Der Nutzen ist entscheidend
Wissensmanagement » Sie befinden sich auf der 4. Station der Konfliktbeilegungstour in der Abteilung Praxis.
Hier geht es um die Ausrichtung der Konfliktbeilegung und den zu setzenden Fokus.
Ihre Reise durch eine Konfliktbeilegung: Wozu brauchen wir das? Die nächste Station unserer Tour durch die Konfliktbeilegung setzt sich mit der Frage ihres Nutzens auseinander. Auch hier begegnen wir der Komplexität der Mediation.
Davon hab' ich doch nichts oder etwa doch?
Fahrplan 5. Station: NutzenverwirklichungJe mehr sich die Parteien auf das Ergebnis konzentrieren, umso mehr gerät der Nutzen aus ihrem Fokus.
Nicht alle Verfahren haben den Nutzen im Blick. Seine Bedeutung wird stets unterschätzt.
Wozu das Weicheigelaber.
Der/die macht ja eh' was er/sie will.
Dem/der muss man mal zeigen, wo der Hammer hängt!
Die unterschiedlichen Bedarfe
Mit der Frage was eine Partei braucht, um den Konflikt beilegen zu können, richtet sich der Fokus auf den Bedarf oder genauer gesagt auf die Bedarfe. Je genauer sie ihren Bedarf beschreiben kann, umso zuverlässiger wird die gegebenenfalls nachzufragende Dienstleistung oder das durchzuführende Verfahren dazu beitragen, dass die Partei zufriedengestellt werden kann. Grundsätzlich ergibt sich ein Bedarf aus dem, was gebraucht wird. Gebraucht wird, was man selbst nicht hat oder herstellen kann.
Die Komplexität wäre kein Thema der Mediation, wenn sich ihre Vielschichtigkeit nicht auch auf den Bedarf (also auf die Frage was wozu gebraucht wird) auswirken würde. Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, müssen verschiedene Bedarfe und Bedarfsebenen unterschieden werden:
- Da ist zunächst der Bedarf für ein Verfahren (Streitbedarf).
- Hinzu kommt der Bedarf in der Sache, der auf eine zufriedenstellende Problemlösung gerichtet ist (Lösungsbedarf).
- Die Unterstützung, die Sie im einen oder anderen Fall benötigen, erschließt die dazu gehörige Dienstleistung (Dienstleistungsbedarf).
Es gibt zwei Ebenen die strikt voneinander zu trennen sind.1 Die eine Ebene betrifft das zu lösende Problem, also den Fall (nachfolgend als Fallebene bezeichnet). Die andere Ebene betrifft den Weg dorthin, also das Verfahren (nachfolgend als Verfahrensebene bezeichnet). Wie sich der Bedarf auf die Dienstleistung auswirkt, wird im Kapitel Bedarf näher erläutert.
Bedarfsermittlung für die Dienstleistung
Ein Bedarf zielt immer auf eine Befriedigung ab. Die Befriedigung wird mit dem Nutzen gleichgesetzt. Zur Auseinandersetzung mit der Nutzenerwartung innerhalb einer Konfliktbeilegung sind folgende Bedarfe zu unterscheiden:
Streitbedarf
Der Streitbedarf betrifft das Verfahren, also die Verfahrensebene.
Die Konflikttheorie beantwortet die Frage, wie überhaupt der Bedarf zur Durchführung eines Streitbeilegungsverfahrens entsteht.
- Variante A
- Die betroffene Partei verficht im Streit einen Standpunkt, der sich zur Position verdichtet hat. Dem Gegner wird vorgeworfen etwas falsch gemacht zu haben. Das muss er in Ordnung bringen.2 Aus irgendeinem Grunde macht er das aber nicht. Deshalb muss er dazu gebracht werden. Weil die betroffene Partei dafür keine legalen Möglichkeiten besitzt, schaltet sie ein Gericht ein, um den Gegner zum Handeln zu zwingen. In dieser Logik bezweckt das Verfahren die Durchsetzung einer Lösung, die sich über das Recht definieren lässt. Das Gerichtsverfahren ist deshalb die logische Konsequenz, wenn es darum geht, eine Lösung durchzusetzen.
- Variante B
- Der Konflikt entwickelt sich wie unter A beschrieben. Allerdings hat die Partei keine Idee davon, wie der Konflikt beizulegen ist. Wenn sie sich dazu bekennt, eine Lösung zu finden, benötigt die betroffene Partei die Kenntnis wo zu suchen ist. Sie benötigt die Metaebene als perspektivische Basis um den Konflikt verstehen zu können.
