsatz 7466 - Die Vertraulichkeit unterstreicht die strategische Funktion der Mediation, die einen geschützten Gesprächsraum schaffen will, in dem eine Kooperation möglich ist.

Die Vertraulichkeit erlaubt es, die Mediation als einen Ort des geschützten Gesprächs zu widmen. Der geschützte Raum ist notwendig, damit die Parteien sich unverbindlich, also unvorsichtig und losgelöst von der Sorge vor Konsequenzen über die Bewertung von Fakten und darauf bezogene Lösungen äußern können. Deren Verbindlichkeit wird in der Mediation erst „in der letzten Sekunde“ mit der Abschlussvereinbarung hergestellt.

Der geschützte Raum 

Der gewünschte Effekt

Der Vertraulichkeitsgrundsatz besagt, dass die in der Mediation erhobenen und gewonnenen Informationen nicht in einem späteren Gerichtsverfahren oder sonst zum Zwecke der Konfrontation als Vorhalt oder Beweis verwertet werden sollen. Es geht also weniger um den Schutz der Medianden als um den der Mediation. Die Mediation bedarf der Vertraulichkeit, um sich selbst zu schützen. Wäre die Vertraulichkeit in der Mediation nicht gesichert, könnte das Verfahren zu einem Beweisermittlungsverfahren missbraucht werden. Die Parteien würden sich auf die Mediation einlassen, um sich auszuforschen, nicht um eine Lösung zu finden. Die Mediation wäre wirkungslos. Ihr Ziel wäre verfehlt.

 Merke:
Leitsatz 7467 - Es geht darum, den Parteien einen Gesprächsraum zur Verfügung zu stellen, in dem es ihnen erlaubt ist, ihre Motive offen zu legen, ohne dass sie sich um Konsequenzen sorgen müssen, so dass ihre Gedanken freien Raum gewinnen können.

Die strategische Hürde

Leider beinhaltet das Bekenntnis der Interessen oft die Offenbarung von Angriffsflächen. Also werden sie verschwiegen. Ohne die Interessen zu offenbaren, können sie nicht zur Lösungsfindung beitragen. Die Mediation versucht alle relevanten Informationen in das Verfahren einzubeziehen. Also muss sie den Verwender davor schützen, dass seine Bereitschaft, Informationen preiszugeben, einen Schaden herbeiführt. Ob und inwieweit ein solcher Schutz erforderlich ist, mag im Einzelfall zu verhandeln sein.

 Merke:
Leitsatz 7468 - Damit die Mediation grundsätzlich nicht zu einem Instrument der Konfrontation missbraucht werden kann, muss sie den offenen Gesprächsraum so weit wie möglich schützen.

Das ist idealiter der Fall, wenn keine der in der Mediation aufkommenden Informationen für die Konfrontation zu verwerten sind. Konkret ist zu verhindern, dass Tatsachen, die in der Mediation offenbart werden in einem Gerichtsverfahren gegen den Verwender benutzt werden können. Die Vertraulichkeit soll dies gewährleisten, indem sie nicht nur eine Verschwiegenheitspflicht begründet, sondern auch ein Beweisverwertungsverbot.

Die rechtlichen Grenzen

Die rechtlichen Grenzen der Vertraulichkeit orientieren sich natürlich am Gesetz, aber auch am Wesen der Mediation. Es gibt Einschränkungen, die der Mediator jedoch ausgleichen kann. Er muss das Folgende beachten:

Ergänzungsbedarf

Die Vertraulichkeit ist im Mediationsgesetz nur unvollständig geschützt. Das Gesetz regelt lediglich die Verschwiegenheitspflicht des Mediators. Nicht erwähnt wird die damit korrespondierende Verschwiegenheitspflicht der Medianden oder gar der am Verfahren teilnehmenden Dritten.

 Merke:
Leitsatz 7469 - Der Umfang der Vertraulichkeit kann und muss vom Mediator und den Medianden und gegebenenfalls den Vertragsparteien genau festgelegt und, falls erforderlich, vertraglich abgesichert werden.

Der Mediator muss überschauen können, wo „Sicherheitslücken“ auftreten können. Dabei muss er die gesamte Parteikonstellation im Blick haben. Er hat die Parteien gegebenenfalls auf Lücken hinzuweisen, damit die MDV oder der MV dementsprechend ergänzt oder erweitert werden kann. Eine Lücke wäre zum Beispiel anzunehmen, wenn der Mediand nicht selbst Streitpartei ist aber der Streitpartei zu berichten hat, damit sie der Abschlussvereinbarung zustimmen kann. Dann muss der Mediator darauf achten, dass auch die nur indirekt beteiligten Personen in Verschwiegenheitsverpflichtungen einbezogen werden.

