Lade...
 

Gewalt und Mediation

Wissensmanagement » Sie befinden sich auf einer Archivseite. Gewalt ist ein Thema, mit dem sich auch die Mediation asueinandersetzen muss. Es gibt Verknüpfungen in verschiedene Bereiche:

Konflikt Streit Konfrontation Eskalation Gewalt Krieg

Es ist ein großes und schwieriges Thema, das nicht nur zu der Frage führt, ob die Mediation bei Gewaltanwendung möglich ist, sondern auch, wie sie gegebenenfalls damit umgeht. Noch weiter gedacht ist die Gewalt auch möglicherweise eine Option, die Parteien zur Mediation zu bewegen. Schon Goethe ließ den Erlkönig in seiner Ballade aus dem Jahr 1782 mit Gewalt drohen. Was dort auch immer geschah, es führte zum Tod des Kindes:

Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt;
Und bist du nicht willig, so brauch' ich Gewalt.
Mein Vater, mein Vater, jetzt fasst er mich an!
Erlkönig hat mir ein Leids getan!

Eine weit verbreitete Interpretation besagt, dass der Erlkönig lediglich eine Fieberhalluzination war. Es gibt aber auch Vergewaltigungsphantasien.1 Deutlich wird ein Motiv zur Gewaltanwendung, eine tatsächliche oder nur vorgestellte Gewalthandlung und eine darauf bezogene fatale Wirkung. Mit dieser Deutung finden sich Parallelen zur realen Welt. Bevor wir uns mit dem Thema Gewalt befassen, sollte klar sein, was damit gemeint ist.

Definition Gewalt

Grundsätzlich und allgemein gesagt bezeichnet Gewalt den Einsatz von physischem oder psychischem Zwang gegenüber Menschen sowie die physische Einwirkung auf Tiere oder Sachen.2 Im Juristischen wird zwischen der vis absoluta und der vis compulsiva unterschieden. Das eine ist die körperliche, das andere die psychische Gewalt. Das Strafgesetzbuch schützt den Menschen vor Übergriffen der körperlichen Gewalt in den §§ ... Ein Schutz vor Übergriffen der psychischen Gewalt findet sich in den §§ ... Definitionsgemäß ist die physische Gewalt der "körperlich wirkender Zwang durch die Entfaltung von Kraft oder durch sonstige physische Einwirkung, die nach ihrer Intensität dazu geeignet ist, die freie Willensentschließung oder Willensbetätigung eines anderen zu beeinträchtigen".3

In soziologischer Hinsicht bedeutet Gewalt den Einsatz physischer oder psychischer Mittel, um einer anderen Person gegen ihren Willen entweder Schaden zuzufügen, sie dem eigenen Willen zu unterwerfen (sie zu beherrschen) oder um der so ausgeübten Gewalt durch Gegengewalt zu begegnen.

Bedeutung der Gewalt

Schon das Wort Gewalt löst ein Kopfkino aus. Woran denken Sie, wenn Sie das Wort hören? Wer mit Gewalt traumatisiert wurde, hat einen anderen Zugang zu dem Thema als jemand, der die Gewalt nur vom Hörensagen kennt und nie wirkliche Gewalt erlebt hat. Egal in welcher Form wir ihr begegnen. Sie ist ein Teil unseres Alltags. Um dem Thema Gewalt näherzukommen, müssen wir zunächst akzeptieren, dass Gewalt, je nach Zweck, Anlass und Ausrichtung verschiedene Bedeutungen haben kann. Es wäre falsch, die Gewalt grundsätzlich als verwerflich einzuschätzen.

Beispiel 14340 - Wenn sich der Deckel einer Dose mit Lebensmitteln nicht öffnen lässt, wird ein Werkzeug benutzt, um den Deckel gewaltsam zu öffnen. Es ist aber auch möglich, einen Hammer zu nehmen und die Dose aus Wut zu zerschlagen.


