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§ 1 Mediationsgesetz

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Mediationsgesetz Wortlaut §1 §2 §3 §4 §5 §6 §7 §8 §9 Mediationsdefinitionen

§ 1 Begriffsbestimmungen
(1) Mediation ist ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem Parteien mit Hilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben.
(2) Ein Mediator ist eine unabhängige und neutrale Person ohne Entscheidungsbefugnis, die die Parteien durch die Mediation führt.

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Auch wenn die Überschrift dieses Paragrafen Begriffsbestimmungen heißt, wird mehr geregelt als nur die Definition der Begriffe Mediation und Mediator. Die Definition ist wohl bewusst so vage gehalten, dass sie es nicht erübrigt, sich mit dem Mediationsverständnis auseinanderzusetzen. Davon abzugrenzen ist die Frage, wie §1 Mediationsgesetz genau zu verstehen ist.

Verständnis der Vorschrift

  • §1 Mediationsgesetz definiert die Mediation. Das suggeriert der Wortlaut. Tatsächlich wird nur die Mediatiopn als das Mediationsverfahren definiert. Der Gesetzgeber hat die Definition an der EU-Direktive (Mediation) orientiert. Es gibt jedoch im Detall liegende Abweichungen und Übersetzungsverluste. Die Schwierigkeiten, die mit dem Versuch einer allgemeinen Definition der Mediation verbunden sind, wurden im Handbuch Mediation bereits angesprochen. Die gesetzliche Definition sollte eine Klarheit bringen, indem sie umschreibt, worum es geht. Tatsächlich ist vieles unklar geblieben,1 was zum Teil der Natur der Mediation und ihrer Vielfalt geschuldet ist.
  • Auch wenn die sachkundige Durchführung der Mediation (anders als in der EU-Direktive) nicht in den Tatbestand des §1 Mediationsgesetz übernommen wurde, wird eine Sachkunde des Mediators eingefordert. Das ergibt sich aus der Systematik des Gesetzes und dem Zusammenhang mit §1 Abs. 2 und §5 Mediationsgesetz und dem Dienstverhältnis.2 Eine ausführliche Auseinandersetzung, was die Sachkunde des Mediators ausmacht, finden Sie in dem Beitrag, der die Sachkunde gegen die darüber hinausgehende Mediationskompetenz abgegrenzt und in der Auseinandersetzung mit dem grundlegenden Wissen der Mediation (des Mediators).
  • Die offizielle Übersetzung der EU-Direktive lautet: „Mediator ist eine dritte Person, die ersucht wird, eine Mediation auf wirksame, unparteiische und sachkundige Weise durchzuführen". Anders als in §1 Abs. 2 ist der Mediator kein Führer, der die Parteien durch die Mediation führt. Die Formulierung im Mediationsgesetz könnte mit dem Mediationsverständnis kollidieren, wenn sie dem Mediator eine Führungsrolle zuschreiben will.
  • Die Abgrenzung zur Schlichtung wird aus dem Merkmal der Eigenverantwortlichkeit hergeleitet. Eigenverantwortlich sind jedoch auch die Parteien eines Schlichtungsverfahrens. Wenn auf das Wesen abgestellt wird, ist die Mediation eine Verstehensvermittlung, die Schlichtung ist hingegen eine Lösungsvermittlung.
  • Die Definition beschreibt die Mediation als ein Verfahren. Wenn die Mediation stets ein Verfharen ist, dann ist die Verwendung des Begriffs Mediationsverfahren in §2 ein Pleonamus. Der Begriff Verfahren kann unterschiedlich konnotiert werden. Ein Psychologe beispielsweise versteht darunter etwas anderes als ein Jurist oder ein Ingenieur. Der Begriff Prozess kommt dem näher, was gemeint ist.
  • Die Formulierung im Gesetz stellt auf die Beilegung des Konfliktes der Parteien ab. Die Beilegung ("Wir hören auf zu streiten") ist von der Konfliktauflösung ("Wir haben keinen Konflikt mehr") zu unterscheiden. Tatsächlich deckt die Mediation den Radius von der Streitbeilegung (unter Aufrechterhaltung des Konfliktes ähnlich dem Rechtsfrieden) bis zur vollständigen Konfliktauflösung ab, woraus sich die unterschiedlichen Mediationsmodelle herleiten.
  • Gemeint ist stets und ausschließlich ein sozialer Konflikt zwischen den Parteien. Der Begriff Konflikt wird im weitesten Sinn verstanden, sodass davon auch ein Streit erfasst wird. Die Formulierung legt es nahe, dass der Konflikt bereits bestehen muss. Diese Interpretation ergibt sich aus dem Wort beilegen. Eine erweiterte Auslegung könnte dem Wort Konflikt die Attribute bestehender oder zu erwartender Konflikt zuschreiben. Fest steht, dass sich die Kompetenz der Mediation hervorragend auch zur Konfliktvermeidung einsetzen lässt. Zur Klarstellung, dass auch Fälle der Konfliktvermeidung unter das Mediationsgesetz fallen, empfielt die Watchlist eine Klarstellung im Mediationsgesetz.3
  • Die Definition im Gesetz erfordert eine Unterscheidung zwischen verbindlichen und dispositiven Merkmalen. Greger unterscheidet zwischen essentiellen und typischen Tatbestandsmerkmalen.4 Methodisch eindeutiger wird zwischen Eigenschaften und Prinzipien differenziert. Die Eigenschaften lassen sich aus dem Wesen der Mediation herleiten. Die Prinzipien dienen zur Realisierung der Eigenschaften. Eigenschaften und Prinzipien werden in der Definition des §1 Mediationsgesetz vermischt.
  • Ohne dass dies explizit erwähnt wird, wirkt sich die Formulierung in §1 Mediationsgesetz auf die Anwendbarkeit des Mediationsgesetzes aus. Erst bei genauem Hinsehen stellt es sich heraus, dass der Mediationsradius, also die Anwendungsbandbreite der Mediation über die Fälle hinausgeht, Es gibt auch Mediationen, auf die das Mediationsgesetz nicht anwendbar ist.

