Die Migrationsstrategie

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Der Weg in den Konsens ist oft ein steiniger Weg.
Die Mediation hilft dabei, den Weg zu gehen.

Der strategische Bedarf

Im Streit neigen Parteien oft dazu, Vorschläge der Gegenseite abzulehnen. Der Vorschlag zur Duchführung einer Mediation wird also schon deshalb zurückgewiesen, weil er von der Gegenpartei stammt. Hinzukommen mag auch, dass die Parteien im Umgang miteinander gelernt haben, dass eine Kooperation mit dem Gegner nicht möglich oder zielführend ist. Für sie ist die Konfrontation deshalb die alternativlose dominante Strategie zur Konfliktbeilegung. Die Erfahrung zeigt, dass es vor diesem Hintergrund wenig Sinn macht, die Parteien von einer Kooperation zu überzeugen. Erfolgversprechender ist eine Strategie der kleinen Schritte, mit denen die Parteien in die Kooperation geführt werden. Diese Strategie der kleinen Schritte wird als Migrationsstrategie bezeichnet. Die Migrationsstrategie verfolgt zwei grundlegende Ansätze :

  1. Herbeiführung einer strategischen Erkenntnis
  2. Wegbereitung in die Kooperation

Herbeiführung einer strategischen Erkenntnis

Um eine Konfrontation in eine Kooperation zu überführen, muss die Partei erkennen, dass die Konfrontation für sie nicht zielführend ist. Wenn sich die Parteien bereits für eine Mediation entschieden haben, erklären sie ihr Einverständnis mit der Kooperation. Wer aber verhilft ihnen zu dieser Erkenntnis, bevor sie sich für eine Mediation entscheiden? Eine Hilfestellung können die Personen und Dienstleister geben, die mit den Parteien zu tun haben. Das sind beispielsweise die Berater oder der Richter. Besonders die berufenen Entscheider können das Ergebnis vorhersagen, an dem sich die Strategie der Parteien ausrichten lässt.

Beispiel 14634 - Der zur Entscheidung berufenen Richter kann die vor Erfolgsaussichten des Streites (und damit der Konfrontation) am besten einschätzen.


Rational betrachtet, ergibt sich der Spielanreiz (das Motiv) aus einer einfachen Kosten-Nutzen-Analyse. Die Parameter ergeben sich aus der Reichweite des Verfahrens und dem Investitionsaufwand. Außer der rationalen Sicht ergibt die emotionale Sicht einen anderen Verfahrensanreiz. Emotionen stehen der Vernunft regelmäßig im Wege. Sie verführen zur Konfrontation, auch wenn sie unvernünftig ist. Eine (rationale) Entscheidung für eine Mediation ist der Partei in dieser Situation kaum möglich. An diesem Punkt enden übrigens oft die spieltheoretischen Überlegungen, weil sie von einem rationalen Entscheidungsverhalten in sozialen Konfliktsituationen ausgehen. Interessanterweise bietet die Kompetenz der Mediation die Möglichkeit, die Emotionen in den Griff zu bekommen und die Motivation zu verändern. Dieser Ansatz setzt nicht zwingend voraus, dass ein Mediationsverfahren bereits nachgefragt ist. Es gibt Verfahren oder Verfahrensweisen, die sich dieser Logik unterwerfen. Beispiele sind die Pre-Mediation oder die integrierte Mediation gegebenenfalls auch das kostenlose Informationsgespräch. Anders als in einem Gespräch inkludiert die Integrierte Mediation mediative Kompetenzen in alle Verfahren, die dem Mediationsverfahren vorgeschaltet sind. So wird es möglich, einen nachhaltigeren Einfluss auf die Parteien auszuüben. Die Parteien können in kleinen Schritten von der Konfrontation in eine Kooperation überführt werden. Die Herangehensweise entspricht der Migrationsstrategie. Sie kann eingesetzt werden, wo die Mediation noch nicht nachgefragt ist und Appelle für eine Kooperation (oder eine Mediation) ungehört bleiben. Voraussetzung ist lediglich, dass der Initiator einen wie auch immer gearteten Zugriff auf beide Parteien hat. Das beste Beispiel dafür bietet ein Gerichtsverfahren. Der Richter hat Zugriff auf beide Parteien und er kann deren Verhalten im Prozess in die eine oder andere Richtung, eskalierend oder deeskalierend, beeinflussen.

Bei der Migrationsstrategie kommt es darauf an, die Weichen zu stellen, die aus der Konfrontation herausführen. Das Handeln muss insgesamt auf eine Kooperation gerichtet sein. Die Migrationsstrategie basiert auf dem Grundsatz, dass der Mensch stets den Weg des geringsten Widerstandes wählt, sofern ihm überhaupt eine Wahl gelassen wird.

Beispiel 11962 - Die Verhandlungsbedingungen der Kardinäle bei der Papstwahl sind so ausgerichtet, dass die Kardinäle keine andere Wahl haben als sich zu einigen. Nur dann dürfen Sie die Konklave wieder verlassen.


Neben der strategischen Weichenstellung kommt es natürlich auch darauf an, dass die Parteien die zum Strategiewechsel führenden Erkenntnisse gewinnen. Sie müssen in der Lage sein, den sich für sie herausbildenden Verfahrensnutzen zu erkennen. Die Ausführungen zur Mediationsbereitschaft geben Anhaltspunkte dafür, wie die Parteien für ein kooperatives Verfahren motiviert werden können. Ein praktisches Beispiel für die erfolgreiche Anwendung dieser Methode wurde im sogenannten AltenkirchenerModell erprobt. Die Vorgehensweise funktioniert aber auch in anderen Streitigkeiten. Das Konzept ist einfach. Die Umsetzung ist allerdings so schwierig, wie die Rahmenbedingungen und die vorgegebenen (möglichen) Wege. Die verfahrensübergreifende Strategie, besteht darin, den Weg in die Kooperation leicht und den Weg in die Konfrontation schwierig zu gestalten.

