Lade...
 

Die Vermittlung im Streit

Wissensmanagement » Diese Seite gehört zum Fachbuch Mediation in der Wiki-Abteilung Wissen. Sie befinden sich auf der Themenseite Streitvermittlung, die dem Kapitel Streitbeilegung des 2. Buchabschnitts Systematik der Verfahren zugeordnet wird. Beachten Sie bitte auch:

Streitbeilegung Streitentscheidung Streitvermittlung Streitbegleitung Streitvermeidung Vermitteln

Worum es geht: Streit und Konflikt stehen im Mittelpunkt. Die Vermittlung im Streit ist eine Streitvermittlung. Der Begriff Vermittlung meint den Ausgleich von Gegensätzen.1 Mithin ist die Streitvermittlung der Ausgleich von streitigen Gegensätzen. Wie gehen die Verfahren der Streitvermittlung damit um?

Einführung und Inhalt: Die Streitvermittlung ist eine Kategorie der Konflikt- und Streitbeilegungsverfahren, bei denen der Dritte keine Entscheidungsbefugnis hat und nicht zur Entscheidung des Streites delegiert wird. Die Streitvermittlung grenzt sich nicht nur von der Streitentscheidung, sondern auch von der Streithilfe und der Streitvermeidung ab. Leider wird die Mediation oft mit der Vermittlung gleichgesetzt.2 Auch wenn es sich um eine Art der Vermittlung handelt, führt die Verallgemeinerung dazu, dass ihre Kompetenzen und die besondere Herangehensweise bei der Streitvermittlung verkannt wird. Die Mediation ist ein Unterfall der Vermittlung. Sie sollte nicht mit ihr gleichgesetzt werden.

Die Regularität der Streitvermittlung

Die Streitbeilegungsverfahren (der Gesetzgeber spricht vom Konfliktbeilegungsverfahren) unterscheiden zwei grundsätzliche Anwendungsformen: die Streitvermittlung und die mit ihr konkurrierende Streitentscheidung. Innerhalb der Streitvermittlung sind die Mediation und die Schlichtung zu unterscheiden. Es handelt sich um grundlegende Konzepte. Die Ausführungen zur Systematik legt folgende Verfahrenseinteilung nahe:

Streitbeilegungsverfahren

Die Systematik der Streitbeilegungsverfahren legt folgende Unterscheidung nahe:

  • Streitentscheidung: Richter, Schiedsrichter (Richter im Schiedsgerichtsverfahren)
  • Streitvermittlung: Schlichter, Mediator, eventuell Moderator (etwa bei der Konfliktmoderation)

Streitbeilegungsverfahren

Die Verfahren der Streitvermittlung

Innerhalb der Streitvermittlung sind die Mediation und die Schlichtung markante Prototypen. Wenn sich die Verfahren auf die Streitbewältigung beziehen, könnte auch die Moderation, konkret die Konfliktmoderation, als ein Prototyp angesehen werden. Die Moderation wäre in dem Schema links neben der Mediation anzusiedeln. Weil diese Verfahren als Prototypen bezeichnet werden, liegt es nahe, dass es auch Abweichungen gibt. Damit werden Mischformen angesprochen. Beispiele sind die die Konfliktmoderation, die MedArb, die bindende Schlichtung, das Ombudsmannverfahren, usw. Die Unterscheidung der Prototypen erleichtert die Abgrenzung, indem sie es erlauben, den jeweiligen Verfahrenscharakter herauszustellen. Im Sprachgebrauch sind die Grenzen zwischen der Mediation und der Schlichtung fließend. In sachlicher Hinsicht sind sie es nicht an Mediator, der eine Mediation verspricht aber eine Schlichtung durchführt, ist wie ein Schreiner, der statt einem Esstisch einen Couchtisch liefert. Er liefert etwas anderes als versprochen. Die Abgrenzung der Verfahren ist deshalb schon aus Rechtsgründen geboten.

Abgrenzungsbedarf

Gerade im Bereich der Streitvermittlung fällt die Abgrenzung der Verfahren schwer. Sie ist erforderlich, weil sich mit der Einführung des Mediationsgesetzes rechtliche Anforderungen ergeben haben, die sich zumindest explizit auf die Mediation beziehen. Wie lässt sich die Mediation abgrenzen, wenn sie Elemente der Moderation, der Verhandlung und anderer Verfahren enthält? Lesen Sie dazu bitte die Gegenüberstellung im Beitrag Verfahrensabgrenzungen.

Verfahrensabgrenzungen

Die Praxis tut sich besonders schwer mit der Abgrenzung zwischen der Schlichtung und der Mediation, obwohl sie sich auf die Frage der Haftung und auf die Beurteilung von Verfahrensfehlern auswirken kann. Die Unterscheidung wird oft auf formale Kriterien zurückgeführt oder auf das Handeln des Dritten. Die Kriterien sind ungenau und irreführend. Darüber hinaus kann ein Verfahren nicht an dem Handeln gemessen werden, das sich seinerseits am Verfahren zu orientieren hat.