Mustertext: Vertraulichkeitsabrede Mustertext: MDV

Belehrungspflicht

Zur Information über die Vertraulichkeit gehört auch der Hinweis auf ihre Grenzen. Der Mediante ist bei einer polizeilichen oder staatsanwaltlichen Vernehmung besser geschützt als in der Mediation, weil Aussagen ohne vorhergehende Belehrung über das Aussageverweigerungsrecht nicht verwertbar sind. hinsichtlich der Fakten mit strafrechtlichen Bezug ist der Mediator nicht aussageverweigerungsberechtigt. Er könnte also in einem Strafverfahren über diese Fakten als Zeuge verhört werden. Diese Einschränkung ist nicht verhandelbar. Nicht nur im Interesse einer gegenseitigen Fairness, aber auch aus Gründen der Informationspflicht, ist der Mediator gehalten, nicht nur zur Offenheit im Gespräch aufzufordern sondern auch zu warnen, wann diese Offenheit nicht geschützt werden kann. Spätestens wenn die Parteien also strafrechtliche Inhalte erörtern, muss der Mediator darauf hinweisen, dass diese Informationen von der Vertraulichkeit nicht geschützt sind.

Disposition

Die Vertraulichkeit ist ein Prinzip und kein Eigenschaftsmerkmal der Mediation. Sie kann deshalb so weit disponiert werden, wie es dem Wesen der Mediation entspricht. Theoretisch könnten die Parteien vollständig auf die Vertraulichkeit verzichten, wenn dann noch oder dadurch sogar ein offenes Gespräch möglich ist. Das w#äre im nachfolgenden Beispiel anzuraten.

Beispiel 14244 - Zwei Nachbarn streiten sich. Ein dritter Nachbar kommt hinzu. Er sagt er habe eine Ausbildung zum Mediator gemacht und könne den Streit mediieren. Die Nachbarn erklären sich damit einverstanden. Kaum hatte die Mediation begonnen, kam ein Fernsehteam vorbei und interessierte sich. "Können wir das im Fernsehen übertragen?", fragte der Regisseur. "Das interessiert bestimmt unsere Zuschauer". Alle waren damit einverstanden, sodass die Mediation jetzt öffentlich im Fernsehen übertragen wurde. Handelt es sich noch um ein vertrauliches Verfahren im Sinne des Mediationsgesetzes?


Die Öffentlichkeit ist besonders dann kein problem, wenn die Parteien exhibistisch veranlöagt sind, sodass die Präsenz des fernsehens alle Hemmungen beseitigt und private Offenbarungen sogar begünstigt. Die Eigenschaft der Offenheit wird trotz der Öffentlichkeit gewahrt. Es bestehen deshalb keine Bedenken, die Vertraulichkeit einzuschränken, um die Übertragung zu ermöglichen. In jedem fall sollten die Grenzen der Offenheit festgelegt werden. Wenn die Vertraulichkeit eingeschränkt wird, sollte dies in der MDV festgehalten werden, indem der Personenkreis und der Umfang definiert werden. Im vorstehenden Beispiel könnte also spezifiziert werden, dass die Schweigepflicht des Mediatorsnur zum Zweck der Übertragung aufgehoben wird und nach der Übertragung wieder eintritt. Der Mediator kann dann nicht für Interviews über die veröffentlichte Mediation zur Verfügung stehen.

Güterichter

Anders als der Mediator unterliegt der Güterichter nicht dem Mediationsgesetz. Er hat einen Sonderstatus, der sich auch auf die Vertraulichkeit auswirkt. Die Vereinbarung der Vertraulichkeit ist jedoch unter den Parteien möglich.

Güterichter 

Wirksamkeit

Die Vereinbarung der Verschwiegenheit soll in ein Beweisverwertungsverbot führen. Sie ist deshalb im Grunde ein Prozessvertrag. Nicht gemeint ist, den Parteien eine Maulschelle aufzuerlegen.

Darf ich denn nicht einmal mit meinem Mann darüber reden?