Formular: Hilfe bei der Verfahrensauswahl Ihre Vor- und Nachteile
Um den Streitbedarf zu ermitteln, fragen Sie sich: Wozu muss ich streiten? Was bringt mir das?
Es braucht machmal leider auch den Gegner, um einen Streit aus der Welt zu schaffen. Wenn er sichj nicht an Gesprächen über mögliche Lösungen beteiligt fragen Sie sich einfach: Brauche ich den Gegner, um den Sterit (für mich) aus der Welt zu schaffen? Kann ich mein Verhalten (Strategie) ändern, um Gespräche zu ermöglichen?3
Wie kann ich den Gegner zum Verhandeln zwingen? Bei der Frage kommt der Gang an ein Gericht ins Spiel. Er sollte die ultima ratio sein. Allerdings sollte man im Blick haben, dass das Gericht auch Weichen in die Mediation stellen kann.
Lösungsbedarf
Der Lösungsbedarf betrifft die Fallebene. Nur wenn der Bedarf bekannt ist, kann eine maßgeschneiderte Lösung hergestellt werden.
Im konventionellen Denken könnte sich ein Zirkelschluss ergeben, wenn die Frage, was die Partei braucht, um die (Fall-)Lösung zu erreichen beantwortet wird mit dem Hinweis:
Eine derartige Anwort zeigt, dass noch das Denken an die Lösung dominant ist und dass die Lösung noch nicht hinterfragt wird. Es wäre die Aufgabe eines guten Beraters darauf hinzuwirken.
Um den Lösungsbedarf zu ermitteln fragen Sie sich einfach: Wozu brauche ich eine Lösung und was soll sie mir einbringen. Im Babysitterfall hatte die Mutter zweifellos im Sinn, den Kontakt des Vaters zum Kind (und wohl auch zu sich selbst) zu unterbinden. Der Vater wollte den Umgang erzwingen. Beides sind in der Sprache der Mediation Lösungen. Der Bedarf schaut auf die damit einhergehende Befriedigung. Und schon fallen die Antworten anders aus, wenn Sie fragen, was hab ich davon. Dann lautet die Antwort etwa: Dann hab ich meine Ruhe, dann kann ich mein eigenes Lebene leben, dann fühle ich mich nicht mehr missbraucht (ausgenutzt) usw. Die Wirkung des Wortes missbrauchen deutet darauf hin, dass dre eigentliche Nutzen auf dieser Eeben zu finden ist.
Dienstleistungsbedarf
Der Bedarf nach fremder Hilfe, also der Dienstleistungsbedarf, kann sich auf den Streitbedarf und den Lösungsbedarf erstrecken.
Die Frage nach der Dienstleistung orientiert sich an der Verfahrenswahl. Um den Zusammenhang zu verdeutlichen, sollen zwei unterschiedliche Herangehensweisen vorgestellt werden:
- Variante A
- Wenn der Weg in ein Gerichtsverfahren führt, benötigt die Partei alles was man braucht um ein Gerichtsverfahren erfolgreich durchzuführen. In erster Linie ist das natürlich die Rechtskenntnis, aber auch das Wissen über das Verfahren, den Umgang mit dem Gericht usw.
- Variante B
- Wenn es darum geht, eine Lösung zu finden, muss der Dienstleister zu einer effizienten Suche verhelfen können. Er muss sich auf die Parteien und deren Bedürfnisse einlassen können, ein Konfliktverständnis aufbringen und eine Metaebene abbilden können, die dazu beiträgt, dass die Parteien alle Informationen und Erkenntnisse bekommen, um die Lösung finden zu können.
Formular: Hilfe bei der Wahl der passenden Dienstleistung
Um den Diensteistungsbedarf zu ermitteln fragen Sie sich: Was kann ich selbst erledigen und wo brauche ich Hilfe, damit ich es selbst kann.
Der unerkannte Nutzen
Aus irgendeinem Grund wird der Gedanke an den Nutzen ständig von dem Gedanken an die Lösung verdrängt, als wäre die Lösung gleichbedeutend mit dem Nutzen.4 Das ist sie nicht. Die Lösung lässt offen, ob sie wirklich nützlich ist für Sie. Mit dem Gedanken an die Lösung verschiebt sich auch die Vorstellung über den Bedarf. Wie lässt sich der Bedarf erkennen, wenn der Fokus auf ein Ergebnis gerichtet wird und nicht auf den Nutzen.
