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Der Nutzen ist entscheidend

Wissensmanagement » Sie befinden sich auf der 4. Station der Konfliktbeilegungstour in der Abteilung Praxis.
Hier geht es um die Ausrichtung der Konfliktbeilegung und den zu setzenden Fokus.

Tourstart


Ihre Reise durch eine Konfliktbeilegung: Wozu brauchen wir das? Die nächste Station unserer Tour durch die Konfliktbeilegung setzt sich mit der Frage ihres Nutzens auseinander. Auch hier begegnen wir der Komplexität der Mediation.

Je mehr sich die Parteien auf das Ergebnis konzentrieren, umso mehr gerät der Nutzen aus ihrem Fokus.
Nicht alle Verfahren haben den Nutzen im Blick. Seine Bedeutung wird stets unterschätzt.

Wozu das Weicheigelaber.
Der/die macht ja eh' was er/sie will.
Dem/der muss man mal zeigen, wo der Hammer hängt!

Solche Gedanken geben einer wütenden Partei sicher kurzfristig ein gutes Gefühl. Aber tragen sie zur Konfliktlösung bei? Welches Bedürfnis soll befriedigt werden, wenn es darauf ankommt, zu zeigen wo der Hammer hängt? Möglicherweise geht dieses Bedürfnis an der Sache vorbei. Es obliegt natürlich jeder Partei selbst zu bestimmen, was Ihr wichtig ist und welchen Nutzen sie sich von ihrem Vorgehen verspricht. Sie sollte sich nur darüber im Klaren sein. Sie sollte ihre Entscheidungen mit Bedacht treffen und in Kenntnis der Umstände und Konsequenzen, die sie hervorruft. Trotzdem bleibt die Frage, was eine Partei braucht, um den Konflikt beilegen zu können.

 Merke:
Leitsatz 5474 - Es ist zwischen dem Nutzen des Verfahrens und dem Nutzen zu unterscheiden, den die Lösung einbringen soll!

Die unterschiedlichen Bedarfe

Mit der Frage was eine Partei braucht, um den Konflikt beilegen zu können, richtet sich der Fokus auf den Bedarf oder genauer gesagt auf die Bedarfe. Je genauer sie ihren Bedarf beschreiben kann, umso zuverlässiger wird die gegebenenfalls nachzufragende Dienstleistung oder das durchzuführende Verfahren dazu beitragen, dass die Partei zufriedengestellt werden kann. Grundsätzlich ergibt sich ein Bedarf aus dem, was gebraucht wird. Gebraucht wird, was man selbst nicht hat oder herstellen kann.

Die Parteien müssen wissen, was sie brauchen

Die Komplexität wäre kein Thema der Mediation, wenn sich ihre Vielschichtigkeit nicht auch auf den Bedarf (also auf die Frage was wozu gebraucht wird) auswirken würde. Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, müssen verschiedene Bedarfe und Bedarfsebenen unterschieden werden:

  1. Da ist zunächst der Bedarf für ein Verfahren (Streitbedarf).
  2. Hinzu kommt der Bedarf in der Sache, der auf eine zufriedenstellende Problemlösung gerichtet ist (Lösungsbedarf).
  3. Die Unterstützung, die Sie im einen oder anderen Fall benötigen, erschließt die dazu gehörige Dienstleistung (Dienstleistungsbedarf).

Es gibt zwei Ebenen die strikt voneinander zu trennen sind.1 Die eine Ebene betrifft das zu lösende Problem, also den Fall (nachfolgend als Fallebene bezeichnet). Die andere Ebene betrifft den Weg dorthin, also das Verfahren (nachfolgend als Verfahrensebene bezeichnet). Wie sich der Bedarf auf die Dienstleistung auswirkt, wird im Kapitel Bedarf näher erläutert.