Eine Gewalt, die zur Verteidigung eingesetzt wird, ist auch juristisch gerechtfertigt. § 32 StGB besagt, dass eine Tat, die durch Notwehr geboten ist, nicht rechtswidrig sei. Als Notwehr wird die Verteidigung gesehen, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden. Die Betonung liegt auf dem Wort erforderlich. Wenn die Gewalt über das zur Notwehr gebotene Maß hinausgeht, sprechen Juristen von einem Notwehrexzess, der wieder strafbar ist und als verweflich angesehen werden kann. Eine Rache mag moralisch geboten erscheinen. Sie wäre aber dennoch strafbar, weil das Gewaltmonopol in einem Rechtsstaat auf den Staat übertragen wurde.

Formen der Gewalt

Gewalt kann unterschiedlich in Erscheinung treten. Wir begegnen ihr im häuslichen Umfeld, auf der Arbeit, im öffentlichen Raum und im Internet. Sie beginnt nicht erst mit Schlägen. Auch Bedrohungen, Beschimpfungen und Kontrolle sind Formen von Gewalt. Juristen unterscheiden die vis compulsiva von der vis absoluta. Mit diesen Begriffen lässt sich die nicht sichtbare und oft schwer erkennbare psychische Gewalt von der sichtbaren und leicht nachweisbaren physischen Gewalt unterscheiden. Verletzungen gibt es immer wieder. Stellen Sie sich einen Autounfall vor, bei dem eine Partei erhebliche Personenschäden davongetragen hat. Dieser Fall würde nicht unter Gewalt zu sumsummieren sein, es sei denn, das Auto wäre als Waffe mit der Absicht der Schädigung eingesetzt worden. Somit hat die Gewalt stets ein voluntatives Element, das den Grad ihrer Verwerflichkeit bestimmt. Weil die Gewalt von Mitmenschen ausgeübt wird, hat sie auch ein soziales Element. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat folgende Übersicht über Formen der Gewalt zusammengestellt:4

  1. Partnerschaftsgewalt: Partnerschaftsgewalt bezeichnet Gewalttaten zwischen Menschen, die in einer häuslichen Gemeinschaft leben oder lebten, beispielsweise in einer Ehe, Lebenspartnerschaft oder intimen Beziehung. Zu Partnerschaftsgewalt zählen nicht nur Schläge. Körperliche Gewalt ist nur eine Facette eines komplexen Verhaltensmusters, das umfassend auf Macht und Kontrolle zielt. Betroffene sind häufig auch psychischer Gewalt wie Demütigungen, Drohungen, Einschüchterungen, sozialer Isolation oder wirtschaftlichem Druck durch den Täter oder die Täterin ausgesetzt.
  2. Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: Sexismus und sexuelle Belästigung können Ausdruck von Machtmissbrauch und eine Form von Gewalt sein. Darunter werden verbale Belästigungen wie sexualisierte Kommentare, Belästigungen durch Blicke und Gesten, unerwünschte Berührungen oder körperliche Annäherungen gefasst.
  3. Sexualisierte Gewalt Sexualisierte Gewalt bezeichnet jeden Übergriff auf die sexuelle Selbstbestimmung sowie die Vergewaltigung.
  4. Digitale Gewalt: Bei digitaler Gewalt greifen Täter und Täterinnen im Internet an - per Chat, E-Mail oder in sozialen Netzwerken.
  5. Stalking: Stalking bezeichnet das intensive und andauernde Nachstellen, Belästigen und Bedrohen der ausgewählten Person. Stalkerinnen und Stalker zwingen Betroffenen den Kontakt auf. Es geht ihnen nicht um eine Beziehung. Tatsächliches Ziel sind Macht und Kontrolle.
  6. Mobbing: Mobbing ist fortgesetzte Gewalt einer Person oder Gruppe gegenüber einer anderen Person. Hinter Mobbing steckt eine Dynamik, die auf Macht und Kontrolle in größeren Gruppen abzielt. Normalerweise gibt es einen oder wenige Angreiferinnen oder Angreifer - und eine größere Zahl Unbeteiligter, die nicht eingreifen, aber stillschweigend dazu beitragen.
  7. Gewalt im Namen der Ehre: Unter Gewalt im Namen der "Ehre" werden gewalttätige Handlungen verstanden, die Täter damit begründen, die "Familienehre" aufrechterhalten oder wiederherstellen zu wollen. Diese Form der Gewalt beginnt oftmals mit emotionalem Druck und Erpressung. Sie kann darüber hinaus aber auch Formen von körperlicher und sexualisierter Gewalt annehmen, bis hin zu Zwangsverheiratungen und Mord, der dann als "Ehrenmord" bezeichnet wird.
  8. Zwangsverheiratung: Bei einer Zwangsverheiratung werden Betroffene unter Androhung oder Ausübung von Gewalt oder empfindlichem Übel in die Ehe gezwungen.
  9. Genitalverstümmelung: Weibliche Genitalverstümmelung umfasst alle Praktiken, bei denen das äußere weibliche Genital teilweise oder vollständig entfernt wird, sowie andere medizinisch nicht begründete Verletzungen am weiblichen Genital.
  10. Menschenhandel: Menschenhandel ist eine schwere Menschenrechtsverletzung. Nach internationaler Definition, die auch das deutsche Strafrecht übernommen hat, ist Menschenhandel die Anwerbung, Beförderung, Beherbergung oder Aufnahme von Personen durch die Androhung oder Anwendung von Gewalt oder anderen Formen der Nötigung, durch Entführung, Betrug, Täuschung, Missbrauch von Macht oder Ausnutzung besonderer Hilflosigkeit zum Zweck der Ausbeutung.

