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Das Clearingverfahren

Wissensmanagement » Diese Seite gehört zum Fachbuch Mediation in der Wiki-Abteilung Wissen. Sie befinden sich auf der Seite Clearing, die eine Unterseite zum Kapitel Verfahrensauswahl im Kapitel Verfahren des Abschnitts Systematik im Fachbuch Mediation zugeordnet ist.

Verfahrensauswahl Clearing Nachfrageprozess Konfliktnavigator Entscheidungshilfe

Worum es geht: Die Verfahrensabgrenzungen haben gezeigt, dass es mehrere Verfahren gibt, die sich in unterschiedlichen Dienstleistungen auffächern. Der Konsument kann diese Verfahren ganz sicher nicht auseinanderhalten. Selbst der Profi tut sich damit schwer. Ein vorgeschaltetes, unabhängiges Verfahren, das den Weg in die passende Dienstleistung bzw. in das passende Verfahren aufzeigt, bietet einen Lösungsansatz.

Einführung und Inhalt: Eigentlich wäre es die Pflicht eines jeden Dienstleisters zu prüfen, ob und inwieweit er zuständig ist für die Bearbeitung der gewählten Konfliktbeilegung. Ganz nach der Formel von Maslow, wer gelernt hat mit dem Hammer umzugehen, für den ist jedes Problem ein Nagel, wird er seine Zuständigkeit bejahen. Die Frage ist und bleibt, ob er eine Dienstleistung auch gegenüber anderen möglichen und gegebenenfalls noch effektiveren Leistungen abgegrenzt hat.

Der Anlass

In jeder Kultur gibt es eine Instanz, an die man sich wenden kann, wenn ein Konflikt aufkommt. Meist sind es die Weisen und Dorfältesten. Früher wandte man sich an den Pfarrer oder den Großvater. In der modernen Gesellschaft treten diese Instanzen in den Hintergrund, sodass die Konfliktparteien kaum eine andere Wahl haben, als sich direkt an einen professionellen Dienstleister zu wenden. Anders als die kulturellen Instanzen hat der professionelle Dienstleister jedoch ein monetäres Interesse daran, seine Hilfe anzubieten. Das ist in keiner Weise zu kritisieren, zumal eine professionelle Dienstleistung im Konflikt effizienter sein kann, als der Rat eines Freundes, der im Zweifel gar nicht den Überblick hat, welche Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Deshalb bietet das Wiki auch Startseiten für Freunde und Bekannte an, wo sie sich informieren köännen, wie sie mit einen effizienten Rat zur Konfliktbeilegung beitragen können.

Startseiten für unterschiedliche Zielgruppen und Bedarfe

Der Weg in die Konfliktbeilegung wird unbemerkt oft unbewusst getroffen. Dazu das folgende Beispiel:

Beispiel 11578 - Die Konfliktpartei setzt sich mit dem Konflikt auseinander. Sieht sie in sich selbst den Grund für den Konflikt, wird sie zu einem Therapeuten gehen. Sieht sie den Grund in der anderen Konfliktpartei, wird sie sich an einen Anwalt wenden. Sowohl der Therapeut, wie der Anwalt werden sich zuständig fühlen und bestätigen, dass die Partei bei ihnen richtig ist. Der weitere Verlauf des Konfliktes ist ganz nach dem Motto von Maslow, "Wer gelernt hat mit dem Hammer umzugehen, für den ist jedes Problem ein Nagel".


Gerade um das Hammer und Nagelphänomen in der Metapher von Maslow zu überwinden, muss sich auch der professionelle Konfliktdienstleister die Frage gefallen lassen, ob er den Konflikt in seiner gesamten Bandbreite und Komplexität erfasst und ob er überhaupt weiß, wozu andere Dienstleister in der Lage sind.

Beispiel 11579 - Weiß ein Rechtsanwalt beispielsweise genau was ein Therapeut zu leisten vermag? Weiß ein Therapeut, dass ein Rechtsanwalt nicht nur dafür da ist, den Gegner zu besiegen?

