Die Verstehensvermittlung
Wissensmanagement » Sie befinden sich auf der 3. Station der Konfliktbeilegungstour in der Abteilung Praxis.
Hier geht es um die Vermittlungsmöglichkeiten und um den Vermittlungsbedarf.
Ihre Reise durch eine Konfliktbeilegung: Wir befinden uns auf der dritten Station unserer Tour durch die Konfliktbeilegung. In dieser Station der Reise geht es um die Suche nach dem Weg, der die beste Lösung verspricht und dem Verfahren, das dieses Versprechen realisiert. Was ist aber die beste Lösung? Ideal wäre es, wenn sie sich am Nutzen orientieret und alles in Betracht ziehen kann, das den Nutzen verwirklicht. Die Voraussetzung dafür ist ein umfassendes Verstehen. Wer alles versteht, trifft stes die besten Entscheidungen.
Das Recht ist doch auf meiner Seite!
Fahrplan 4. Station: NutzenerwägungLeider stimmen die Parteien bei der Frage, wer was versteht, was rechtens ist und wer die Wahrheit kennt, nicht immer überein. Würden sie darin übereinstimmen, könnten sie selbst die Lösung des Problems aushandeln. Möglicherweise haben sie das sogar versucht, ehe sie zum Anwalt oder zum Gericht gegangen sind. Sie mussten jedoch feststellen, dass der Versuch gescheitert war oder hielten ihn erst gar nicht für möglich.
Die Bedeutung des Einvernehmens
Im Einvernehmen lässt sich alles regeln.1 Ganz abgesehen davon, dass sich im Einvernehmen tragfähigere Lösungen finden lassen, verbilligt das Einvernehmen auch den Weg dorthin. Die Auseinandersetzung mit den Konfliktkosten hat gezeigt, dass im Einvernehmen nur die bedarfsabhängigen Leistungen in Anspruch genommen werden. Im Streit sind es die streitabhängigen Leistungen. Ein Einvernmehmen ist sicher die vernünftigste Lösung. Aber wie ist es möglich, selbst wenn es gewollt wäre? Oft verzweifeln die Parteien daran, dass die Gegenseite von ganz anderen, aus ihrer Sicht falschen Voraussetzungen ausgeht. Sie wundern sich, warum die Gegenseite das nicht einsehen mag. Weil die Sache doch so klar ist, muss es an ihrer Boshaftigkeit liegen. Alle Versuche, den Gegner von den eigenen Standpunkten und der sich daraus ergebenden Lösung zu überzeugen, scheitern. Von außen betrachtet wird zunächst lediglich deutlich, dass sich beide Parteien nicht verstehen. Irgend etwas hindert sie daran.
Wenn Argumente nicht genügen, ist Druck das Naheliegende, um eine Lösung durchzusetzen.
Wie sagte Erlkönig in Goethes Ballade noch gleich?
Gewalt schafft weder ein Einsehen noch eine Einwilligung. Ihr Ziel ist die Unterwerfung des Gegners. Ihr Mittel ist die Vernichtung. Ob sie auf kurze Sicht leistbar und auf lange Sicht nützlich ist, sollte hinterfragt werden. Es gibt einen anderen Weg. Ein auf Verstehen basierendes Einsehen kann vermittelt werden. Das wäre ein Auftrag der Mediation. Leider halten viele Menschen die Verstehensvermittlung für unrealistisch. Sie verkennen die Möglichkeiten der Mediation.
Was vermittelt der Mediator?
Das Ziel der Mediation ist eine volle Informiertheit, sodass die Parteien alles in Betracht ziehen können, was zur Lösung beiträgt. Dazu zählen nicht nur die Rechtsfragen. Auch die Bedürfnisse und Befindlichkeiten spielen eine Rolle und nicht zuletzt auch die nachzuvollziehenden Sichtweisen der Parteien. Die Verstehensvermittlung ist ein kleinschrittiger in sich logischer Prozess. Sie beginnt mit der Entscheidung für den richtigen Weg, was der Auswahl des Verfahrens entspricht. Um diese Auswahl treffen zu können, müssen die Parteien wissen, womit sich die Verfahren überhaupt auseiandersetzen.
Bei der Mediation geht es um die zur Lösung führende Verstehensvermittlung im Streit. Sie geht davon aus, dass die Parteien stets die beste Lösung finden, wenn sie alles verstanden haben. Bei einer gerichtlichen Klage kommt es auf das Verständnis nicht an. Das Verfahren richtet sich am Klageantrag aus, worüber zu entscheiden ist. Um den Antrag stellen zu können, müssen die Parteien wissen, was sie vom Gegner verlangen. Sie können nur verlangen, wofür es eine Rechtsgrundlage gibt. In der Mediation wird kein Klageantrag vorausgesetzt. Die Parteien können durchaus mit offenen Fragen eine Mediation beginnen. Was zu klären ist, wird mit einer Themensammlung erarbeitet. Die Themen können über den Verhandlungsgegenstand eines Gerichtsverfahrens hinausghehen und sich mit Fragen auseinandersetzen, wie z.B. ob eine Beziehung fortzusetzen ist, wie eine Zusammenarbeit optimiert werden kann, wie sich das Betriebsklima verbessern lässt, wie sich Zufriedenheit herstellen lässt usw.