Die häusliche Gewalt ist unter die Partnerschaftsgewalt zu subsummnieren. Sie geht allerdings darüber hinaus, wenn Kinder betroffen sind.

Gewaltkonflikte

Die Gewaltkonflikte werden den gewaltfreien Konflikten gegenübergestellt. Tatsächlich ist ein Konflikt weder gewaltsam noch gewaltfrei. Der Konflikt bezeichnet lediglich die Art des Widerspruchs. Es gibt keine Konflikte, die eine Gewalt nahelegen. Jeder Konflikt lässt sich auch anders lösen als mit Gewalt. Die Gewalt bezieht sich also lediglich auf die Ausübung und das Konfliktverhalten. Die Bundeszentrale für politische Bildung unterstellt dem Oberbegriff Gewaltkonflikte folgende Fälle:5

  1. Krieg: Eine mittels systematischer Gewaltanwendung ausgetragene Auseinandersetzung zwischen zwei oder mehr organisierten Gruppen, die über einen längeren Zeitraum andauert.
  2. Gewaltkriminalität: Darunter fallen z.B. die Drogenkriege in Zentral- und Lateinamerika, Bandenkriege in den USA und Großbritannien, Mafiafehden in Italien und Russland oder die neue Piraterie auf den Weltmeeren. Gewaltkriminalität ist ein globales Phänomen und fordert teilweise hohe Opfer in der Zivilbevölkerung. Gewaltverbrechen werden weltweit nach unterschiedlichen Formen von Gewaltanwendung unter anderem Mord, Raubüberfälle, Überfälle, Entführungen, Vergewaltigung, Einbruch, Autodiebstahl, oder Drogenkriminalität unterschieden.
  3. Staatliche Gewalt: Die staatliche Gewalt, richtet sich gegen die eigenen Bürgerinnen und Bürger. Damit werden Menschenrechtsverletzungen angesprochen. Sie umfasst zum Beispiel die Einschränkung der Meinungsfreiheit auf rechtswidrige Weise, die Inhaftierung von gewaltlosen politischen Gefangenen, Folter und andere Formen der Misshandlung, die Todesstrafe, das Verwehren von fairen Gerichtsverhandlungen und die Durchführung von unfairen Gerichtsverhandlungen, willkürliche Verhaftungen und das „Verschwinden“ von Oppositionellen sowie physische und psychische Einschüchterung wie etwa Morddrohungen und die Androhung von Folter.

Interessant ist, dass der Terrorismus nicht in diese Aufstellung eingeflossen ist. Das mag daran liegen, dass Terrorismus unter Krieg oder unter ein kriminelles Paradigma gestellt wird. Das Ziel des Terrors besteht darin, Angst und Schrecken zu verbreiten. Er bedient sich krimineller Gewaltaktionen, wie Attentate, Sprengstoff- und Brandanschläge, Amokläufe und -fahrten oder Schiffs- und Luftpiraterie, mit denen politische, religiöse oder ideologische Ziele erreicht werden.