So oder ähnlich könnte die Frage der Partei lauten, die sich der Verschwiegenheit unterwerfen soll. So ist die Vertraulichkeit jedoch nicht gemeint. Natürlich soll die Partei sich mit der ihr nahestehenden Personen besprechen können. Sie sill sich dioch sicher sein mit ihrer Entscheidung. Wenn sie mit Vertrauten darüber spricht, muss sie allerdings darauf achten, dass die Verschwiegenheitspflicht weitergegeben wird, sodass Informationen, die in der Mediation aufgekommen sind, nicht zum Streit vor Gericht landen. Dann würde die Mediation ad absurdum geführt und als Beweisermittlungsverfahren missbraucht werden können.

Es ist wichtig, dass gegebenenfalls alle Beteiligten zur Verschwiegenheit verprtflichtet werden. Würde die Verpflichtungserklärung nur die Parteien erfassen und nicht die Zuschauer, oder Beistände und Anwälte, wäre der Schutz löchrig. Der Mediator steht von Gesetzes wegen unter der Verschwiegenheitspflicht. Er muss nicht dazu verprflichtet werden. Ein Anwalt aber durchaus, wenn er als Beistand oder Vertreter einer Partei auftritt. Er ist zwar auch Schweigepflichtig, aber nur seiner Partei gegenüber, nicht im Verhältnis zu den Parteien oder Beteiligten der Mediation. Der AGH Rostock hat im Beschluss vom 01.08.2007 entschieden,2 dass die Verletzung der Verschwiegenheitspflicht eines Anwalts über Geheimnisse der Mediation zumindest keine strafbare Handlung sei. Auch nicht, wenn am Anfang der Mediation zwischen den Beteiligten vereinbart worden sei, über ihren Inhalt Vertraulichkeit zu wahren. Der Beschluss betrifft die Eröffnung eines Strafverfahrens. Die tragende Begründung zur Nichtzulassung der Anklage war der Hinweis, dass eine zur Strafbarkeit führende Berufspüflicht nicht durch Vertrag festgelegt werden könne. Wohl kann es aber zu zivilrechtlichen Konsequenzen kommen.

Die zivilrechtlichen Folgen sind stets eine Unterlassungspflicht und gegebenenfalls Schadensersatz. Die Berechnung des Schadens ist meist recht schwierig, weshalb auch an eine Vertragsstrafe im Falle der Zuwiderhandlung zu denken ist. Nähere Ausführungen dazu finden Sie in dem Beitrag über die Verschwiegenheit.

Verschwiegenheitsvereinbarung Vertraulichkeitsabrede Schweigepflichtentbindungsformular

Bedeutung für die Mediation

Die Anwaltskammer hat sich dafür ausgesprochen, das Mediationsgesetz dahingehend zu erweitern, dass nicht nur der Mediator, sondern auch die übrigen Beteiligten an der Mediation der Verschwiegenheitspflicht unterworfen werden. Ihr geht es darum, ein Dilemma des Anwalts zu lösen. Wenn der Anwalt nicht unter die Verschwiegenheitspflicht der Mediation gestellt wird, kann er möglicherweise verpflichtet sein, Informationen aus der Mediation aufgrund des Mandatsverhältnisses zu verwerten. Wie die vorstehenden Ausführungen belegen, kann die Vertraulichkeit durchaus vereinbart werden. Die Vereinbarung ist einer gesetzlichen Regelung vorzuziehen, weil sie sich besser auf die individuellen Bedingungen und die spezifischen Prozesslagen einlassen kann. Sie setzt allerdings voraus, dass der Mediator die Grenzen der Vertraulichkeit kennt und weiß, wie die Parteien dennoch zu schützen sind. Auch die Anwaltschaft sollte ein Interesse an einer lediglich vertraglichen Lösung haben. Wird die Verschwiegenheitspflicht gesetzlich geregelt, könnte ihre Verletzung durch den Anwalt als einzigem Beteiligten an der Mediation eine Strafbarkeit begründen.

Was tun wenn ...

Hinweise und Fußnoten
Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen
Bearbeitungsstand: 2024-10-06 06:39 / Version 18.

Aliase: Vertraulichkeit
Siehe auch: Trossen (un-geregelt), Verschwiegenheit

1 Trossen (un-geregelt), Rdnr. 749 ff.
2 Siehe AGH Rostock - I AG 6/07 Zur Verschwiegenheit gegenüber Dritten


Based on work by Arthur Trossen und Bernard Sfez und anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Montag November 18, 2024 13:09:56 CET.

Durchschnittliche Lesedauer: 7 Minuten