Beispiel 12238 - Kleinbeigeben beendet einen Streit. Es löst aber nicht unbedingt den Konflikt, wenn das Kleinbeigeben eine andere Reaktion hervorruft oder die Unstimmigkeit aufrecht erhält.


Der markante Unterschied zwischen der Mediation und der Schlichtung ergibt sich nicht aus den Formalien oder irgendwelchen Mythen,3 sondern aus dem Verfahrenscharakter, der ganz wesentlich durch das zugrunde liegende Kommunikationsmodell geprägt wird.

Schlichtung

Bei der Schlichtung wird die Kommunikation ähnlich cdem Streitentscheidungsverfahren auf den Schlichter ausgerichtet. Anders als der Streitentscheider (z.B. der Richter) hat der Schlichter zwar keine Entscheidungsmacht. Weil die Parteien von ihm jedoch Lösungsvorschläge in Form eines Schlichterspruches erwarten, wird ihm eine Meinungsmacht zugeschrieben. Die Kommunikation der Parteien ist also, ebenso wie im Verfahren der Streitentscheidung, auf den neutralen Dritten ausgerichtet. Die Parteien werden versuchen, den Dritten so zu beeinflussen, dass er die ihnen genehme Lösung vorschlägt. Der Fokus und das Handeln sind auf die Lösung (und die darauf bezogene Einschätzung des Schlichters) ausgerichtet.

Kommunikationsmodell Mediator

Der Mediator besitzt weder eine Entscheidungsmacht noch eine Meinungsmacht. Es macht also von vorneherein keinen Sinn, zu versuchen, den Mediator zu beeinflussen; Zumindest nicht, wenn er sich korrekt verhält. Die Nichtbeeinflussbarkeit wird mit dem Grundsatz der Indetermination ausgedrückt. Es macht deutlich, warum die Parteien mit dem Mediator reden, wenn er keine Meinung äußert und keine Entscheidung trifft. Der einzige Zweck der Kommunikation ist darauf ausgerichtet, dass der Mediator die Partei versteht, um das, was er verstanden hat, der Gegenseite zu vermitteln. Der Fokus und das Handeln sind also auf das Verstehen ausgerichtet.

Was die Verfahren gemeinsam haben ist der Oberbegriff der Streitvermittlung. Ihr Unterschied liegt im Verfahrensschwerpunkt. Der Verfahrensschwerpunkt bestimmt den Verfahrenscharakter, also das Kommunikationsmodell und den Bearbeitungsfokus. Während die Schlichtung die Lösung fokussiert, liegt der Verfahrensschwerpunkt bei der Mediation im Verstehen, aus dem heraus die Parteien die Lösung selbst entwickeln können. Mithin ist die Schlichtung eine Lösungsvermittlung, während die Mediation eine Verstehensvermittlung ist.

 Merke:
Leitsatz 3894 - Die Mediation ist eine Verstehensvermittlung, während die Schlichtung eine Lösungsvermittlung ist.

Verstehensvermittlung Lösungsvermittlung

Die Anomalie der Streitvermittlung

Mit dem Inkrafttreten des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes wird das Alt-Streitbeilegungsverfahren legal als ein Verfahren im Sinne des VSBG definiert und neu eingeführt. In der Terminologie des Gesetzgebers wird das Streitbeilegungsverfahren zum Unterfall des Konfliktbeilegungsverfahrens.4 Ihm soll ein Streitmittler vorstehen. Die systematische Einteilung dieses Verfahrens ist kaum möglich, weil es sich dabei sowohl um eine Schlichtung, wie um eine Mediation, ja sogar auch um ein Schiedsgerichtsverfahren handeln kann. In jedem Fall ist das Verfahren an eine Verbraucherschlichtungsstelle gebunden und kann auch nur vor einer solchen durchgeführt werden. Unter Berücksichtigung des Streitbeilegungsverfahrens nach dem Verbraucherstreitbeilegungsgesetz stellt sich die systematische Einteilung der Verfahren wie folgt dar:

Streitvermittlung

Bemerkenswert ist in dieser Systematik, dass die Mediation plötzlich als ein Streitbeilegungsverfahren erscheint, obwohl sie nach der gesetzlichen Terminologie ein Konflikt Beilegungsverfahren ist. Sie wäre tatsächlich in der Lage, den hinter dem Streit verborgenen Konflikt beizulegen. Die Folge der gesetzlichen Terminologie führt also in Überschneidungen, die eine konsequente Kategorisierung der Verfahren konterkariert. Mit der Einführung des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes sind die Verfahren wie folgt systematisch zu erfassen:
;Konfliktbeilegungsverfahren:

  • Streitentscheidung: Gericht, Schiedsgericht
  • Streitvermittlung: Schlichtung, Mediation, eventuell Konfliktmoderation

;Streitbeilegungsverfahren:

  • Verfahren der Schlichtung, der Mediation oder gar das Schiedsgerichtsverfahren, wenn es von einem Streitmittler einer Verbraucherschlichtungsstelle ausgeführt wird.