Mediationsradius

Die Definition ist als als eine absolute Aussage formuliert. "Mediation IST ...", heißt es dort. Es wird nicht deutlich, dass damit nur die Mediationen im Sinne des Mediationsgesetzes gemeint sein können. Der Anwendungbsreich der Mediation geht darüber jedoch hinaus. Beispiele für Mediationen, auf die das Mediationsgesetz nicht anwendbar ist, sind so genannte nicht-vertragsbasierte Mediationen oder auch die Güterichterverhandlung ebenso die Ausbildungsmediationen, die Peermediation, die Gefälligkeitsmediationen, usw. Abzugrenzen ist schließlich auch von den faktischen Mediationen und allen Fällen wo die Mediation methodisch zur Anwendung kommt oder einfach nur anders genannt wird.5 Die Verfahrensabgrenzungen fallen nicht immer leicht. Dass die Mediation jedoch auch aus der Sicht des Gesetzgebers mehr ist als nur ein Verfahren, belegt die unselige Verwendung des Pleonasmus Mediationsverfahren. Der Begriff würde sich erübrigen, wenn klargestellt wäre, dass sich §1 Mediationsgesetz nur auf Mediationsverfahren bezöge, auf die das Gesetz zur Anwendung kommt. Um die gesamte Bandbreite der Mediation zu erfassen, unterscheidet der Mediationsradius zwischen der formellen (klassischen) Mediation i.S.d. Mediationsgesetzes, der formellen Mediation, auf die das Gesetz nicht anwendbar ist (beispielsweise die Peermediation) und der materiellen Mediation, die durch methodische Anwendungen in anderen Verfahren vorkommen (beispielsweise das Güterichterverfahren).

 Merke:
Leitsatz 15999 - Eine Mediation im Sinne des Mediationsgesetzes ist eine Mediation, die einen Mediationsvertrag als Rechtsgrundlage erfordert.

Systematik der Mediation Mediationsradius

Eigenschaften und Prinzipien

Eine Definition sollte die Eigenschaftsmerkmale auflisten. Die Definition im Mediationsgesetz führt neben Eigenschaften jedoch auch Prinzipien, also Grundsätze auf. Grundsätze sind z.B. die Vertraulichkeit, die Neutralität und die fehlende Entscheidungsbefugnis.6 Die Prinzipien sind Bedingungen, um die Eigenschaften sicherzustellen. Sie sollten sich demzufolge an Eigenschaften orientieren und nicht umgekehrt. Würden sich Eigenschaften an Bedingungen orientieren, kann das Fehlen einer Bedingung den Charakter des Definiendums verändern. Die Definition würde auf den Kopf gestellt. Um das zu verhindern, werden einzelne Tatbestandsmerkmale als dispositiv beschrieben. Welche der Merkmale dispositiv sind ergibt sich aus der Abgrenzung zu den Eigenschaften.

Eigenschaften Grundsätze

Rolle des Mediators

§1 Abs. 2 Mediationsgesetz definiert den Begriff des Mediators und beschreibt ausschließlich seine Rolle im Verfahren. Der Begriff wird aber auch als Berufsbezeichnung und zur Qualifikation benutzt und alks solches in §5 Mediationsgesetz erwähnt. Die Ausprägung der Verfahrensrolle werden im Beitrag Mediator-Funktion näher erläutert. Die beruflichen Anforderungen ergeben sich aus dem Beitrag Mediator-Beruf.