Gewaltmissbrauch

Arendt betrachtet die Gewalt als ein menschliches, aber im Grunde apolitisches Phänomen. Sie löst die begriffshistorisch Verwobenheit der Gewalt von der Macht auf. Für Arendt stellt die Gewalt keine Manifestation von Macht dar. Die Macht beschreibt ihrer Ansicht nach die menschliche Fähigkeit, nicht nur zu handeln oder etwas zu tun, sondern sich mit anderen zusammenzuschließen und im Einvernehmen mit ihnen zu handeln. Die Macht erschließt sich im Handeln, wobei ein auf Dauer angelegtes Handeln ohne Macht nicht möglich ist.6 Im Grunde ist die Gewalt ein Zeichen von Ohnmacht. Wenn die elterliche Gewalt, die eigentlich die Entscheidungsmacht der Eltern betrifft, in physischer Gewalt mündet, liegt die Vermutung nahe, dass sie in ihrer Erziehung etwas falsch gemacht haben. Wenn sie aber eine alternativlose Gewalt anwenden, um Schaden vom Kind abzuwenden, tun sie wieder das richtige. Der Maßstab der Beurteilung leitet sich aus dem Verhältnis von Zweck, Möglichkeiten und Mittel ab. Die Verwerflichkeit der Gewalt ergibt sich somit stets aus ihrem Missbrauch und der Frage, wer dies zu beurteilen hat.

Ursachen der Gewalt

Leider gibt es auf die Frage nach den Ursachen keine eindeutigen und erst recht keine universellen Antworten. Wohl gibt es Untersuchungen und Hinweise, die sich auf verschiedene Vorkommnisse einlassen. Das BICC hat für die Frage nach der Gewalt bei Kriegen eine Matrix erstellt, die die verschiedenen Überlegungen und Thesen zu Kriegsursachen systematisch anordnet. Sie kann auf andere Bereiche übertragen werden.

Die Matrix begreift die kollektive Anwendung physischer Gewalt als Prozess. Sie verbindet fünf Ursachenkategorien (Widerspruch, Motivation und Ziele, Katalysatoren vor Ausbruch der Gewalt, Auslöser, Katalysatoren nach Ausbruch der Gewalt) mit fünf funktionalen Dimensionen (politisch; sozioökonomisch und demographisch; kulturell; militärisch; Umwelt-Dimension).7

Das Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen nennt täterbezogene Ursachen, die an der generellen Konfliktbereitschaft oder der Neigung zur Aggressivität, an der Gewalt als gelerntes Muster zu Lösung von Konflikten, an Missverständnissen und Kommunikationsproblemen oder Sprachbarrieren, an der mangelnden Konfliktfähigkeit und der geringen Frustrationstoleranz, an wirtschaftlichen oder familiären Problemen bis hin zu Existenzängsten, an falschen Erwartungen bzw. Fehleinschätzungen, an psychischen Erkrankungen, Alkohol- bzw. Drogenabhängigkeit, an der mangelnden Angst vor Repressionen oder Konsequenzen und an Einstellungen und Werten (kulturelle Hintergründe) anknüpfen. Sie erkennt die Interaktion, weshalb auf der Opferseite Einstellungen und Werte (Machtposition, fehlende Empathie, Vorurteile), fehlende selbstbewusste Körperhaltung und Körpersprache, unangepasstes Auftreten, Kommunikationsprobleme (sprachlich, kulturell, inhaltlich), mangelnde Fachkenntnisse und Unsicherheit, mangelndes Gefahrenbewusstsein (keine Gewalterfahrung), fehlende Handlungskompetenz in gewaltbeladenen und kritischen Situationen sowie Überlastung und private Probleme gegenübergestellt werden.8

Auch wenn sich die hier aufgeführten Ursachen nur auf spezifische Erscheinungsformen beziehen, inspirieren Sie bei der Suche nach möglichen Ursachen. In allen Darstellungen wird herausgestellt, dass die Bedingungen und Ursachen der Gewalt vielfältig sind, sodass es kein eindimensionales Erklärungsmuster geben kann. Gewaltausbrüche können Affekthandlungen sein oder sich über einen längeren Zeitraum ankündigen. Treffen verschiedene Risikofaktoren aufeinander, ist die Gefahr hoch, dass sich Aggressivität und Gewalt entladen.

