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Der Grundsatz der Offenheit

Wissensmanagement » Diese Seite gehört zum Fachbuch Mediation in der Wiki-Abteilung Wissen. Sie befinden sich auf der Unterseite zum Kapitel Grundsätze, das zum 4. Buchabschnitt Prozess gehört.

Grundsätze Offenheit Informiertheit Freiwilligkeit Vertraulichkeit Verschwiegenheit

Worum es geht: Die Offenheit ist eines der wichtigsten Prinzipien der Mediation. Trotzdem wird sie im Mediationsgesetz nicht erwähnt.1 Die Offenheit ist nicht nur ein Grundsatz, sondern auch eine Eigenschaft des Verfahrens, die sich aus dem Wesen der Mediation ableiten lässt. Auch wenn dieser Grundsatz im Gesetz nicht erwähnt wird, muss der Mediator wissen, was sich dahinter verbirgt.

Einführung und Inhalt: Der Grundsatz und die Eigenschaft der Offenheit soll zwei wichtige Zwecke in der Mediation erfüllen:

  1. Die Parteien sollen über alles reden können
  2. Die Parteien sollen über alles (nach-)denken können

Die Offenheit ist ein Garant dafür, dass die Parteien Lösungen finden, an die sie vorher nicht gedacht haben. Sie wird als ein Grundsatz formuliert, damit sichergestellt wird, dass die beiden zuvor erwähnten Anforderungen erfüllt werden.

  Das ist ein Grundsatz der Mediation
Mediationsgrundsätze sind grundsätzlich zu beachten. Dabei sind Regeln einzuhalten. Eine Verletzung der Grundsätze kann eine Pflichtverletzung begründen und zur Haftung führen.

Warum sollen die Parteien über alles reden können?

Die Parteien können ihre Probleme nur lösen, wenn sie darüber sprechen. Probleme, die sich ohne Gespräche lösen lassen, erfordern keine Mediation. Darüber hinaus können auch nur die Interessen berücksichtigt werden, die zur Sprache kommen. Das Gespräch ist ein wesentlicher Bestandteil der Verstehensvermittlung. Um den Gesprächsbedarf zu erkennen, bietet sich die Unterscheidung zwischen der Gesprächsoffenheit, der Konfliktoffenheit und damit einhergehend, der Themen- und der Lösungsoffenheit an.

Die Gesprächsoffenheit

Die Gesprächsoffenheit korrespondiert mit der Vertraulichkeit; genauer gesagt mit dem Vertrauen in die Möglichkeiten eines fruchtbaren Gesprächs und dem Gefühl von Sicherheit, dass die Bereitschaft, sich im Gerpäch zu öffnen, nicht missbraucht werden wird. Die Vertraulichkeit soll die Offenheit ermöglichen, wobei es auf die Offenheit letztlich ankommt. Sie ist einzufordern, damit die Parteien ihre mitunter intimen Interessen und Bedürfnisse äußern und alle Informationen einbringen, welche es ihnen ermöglichen, einander interessenorientierte Angebote zu unterbreiten. Wichtig ist, dass die Parteien „ins Unreine“ denken können, dass sie Gedanken entwickeln dürfen, die sie nicht gleich auf irgendetwas festnageln, das sie besser nicht gesagt hätten.

Die Konfliktoffenheit

Die Interessen verbergen sich oft unerkannt hinter den Konflikten. Um sie zu ergründen, ist es also auch erforderlich, dass die Parteien über den Konflikt sprechen können. Das Gespräch hat also nicht nur eine sachliche, sondern auch eine persönliche, psychologische Komponente, die den Parteien ein Konfliktbekenntnis ermöglichen soll. Mit dieser Anforderung geht das Gespräch gegebenenfalls auf die Bedürfnisse ein. Oft sind Interventionen erforderlich, um ein offenes Gespräch über die persönlichen Konflikte zu ermöglichen und Blockaden aufzulösen.

Die Themenoffenheit

Der Umfang der geschuldeten Offenheit verhält sich stets relativ zu den notwendigerweise einzubringenden Informationen. Sie ergeben sich aus dem Grundsatz der Informiertheit. Das bedeutet: Wo es keine schützenswerten Informationen gibt, bedarf es keiner Offenheit. Offenheit wird möglich, wenn die Medianden das Gefühl haben, dass Ihnen zugehört wird. Wenn sie Interesse und Aufmerksamkeit spüren, die Ihnen entgegengebracht werden. Sie ist der wesentliche Faktor in einer Mediation. Oft melden die Medianden am Ende der Mediation zurück: „Es hat gut getan, einmal sagen zu können, was mir auf dem Herzen lag und zu wissen, dass mir zugehört wurde“. Diese Rückmeldung ist umso bemerkenswerter, als das Zuhören aus der Konsumentensicht oft mehr herausgestellt wird als das sich Einigwerden.