Lesen Sie die Einzelheiten zur Schlichtung bitte in den Beiträgen zur Schlichtung und zur Verbraucherschlichtung nach.

Schlichtung Verbraucherschlichtung 

Der Sprachgebrauch

Die sprachliche Verwendung der Begriffe führt zu Ungenauigkeiten. Die Verfahren Sachbearbeiter sollte sich darüber im klaren sein. Wikipedia schreibt dem Begriff Vermittlung u.a. folgende Bedeutungen zu5 :

  1. Vermittlung (Philosophie), gedanklicher Prozess des Ausgleichs von Gegensätzen und dessen Ergebnis
  2. Mediation, Vermittlung einer Einigung zwischen unterschiedlichen Ansichten und Interessen

Begriffe wie Streitvermittlung oder Konfliktvermittlung gibt es dort nicht. Das gleiche Ergebnis ergibt die Suche im Duden. Auch dort findet sich zu dem Begriff Streitvermittlung kein Treffer,6 auch nicht, wenn nach Streitbeilegung gesucht wird,7 obwohl der Begriff Streit mit 343 Wortkombinationen angezeigt wird.8 Der Begriff
Vermitteln bedeutet laut Duden: (zwischen Gegnern) eine Einigung erzielen; intervenieren oder zustande bringen, herbeiführen.9 Mithin beschreibt die Streitvermittlung jede Art von Vermittlung, die im Streit zu einer Einigung führt und ein Einlenken bewirkt. Demzufolge werden alle Bemühungen um eine Streitbeilegung durch Vermittlung, wie etwa die Schlichtung ignoriert, wenn die Streitvermittlung mit dem Begriff der Mediation gleichgesetzt wird. Die Mediation ist kein Oberbegriff für die außergerichtliche Streitbeilegung. Sie ist lediglich eines der Verfahren dieser Kategorie.

Versöhnung als Vermittlung

Die Vermittlung im Streit gehört zu den natürlichen, menschlichen Kompetenzen. Sie sollte nicht unterschätzt werden. In Ländern und Kulturen, in denen man sich nicht gut aus dem Weg gehen kann, ist die Streitvermittlung meistens mit einer expliziten Versöhnung verbunden. Beispiele dafür sind das Ho’oponopono oder die Sulh.

Versöhnung

Konfliktvermittlung

Auch zu diesem Begriff findet sich kein Treffer im Duden.10 Die Suche bei Google leitet schnell auf Seiten von Mediatoren und Mediationsangeboten. Weil nicht alle Konflikte interpersonell als soziale Konflikte angelegt sind, kann sich die Vermittlung wohl nicht generell auf Konflikte beziehen. Sie kann nur soziale Konflikte betreffen, an denen mehrere Personen beteiligt sind. Wie bei der Streitvermittlung handelt es sich um eine Vermittlung im Konflikt. Die Recherche im Internet belegt, dass der Begriff oft synonym mit Mediation verwendet wird oder als Hinweis auf ein Mediationsangebot. Manchmal ist von mediationsanaloger Konfliktvermittlung die Rede. Die Formulierung lässt zumindest offen, dass es auch andere Formen der Konfliktvermittlung gibt. Eine Zusammenstellung aller Verfahren der Streit über Konfliktbeilegung finden Sie in dem Verfahrensverzeichnis.

Verfahrensverzeichnis

Konfliktklärung

Die Konfliktklärung beschreibt eine Variante der Mediation aber auch der Konfliktmoderation, die davon ausgeht, dass Klarheit der natürliche Feind des Konfliktes ist.11

Konfliktklärung

Bedeutung für die Mediation

Bei dem Wunsch, Nachfrage nach der Mediation zu generieren, besteht die Gefahr, dass den Menschen ihre natürliche Kompetenz zur Konfliktbeilegung abgesprochen wird, damit der Bedarf nach professioneller Hilfe erkennbar wird. Der Mediation würde es helfen, wenn die Hürde zur Kooperation ziwschen den Streitparteien eher niedrig als hoch angesetzt wird. Wenn Menschen kooperieren, ist die Mediation die Folge. Sie ist nicht der Ersatz dafür.

Was tun wenn ...

Hinweise und Fußnoten
Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen
Bearbeitungsstand: 2024-02-23 16:40 / Version 20.

Alias: Streitvermittlungsverfahren, Konfliktvermittlung, Streitmittler
Geprüft:


Based on work by Arthur Trossen und Bernard Sfez . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Sonntag Dezember 15, 2024 20:39:08 CET.

Durchschnittliche Lesedauer: 8 Minuten