Die Weichenstellungen

Wenn von den Verfahren zur Konfliktbewältigung die Rede ist, werden meist die sogenannten triadischen Verfahren angesprochen, wo ein neutraler Dritter, also der Richter der Schlichter der Mediator oder der Moderator eingeschaltet wird. Wenn der Verfahrensbegriff wie hier jedoch weiter gefasst wird und auch die sogenannten dyadischen Verfahren einbezogen werden, dann richtet sich auch der Blick auf die Beratung, die Therapie, die Begleitung und die Vertretung. Auch hier geht es um eine Unterstützung, die eine spezifische Vorgehensweise bei der Konfliktbeilegung erwartet. Spätestens der Berater muss die Weichen in die optimale Konfliktbeilegung stellen. Um das zu tun, muss er sich auf die Bedürfnisse der Konfliktpartei einlassen, Ihre Bedarfe identifizieren und die Möglichkeiten ausloten, die der Partei den maximalen Nutzen einbringt. Die Frage ist nicht immer leicht zu beantworten, wenn viele Wege nach Rom führen und sich alle Probleme wie Nägel behandeln lassen.

Hinzu kommt, dass die Partei oft auch gar nicht so genau das Problem und noch weniger den im Hintergrund schwelenden Konflikt benennen kann. Jetzt ist es bereits an der Zeit, die auf den Nutzen gerichteten Kompetenzen der Mediation methodisch einzusetzen. Menschen neigen dazu, nach Lösungen und Gründen zu suchen. Nicht immer ist dieser Ansatz zielführend, denn weder Lösungen noch Gründe führen den eigentlich erwarteten Nutzen herbei. Wie bereits im Zusammenhang mit dem Entscheidungsprozess dargelegt hängt sehr davon ab, worauf der gedankliche Fokus gelenkt wird. Richtet er sich auf ein Ergebnis, eine Lösung oder den Nutzen?

Wenn sich der Fokus auf ein Ergebnis oder eine Lösung richtet, kann der Abgleich zum Nutzen beispielsweise wie folgt hinterfragt werden:

Beispiel 14739 - Der Dienstleister fragt die Partei: „Stellen Sie sich vor, Sie bekommen was sie wollen. Der Richter gibt Ihnen recht und sie gewinnen den Prozess. Haben Sie jetzt alles was sie brauchen? Ist die Welt jetzt wieder in Ordnung für Sie?"


Ein anderer Einstieg, die richtigen Weichen in die Konfliktbeilegung zu stellen und das passende Verfahren auszuwählen, liefert das Streitkontinuum. Anhand der dort hinterlegten Dimensionen ergeben sich Anhaltspunkte für das zu wählende Verfahren. Ein Verfahren, das sich beispielsweise nur auf die Fakten einlässt, doch die Emotionen ignorieren. Ein Verfahren, das sich nur auf die Bedürfnisse einlässt, mag die Fakten ignorieren. Besondere Anforderungen ergeben sich an die Konfliktbeilegung, wenn das Verfahren alle Dimensionen des Streitkontinuums abdecken soll. Der Wiki to Yes Konfliktnavigator versucht noch detaillierter die zum Konflikt passende Dienstleistung herauszufiltern. Er mag von den Parteien ebenso wie von den Dienstleistern benutzt werden.

Das Streitkontinuum Konfliktnavigator

Erst dann, wenn die Konfliktsituation korrekt eingeschätzt wird, lassen sich die Kriterien für die Wahl des passenden Verfahrens herausbilden. Die Vor- und Nachteile der zu wählenden Verfahrensprototypen können dann gegenübergestellt werden.

Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile der Konfliktbeilegungsverfahren

Die Vorlage

Ein Bewusstsein darüber, dass das Gericht möglicherweise die falsche Anlaufstelle ist, hat sich über das Multidoor Courthouse, die Cochemer Praxis oder das Altenkirchener Modell herausgestellt. Es gibt sicher noch andere Beispiele, wo die Interdisziplinarität der Konfliktbeilegung in den Vordergrund gestellt wird. Das Multidoor Courthouse ist jedoch ein zeitlich vorgelagertes international beachtetes Modell, wo die weiche in andere Dienstleistungen oder Verfahren jenseits des Gerichts innerhalb des Gerichtsverfahrens erachtet wurde. Bemerkenswert ist jedoch dass alle hier genannten Beispiele ein bereits anhängiges Gerichtsverfahren voraussetzen. Die Frage ist also, ob und wie es möglich ist den Umweg in die passende Konfliktbeilegung über das Gericht zu vermeiden.

Das Konzept

Clearing

Wenn der Verfahrensbegriff ganz weit ausgelegt wird, fallen darunter nicht nur die Verfahren der triadischen Instanz, wo also ein Richter, Schlichter oder Mediator beteiligt ist, sondern auch der dyadischen Instanz, wo es um die Auswahl eines Beraters geht. Alle Verfahren stellen eine Wegbegleitung bei der Konfliktlösung dar. Es gibt viele Wege nach Rom. Welcher ist aber der Weg, der den Wnderer am besten zum Ziel führt? Um diese Frage zu beantworten, muss man die Verfahren und Möglichkeiten kennen, die zur Verfügung stehen.

Die Clearinginstanz

Es ist wichtig, dass das Clearingverfahren von einer nicht in das Verfahren involvierten, unabhängigen Stelle oder Person durchgeführt wird. Bei dem Verfahren geht es um nichts anderes, als darum, herauszufinden, welches Vorgehen bzw. welches Verfahren mit welcher Dienstleistung im Interesse der Parteien am besten abgewickelt werden kann. Dazu muss sie den Konflikt korrekt analysieren, den Bedarf erkennen, die Möglichkeiten der Konfliktbeilegung vorstellen, die Dienstleistung identifizieren und die Kriterien für die Auswahl des dafür am besten geigneten Verfahrens und Dienstleisters offenlegen.

In Deutschland sind solche weichenstellenden Verfahren eher unbekannt. Mit dem Gesetz zur Förderung der Mediation, konkret zum Beispiel in § 235 ZPO wurde versucht, die Anwälte als Verfahrensberater zu zwingen, sich über die Möglichkeit der Mediation anderer Verfahren der Konfliktbeilegung Gedanken zu machen und diese Frage in die Beratung mit einzubeziehen.

Im Ausland gibt es solche Clearingsverfahren oft als eine Schnittstelle, die im Gericht vorgehalten wird, damit die Partei zwischen Gerichtsverfahren und Mediation wählen kann. Wenn der Richter meint, das Verfahren sei für eine Mediation geeignet, sendet er die Akte an die Clearingstelle, die mit den Parteien Kontakt aufnimmt, die Möglichkeiten der Mediation bespricht, Zustimmung einholt und dann erst die Sache dem (Gerichts-)Mediator vorlegt.

Die Notwendigkeit zur Einschaltung einer Clearingstelle endet nicht bei der Verfahrensauswahl. Die Beratung ist rekursiv und erwartet eine Rück- und Erfolgsmeldung, wenn das Verfahren, zu dem geraten wurde, abgebrochen oder erfolgreich beendet wurde. Ideal wäre es also, wenn die Clearingberatung über die gesamte Konfliktbeilegung verfügbar ist.

Grafische Darstellung zum Einsatz einer Clearingstelle
(c) Win-Management, Arthur Trossen

Die Idee, dass der Konflikt mit nur einem Verfahren beigelegt werden, trifft nicht immer zu. Eine Mediation kann scheitern. Sie geht dann wohin zurück oder mündet in welches Verfahren? Das Scheitern kann auch verhindert werden, indem die Unterstützung, die ein anderes Verfahren anbieten kann, durch die Kombination von Verfahren einbezogen wird. Es macht also Sinn, das Clearing nicht nur an den Anfang, sondern auch an das Ende eines Verfahrens zu stellen und gegebenenfalls sogar daneben bestehen zu lassen, sodass die auf der Metaebene zu treffende Entscheidung über den richtigen Weg permanent möglich ist.

