Nach § 8 Mediationsgesetz hat die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag bis zum 26. Juli 2017 über die Auswirkungen des Mediationsgesetzes auf die Entwicklung der Mediation in Deutschland und über die Situation der Aus- und Fortbildung der Mediatoren zu berichten. Der nunmehr vorgelegte Fragebogen ist der zweite, den das Deutsche Forschungsinstitut für öffentliche Verwaltung (FÖV) Speyer in Umlauf bringt. Er wendet sich an die Parteien selbst. Die Aufforderung wird über einige Verbände vermittelt.

Was sagen uns die Fragen?

  • Wie sind Sie auf das Instrument der Mediation aufmerksam geworden?
    Die Bezeichnung "Instrument" ist verwirrend. Ein Instrument ist ein Werkzeug. Die Mediation ist laut Mediationsgesetz ein Verfahren laut ZPO eine Methode. Besteht bei dieser Fragestellung noch ein Bezug zum Mediationsgesetz? Wäre eine Güterichterverhandlung (die ja von den Gerichten auch als Mediation bezeichnet wird) auch ein solches Instrument? Eine Güterichterverhandlung würde nicht dem Mediationsgesetz unterliegen. Geht die Erhebung geht also am Ziel vorbei?
  • Welchem Bereich ist die (letzte) Mediation, an der Sie teilgenommen haben, zuzuordnen?
    Hinterfragt werden Fachmediationen. Hier gibt es die üblichen Zuordnungsprobleme, die sich aus der Fachignoranz der Konflikte ableitet. Wie ordnet jemand einen interkulturellen Familienkonflikt ein oder den Konflikt in einem Familienunternehmen? Die vorgeschlagenen Bereiche ergeben die Rechtslastigkeit der möglichen Anwendungen. Bereiche wie Coaching, Therapie, Beziehungspflege kommen nicht vor.
  • Haben Sie zuvor bereits an einer anderen Mediation teilgenommen?
    Die Frage macht nur Sinn, wenn man weiß, ob es Konflikte gegeben hat, die eine professionelle Hilfe erfordert hätten und wie sich der Gegner verhalten hat. Ein "Nein" erlaubt also keine Schlussfolgerungen.
  • Wann hat die (letzte) Mediation stattgefunden?
  • Aus welchem Grund haben Sie sich für eine Mediation entschlossen?
    Diese Frage möchte wissen, wofür die Mediation eine Lösung sein sollte. Vorgeschlagen werden: der Versuch eine einvernehmliche Lösung des Konflikts zu erzielen (z.B. zum Wohl von Kindern, des (ehemaligen) Partners), die Kosten- oder Zeitersparnis, die Vermeidung eines Gerichtsprozesses, die Kostenübernahme (z.B. durch Rechtsschutzversicherung), die Bitte bzw. Anordnung der Personalabteilung, Personalrat, oder Vorgesetzte(n), Gefühl der Verpflichtung (z.B. Aufforderung durch Richter, Beratungsstellen etc.). Die Sinnhaftigkeit (Umgang mit Komplexität, Interdisziplinarität, Dimensionierung usw.) werden weder als Option geschehen noch vorgestellt. Der Bedarf wird nicht hinterfragt.
  • Gibt es weitere Gründe, die noch nicht angesprochen wurden?
    Motive wären interessant.
  • Würden Sie Freunden und Bekannten oder Arbeitskollegen eine Mediation empfehlen?
    Ein "Ja" ist genauso bedeutungslos wie ein "Nein", wenn die Erwartung und der beizulegende Konflikt nicht bekannt sind.
  • Wie hoch waren die Kosten für die Mediation (insgesamt)?
    Sollen hier die parallelen Beratungskosten und die Opportunitätskosten eingerechnet werden oder bezieht sich die Frage lediglich auf das Mediatorenhonorar?
  • Wurden Kosten von einer anderen Stelle (z.B. Rechtsschutzversicherung, Arbeitgeber) übernommen?
  • Wenn die Kosten übernommen worden sind, von welcher Stelle?
  • In welcher Form ist das Mediationsverfahren (das letzte an dem Sie teilgenommen haben) abgelaufen?
    Schon die Verwendung des Begriffs "Mediationsverfahren" geht am Gesetz vorbei, das die Mediation ja als Verfahren definiert hat. Den Höhepunkt der Irritation liefert aber die vorgeschlagene Antwort: (als) Schlichtung oder Vermittlung. Wenn eine Mediation als Schlichtung abgelaufen ist, ist sie keine Mediation. Weil die Mediation eine verstehensbasierte Streitvermittlung ist, läuft sie immer als Vermittlung ab. Irritierend ist auch der Antwortvorschlag: Vollständig durch die Mediationsparteien bestimmt (ohne juristische oder anderweitige Interventionen). Wie gelingt eine Mediation ohne Intervention? Die Antwortvorschläge "Unter Einbeziehung der Rechtsbeistände der Parteien, von Psychologen, Therapeuten etc." trifft weder eine Aussage über den Bedarf für eine Expertise noch über die Rolle der Experten. Auch bleibt offen, ob es einen fachlichen Beratungsbedarf überhaupt gegeben hat, den die Parteien nicht selbst abdecken konnten und ob Berater verfügbar waren oder nicht.