Die Tragik der Lösungsorientierung
Die Mediation verwendet eine ganze Phase, um den Nutzen zu ermitteln. Eine differenzierte Analsyse des Bedarfs erfordert wieder die Unterscheidung zwischen der Fallebene und der Verfahrensebene.
Nutzen auf der Fallebene
Dieser Grundsatz gilt zumindest dann, wenn die Lösung darauf abzielen soll, eine Befriedigung herzustellen. Der fallbezogene Lösungsbedarf erschließt sich über das Interesse an der Lösung. Er betrifft die Fallebene. Das Interesse ergibt sich aus dem Motiv und beschreibt die gewünschte Befriedigung als den zu erwartenden Nutzen. Typische Fragen zur Nutzenermittlung sind:
Der so ermittelte Nutzen ergibt die Kriterien für die Lösung, indem er die konfliktfreie (konfliktüberwundene) Zukunft beschreibt. In der Mediation erfolgt dieser Arbeitsschritt in der 3.Phase. Die Lösung besagt, wie diese Zukunft herzustellen ist. Dieser Arbeitsschritt erfolgt in der Mediation in der 4.Phase. Die Lösung muss sich an den Nutzenkriterien der 3.Phase messen lassen.
Nutzen auf der Verfahrensebene
Üblicherweise wird die Frage nach dem Nutzen (wenn überhaupt) außerhalb des Verfahrens gestellt. Meistens wird ein Nutzen unterstellt. Die Nutzenerwartung ist eine Frage, mit der sich die Parteien gegebenenfalls mithilfe der Berater in jedem Fall auseinanderzusetzen haben.5
Die Frage nach dem passenden Verfahren beantwortet die Frage nach dem Nutzen auf der Verfahrensebene. Sie sollte mit der Nutzenerwartung einhergehen und beschreiben, wie sie zu verwirklichen ist. Die Mediation hinterfragt den beiderseitigen und gemeinsam Nutzen innerhalb des Verfahrens. Die Erwartung, dass das Verfahren zu einer Befriedigung führt ist deshalb in der Mediation dramatisch höher als in anderen Verfahren. Um diesen Eindruck zu belegen, helfen allgemeingültige Kriterien, die Vor- und Nachteile der Verfahren und ihre Nützlichkeit gegeneinander abzuwägen.
Wer sich auf die Mediation einlässt, könnte die Frage nach der Lösung und ihrem Nutzen zurückstellen. Die Fragen werden in der Mediation behandelt. Die Mediation generiert die Lösung aus dem Prozess. Es ist deshalb korrekt, wenn ein Mediator zu Beginn der Mediation noch keine Idee hat, wie die Lösung aussehen könnte. Dafür weiss die Partei, wenn das Verfahren abgeschlossen ist, dass die in der Mediation gefundene Lösung auch funktioniert.
Was tun wenn ...
- Die Partei kennt ihre Bedürfnisse nicht
- Die Partei vertritt keine Position (hat keinen Standpunkt)
- Die Partei kennt nicht den Bedarf für eine Konfliktbeilegung
- Weitere Empfehlungen im Fehlerverzeichnis oder im Ratgeber
Verfahrensstand
Im Babysitterfall haben die Parteien erkannt, dass Sie selbst die Lösung finden müssen. Dazu brauchen Sie Hilfe. Sie möchten erkennen können, wie sie eine Lösung finden, mit der sie beide und vor Allem das Kind gut zurecht kommen. In einem Punkt sind sie sich einig: Sie würden alles dafür tun, dass es dem Kind gut geht. Eine Idee, wie das Problem im Interesse aller zu lösen ist, haben sie nicht. Im Gegenteil: sie glauben, eine Lösung außerhalb des Streites sei gar nicht möglich!
Sie merken, dass unsere Reise mehr und mehr ins Innere des Menschen führt. Das ist es, was die Reise durch die Konfliktbeilegung so spannend macht. Wenn Sie am Ziel ankommen, haben Sie auch viel über sich selbst entdeckt.
Klicken Sie auf den Fahrschein, um zur nächsten Station zu gelangenEine Liste der Fragen und Entscheidungen entlang der Konfliktbeilegung finden Sie in der Zusammenfassung
Quellenangaben: Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen
Alias: Nutzenerwägung, Streitbedarf, Lösungsbedarf, Dienstleistungsbedarf