Welche Themen kommen in Betracht?
Logisch betrachtet verliert der Streit seinen Anlass, sobald das Problem gelöst ist.
Psychologisch betrachtet führt die Problemlösung aber nur dann zu einer Befriedung, wenn die Parteien verstanden haben, dass die Lösung die eigentliche Problemursache nur beseitigt, wenn sich mit der Lösung auch das Motiv zum Streiten erübrigt.2
Die Überlegungen zeigen, dass es außer der Sachfrage noch andere Aspekte gibt, die es zu beachten gilt. Der Babysitterfall hat deutlich gemacht, dass es im Grunde nicht um den Umgang des Vaters mit dem Kind ging. Wenn Sie sich das Einführungsvideo zur Mediation anschauen. Auch dort fällt auf, dass der Mediator kaum über das auslösende Problem der Handyüberlassung gesprochen hat, sondern über die Beziehung der Eltern zueinander. Unabhängig vom Gegenstand und den gewählten Themen kann ein nachhaltiger Erfolg einer Regelung nur dann angenommen werden, wenn die Regelung zumindest nachvollzogen und eingesehen wird, wenn sie schon nicht gewollt ist. Aber selbst dann dürfte sich noch ein Widerstand bilden, der sich im vorliegenden Fall auf die weiteren Interaktionen der Eltern auswirken wird. Stellen Sie sich einfach vor, der Richter hätte die Umgangsfrage zugunsten der Mutter oder dem Vater entschieden. Wäre der Streit damit erledigt und der Konflikt bewältigt? Hätte der andere Elternteil sich mit der Entscheidung abgefunden und sie sogar eingesehen? Wahrscheinlicher ist, dass er die Unfähigkeit der Justiz, des Richters oder seine Voreingenommenheit unterstellt hätte, um seiner Ablehnung einen Grund zu geben.
Wie lässt sich diese Einsicht den Parteien vermitteln?
Anders als die Schlichtung, geht die Mediation davon aus, dass sich die Lösung nicht top down durch Überzeugung, sondern bottom up aus dem Verstehen heraus entwickelt. Eine so gefundene Lösung impliziert nicht nur die Einsicht zur Problemlösung, sondern auch ihre Passgenauigkeit.
Die Bedeutung des Verstehens
Das Verstehen definiert sowohl die Basis wie den Radius, in dem eine Lösung zu finden ist. Je mehr verstanden wierd, umso mehr Informationen können verarbeitet und ins Kalkül gezogen werden. Allerdings erfordert das Verstehen die Einsicht, dass es Informationslücken gibt und die Bereitschaft, verstehen zu wollen. Sie ist im Konflikt nicht immer stark ausgeprägt.
Der Grundsatz, je mehr ich verstehe, um umso mehr kann ich lösen, führt zu der einfachen Formel:
Natürlich versteht die Partei in ihrer Selbstwahrnehmung alles. "Ich weiß doch was ich sehe", ist eine Äußerung, die häufig in der Mediation zu hören ist. Aber was ist mit dem Gegner, der den Konflikt anders sieht? Damit die Parteien die Lösung gleichförmig verstehen können, müssen sie den gleichen Verstehensumfang haben. Aus dieser Erkenntnis lässt sich eine Herangehensweise ableiten. Sie klingt aber leichter als sie ist. Der Konflikt erschwert, was dem Menschen außerhalb eines Konfliktes ohne weiteres möglich ist. Konfliktbedingte Verstehensdefizite ergeben sich aus einem emotional geprägten Denken, aus der einseitig geprägten Wahrnehmungsperspektive und der unterschätzten Komplexität des Falles.3 Würden die Parteien einander verstehen, gäbe es keine endlosen Streitereien. Im Fachbuch Mediation setzen wir uns noch intensiv mit der Frage auseinander, was Verstehen im Konflikt bedeutet, was es ermöglicht und was es verhindert.
Was ist Mediation?
An dieser Stelle mag die Feststellung genügen, dass die Mediation nur solche Lösungen akzeptiert, die auf einem wechselseitigen Verstehen begründet sind. Ein guter Mediator wird keine Lösung unterstützen, wenn er nicht den Eindruck hat, dass die Partei voll dahintersteht. Damit eine Mediation zu einem guten Ergebnis kommt, müssen die Parteien mitarbeiten. Sie müssen also motiviert sein, sich auf die Mediation einzulassen.
Das ist manchmal eine Herausforderung, denn die Lösung wird nicht vorgegeben. Im Gerichtsverfahren können sie einschätzen, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass ihrem Antrag stattgegeben wird. In der Mediation müssen sie vertrauen, dass die Reise ans Ziel kommt. Die Lösung wird erarbeitet, weshalb sie sich auf alles einlassen kann, was unterwegs zur Sprache kommt. Sicher ist lediglich, dass nur Lösungen zustandekommen, die eine maximale Zufriedenheit aller Parteien garantiert.