  • Falls externe Personen (Sachverständige, Anwälte, Psychologen etc.) hinzugezogen worden sind, in welcher Form ist dies erfolgt?
    Erwartete Antworten sind während oder zwischen den Sitzungen. Was ist der Erkenntnisgewinn aus dieser Antwort? Sinnvoller wäre es, deren Rollen abzufragen. Damit bekommt der Zeitpunkt ihrer Einbindung einen Sinn. Sie können sein: parteiliche Berater, neutrale, unparteiliche Berater, Gutachter, Zeuge, Beobachter, ...
  • Wie viele Konfliktbeteiligte (nicht Mediatoren) waren an der Mediation beteiligt?
    Wenn man zwischen Streitparteien, Konfliktparteien und Vertragsparteien unterscheidet, ist der Mediand mit dieser Frage völlig überfordert. Im Zweifel hat er auch keine Konfliktlandkarte erstellt, so dass er nur sagen kann, wieviele Personen er gesehen hat. Ob die Zahl der sichtbaren Beteiligten die korrekte Parteilandschaft widerspiegelt - was ein Erfolgs- und Qualitätsmerkmal wäre - bleibt offen.
  • Weitere Merkmale der Mediation.
    Antwortvorschläge sind: Mediation vollständig (bis zum Ende) durchgeführt. Die Einschätzung, was bis zum Ende durchgeführt wird, hängt vom vereinbarten Ziel ab. Sollte die Mediation eine Heilung der Beziehung erwirken oder nur eine Sachfrage klären, obwohl ein Beziehungskonflikt im Hintergrund lief? Die Vollständigkeit ist immer relativ zur Zielvorgabe. Erst mit der Kenntnis des Konfliktes lassen sich die Einschätzungen zur Vollendung nachvollziehen.
  • Wie viel Zeit hat die Mediation in Anspruch genommen? Bitte die ungefähre Dauer in Stunden angeben.
    Auch diese Frage ist nur valide, wenn der Konflikt seine Intensität, die Eskalation und der notwendige Aufwand zur Lösung des Konfliktes bekannt sind. Eine transformative Mediation dauert naturgemäß länger als eine facilitative, bringt aber bessere Erfolge.
  • Wie viele Mediationsgespräche (mit Vorgesprächen) waren notwendig?
    Auch diese Frage macht nur Sinn, wenn der Rahmen bekannt ist in dem die Mediation ablaufen konnte.
  • Wurde am Ende der Mediation eine schriftliche Mediationsvereinbarung abgeschlossen? Wenn ja, wurde die Mediationsvereinbarung für sofort vollstreckbar erklärt?
    Was ist, wenn der Inhalt (etwa bei einem reinen Beziehungskonflikt) gar keine Vollstreckung vorgesehen hat? Dann lautet die Antwort "Nein". Sie wäre nicht verwertbar.
  • Lief während der Mediation das Gerichtsverfahren zum selben Thema?
    Ist Laufen ein aktives Betreiben oder lediglich ein anhängig sein? Es macht einen Unterschied, ob das Gerichtsverfahren zwar anhängig war aber ausgesetzt oder zum Ruhen gebracht wurde.
  • Wie zufrieden waren Sie, alles in allem, mit der Mediation?
    In welcher Hinsicht?
  • In welchen Bereichen sehen Sie Verbesserungsbedarf?
    Antwortvorschläge sind: Informationen zum Ablauf einer Mediation, Qualifikation der Mediatorin / des Mediators, Kostentransparenz, Kostenübernahme ("Mediationskostenhilfe"), Vollstreckbarkeit der Mediationsvereinbarung, Neutralität der Mediatorin / des Mediators ("Ausgeglichenheit" bei der Zuwendung und Würdigung der Konfliktparteien) Dauer der Mediation. Kann ein Laie das beurteilen?
  • Was ist hier höchster Bildungsabschluss?
  • Ihr Geschlecht ist?
  • Ihr Alter?

Was nicht gefragt wurde

  • Es wird nicht deutlich, ob dem Medianden der Unterschied zwischen der Mediation und anderen Verfahren bewusst ist. So erschließt sich nicht, ob für die Partei die Mediation einen gefühlt anderen Bearbeitungsschwerpunkt hat als etwa ein Gerichtsverfahren.
  • Der interdisziplinäre Ansatz der Mediation kommt nicht zum Ausdruck. Auch die Relevanz der Interdisziplinarität und der Umgang mit Komplexität wird nicht hinterfragt.
  • Die Fragen werden nicht auf den Konflikt und seine Eskalation relativiert. Der Einfluss des gegnerischen Verhaltens wird nicht hinterfragt.
  • Die Fragen ergeben nicht die Bearbeitungstiefe der Mediation (siehe Mediationsmodelle) oder die Nutzenerwartung der Parteien. Sie erkundigen sich nicht danach, ob und wie eine Konfliktlösung (im Gegensatz zur Problemlösung) möglich gewesen wäre und wie sie ausgesehen hätte.
  • Der Bedarf für eine Dienstleistung Mediation wird nicht hinterfragt. Was hat der Mediator, was der Kunde nicht hat oder kann?