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Gericht als Intervention

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Gericht und Mediation werden oft als Alternativen gegenüber gestellt. Das ist insofern eine bedauerliche Einschränkung, weil das eine Verfahren dem anderen durchaus sehr nützlich werden kann. Es gibt bereits Ansätze, die in diese Richtung weisen. Das Güter Richter Verfahren zum Beispiel verschachtelt das Gerichtsverfahren mit einer Mediation. Einige Verfahrensvorschriften legen es dem Richter auch nach, in die Mediation zu verweisen. Eine umgekehrte Vorschrift, die es dem Mediator erlaubt, in ein Gerichtsverfahren zu verweisen, gibt es nicht. Sie wäre auch überflüssig, weil eine solche Vorgehensweise durch Vereinbarung herbeigeführt werden kann. Üblicherweise erfolgt Der Übergang von der Mediation ins Gericht, indem die Mediation abgebrochen wird. Von einem Ausstiegsszenario ist die Rede, das die Einleitung eines Gerichtsverfahrens eine Intervention sein kann, die der Mediation zugute kommt, ist eine ebenso erfolgversprechende, wie ungewöhnliche Sicht. Den Ausgangspunkt für die Überlegung bildet die außergewöhnliche Erfahrung eines Familienrichters.

Beispiel 16618 - Eines Tages erhielt ein Familienrichter den Anruf einer Anwältin. Sie fragte, ob der Richter einen Termin anberaumen könne. Die Anwältin käme mit ihrem Mandanten nicht klar. Der Richter war wohlwollend und verstand die Not der Anwältin. Allerdings sagte er, dass er ohne ein vorliegendes Verfahren kaum einen Termin anberaumen könne. Er wusste auch, dass die Klageerhebung in eine Eskalation führen kann und dem Ansinnen der Anwältin möglicherweise nicht entgegenkommt. Also vereinbarte der Richter mit der Anwältin, dass sie eine Klage einreichen solle. Die Klage soll so knapp wie möglich formuliert sein und so sachlich wie möglich, gerade so dass sie den Anspruch rechtfertigt. Weiterhin wurde vereinbart, die Klage mit einem Prozesskostenhilfeverfahren zu kombinieren. In dem Prozesskostenhilfeverfahren würde der Richter einen Erörterungstermin ansetzen. Es geschah, wie verabredet. In dem Eröffnungstermin erschien auch die Gegenseite mit ihrem Anwalt. Bei der Erörterung stellte es sich heraus, dass die Unterhaltsberechnung der Anwältin für ihren Mandanten einen recht hohen Betrag ausgewiesen hatte. Der Mandant war unsicher, ob so ein hoher Betrag überhaupt rechtens sein könne. So wie bei einer lebensbedrohlichen, medizinische Diagnose wollte er im Grunde ein Zweitvotum, um sich zu vergewissern, dass der Rat der Anwältin korrekt war. Das bestätigte der Richter und verkniff sich auch nicht den Hinweis, dass sogar noch Luft nach oben sei, bei den zugrundeliegenden Einkommensverhältnissen. Es kam dann zu einem Vergleich und die Sache wurde im Einvernehmen beigelegt.


Das Beispiel zeigt, dass es manchmal nur einen Schubs braucht, um den Konflikt einvernehmlich beizulegen. Das Gericht kann derartige Hilfestellungen ohne weiteres liefern. Die Gerichtsentscheidung bildet einen Maßstab. Sie zu kennen, hilft nicht nur bei der Verfahrenswahl, sondern auch bei der Entscheidungsfindung in der Sache.

Dass der Richter unidirektional ein Verfahren zum Ruhen bringt, damit eine Mediation versucht werden kann, ist sogar im Gesetz vorgesehen.1 Dass ein Mediator im Einvernehmen mit den Parteien eine Mediation zum Ruhen bringt, um ein Gerichtsverfahren durchzuführen, ist nicht vorgesehen. Warum auch? Das Gerichtsverfahren endet doch mit einer Entscheidung. Das ist sicher. Die Frage, ob eine Mediation mit einer Vereinbarung endet, ist unsicher. Warum sollte also bei der Inanspruchnahme eines Gerichts davon ausgegangen werden, dass keine Entscheidung zustande kommt? Die Antwort könnte lauten: Weil ein Gericht mehr kann als nur entscheiden und weil das Gericht nicht auf den Nutzen schaut. Was das Gericht liefern kann ist ein Ausblick auf die Entscheidung und die Macht, die Parteien an dem Verfahren zu beteiligen. Die Autorität des Gerichts und seine Macht sind Bedingungen, die ein Verhandeln bei hoch eskalierten Konflikten möglich machen. Warum sollte die Mediation darauf nicht zurückgreifen? Manchmal genügt die bloße Terminierung, wie der bereits erwähnte Familienrichter auch erfahren durfte.

Beispiel 16619 - Die Gutachterin in einer Familiensache rief den Richter an und bat um einen Termin. Die Parteien würden nicht mitarbeiten, war ihr Argument. Der Richter beraumte einen Verhandlungstermin an und ordnete das persönliche Erscheinen an. Die Gutachterin hatte er auch geladen. Im Termin offenbarte er den Parteien, wie wichtig ihre Mitarbeit bei den Bemühungen der Gutachterin sei, die ja schließlich auch versuche, den Konflikt zwischen den Eltern zu lösen. Die Gutachterin arbeitete mit Methoden der Mediation. Der Richter drohte mit einer Entscheidung. Mehr musste er nicht tun. Nach einer Zeit rief die Gutachterin wieder an und sagte, dass die Eltern jetzt einig seien und ein finaler Termin anberaumt werden könne.

Bedeutung für die Mediation

Die beiden zuvor genannten Beispiele haben Eindrücke hinterlassen, die schließlich zur Entwicklung des Altenkirchener Modells geführt haben. Es ist vielleicht eine überraschende Idee. Mediatoren erwarten immer, dass die Gerichte Sachen an die Mediation abgeben. Warum nicht umgekehrt? Stellen Sie sich vor, der Mediator oder eine der Parteien informiert den Richter, dass es bei der eingehenden Klage nur darum gehe, die Parteien zur Vernunft oder besser gesagt zur Verhandlung zu ermahnen und in die Mediation zurückzuschicken, so wie es im Falle mit der Gutachterin geschehen war. Wenn sich der Richter darauf einlässt, ist allen geholfen. Not macht erfinderisch. Die Parteien profitieren davon.

Was tun wenn ...

Hinweise und Fußnoten
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Bearbeitungsstand: 2024-09-08 17:04 / Version .

Aliase: Gericht Intervention
Siehe auch: Güterichterverhandlung
Prüfvermerk:

1 Siehe z.B. §278 a ZPO


Based on work by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Sonntag September 8, 2024 21:19:40 CEST.

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