Bedarfsermittlung für die Dienstleistung

Ein Bedarf zielt immer auf eine Befriedigung ab. Die Befriedigung wird mit dem Nutzen gleichgesetzt. Zur Auseinandersetzung mit der Nutzenerwartung innerhalb einer Konfliktbeilegung sind folgende Bedarfe zu unterscheiden:

Streitbedarf

Der Streitbedarf betrifft das Verfahren, also die Verfahrensebene.

Die Parteien müssen eine Vorstellung haben, wie sie den Streit beilegen

Die Konflikttheorie beantwortet die Frage, wie überhaupt der Bedarf zur Durchführung eines Streitbeilegungsverfahrens entsteht.

Variante A
Die betroffene Partei verficht im Streit einen Standpunkt, der sich zur Position verdichtet hat. Dem Gegner wird vorgeworfen etwas falsch gemacht zu haben. Das muss er in Ordnung bringen.2 Aus irgendeinem Grunde macht er das aber nicht. Deshalb muss er dazu gebracht werden. Weil die betroffene Partei dafür keine legalen Möglichkeiten besitzt, schaltet sie ein Gericht ein, um den Gegner zum Handeln zu zwingen. In dieser Logik bezweckt das Verfahren die Durchsetzung einer Lösung, die sich über das Recht definieren lässt. Das Gerichtsverfahren ist deshalb die logische Konsequenz, wenn es darum geht, eine Lösung durchzusetzen.
Variante B
Der Konflikt entwickelt sich wie unter A beschrieben. Allerdings hat die Partei keine Idee davon, wie der Konflikt beizulegen ist. Wenn sie sich dazu bekennt, eine Lösung zu finden, benötigt die betroffene Partei die Kenntnis wo zu suchen ist. Sie benötigt die Metaebene als perspektivische Basis um den Konflikt verstehen zu können.

Formular: Hilfe bei der Verfahrensauswahl Ihre Vor- und Nachteile

Um den Streitbedarf zu ermitteln, fragen Sie sich: Wozu muss ich streiten? Was bringt mir das?
Es braucht machmal leider auch den Gegner, um einen Streit aus der Welt zu schaffen. Wenn er sichj nicht an Gesprächen über mögliche Lösungen beteiligt fragen Sie sich einfach: Brauche ich den Gegner, um den Sterit (für mich) aus der Welt zu schaffen? Kann ich mein Verhalten (Strategie) ändern, um Gespräche zu ermöglichen?3 Wie kann ich den Gegner zum Verhandeln zwingen? Bei der Frage kommt der Gang an ein Gericht ins Spiel. Er sollte die ultima ratio sein. Allerdings sollte man im Blick haben, dass das Gericht auch Weichen in die Mediation stellen kann.

Lösungsbedarf

Der Lösungsbedarf betrifft die Fallebene. Nur wenn der Bedarf bekannt ist, kann eine maßgeschneiderte Lösung hergestellt werden.

Die Parteien müssen wissen, was wie zu welcher Lösung führt
Verfahren
Lösungsbedarf

Im konventionellen Denken könnte sich ein Zirkelschluss ergeben, wenn die Frage, was die Partei braucht, um die (Fall-)Lösung zu erreichen beantwortet wird mit dem Hinweis:

... einen guten Rechtsanwalt!


Eine derartige Anwort zeigt, dass noch das Denken an die Lösung dominant ist und dass die Lösung noch nicht hinterfragt wird. Es wäre die Aufgabe eines guten Beraters darauf hinzuwirken.

Um den Lösungsbedarf zu ermitteln fragen Sie sich einfach: Wozu brauche ich eine Lösung und was soll sie mir einbringen. Im Babysitterfall hatte die Mutter zweifellos im Sinn, den Kontakt des Vaters zum Kind (und wohl auch zu sich selbst) zu unterbinden. Der Vater wollte den Umgang erzwingen. Beides sind in der Sprache der Mediation Lösungen. Der Bedarf schaut auf die damit einhergehende Befriedigung. Und schon fallen die Antworten anders aus, wenn Sie fragen, was hab ich davon. Dann lautet die Antwort etwa: Dann hab ich meine Ruhe, dann kann ich mein eigenes Lebene leben, dann fühle ich mich nicht mehr missbraucht (ausgenutzt) usw. Die Wirkung des Wortes missbrauchen deutet darauf hin, dass dre eigentliche Nutzen auf dieser Eeben zu finden ist.