Die Lösungsoffenheit

Die Lösungsoffenheit soll sicherstellen, dass die Parteien ihre Gedanken nicht auf eine Lösung fixieren. Nur wenn sie sich gedanklich davon lösen sind sie in der Lage, über die Lösung nachzudenken und anderen Lösungen gegenüberzustellen. Lösungen, an die sie möglicherweoise noch gar nicht gedacht haben. Wenn diese Gegenüberstellung dazu führt, dass die ursprünglich vorgestellte Lösung die richtige ist, werden sich die Parteien noch überzeugter fühlen, sich für diese Lösung zu entscheiden.

Warum sollen die Parteien denken können?

Mit der Aufforderung, über alles nachzudenken, wird die Ergebnisoffenheit angesprochen. Wer auf eine Position fixiert ist, wird kaum in der Lage sein, Gedanken zu entwickeln die zu einem anderen Ergebnis führen. Die Lösungs- oder Ergebnisoffenheit hat also einen kognitiven Aspekt.2 Sie ist zugleich die Voraussetzung, wie die Konsequenz der Gedankenfreiheit. Die Ergebnisoffenheit beschreibt die Bereitschaft, sich von den Positionen zu lösen, um andere (natürlich bessere) Ergebnisse annehmen zu können. Die Ergebnisoffenheit wird oft als ein weiteres Prinzip der Mediation benannt. Genau betrachtet ist sie aber kein Prinzip, sondern ein Wesensmerkmal der Mediation. Sie ist eine logische Konsequenz aus der Zielsetzung, eine Lösung zu finden. Die Suche setzt zumindest eine gewisse Ergebnisoffenheit voraus, wobei es völlig genügt, ein noch besseres Ergebnis finden zu wollen als das, was man sich gerade vorstellen kann (als die angenommene Position). Die Ergebnisoffenheit verwirklicht sich im Kognitionsmodell, wo die Gedanken an Lösungen (Phase vier) strikt von den Positionen (Phase zwei) und den Interessen, also den Motiven (Phase drei), getrennt werden. Die Ergebnisoffenheit beschreibt somit nicht nur eine Voraussetzung, sondern bedingt auch den Weg der Mediation. Zum anderen verdeutlicht sie die Zielvorgabe, bei der es um die Suche nach einer Lösung geht. Die Suche erübrigt sich, wenn die Parteien nicht ergebnisoffen sind.

Wie wird die Offenheit ermöglicht?

Sowohl die Ergebnisoffenheit wie die Gesprächsoffenheit werden bereits zu Beginn der Mediation bei ihrer Initialisierung angesprochen. Die Ergebnisoffenheit fließt in die Zielvereinbarung ein. Die Zielvereinbarung impliziert die Suche nach einer Lösung. Die Suche wäre überflüssig, wenn das Ergebnis bereits feststünde. Die Gesprächsoffenheit wird mit der Vertraulichkeit angesprochen. Die Mediation wird zu einem geschützten Gesprächsraum deklariert, der sich strategisch von der Konfrontation abgrenzt. Der Mediator könnte die Offenheit wie folgt einführen:

Es geht darum, eine Lösung zu finden, mit der Sie alle zufrieden sind. ... Bei der Suche nach der optimalen Lösung sollen Sie Ihre Gedanken frei entwickeln können, ohne dass daraus ein Nachteil entsteht. Nur wenn Gedanken erlaubt sind, können sie sich entwickeln und nur wo sie sich entwickeln können, lassen sich optimale Lösungen finden. ... Dabei kommt es darauf an, dass Sie die Gedanklen auch äußern können. Betrachten Sie die Mediation bitte wie einen geschützten Gesprächsraum, wo Ihnen nichts nachgetragen wird. Alles, was Sie sagen, bleibt in diesem Raum und darf nicht gegen Sie verwendet werden. ...

Gibt es einen Anspruch auf Offenheit?