Die Alternativen

Das Wissen über die optimale Konfliktbeilegung ist vorhanden. Streng genommen müsste jeder Dienstleister, der um eine Hilfe im Konflikt gefragt wird ein Clearing durchführen. Danach würde es nicht genügen, die Eignung der eigenen Dienstleistung zu prüfen. Sie müsste auch gegen die Eignung anderer Dienstleistungen abgegrenzt werden und eine Verfahrensberatung beinhalten.

Für die Suche nach dem optimalen Weg durch den Konflikt hat sich der Begriff Konfliktnavigator etabliert. Wenn Sie im Internet nach diesem Begriff suchen, werden etwa 4000 Treffer angezeigt.1 Oft wird der Begriff Synonym für Empfehlungen bei der Streitbewältigung verwendet. Es gibt allerdings auch Angebote, die eine interaktive Konfliktanalyse und daraufbezogener Empfehlungen herausarbeiten.2 Viele der Angebote sind kostenpflichtig. Manche sind thematisch eingegrenzt.3 Wiki to Yes hat das Bedürfnis nach einer interaktiven Konflikthilfe erkannt, weshalb das Projekt Konfliktnavigator gestartet wurde.4

Konfliktnavigator (Start)

Es gibt weitere unabhängige Bemühungen, den Parteien bei ihren ersten Schritten in die Konfliktbeilegung zu helfen. Wiki to Yes führt ein Verzeichnis von Anlaufstellen, wo sich die Parteien über den Konflikt und den besten Weg in die Konfliktbeilegung inform ieren können.

Erste Hilfe im Konflikt Verzeichnis der Anlaufstellen

Bedeutung für die Mediation

Der Betroffene muss sich für ein Verfahren entscheiden, ehe er den Dienstleister identifizieren kann. Wenn er zu einem Diensteliter geht, ist die Frage ob er die anderen Möglichkeiten überhaupt kennt und empfehlen würde. Hier kommt das Maslow'sche Prizip: "Wer gelernt hat, mit dem Hammer umzugehen, für den ist jedes Problem ein Nagel", zur Geltung. Der angesprochene Dienstelster wird sich für zustänidg erklären. Es bestehen Zweifel, ob eine konflikbetroffene Partei einen Service verstehen würde, der in die "richtige" Konfliktbeilegung führt geschweige denn, dass sie dafür bezahlt. Deshalb wäre es sinnvoll, eine neutrale Instanz zur Verfügung zustellen, die Entscheidungshilfe bietet.

Unabhängig davon sollte der Mediator oder die Mediatorin (wie eigentlich jeder Dienstleister) seine Zuständigkeit in Abgrenzung zu anderen Möglichkeiten der Konfliktbeilegung prüfen. Die Durchführung eines Clearings zählt zu den Aufgaben des Mediators.5

Was tun wenn ...

Hinweise und Fußnoten

Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen. Zitiervorgabe im ©-Hinweis.

Bearbeitungsstand: 2024-03-14 10:02 / Version 30.

Aliase: Clearingverfahren
Siehe auch: Screening, Konfliktnavigator, Altenkirchener Modell
Prüfvermerk: -

1 Suchlauf am 29. Juni 2021
2 Siehe z.B. Verlinkung, dort unter "Linkfilter" nach "clearing oder "konfliktnavigator" suchen.
3 Siehe z.B. den {trackerautoritem trackerId="16" fieldId="105" fieldId2="622" itemId="11413"}
4 Siehe {trackerautoritem trackerId="48" fieldId="399" fieldId2="400" itemId="11414"}
5 Die Aufgabe ist im Aufgabenverzeichnis erfasst unter Clearing durchführen


Based on work by Arthur Trossen und anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Donnerstag November 14, 2024 11:15:17 CET.

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