Dienstleistungsbedarf

Der Bedarf nach fremder Hilfe, also der Dienstleistungsbedarf, kann sich auf den Streitbedarf und den Lösungsbedarf erstrecken.

Die Parteien müssen eine Vorstellung haben, welche Unterstützung sie benötigen

Die Frage nach der Dienstleistung orientiert sich an der Verfahrenswahl. Um den Zusammenhang zu verdeutlichen, sollen zwei unterschiedliche Herangehensweisen vorgestellt werden:

Variante A
Wenn der Weg in ein Gerichtsverfahren führt, benötigt die Partei alles was man braucht um ein Gerichtsverfahren erfolgreich durchzuführen. In erster Linie ist das natürlich die Rechtskenntnis, aber auch das Wissen über das Verfahren, den Umgang mit dem Gericht usw.
Variante B
Wenn es darum geht, eine Lösung zu finden, muss der Dienstleister zu einer effizienten Suche verhelfen können. Er muss sich auf die Parteien und deren Bedürfnisse einlassen können, ein Konfliktverständnis aufbringen und eine Metaebene abbilden können, die dazu beiträgt, dass die Parteien alle Informationen und Erkenntnisse bekommen, um die Lösung finden zu können.

Formular: Hilfe bei der Wahl der passenden Dienstleistung

Um den Diensteistungsbedarf zu ermitteln fragen Sie sich: Was kann ich selbst erledigen und wo brauche ich Hilfe, damit ich es selbst kann.

Der unerkannte Nutzen

Aus irgendeinem Grund wird der Gedanke an den Nutzen ständig von dem Gedanken an die Lösung verdrängt, als wäre die Lösung gleichbedeutend mit dem Nutzen.4 Das ist sie nicht. Die Lösung lässt offen, ob sie wirklich nützlich ist für Sie. Mit dem Gedanken an die Lösung verschiebt sich auch die Vorstellung über den Bedarf. Wie lässt sich der Bedarf erkennen, wenn der Fokus auf ein Ergebnis gerichtet wird und nicht auf den Nutzen.

Die Tragik der Lösungsorientierung

Die Mediation verwendet eine ganze Phase, um den Nutzen zu ermitteln. Eine differenzierte Analsyse des Bedarfs erfordert wieder die Unterscheidung zwischen der Fallebene und der Verfahrensebene.

Nutzen auf der Fallebene

 Merke:
Leitsatz 5475 - Grundsätzlich sollte die Lösung erst festgelegt werden, nachdem der zu erwartende Nutzen geklärt ist.

Dieser Grundsatz gilt zumindest dann, wenn die Lösung darauf abzielen soll, eine Befriedigung herzustellen. Der fallbezogene Lösungsbedarf erschließt sich über das Interesse an der Lösung. Er betrifft die Fallebene. Das Interesse ergibt sich aus dem Motiv und beschreibt die gewünschte Befriedigung als den zu erwartenden Nutzen. Typische Fragen zur Nutzenermittlung sind:

Beispiel 11804 - "Was habe ich davon, wenn sich die Lösung wie gewünscht herstellt?". Oder: "Habe ich alles was ich brauche, wenn die Lösung herbeigeführt ist?".


Der so ermittelte Nutzen ergibt die Kriterien für die Lösung, indem er die konfliktfreie (konfliktüberwundene) Zukunft beschreibt. In der Mediation erfolgt dieser Arbeitsschritt in der 3.Phase. Die Lösung besagt, wie diese Zukunft herzustellen ist. Dieser Arbeitsschritt erfolgt in der Mediation in der 4.Phase. Die Lösung muss sich an den Nutzenkriterien der 3.Phase messen lassen.