Täter und Opferbeziehung

Nicht jede Gewalt beruht auf einem sozialen Konflikt. Sie kann jedoch in einem sozialen Konflikt ausdrücken oder zu einem solchen Konflikt führen. Ein Räubmörder muss sein Opfer nicht einmal kennen. Einem Vergewaltiger ist es im Zweifel egal wen er gerade vergewaltigt. Die Opfer sehen das anders und fragen oft: "Warum ausgerechnet ich?". Das ist auch Ausdruck einer Beziehung.

Innerhalb einer Beziehung ensteht ein Täter-Opferverhältnis oft schon vor der Tat. Die Gewalt kann ganz harmlos beginnen und sich in äußerste Brutalität hinein entwickeln. Schon das Lovebombing, das oft den Beginn einer solchen Beziehung ausmacht, kann eine Form der Gewaltausübung darstellen; erst recht das Gaslighting und jede Form der Unterminierung. Dann geht es um Herrschaft, Macht, Manipulation und Unterdrückung eines oder mehrerer Menschen. Die Gewaltanwendung geht von einem oder mehreren Tätern aus. Die Person, gegen die Gewalt geübt wird, wird als Opfer bezeichnet. Oft stellt sich eine Abhängigkeitsbeziehung her, wie etwa bei der Co-Abhängigkeit oder bei dem sogenannten Eisenofensyndrom. Die Tragik kommt auf, wenn sich das Opfer, warum auch immer, aus der Beziehung nicht lösen kann.

Letzlich entscheidet die Beziehung zwischen Täter und Opfer über die Möglichkeiten und den Umfang der Gewaltanwendung. Ein wehrhaftes Opfer kann sich vor Angriffen schützen. Ein resilientes Opfer kann sich darüber hinwegsetzen und den Angriff gegebenenfalls sogar ignorieren. Ein Täter wird deshalb immer Wege suchen, wo er die Verletzlichkeit des Opfers erkennt und wo er seine Wehrlosigkeit ausnutzen kann. Der Wille, den Gegner zu vernichten, kann ein Eskalationsmerkmal sein. Er wird gegebenenfalls so dominant, dass er alle Grenzen bis zur Selbstvernichtung überschreitet.

Keineswegs sind die Täter- und Opferrollen immer eindeutig. Die tätliche Gewalt in einer Beziehung kann durchaus die Folge einer anhaltenden psychischen Unterdrückung des Täters sein. Sie kann aber auch den Höhepunkt eines fortwährenden Unterdrückungsbedürfnisses manifestieren. Sie kann aus der Lust enstehen, andere zu quälen oder aus der Verzweiflung, wenn andere Handlungsoptionen nicht mehr erkennbar sind. Gewalt hat immer eine Wirkung, die betroffen macht. Die Beziehungen sind keineswegs immer eindeutig. Das Dramadreieck unterscheidet die Rollen Täter, Opfer und Retter. Es beweist, dass die Rollen in der Dynamik der Konfliktbeilegung ständig wechseln. Das Stockholmsyndrom belegt, dass in der Täter-Opferbeziehung sogar Sympathien zum Täter enstehen können. Opfer entwickeln manchmal Mitgefühle, wenn ihr Entführer nach ihrer Befreiung bestraft wird. Sie lassen die Gefühle am Retter aus. Mögliche Triebfedern für das jeweilige Verhalten finden sich also besonders im emotionalen Bereich. Sie können auf der einen Seite auf einem unbändigen Hass und auf der anderen Seite aus dem Bedürfnis nach Rache entstehen. Je nachdem, wie sich die Beziehung ausgestaltet, entwickelt sie eine Dynamik, die in die eine oder andere Richtung führt. Es kommt auf die Motivlage und die Beziehung an, um zu erkennen, was die Gewalt auslöst und wie mit ihr umzugehen ist. Damit nähern wir uns dem Thema Mediation.