Ohne den konkreten Anlass wäre die Frage der Einklagbarkeit des Prinzips der Offenheit gar nicht angesprochen worden. Es scheint dafür jedoch einen Bedarf zu geben. In dem konkreten Fall versuchte ein Anwalt, die Informationspflicht der Gegenseite aus dem Grundsatz der Offenheit herzuleiten, um einer Partei einzureden, dass sie daraus einen Schadensersatzanspruch herleiten könne.3 Der Anwalt argumentierte, dass die Offenheit eine Pflicht zur Aufrichtigkeit, Wahrhaftigkeit und Vollständigkeit umfasse. Natürlich würde ein Verstoß gegen diese Pflicht eine Haftung begründen. Die Argumentation des Anwalts verkennt den Grundsatz der Offenheit. Es kann dazu keine Pflicht geben. Sie wäre spätestens durch den weiterreichenden Grundsatz der Freiwilligkeit beschränkt. Wenn sich die Gegenpartei auf eine derartige Pflicht beruft, muss sie im Mediationsvertrag oder in der Mediationsdurchführungsvereinbarung explizit festgelegt werden. Selbst eine Pflicht zur Information lässt sich aus dem Prozessrecht nicht herleiten. §2 Abs. 6 Mediationsgesetz verpflichtet lediglich den Mediator im Falle einer Einigung, darauf hinzuwirken, dass die Parteien die Vereinbarung in Kenntnis der Sachlage treffen. Die Entscheidung über den Informationsumfang verbleibt auch in dem Fall bei den Parteien. Welche Informationspflichen bestehen, ergibt sich aus dem materiellen Recht. In vielen Fällen gibt es Auskunftsansprüche. Wenn eine Partrei falsche Angaben macht und eine Zustimmung durch Täuschung herbeiführt, kann die Willenserklärung der getäuschten Partei angefochten werden. Gegebenenfalls ist sie auch unter dem Gesichtspunkt des Betruges zu bewerten. Die Haftung des Mediators muss auf eine Pflichtverletzung zurückzuführen sein. Sie könnte sich ergeben, je nachdem, wie der Mediator mit der Informationslücke umgeht.

Welche Konsequenzen hat die Verschlossenheit?

Die Verschlossenheit ist die Verletzung der Offenheit. Zumindest kann sie es sein. Die Parteien müssen sich im Klaren sein, dass alles, was nicht offen angesprochen wird, auch nicht ausgeräumt werden kann. In dem Bewusstsein ist es die Entscheidung der Parteien wie weit sie sich öffnen wollen und können. Der Mediator kann gegebenenfalls helfen, indem er eine Gesprächssituation herstellt, die ein offenes Gespräch ermöglicht. Gibt es Einschränkungen, weil Konflikte tabuisiert werden oder weil Parteien bestimmte Themen ausklammern möchten, ist zu hinterfragen, welche Klärungsmöglichkeiten der verbliebene Gesprächsraum noch hinterlässt. Konsequenterweise wird in dem Fall nicht der gesamte Konflikt, sondern nur ein Teil davon gelöst. Die Gründe für die Verchlossenheit können auch strategischer Natir sein.

Bedeutung für die Mediation

Sowohl die Ergebnisoffenheit wie die Gesprächsoffenheit sind unerlässliche Voraussetzungen für das Gelingen der Mediation. Sie müssen (und können) nicht immer bereits von vorneherein vorliegen. Es genügt, wenn sich die Parteien dazu bekennen. Dass sie ihr Bekenntnis in die Realität umsetzen hängt von der Art und Weise ab, wie die Mediatiomn geführt wird und ob sich das dafür notwendige Vertrauen aufbauen lässt.

Es gibt strategische und persönliche Gründe, die die Parteien daran hindern, ihre Gedanken zu öffnen. Wer die Mediation als einen kognitiven Prozess begreift, erkennt die vielen kleinen Hilfestellungen die die Mediation auf dem Weg zu einer offenen alle Aspekte des Konfliktes erfassenden Lösung zur Verfügung stellt. Das Vertrauen spielt eine wichtige Rolle zur Herstellung der Offenheit. Der Mediator sollte also darauf achten, dass die Parteien einmal darauf vertrauen können, dass ihre Informationen nicht missbraucht werden. Zum anderen sollten Sie darauf vertrauen können, dass sich eine Lösung findet, mit der alle zufrieden sind.

Was tun wenn ...

Hinweise und Fußnoten
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Bearbeitungsstand: 2024-09-19 20:22 / Version 39.

Aliase: Offenheit, Ergebnisoffenheit
Siehe auch: Trossen (un-geregelt)
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Seite zuletzt geändert am Dienstag November 5, 2024 10:28:48 CET.

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