 Merke:
Leitsatz 3893 - Der Weg in die Kooperation muss erleichtert, der Weg in die Konfrontation muss erschwert werden

Sicher spielt dabei auch die Kultur eine Rolle. Welche Möglichkeiten das Umfeld, die Verfahren und die Handlungsoptionen dazu geben, zeigen ihre strategischen Zuordnungen. Die Erfahrungen im Altenkirchener Modell haben gezeigt, dass sich die Parteien zunächst gegen den kooperativen Weg wehren. Dann aber spüren Sie den Kontrollgewinn und das was sich am besten mit dem Begriff Empowerment umschreiben lässt. Es stellt sich so etwas wie Stolz her und Eigeninitiative. Wichtig ist, dass ihnen der Weg, nicht das Verfahren gewiesen wird. Wenn die Parteien den Weg der Kooperation gehen, ist das Verfahren die Konsequenz.

Wegbereitung in die Kooperation

Der Mensch geht immer den Weg des geringsten Widerstandes. In unserer Gesellschaft wird ihm der Weg in die Konfrontation leicht gemacht. Der Weg in die Kooperation hingegen ist eine Herausforderung. Die Partei ist oft nicht bereit und reif, ihre Strategie zu wechseln Sie wird ihre Meinung ändern, wenn sie spürt, dass der Weg in die Konfrontation ein steiniger ist und nicht der Weg in die Kooperation.

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Das zu lösende Problem


Die Integrierte Mediation nutzt ein Modell aus der Panikforschung, um ein Konzept für die schrittweise Überführung von der Konfrontation in die Kooperation zu realisieren. Die Panikforschung hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, wie es im Notfall gelingt, ein Maximum an Personen aus dem Notausgang heraus zu schleusen. Üblicherweise bildet sich vor dem Notausgang eine Menschentraube, die den Ausgang blockiert und andere daran hindert den Raum durch den Notausgang zu verlassen. Würde dort ein Schild aufgestellt werden (also eine Regel eingeführt werden), die etwa lautet: "Bitte einzeln austreten", würde sie in der Panik niemand wahrnehmen. Ähnlich ist es auch im Konflikt. Die Wahrnehmung ist eingeschränkt.

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Der Lösungsansatz


Die Panikforchung hat herausgefunden, dass es möglich ist ein maximum von Personen aus dem Notausgang zu schleusen, indem ein Hindernis (an der richtigen Stelle) aufgebaut wird. Jetzt müssen sich die Besucher so verteilen, dass mehr Besucher den Notausgang passieren können. Die daraus zu gewinnende Erkenntnis belegt, dass es nicht helfen würde Regeln aufzustellen, die in der Not nicht einmal gelesen werden. Hilfreich und zielführend ist es stattdessen, Hindernisse so aufzubauen, dass der Mensch automatisch den gewünschten Weg wählt. Auch wenn der Weg in die Mediation gewisen werden soll, hilft es wenig, die Parteien von ihren Vorzügen zu überzeugen und an Regeln zu erinnern. Auch hier müssen Hindernisse aufgebaut werden, die den zu gehenden Weg weisen.

Migrationstechnik

Wenn der Weg in die Kooperation gewählt werden soll, muss der konfrontative Weg ein steiniger sein. Die Realität ist oft umgekehrt. Sie macht den Weg in die Konfrontation leicht und erschwert den Weg in die Kooperation. Um den Weg in die Koopüeration zu ebnen, müssen Hindernisse vor die Konfrontation gesetzt werden. Der Weg in die Kooperation muss erleichtert werden. Welche Hindernisse das sind, obliegt der Fantasie der Verfahrenswalter.

Beispiel 14635 - Der Entscheider macht deutlich, dass bei einem streitigen Vorgehen ein größerer Zeitaufwand und ein größerer Arbeitsaufwand erforderlich sind, um ans Ziel zu kommen. Er hört weg, wenn die Parteien streiten und schenkt ihnen die Aufmerksamkeit, wenn sie konstruktiv verhandeln.Er bietet Erleichterungen (Belohnungen) an, wenn kooperiert wird.


Die Erkenntnis, den Weg in die Konfrontation zu erschweren kann auch in der Mediation von großem Nutzen sein.

Beispiel 14636 - Die Abteilung eines Unternehmens besteht aus vier Mitarbeitern. In der Abteilung hat sich eine feindliche Stimmung breitgemacht. Es gibt zwei Lager. Zwei Mitarbeiter zeigen andere stets bei der Geschäftsleitung an, zwei andere zeigen die Kollegen beim Betriebsrat an. Die Mediation führt zu dem Ergebnis, dass die Parteien in Zukunft selbst versuchen werden das Problem zu lösen. Die Abschlussvereinbarung sieht das vor und verlangt von den Mitarbeitern sogar dass sie sich über den Konfrontationsweg einigen. Um den Weg in die Konfrontation zu erschweren wurde schließlich vereinbart, dass sowohl die Geschäftsleitung als auch der Betriebsrat darauf achten, dass Anzeigen nur noch dann bearbeitet werden, wenn die Parteien die Vereinbarung in der Abschlussvereinbarung befolgt haben.

Hinweise und Fußnoten
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Bearbeitungsstand: 2024-04-05 14:28 / Version 34.

Siehe auch: integrierte Mediation
Prüfvermerk: -