Verfahrensmediator Berufsmediator

Anwendbarkeit des Mediationsgesetzes

Zur Frage, wann das Mediationsgesetz anwendbar ist, bietet es sich an, zwei weitere ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der Definition in §1 hinzuzufügen:

  1. Das eine hinzutretende Merkmal ist die Ausbildung des Mediators. Diese Anforderung ergibt sich aus §5 Mediationsgesetz.
  2. Das andere Merkmal ist der Rechtsbindungs- oder besser gesagt der Haftungswille7 des Mediators und dem Erfordernis der (vertraglichen) Rechtsgrundlage.

Die im Mediationsgesetz erwähnte Mediation ist eine Dienstleistung. Sie wird faktisch den Nicht-Mediatoren entzogen. Nicht ausgebildete Mediatoren sind also nicht befugt, eine Mediation iSd Mediationsgesetzes durchzuführen. Versprechen sie sie dennoch, müssen sie mit Schadensersatzansprüchen rechnen, weil der Kunde im Zweifel eine gesetzeskonforme Leistung erwartet. Mit dieser ergänzenden Auslegung bleibt die Mediation aber als Methode oder außerhalb der Dienstleistung "Mediation" durchaus möglich.

Möglich bleibt auch die Durchführung einer Mediation als Gefälligkeit oder aufgrund eines Auftrages, wenn herausgestellt wird (oder sich aus dem Auftragsverhältnis ergibt), dass der Mediator nicht für die rechtliche Korrektheit eintreten will. Auch bei Mediationen, die zum Zweck der Ausbildung durchgeführt werden, muss davon ausgegangen werden, dass eine Mediation zulässig ist, obwohl die Ausbildung noch nicht abgeschlossen wurde. Das ergibt sich entweder aus der Anwendung des §5 Abs. 1 Mediationsgesetz oder aus der ZMediatAusbV, wenn man darüber hinwegsieht, dass sie nicht ausdrücklich ermächtigt wurde, die Voraussetzungen zur Durchführung einer Mediation zu regeln. Die Watchlist enthält einen entsprechenden Hinweis.

Umgehung des Mediationsgesetzes

Die Anwendbarkeit des Gesetzes lässt sich nicht dadurch umgehen, dass die Parteien das durchzuführende Verfahren anders benennen. Eine Mediation, die als Schlichtung bezeichnet wird, bleibt eine Mediation. Der juristische Grundsatz "falsa demonstratio non nocet" (falsche Bezeichnung schadet nicht) stellt auf das ab, was gemeint und gewollt ist nicht darauf, wie es bezeichnet wurde. Die Abgrenzung fällt manchmal schwer. Sie erfordert eine Auseinandersetzung mit dem Mediationsverständnis. Das Gesetz hat übrigens selbst gezeigt, wie es zu umgehen ist.8 Wie der Güterichter kann die Mediation (ohne dass das Mediationsgesetz zur Anwendung kommt) in anderen Verfahren methodisch verwirklicht werden. Den Schlüssel dafür liefert die Containertheorie.

Bedeutung für die Mediation

Positiv formuliert zwingt das Gesetz jetzt zur Präzision. Sie wird in Grenzfällen erforderlich, wenn es um die Frage der Anwendbarkeit des Mediationsgesetzes geht. Gerade hier ist eine präzise, systematische Kenntnis der Mediation erforderlich, wenn es nicht zu weiteren Systembrüchen kommen soll. Immerhin erfasst das Mediationsverzeichnis aktuell 195 Varianten und Bezeichnungen für Mediation. Nicht alles davon ist eine Mediation. Um eine Einordnung zu ermöglichen, bietet die Mediationssystematik eine gute Hilfestellung an.

Die systematische Einteilung der Mediation

Was tun wenn?

Hinweise und Fußnoten
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Bearbeitungsstand: 2024-10-26 11:19 / Version 101.

Alias: Anwendbarkeit des Mediationsgesetzes
Siehe auch: Mediation, Anwendbarkeit des Mediationsgesetzes
Diskussion: Erfahrungen mit dem Mediationsgesetz
Bemerkung: Aktionshinweis
Literaturhinweise: Trossen (un-geregelt)
Prüfvermerk:

1 Ausführlich dazu siehe Mediationsverständnis
3 Siehe die Watchlist Tatbestandsmerkmal Beilegung
4 Greger/Unberath (Mediationsgesetz) Teil II § 1 Rdnr. 47 ff
5 Siehe z.B. restorative Circles
6 Letzteres lediglich bei der Integrierten Mediation
7 Trossen ((un)geregelt),Rdnr. 748 ff.


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Seite zuletzt geändert am Samstag November 9, 2024 14:32:27 CET.

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