Bilder helfen, die Mediation zu verstehen
Definition Mediation
Auch wenn das Mediationsgesetz definiert, was Mediation ist, verbleiben Fragen.4 Jedenfalls geht das Potenzial der Mediation weit über das hinaus, was im Gesetz geregelt ist.5 Wird die Mediation aus dem formellen Verfahrensverständnis herausgenommen, dann ergibt sich die folgende Definition:
Mediation: Es gibt immer eine Lösung
Anwendungsfälle für eine Mediation
Die Mediation ist zu empfehlen in Fällen,
- wo eine Lösung nicht durchsetzbar ist (sondern zu suchen ist)
- wo scheinbar unlösbare Widersprüche (Dilemmata) aufzulösen sind
- wo es auf Akzeptanz des Gegners oder gar dessen Mithilfe ankommt
- bei denen es auf mehr ankommt, als der gesetzliche Tatbestand beschreibt.
- wo Nachhaltigkeit und weitere Zusammenarbeit oder Fortsetzung der Beziehung eine Rolle spielen
- wo Eskalation zu vermeiden ist
Fallbeispiele helfen, die Mediation zu verstehen
Die Rolle des Verfahrens
Warum braucht die Verstehensvermittlung ein Verfahren?
Vielleicht erschließt sich diese Frage besser, wenn Sie an einen Vorgang denken. Die Mediation im Sinne des Mediationsgesetzes ist zwar ein juristisch definiertes Verfahren. Sie lässt sich aber auch außerhalb dieses Rahmens in einem größeren Radius methodisch abbilden.6
Der Verfahrenszweck
Bei der Mediation geht es darum, eine Lösung zu finden. Es geht nicht darum, Recht zu haben oder zu bekommen. Das wäre ein Nebeneffekt. Im Vordergrund steht der Gedanke, das Beste aus einer Situation zu machen und soweit möglich, eine konfliktfreie Zukunft herzustellen. Damit dies gelingt, verschiebt die Mediation den Fokus von der Lösung in den Nutzen hinein.
Die von den Parteien gefundene Lösung wird bei Bedarf mit der möglichen Lösung anderer Verfahren (etwa der eines Gerichtsverfahrens) verglichen und gegenübergestellt,7 sodass die Parteien stets Alternativen haben unter denen Sie wählen können.8 Wie sich der Nutzen gestaltet, ergibt die nächste Station unserer Tour.
Das Verfahrensmanagement
Die Mediation ist ein komplexer Vorgang. Wer ihn ausschöpfen will, braucht ein umfassendes Know-How, damit der Prozess seinen Zweck erfüllen kann. Theoretisch kann eine Partei (ein Betroffener) diesen Prozess auch selbst steuern. Meist verhindern die Betroffenheit und der Konflikt jedoch die alles umfassende Sicht der Metaebene. Nur sie ist in der Lage ist, die Betroffenheit beider (aller) Parteien im Blick zu haben. Spätestens wenn diese Sicht verloren ist, wird die Einschaltung einer neutralen, dritten Person (Richter, Schlichter, Mediator) notwendig. Wann eine dritte Person einzuschalten ist, bemerken Sie spätestens dann, wenn weder Ihre Bemühungen, noch die Ihres Beraters oder Vertreters dazu führen, die erforderliche Einsicht, Zustimmung oder gar Mitwirkung (Handlung) des Gegners herbeizuführen und wenn sie in eine Eskalation, statt in eine Deeskalation führen.
Was tun wenn ...?
- ... eine Schlichtung als Mediation bezeichnet wird
- ... ein Wesensmerkmal der Mediation verletzt wird
- ... die Parteien glauben, dass ihr Problem im Gericht besser aufgehoben sei
- ... ein Gerichtsverfahren bereits anhängig ist
Verfahrensstand
Im Babysitterfall haben die Parteien erkannt, dass die Wahl des Verfahrens ausschlaggebend für die Qualität der Lösung ist. Die Mediation ist für sie eine ernst zu nehmende Option, weil sie davon ausgehen, dass eine Lösung, die allen gerecht wird und auf wechselseitigem Verstehen beruht, die größte Nachhaltigkeit verspricht.
Wenn Sie die Reise durch die Konfliktbeilegung als anstrengend empfinden, ist das ein Zeichen dafür, dass Sie noch auf dem richtigen Kurs liegen. Noch besser ist es, wenn Sie neugierig sind, wie die Reise weitergeht.
Klicken Sie auf den Fahrschein, um zur nächsten Station zu gelangenEine Liste der Fragen und Entscheidungen entlang der Konfliktbeilegung finden Sie in der Zusammenfassung
Quellenangaben: Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen
Alias: Vermittlung, B03-Vermittlung-Mediation
Siehe auch: Hilfestellungen, Problemlöser, Mediation
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