Geeignetheit der Mediation

Es gibt Auffassungen, die die Mediation bei Machgefällen, bei Gewalt und bei hoch eskalierten Konflikten ausschließen. Eine differenzierte Betrachtung belegt, dass die Mediation auch in solchen Fällen durchaus möglich ist, wenn sie korrekt verstanden und angewendet wird.9 Die Geeignetheit ist gegeben, wenn es darauf ankommt, eine Lösung zu finden, die eine tragfähige Zukunft ermöglicht. Auch wenn Täter und Opfer sich nicht mehr begegnen, stehen sie in einer Beziehung, die Auswirkungen auf jeden Beteiligten hat. Das wird deutlich bei der häuslichen Gewalt. Traumatisierten Kindern fällt es z.B. leichter, das Trauma zu überwinden, wenn die Eltern ihren Streit beilegen. Es ist fraglich, ob eine rein auf die Interessen abstellende Mediation die Tiefe erreicht, die eine Balance in jedem Protagonisten und untereinander herstellen kann. Es gibt jedoch Mediationskonzepte, die dazu durchaus in der Lage sind.10

Wenn es um Fragen der Gewalt geht, liegen meist hoch eskalierte Konflikte vor. In solchen Konflikten stoßen wir auf das Problem, dass die Parteien kaum bereit sind, sich einer Mediation zu stellen. Das ist aber keine Frage der Geeignetheit, sondern der Mediationsbereitschaft. Auch die Frage der Mediantionsfähigkeit sollte davon unterschieden werden. Es gibt Möglichkeiten, sowohl die Mediationsbereitschaft, wie die Mediantionsfähigkeit herzustellen. Diesen Fragen nähern wir uns aber erst, wenn wir die Mediation grundsätzlich für möglich halten.

Eine unbedingte Voraussetzung für das Gelingen der Mediation ist, dass innerhalb der Mediation weder ein Machtgefälle noch irgendeine Form der Gewalt vorkommt. Der Mediator hat Mittel, dies zu unterbinden. Wenn sich die Mediation als ein Metasystem exponiert, ist es möglich, die Machverhältnisse und die Gewalt zu hinterfragen und Einsichten zu generieren, die dem Verstehen zuträglich sind.

Natürlich muss sich die Mediation den Begebenheiten anpassen. Sie ist dank ihrer Flöexibilität dazu in der Lage. Der Mediator muss also prüfen und überlegen, ob und wie ein Zusammentreffen von Täter und Opfer möglich sind. Beispiele, dass die Auseinandersetzung für alle erfolgreich verlaufen und eine gewaltfreie Zukunft herstellen kann geben der Täter-Opfer-Ausgleich, die resorative Circles und erfolgreiche Mediationen, die einen Weg aus dem Rosenkrieg weisen.

Bedeutung für die Mediation

Richtig ist, dass die Mediation eine Therapie nicht ersetzen kann. Sie kann jedoch ergänzende Unterstützung bieten. Eine Zusammenarbeit mit dem Helfersystem ist deshalb geboten. Auch ist eine Aufklärung und eine Abstimmung erforderlich, die die Leistungsfähigkeit der Mediation und ihren Nutzen herausstellt. Die Mediation ist von der Verurteilung des Täters zu unterscheiden. Sie kann nur regeln, was privatrechtlich möglich ist. Das Privatrecht ersetzt das Strafrecht nicht. Diese Unterscheidung lenkt die Aufmerksamkeit auf die Verschwiegenheit, die bei Straftaten in der Mediation eingeschränkt ist.11

Was tun wenn ...

Hinweise und Fußnoten
Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen.
Bearbeitungsstand: 2024-03-09 13:37 / Version 19.

Prüfvermerk: -


Based on work by Arthur Trossen . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Sonntag November 3, 2024 13:11:30 CET.

Durchschnittliche Lesedauer: 15 Minuten