Nutzen auf der Verfahrensebene

 Merke:
Leitsatz 5476 - Das Verfahren sollte auf den zu erwartenden Nutzen abgestimmt sein und dazu beitragen, ihn zu verwirklichen!

Üblicherweise wird die Frage nach dem Nutzen (wenn überhaupt) außerhalb des Verfahrens gestellt. Meistens wird ein Nutzen unterstellt. Die Nutzenerwartung ist eine Frage, mit der sich die Parteien gegebenenfalls mithilfe der Berater in jedem Fall auseinanderzusetzen haben.5

Die Frage nach dem passenden Verfahren beantwortet die Frage nach dem Nutzen auf der Verfahrensebene. Sie sollte mit der Nutzenerwartung einhergehen und beschreiben, wie sie zu verwirklichen ist. Die Mediation hinterfragt den beiderseitigen und gemeinsam Nutzen innerhalb des Verfahrens. Die Erwartung, dass das Verfahren zu einer Befriedigung führt ist deshalb in der Mediation dramatisch höher als in anderen Verfahren. Um diesen Eindruck zu belegen, helfen allgemeingültige Kriterien, die Vor- und Nachteile der Verfahren und ihre Nützlichkeit gegeneinander abzuwägen.

Ihre Vor- und Nachteile

 Merke:
Leitsatz 5477 - Die Mediation ist das einzige Verfahren, das den Nutzen der Lösung als Erfolgskriterium im Verlauf des Verfahrens selbst ermittelt und verbindlich festlegt!

Wer sich auf die Mediation einlässt, könnte die Frage nach der Lösung und ihrem Nutzen zurückstellen. Die Fragen werden in der Mediation behandelt. Die Mediation generiert die Lösung aus dem Prozess. Es ist deshalb korrekt, wenn ein Mediator zu Beginn der Mediation noch keine Idee hat, wie die Lösung aussehen könnte. Dafür weiss die Partei, wenn das Verfahren abgeschlossen ist, dass die in der Mediation gefundene Lösung auch funktioniert.

Was tun wenn ...

Verfahrensstand

Im Babysitterfall haben die Parteien erkannt, dass Sie selbst die Lösung finden müssen. Dazu brauchen Sie Hilfe. Sie möchten erkennen können, wie sie eine Lösung finden, mit der sie beide und vor Allem das Kind gut zurecht kommen. In einem Punkt sind sie sich einig: Sie würden alles dafür tun, dass es dem Kind gut geht. Eine Idee, wie das Problem im Interesse aller zu lösen ist, haben sie nicht. Im Gegenteil: sie glauben, eine Lösung außerhalb des Streites sei gar nicht möglich!

Fahrplan (nächste Station)

Die Parteien entscheiden sich für eine Mediation. Sie möchten wissen, wie das Verfahren abläuft und welche Verpflichtungen sich daraus ergeben. Klicken Sie auf die Eintrittskarte, um zur nächsten Station zu gelangen.

Sie merken, dass unsere Reise mehr und mehr ins Innere des Menschen führt. Das ist es, was die Reise durch die Konfliktbeilegung so spannend macht. Wenn Sie am Ziel ankommen, haben Sie auch viel über sich selbst entdeckt.

Hinweise und Fußnoten
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Eine Liste der Fragen und Entscheidungen entlang der Konfliktbeilegung finden Sie in der Zusammenfassung
Quellenangaben: Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen
Bearbeitungsstand: 2023-09-04 18:02 / Version 24.

Alias: Nutzenerwägung, Streitbedarf, Lösungsbedarf, Dienstleistungsbedarf

1 Siehe Systemik
2 Siehe Konflikttheorie, (naming, blaming claming)
3 Keine Bedingungen stellen, das Gespräch ohne Vorwurf beginnen, besser zuhören ...
4 Siehe dazu das BREXIT-Beispiel im Beitrag Entscheidungsprozesse
5 Siehe zum Verhältnis von Forderung, Interesse und Nutzen die Ausführungen zum Lösungspentagramm


Based on work by anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Freitag November 1, 2024 13:18:39 CET.

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